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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/163

Ab­mah­nung und Be­triebs­rat

Der Be­triebs­rat kann nicht ge­gen die Ab­mah­nung sei­ner Mit­glie­der vor­ge­hen, aber dem be­trof­fe­nen Be­triebs­rats­mit­glied steht das Be­schluss­ver­fah­ren of­fen: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 04.12.2013, 7 ABR 7/12
Betriebsratsbüro Betriebsratsbeschluss Die Ab­mah­nung ei­nes Mit­glieds be­las­tet auch den Be­triebs­rat als Gre­mi­um

06.05.2014. Manch­mal ist der Ar­beit­ge­ber über das Ver­hal­ten ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds so ver­är­gert, dass er ihm ei­ne Ab­mah­nung aus­spricht.

Das geht den Be­triebs­rat als Gre­mi­um nichts an, wenn die Ab­mah­nung ein Ver­hal­ten des ab­ge­mahn­ten Be­triebs­rats­mit­glieds be­trifft, das wie­der­um nichts mit sei­ner Ar­beit als Be­triebs­rat zu tun hat.

Mahnt der Ar­beit­ge­ber da­ge­gen ein Mit­glied des Be­triebs­rats we­gen ei­nes Ver­hal­tens ab, das im Zu­sam­men­hang mit sei­ner Tä­tig­keit als Be­triebs­rat steht, schießt er mit der Ab­mah­nung mit­tel­bar auch auf den Be­triebs­rat, d.h. auf das Gre­mi­um.

Der Be­triebs­rat als Gre­mi­um kann al­ler­dings ge­gen ei­ne sol­che Ab­mah­nung ei­nes sei­ner Mit­glie­der ge­richt­lich nicht vor­ge­hen, so das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung: BAG, Be­schluss vom 04.12.2013, 7 ABR 7/12.

Kann der Be­triebs­rats auf der Grund­la­ge des Be­hin­de­rungs­ver­bo­tes gemäß § 78 Satz 1 Be­trVG die Rück­nah­me ei­ner Ab­mah­nung ver­lan­gen, die der Ar­beit­ge­ber ei­nem Be­triebs­rats­mit­glie­der aus­ge­spro­chen hat?

Gemäß § 78 Satz 1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) dürfen die Mit­glie­der des Be­triebs­rats in der Ausübung ih­rer Tätig­keit nicht gestört oder be­hin­dert wer­den. Und gemäß § 78 Satz 2 Be­trVG dürfen sie "we­gen ih­rer Tätig­keit nicht be­nach­tei­ligt oder begüns­tigt wer­den; dies gilt auch für ih­re be­ruf­li­che Ent­wick­lung".

Er­teilt der Ar­beit­ge­ber ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied ei­ne Ab­mah­nung we­gen ei­nes an­geb­li­chen Pflicht­ver­s­toßes, den das Be­triebs­rats­mit­glied in Ausübung sei­nes Am­tes oder im Zu­sam­men­hang mit sei­ner Be­triebs­ratstätig­keit be­gan­gen ha­ben soll, stellt sich erst ein­mal die Fra­ge, ob Amt und Ar­beits­ver­trag nicht grundsätz­lich zu tren­nen sind:

Im­mer­hin sol­len Be­triebsräte ih­ren Ar­beit­ge­ber "ärgern", und wenn sie da­bei über die Stränge schla­gen, kann das gemäß § 23 Abs.1 Satz 1 Be­trVG den Aus­schluss aus dem Be­triebs­rat zur Fol­ge ha­ben. Dem­ge­genüber gefähr­det ei­ne Ab­mah­nung den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses und ist da­mit viel­leicht von vorn­her­ein die fal­sche Re­ak­ti­on.

An­de­rer­seits ist die Stel­lung als Be­triebs­rats­mit­glied kein Frei­brief für Pflicht­verstöße, die so­wohl das Ar­beits­verhält­nis als auch die Be­triebs­rats­auf­ga­ben be­tref­fen. Ein Bei­spiel ist die Un­ter­bre­chung der Ar­beit zur Wahr­neh­mung von Be­triebs­rats­auf­ga­ben, die zwar vom Ar­beit­ge­ber nicht ge­neh­migt wer­den muss, ihm aber mit­zu­tei­len ist. Verstößt ein Be­triebs­rat ge­gen die­se Pflicht zur Mit­tei­lung, ist ei­ne Ab­mah­nung möglich.

Manch­mal liegt bei sol­chen Ab­mah­nun­gen der Ver­dacht na­he, dass der Ar­beit­ge­ber mit­tel­bar auf den Be­triebs­rat zielt. Denn wenn Be­triebs­rats­mit­glie­der öfter oder "ziel­ge­rich­tet" ab­ge­mahnt wer­den we­gen an­geb­li­cher Pflicht­verstöße, die eng mit der Be­triebs­rats­ar­beit zu­sam­menhängen, ist ei­ne un­be­fan­ge­ne Be­triebs­rats­ar­beit nicht mehr möglich.

