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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/157

Al­ters­teil­zeit und Be­triebs­ren­te

Al­ters­teil­zeit darf nicht zu ei­ner un­ge­recht­fer­tig­ten Ver­rin­ge­rung der Be­triebs­ren­te füh­ren: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 17.04.2012, 3 AZR 280/10
Sparschwein mit Aufschrift Altersvorsorge Wenn das deut­sche Be­triebs­ren­ten­recht mal so ein­fach wä­re...

18.04.2012. Ar­beit­neh­mer, die in Teil­zeit be­schäf­tigt wer­den, dür­fen ge­mäß § 4 Abs.1 Satz 1 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) nicht oh­ne sach­li­chen Grund schlech­ter als voll­zeit be­schäf­tig­te Ar­beit­neh­mer be­han­delt wer­den. Teil­zeit­ar­beit­neh­mer ha­ben grund­sätz­lich die glei­chen Rech­te wie voll­zeit be­schäf­tig­te Ar­beit­neh­mer.

Aber heißt das auch, dass Ar­beit­neh­mer, die nach ei­ner Al­ters­teil­zeit in Ren­te ge­gan­gen sind, kei­ne Kür­zun­gen ih­rer Be­triebs­ren­te dul­den müs­sen? Da sie in­fol­ge der Al­ters­teil­zeit we­ni­ger ge­ar­bei­tet ha­ben als Voll­zeit­kräf­te, kann die Be­triebs­ren­te zwar an­tei­lig ge­min­dert wer­den, aber nicht mit ei­ner zu ra­bia­ten Pau­schal­me­tho­de, wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ges­tern klar­ge­stellt hat: BAG, Ur­teil vom 17.04.2012, 3 AZR 280/10.

Kürzung der Be­triebs­ren­te auf­grund von Teil­zeit­beschäfti­gung ja - aber wie?

Dass Teil­zeit­kräfte vor ei­ner sach­lich nicht ge­recht­fer­tig­ten Schlech­ter­stel­lung ge­genüber Voll­zeit­kräften geschützt sind, heißt nicht, dass sie in al­len Hin­sich­ten sche­ma­tisch gleich be­han­delt wer­den müss­ten. Wer nur 20 St­un­den pro Wo­che ar­bei­tet, kann nicht un­ter Hin­weis auf § 4 Abs.1 Tz­B­fG ver­lan­gen, ei­nen eben­so ho­hen Mo­nats­lohn wie ei­ne Voll­zeit­kraft zu be­kom­men, da er dann ja den dop­pel­ten St­un­den­lohn er­hal­ten würde und sich da­durch letzt­lich bes­ser ste­hen würde.

Ge­nau das steht da­her auch im Ge­setz, d.h. in § 4 Abs.1 Satz 2 Tz­B­fG. Die­se Vor­schrift lau­tet: "Ei­nem teil­zeit­beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer ist Ar­beits­ent­gelt oder ei­ne an­de­re teil­ba­re geld­wer­te Leis­tung min­des­tens in dem Um­fang zu gewähren, der dem An­teil sei­ner Ar­beits­zeit an der Ar­beits­zeit ei­nes ver­gleich­ba­ren voll­zeit­beschäftig­ten Ar­beit­neh­mers ent­spricht."

Die­se Vor­ga­be gilt auch für die An­wart­schaft auf ei­ne Be­triebs­ren­te. Wer über ei­nen Zeit­raum von z.B. 20 Jah­ren in ei­nem Be­trieb tätig ist und während die­ser Zeit sechs Jah­re in Teil­zeit ge­ar­bei­tet hat, hat am En­de der 20 Jah­re nicht nur we­ni­ger ver­dient, son­dern muss sich auch mit ei­ner ge­rin­ge­ren Be­triebs­ren­te zu­frie­den ge­ben als sie ein ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer ver­lan­gen kann, der die ge­sam­te Zeit über voll­zei­tig ge­ar­bei­tet hat.

Frag­lich ist al­ler­dings, ob die­se Kürzung der Be­triebs­ren­te bzw. der Ren­ten­an­wart­schaft pau­schal be­rech­net wer­den kann, z.B. in­dem man nur auf die letz­ten zehn Jah­re der Be­rufstätig­keit vor dem Ren­ten­be­ginn schaut. Das würde da­zu führen, dass Ar­beit­neh­mer für ei­ne Al­ters­teil­zeit übermäßig blu­ten müss­ten. Denn wer sich z.B. in den letz­ten sechs Jah­ren vor Be­ginn sei­nes al­ters­be­ding­ten Aus­schei­dens für ei­ne Al­ters­teil­zeit ent­schie­den hat und da­her während der Al­ters­teil­zeit nur 50 Pro­zent sei­ner nor­ma­len Voll­zeit­ar­beit ge­leis­tet hat, würde durch ei­ne sol­che pau­scha­le Kürzung sei­ner Be­triebs­ren­te stärker be­las­tet als wenn man auf die ge­sam­te Dau­er sei­ner 20jähri­gen Beschäfti­gung ab­stel­len würde.

Ei­ne sol­che Pau­scha­li­sie­rung ist recht­lich nicht zulässig, so das BAG.

