HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 27.09.2011, 1 Sa 538 e/10

   
Schlagworte: Anfechtung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 1 Sa 538 e/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 27.09.2011
   
Leitsätze:

1. Eine Täuschung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB kann auch durch das Unterlassen der rechtlich gebotenen Aufklärung über eine Kassendifferenz bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Übergabe der Kasse bestehen.

2. Wird die Kassenabrechnung anweisungsgemäß erstellt und die Differenz ausgewiesen, ist bereits zweifelhaft, ob vom Arbeitnehmer etwas verschwiegen wird, wenn er vor Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs mit Generalquittung nicht noch einmal von sich aus auf die Differenz hinweist.

3. Jedenfalls besteht eine Rechtspflicht zur Aufklärung nicht mehr, wenn zwischen Übergabe der Kasse und arbeitsgerichtlichem Vergleich ein Zeitraum von ca. 6 Wochen liegt.

4. Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob ein mit der Kassenführung beauftragter Arbeitnehmer von sich aus zur Aufklärung einer von ihm begangenen Unterschlagung verpflichtet ist.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 7.10.2010, 2 Ca 1679/10
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

Ak­ten­zei­chen: 1 Sa 538 e/10 2 Ca 1679/10 ArbG Lübeck
(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

 

Verkündet am 27.09.2011

gez. ...
als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

In dem Rechts­streit

pp.

hat die 1. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 27.09.2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt ... als Vor­sit­zen­den und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin ... und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer

für Recht er­kannt:

 

- 2 -

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Lübeck vom 07.10.2010 - 2 Ca 1679/10 - teil­wei­se geändert.
Der Wi­der­kla­ge­an­trag zu 3) wird ab­ge­wie­sen. Im Übri­gen wird die Be­ru­fung zurück­ge­wie­sen. Der Wi­der­kla­ge­an­trag zu 4) wird ab­ge­wie­sen.

Die Be­klag­te trägt die Kos­ten der Be­ru­fung.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist das Rechts­mit­tel der Re­vi­si­on nicht ge­ge­ben; im Übri­gen wird auf § 72 a ArbGG ver­wie­sen.

 

- 3 -

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­nes Pro­zess­ver­gleichs, den Fort­be­stand ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses so­wie Scha­dens­er­satz- und Rück­zah­lungs­ansprüche der Be­klag­ten.

Der Kläger war ab 16.12.2009 auf der Grund­la­ge ei­nes schrift­li­chen Ar­beits­ver­trags (Bl. 6 - 9 d. A.) bei der Be­klag­ten beschäftigt, seit 01.06.2009 als Nie­der­las­sungs­lei­ter der Fi­lia­le L.. Hierfür er­hielt er ein Brut­to­mo­nats­ge­halt von 3.300,-- €. Zu sei­nen Auf­ga­ben gehörte u. a. das Führen der Kas­se in der Fi­lia­le. Die Be­klag­te be­treibt ein Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men mit mehr als 10 Ar­beit­neh­mern.

Am 26.04.2010 such­ten zwei Geschäftsführer der Be­klag­ten den Kläger in L. auf. Sie teil­ten ihm mit, dass sei­ne Kündi­gung be­ab­sich­tigt sei und stell­ten ihn ab dem nächs­ten Tag frei. Der Kläger räum­te im An­schluss an die­ses Gespräch sei­nen Ar­beits­platz auf und er­stell­te ei­ne Kas­sen­ab­rech­nung bis zum 26.04.2010. Die­se (An­la­ge B 4, Bl. 44 d. A.) wies ei­nen Kas­sen­be­stand von 8.450,13 € aus. Die Kas­sen­ab­rech­nung nebst Be­le­gen über­sand­te der Kläger - wie auch in der Ver­gan­gen­heit je­weils mo­nat­lich ge­sche­hen - an das Büro des Steu­er­be­ra­ters der Be­klag­ten in Ham­burg. Tatsächlich be­trug der Be­stand der Kas­se 534,59 €. Die­sen Be­trag nebst ei­ner Kas­sen­ab­rech­nung, die die­sen Be­stand als An­fangs­be­trag aus­wies, überg­ab der Kläger an die stell­ver­tre­ten­de Nie­der­las­sungs­lei­te­rin der Be­klag­ten Frau S..

Am 27.04.2010 er­hielt der Kläger in der Zen­tra­le der Be­klag­ten in A. ei­ne schrift­li­che Kündi­gung zum 31.05.2010 aus­gehändigt. Im Rah­men ei­nes Gesprächs ver­ein­bar¬ten die Par­tei­en, dass das Ar­beits­verhält­nis bis zum 30.06.2010 fort­be­ste­hen soll­te. Der Kläger er­hielt ein ent­spre­chen­des, auf den 30.05.2010 da­tier­tes Kündi­gungs¬schrei­ben und un­ter­zeich­ne­te sei­ner­seits ei­ne Kla­ge­ver­zichts­ver­ein­ba­rung (An­la­gen B 1 und B 2, Bl. 17 und 18 d. A.). In die­sem Gespräch wur­de auch die Möglich­keit ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers im Kon­zern der Be­klag­ten erörtert.