So ge­se­hen be­las­ten sol­che Ab­mah­nun­gen, falls sie (of­fen­sicht­lich) un­be­rech­tigt sind, nicht nur das un­mit­tel­bar be­trof­fe­ne Be­triebs­rats­mit­glied, son­dern auch den Be­triebs­rat als Gre­mi­um, d.h. als Or­gan der Be­triebs­ver­fas­sung. Dann liegt es für den Be­triebs­rat na­he, selbst ge­gen den Ar­beit­ge­ber ge­richt­lich vor­zu­ge­hen und die Ent­fer­nung der Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te des ab­ge­mahn­ten Kol­le­gen zu ver­lan­gen, und zwar im Be­schluss­ver­fah­ren, das in al­len In­stan­zen auf Kos­ten des Ar­beit­ge­bers geht.

Der Fall des BAG: Be­triebs­rats­mit­glied wird ab­ge­mahnt, weil er un­zulässig Ein­fluss auf ei­ne Be­schwer­de führen­de Ar­beit­neh­me­rin ge­nom­men ha­ben soll

Der vom BAG ent­schie­de­ne Fall spielt in ei­nem psych­ia­tri­schen Kran­ken­haus und be­gann da­mit, dass sich ei­ne Ar­beit­neh­me­rin über den Haus­meis­ter beim Ar­beit­ge­ber be­schwert hat­te, weil die­ser an­geb­lich ei­nen Heim­be­woh­ner be­schimpft und be­droht ha­ben soll.

Der Haus­meis­ter wand­te sich an den Be­triebs­rat. Dar­auf­hin spra­chen zwei Be­triebs­rats­mit­glie­der, un­ter an­de­rem der Vor­sit­zen­de, mit der Be­schwer­de führen­den Ar­beit­neh­me­rin über den Vor­fall. Die­ses Gespräch hat­te ei­ne er­neu­te Be­schwer­de der Ar­beit­neh­me­rin zur Fol­ge, dies­mal ge­rich­tet ge­gen die bei­den Be­triebs­rats­mit­glie­der. Denn die­se sol­len die Ar­beit­neh­me­rin an­geb­lich da­zu ge­drängt ha­ben, ih­re ge­gen den Haus­meis­ter ge­rich­te­te Be­schwer­de ab­zu­schwächen.

Das wie­der­um nahm der Ar­beit­ge­ber zum An­lass, den bei­den Be­triebsräten ei­ne Ab­mah­nung zu er­tei­len, in der es heißt:

"Nach dem von Frau L be­kannt ge­mach­ten Gesprächs­ver­lauf be­steht für uns der drin­gen­de Ver­dacht, dass Sie auch aus straf­recht­li­cher Sicht in un­zulässi­ger Wei­se ver­sucht ha­ben, Druck auf Frau L aus­zuüben, um die­se zu ver­an­las­sen, ih­re tatsächli­chen Wahr­neh­mun­gen an­ders dar­zu­stel­len, als wie sie sie wahr­ge­nom­men hat. Dies ist ei­ne schwer­wie­gen­de Ver­let­zung auch Ih­rer ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen. Sie ha­ben da­mit auch ge­gen das Rück­sicht­nah­me- und Über­maßver­bot ver­s­toßen. Wir mah­nen Sie des­halb ab und wei­sen dar­auf­hin, dass wir uns für den Fall ei­ner Wie­der­ho­lung vor­be­hal­ten, das mit Ih­nen be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis auch außer­or­dent­lich zu kündi­gen."

Der Be­triebs­rat und die bei­den ab­ge­mahn­ten Be­triebs­rats­mit­glie­der zo­gen vor das Ar­beits­ge­richt Han­no­ver und be­an­trag­ten dort im Be­schluss­ver­fah­ren die Fest­stel­lung, dass die Ab­mah­nung ei­ne Störung der Be­triebs­ar­beit sei, hat­ten da­mit aber kei­nen Er­folg (Ar­beits­ge­richt Han­no­ver, Be­schluss vom 17.08.2010, 6 BV 14/10).

Vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nie­der­sach­sen im Be­schwer­de­ver­fah­ren stell­ten sie außer­dem den An­trag, den Ar­beit­ge­ber zu ver­pflich­ten, die dem Vor­sit­zen­den er­teil­te Ab­mah­nung zurück­zu­neh­men und aus sei­ner Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen. Das LAG wies al­le Anträge zurück (LAG Nie­der­sach­sen, Be­schluss vom 30.11.2011, 16 TaBV 75/10).

BAG: Der Be­triebs­rat kann nicht ge­gen die Ab­mah­nung sei­ner Mit­glie­der vor­ge­hen, aber dem be­trof­fe­nen Be­triebs­rats­mit­glied steht das Be­schluss­ver­fah­ren of­fen

Das BAG gab dem An­trag des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung statt. Mit al­len an­de­ren Anträgen hat­ten der Be­triebs­rat und die bei­den Be­triebs­rats­mit­glie­der da­ge­gen kei­nen Er­folg.