BAG: Ar­beit­neh­mer dürfen in­fol­ge ei­ner Al­ters­teil­zeit beim The­ma Be­triebs­ren­te nicht schlech­ter be­han­delt wer­den

Im Streit­fall war ein Ar­beit­neh­mer 01.07.1977 bis zum 31.05.2008 bei dem be­klag­ten Ar­beit­ge­ber als Che­mie­ar­bei­ter beschäftigt. Während der letz­ten sechs Jah­re sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses (vom 01.06.2002 bis zum 31.05.2008) nahm er Al­ters­teil­zeit in An­spruch und re­du­zier­te sei­ne Ar­beits­zeit auf 50 Pro­zent der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit ver­gleich­ba­rer voll­zeit­beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer.

Da es für die Höhe sei­ner Be­triebs­ren­te auf den durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­grad an­kam, woll­te er ei­ne Be­triebs­ren­te ha­ben, die ei­nem Beschäfti­guns­grad von 100 ent­spricht. Das hätte ei­ne mo­nat­li­che Be­triebs­ren­te von 386,61 EUR er­ge­ben. Zu­min­dest aber woll­te er ei­ne Be­triebs­ren­te von mo­nat­lich 349,19 EUR ha­ben, die sich er­rech­net, wenn man ei­nen durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­grad von 90,32 zu­grun­de legt. Ein sol­cher Beschäfti­gungs­grad er­gibt sich, wenn man die durch die Al­ters­teil­zeit be­ding­te Ver­min­de­rung sei­ner Ar­beits­zeit auf die ge­sam­te für die Be­triebs­ren­te maßgeb­li­che Beschäfti­gungs­zeit um­legt.

Der Ar­beit­ge­ber da­ge­gen leg­te nur ei­nen durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­grad von 70 zu­grun­de und be­rief sich da­bei auf ei­ne Son­der­re­ge­lung in sei­ner Ver­sor­gungs­ord­nung. Die­ser Son­der­re­ge­lung zu­fol­ge kam es bei der Er­mitt­lung des durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­gra­des von Teil­zeit­kräften auf die letz­ten zehn Jah­re des Ar­beits­verhält­nis­ses an, und die­se Re­ge­lung ver­ha­gel­te dem Ar­beit­neh­mer in­fol­ge der Al­ters­teil­zeit sei­nen Durch­schnitt. Denn auf­grund der sechsjähri­gen Teilt­zeit von 50 Pro­zent kam er in den letz­ten zehn Jah­ren nur auf durch­schnitt­lich 70 Pro­zent der Ar­beits­zeit ei­nes Voll­zeit­ar­beit­neh­mers. Das er­gab ei­ne Be­triebs­ren­te von mo­nat­lich 270,63 EUR, und die zahl­te der Ar­beit­ge­ber.

Da­mit kam er noch in der ers­ten In­stanz vor dem Ar­beits­ge­richt Ha­meln durch (Ar­beits­ge­richt Ha­meln, Ur­teil vom 29.04.2009,3 Ca 618/08 B), doch war das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nie­der­sach­sen der An­sicht, dem Ar­beit­neh­mer stünde ei­ne Be­triebs­ren­te von 349,19 EUR zu, d.h. in der Höhe, die sich bei ei­nem Beschäfti­gungs­grad von 90,32 er­rech­net (LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 18.03.2010, 4 Sa 782/09 B). Und auch das BAG ent­schied zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers.

In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mit­tei­lung des BAG be­ruft sich das BAG auf ei­ne Aus­le­gung der Ver­sor­gungs­ord­nung. Sie er­gibt, so das BAG, dass die für Teil­zeit­beschäftig­te ge­trof­fe­ne Son­der­re­ge­lung zur Be­rech­nung der Be­triebs­ren­te auf Al­ters­teil­zeit-Ar­beit­neh­mer kei­ne An­wen­dung fin­det. Al­ters­teil­zeit-Ar­beit­neh­mer sind laut BAG mit an­de­ren Teil­zeit­beschäftig­ten nicht gleich zu be­han­deln. Folg­lich rich­tet sich die Be­rech­nung der Be­triebs­ren­te des Klägers nach der für Voll­zeit­beschäftig­te ge­trof­fe­nen Grund­re­ge­lung, so das BAG.

Fa­zit: Es ist der Pres­se­mit­tei­lung des BAG nicht ein­deu­tig zu ent­neh­men, ob das BAG der Mei­nung ist, dass die strit­ti­ge Be­triebs­ren­te auf Ba­sis ei­nes durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­gra­des von 100 oder "nur" von 90,32 zu be­rech­nen ist. Da ei­ne Be­rech­nung auf der Grund­la­ge von 100 Pro­zent aber zu ei­ner sach­lich nicht ge­recht­fer­tig­ten Bes­ser­stel­lung des Ar­beit­neh­mers führen würde, ist da­von aus­zu­ge­hen, dass sich das BAG der Ar­gu­men­ta­ti­on des LAG an­ge­schlos­sen hat.

Und das LAG hat zu­recht be­tont, dass der Ar­beit­ge­ber oh­ne große Mühe den durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­grad für die ge­sam­te Dau­er der Beschäfti­gung er­rech­nen kann, so dass die al­lei­ni­ge Be­trach­tung der letz­ten zehn Jah­re nicht als Pau­scha­li­sie­rung bzw. Ar­beits­ver­ein­fa­chung bei der Ren­ten­be­rech­nung sach­lich ge­recht­fer­tigt ist.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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