 

- 4 -

Nach­dem die­se sich zer­schla­gen hat­te, focht der Kläger die Ver­zichts­ver­ein­ba­rung an und hat am 17.05.2010 die vor­lie­gen­de Kla­ge als Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben. Hierüber hat das Ar­beits­ge­richt am 03.06.2010 zur Güte ver­han­delt. Im Güte­ter­min war der Kläger zunächst persönlich an­we­send, für die Be­klag­te we­gen ei­ner Ver­kehrs­be­hin­de­rung aber nie­mand. Dar­auf blieb der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des Klägers al­lein zurück und schloss mit der Be­klag­ten, die durch ih­ren Geschäftsführer und ih­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten ver­tre­ten war, ei­nen Ver­gleich, der ne­ben der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 30.06.2010 und der Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung von 3.300,-- € un­ter an­de­rem fol­gen­de Re­ge­lung ent­hielt:

„6. Da­mit sind al­le ge­gen­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis und sei­ner Be­en­di­gung er­le­digt.“

Bei Ver­gleichs­schluss war der Kläger noch im Be­sitz ei­nes Fir­men­wa­gens, den die Be­klag­te ge­least hat­te.

Die­sen Ver­gleich hat die Be­klag­te mit Schrift­satz vom 06.07.2010 we­gen ei­ner nach ih­rer Sicht arg­lis­ti­gen Täuschung durch den Kläger an­ge­foch­ten, da die­ser in sei­ner Zeit als Nie­der­las­sungs­lei­ter 7.915,54 € ver­un­treut ha­be und sie den Ver­gleich nie­mals mit ei­ner Ge­ne­ral­quit­tung ab­ge­schlos­sen hätte, wenn sie hier­von ge­wusst hätte.

Der Kläger macht nun­mehr im We­ge des Haupt­an­trags die Fest­stel­lung der Wirk­sam­keit des Ver­gleichs gel­tend und ver­folgt sei­nen Kündi­gungs­schutz­an­trag nur noch hilfs­wei­se.

Die Be­klag­te hat vor­ge­tra­gen:

Der Kläger ha­be am 26.04.2010 aus­rei­chend Zeit für ei­nen ord­nungs­gemäßen Kas­sen­ab­schluss ge­habt. Nach Ein­gang der Kas­sen­ab­rech­nung für die Zeit vom 26.04. bis 31.05.2010 sei beim Steu­er­be­ra­ter die Dif­fe­renz im Kas­sen­be­stand auf­ge­fal­len. Der tatsächli­che An­fangs­be­stand am 26.04.2010 ha­be sich ge­genüber dem End­be­stand der letz­ten Ab­rech­nung des Klägers am 26.04.2010 um 7.915,54 € un­ter­schie­den. Hier­von sei­en ih­re Geschäftsführer am 09.06.2010 durch den Steu­er­be­ra­ter A... un­ter­rich­tet wor­den. Dar­auf­hin sei­en die Kas­sen­ab­rech­nun­gen der Vor­mo­na­te über-

 

- 5 -

prüft wor­den und es sei auf­ge­fal­len, dass der Kläger trotz ho­hen Kas­sen­be­stands kon­ti­nu­ier­lich Geld an­ge­for­dert ha­be. Die­ses Geld ha­be der Kläger ent­nom­men.

Vor Ab­schluss des Ver­gleichs sei vom Ge­richt und Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers zum Aus­druck ge­bracht wor­den, der Ver­gleich sei mit dem Kläger erörtert wor­den. Dem Kläger sei klar ge­we­sen, dass bei Kennt­nis al­ler Umstände die Be­klag­te ei­ner Ge­ne­ral­quit­tung nicht zu­ge­stimmt hätte. Die­se um­fas­se im Übri­gen auch kei­ne Ansprüche aus vorsätz­li­cher un­er­laub­ter Hand­lung. Ih­ren Scha­den müsse ihr der Kläger er­set­zen. Die­sen ver­lan­ge sie mit der Wi­der­kla­ge.

Der Kläger hat be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass der Pro­zess durch den Ver­gleich vom 03.06.2010 wirk­sam be­en­det wor­den ist,

hilfs­wei­se,

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die als An­la­ge B 1 vor­ge­leg­te Kündi­gung mit Da­tum vom 30.05.2010 nicht auf­gelöst ist,

2. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis auch nicht durch an­de­re Be­en­di­gungs­tat­bestände en­det, son­dern zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen über den 31.05.2010 hin­aus fort­be­steht,

3. im Fal­le des Ob­sie­gens mit dem Hilfs­an­trag zu 1.) und/oder 2.), die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, den Kläger zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen als Nie­der­las­sungs­lei­ter wei­ter zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

1. die Kla­ge ab­zu­wei­sen

so­wie

2. den Kläger im We­ge der Wi­der­kla­ge zu ver­ur­tei­len, an die Be­klag­te 7.915,54 € nebst Zin­sen in Höhe

 

- 6 -

von 5 %-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 19.07.2010 zu zah­len.