Denn der Be­triebs­rat hat nach An­sicht des BAG kei­nen An­spruch dar­auf, vom Ar­beit­ge­ber die Ent­fer­nung ei­ner Ab­mah­nung zu ver­lan­gen, die der Ar­beit­ge­ber ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied er­teilt hat. Der An­spruch auf Ent­fer­nung ei­ner Ab­mah­nung ist nämlich ein "höchst­persönli­ches Recht des be­trof­fe­nen Be­triebs­rats­mit­glieds", so das BAG.

Auch die Fest­stel­lungs­anträge des Be­triebs­rats hat­ten kei­nen Er­folg. Der auf die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der Ab­mah­nun­gen ge­rich­te­te An­trag war un­zulässig, weil der Be­triebs­rat hier an kei­nem fest­stel­lungsfähi­gen Rechts­verhält­nis be­tei­ligt war. Der Sa­che nach, so das BAG, "er­strebt der Be­triebs­rat mit ihm die recht­li­che Be­gut­ach­tung ei­ner Vor­fra­ge für ei­nen An­spruch auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te." Ein wei­te­rer Fest­stel­lungs­an­trag des Be­triebs­rats war zu un­be­stimmt.

Al­ler­dings war der An­trag des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung aus sei­ner Per­so­nal­ak­te im Be­schluss­ver­fah­ren zulässig und be­gründet. Denn der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de hat­te das Be­schluss­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet, weil er sich durch die Ab­mah­nung in sei­nen be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Rech­ten als Be­triebs­rats­mit­glied ver­letzt sah, und das war nach La­ge der Din­ge nicht ab­we­gig.

Dass ne­ben der be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Rechts­po­si­ti­on des ab­ge­mahn­ten Vor­sit­zen­den auch sei­ne in­di­vi­du­al­recht­li­chen Rech­te als Ar­beit­neh­mer von der Ab­mah­nung be­trof­fen wa­ren, ist kein Grund, ihn auf das Ur­teils­ver­fah­ren zu ver­wei­sen.

Sch­ließlich hat­te der An­trag auch in der Sa­che Er­folg, wo­bei sich das BAG auf den in­di­vi­du­al­recht­li­chen An­spruch auf Ent­fer­nung ei­ner un­zulässi­gen Ab­mah­nung stütz­te, d.h. auf § 242 in Verb. mit § 1004 Abs.1 Satz 1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB). Denn die Ab­mah­nung war völlig ne­bulös und da­her schon auf­grund ih­rer Un­klar­heit rechts­wid­rig. Ob der An­spruch auch auf § 78 Be­trVG als An­spruchs­grund­la­ge gestützt wer­den konn­te, ließ das BAG of­fen.

Fa­zit: Der Be­schluss des BAG ist für Be­triebs­rats­mit­glie­der, die Ab­mah­nun­gen we­gen oder im Zu­sam­men­hang mit ih­rer Amtstätig­keit er­hal­ten, von großer Be­deu­tung. Denn im Ur­teils­ver­fah­ren trägt je­de Par­tei in der ers­ten In­stanz ih­re An­walts­kos­ten selbst, auch wenn sie ge­winnt, und vor dem LAG oder dem BAG kann es teu­er wer­den, wenn der Pro­zess ver­lo­ren geht. Müss­ten Be­triebs­rats­mit­glie­der in ver­gleich­ba­ren Fällen im­mer im Ur­teils­ver­fah­ren ge­gen Ab­mah­nun­gen vor­ge­hen, könn­te sie der Ar­beit­ge­ber leicht durch im­mer er­neu­te Ab­mah­nun­gen in Kos­ten­ri­si­ken trei­ben und da­mit letzt­lich zermürben.

Dem­ge­genüber ist es von vorn­her­ein mit kei­nen Kos­ten ver­bun­den, ge­gen Ab­mah­nun­gen im Be­schluss­ver­fah­ren vor­zu­ge­hen. Vor­aus­set­zung ist al­ler­dings, dass die strei­ti­gen Ab­mah­nun­gen ei­nen aus­rei­chend kla­ren Be­zug zu der Ar­beit als Be­triebs­rat auf­wei­sen, so dass das Be­triebs­rats­mit­glied er­ho­be­nen Haup­tes vor Ge­richt die Auf­fas­sung ver­tre­ten kann, es stütze sei­nen An­spruch auch auf § 78 Be­trVG. Ob das auch im Er­geb­nis rich­tig ist und vom Ge­richt bestätigt wird, spielt für die Zulässig­keit des Be­schluss­ver­fah­rens kei­ne Rol­le.

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Letzte Überarbeitung: 19. Januar 2017

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