Der Kläger hat be­an­tragt,

die Wi­der­kla­ge ab­zu­wei­sen.

Er hat vor­ge­tra­gen:

Ihm sei am 26.04.2010 kei­ne Zeit ge­blie­ben für ei­nen ord­nungs­gemäßen Kas­sen­ab­schluss. Da­her sei­en auch nicht sämt­li­che Aus­gangs­be­le­ge von ihm er­fasst wor­den. Er ha­be die Kas­se auch be­reits mit ei­nem An­fangs­fehl­be­stand von 891,-- € über­nom­men. Er ha­be kein Geld un­ter­schla­gen. Die Dif­fe­renz zwi­schen der Kas­sen­ab­rech­nung und dem Kas­sen­be­stand er­ge­be sich dar­aus, dass bei der Be­klag­ten häufig Barab­schläge auf die Lohn­for­de­run­gen der Mit­ar­bei­ter aus­ge­zahlt wor­den sei­en. Es sei ei­ni­ge Ma­le ge­sche­hen, dass die Aus­zah­lung sol­cher Ab­schläge zwar in das EDV-Sys­tem der Be­klag­ten zwecks Berück­sich­ti­gung bei Er­stel­lung der Ge­halts­ab­rech­nun­gen ein­ge­ge­ben wor­den sei, es aber ver­absäumt wor­den sei, für die Ab­schlags­zah­lun­gen auch ei­nen Aus­zah­lungs­be­leg für die Bar­kas­se zu er­stel­len. Dar­aus erkläre sich der Großteil des ver­meint­li­chen Fehl­be­tra­ges. Die Ein­bu­chun­gen in das EDV-Sys­tem und die Er­stel­lung von Aus­zah­lungs­be­le­gen sei­en zu­dem nicht von ihm selbst, son­dern von den Mit­ar­bei­tern S. und B. der Be­klag­ten vor­ge­nom­men wor­den. Ihm sei auf­grund sei­ner Ar­beits­be­las­tung die Über­sicht ab­han­den ge­kom­men.

Er ha­be die Be­klag­te über das Vor­lie­gen des Fehl­be­stan­des auch nicht arg­lis­tig getäuscht. Die Be­klag­te ha­be bis zum Ver­gleichs­schluss 5 Wo­chen Zeit ge­habt, um die Kas­sen­un­ter­la­gen zu prüfen. Beim Ver­gleichs­schluss sei er nicht an­we­send ge­we­sen. Sein Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter ha­be die Ge­ne­ral­quit­tung vor­ge­schla­gen, nach­dem er ihn, Kläger, ge­fragt ha­be, ob noch For­de­run­gen ge­genüber der Be­klag­ten bestünden.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 07.10.2010 fest­ge­stellt, dass der Pro­zess durch den wirk­sa­men Ver­gleich vom 03.06.2010 be­en­det wor­den ist. Zur Be­gründung hat­te

 

- 7 -

es im We­sent­li­chen aus­geführt, der Kläger sei zur Aufklärung über die Kas­sen­dif­fe­renz nicht ver­pflich­tet ge­we­sen; viel­mehr ha­be sich die Be­klag­te selbst Kennt­nis über die Kas­sen­dif­fe­renz ver­schaf­fen müssen. Auch feh­le es an der Kau­sa­lität der Ver­let­zung ei­ner et­wai­gen Of­fen­ba­rungs­pflicht für den Ver­gleichs­schluss. Die Wi­der­kla­ge sei zur Ent­schei­dung nicht an­ge­fal­len, da es an ei­ner Kla­ge feh­le. Die Wi­der­kla­ge sei erst nach dem pro­zess­be­en­den­den Ver­gleich er­ho­ben wor­den.

Ge­gen die­ses ihr am 01.11.2010 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Be­klag­te am 15.11.2010 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach ent­spre­chen­der Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist am 30.12.2010 be­gründet.

Sie wie­der­holt und ver­tieft ihr Vor­brin­gen aus dem ers­ten Rechts­zug und trägt ergänzend vor:
Am 26.04.2010 ha­be der Kläger noch vernünf­tig sei­ne Ar­bei­ten zu En­de brin­gen können. Laut Aus­sa­ge von Frau S. ha­be er hierfür ca. 1 St­un­de benötigt.

Mitt­ler­wei­le ha­be sie die Bar­geld­an­for­de­run­gen für Ge­halts­aus­zah­lun­gen in bar für 2009 und 2010 über­prüft und fest­ge­stellt, dass zahl­rei­che Aus­zah­lun­gen trotz Bar­geld­an­for­de­rung bar­geld­los er­folgt sei­en. Für 2009 er­ge­be sich ein Fehl­be­trag von 8.755,-- €, für 2010 ein Fehl­be­trag von 3.426,73 €. Noch am 26.04.2010 sei­en zwei Mal 500,-- € als Kas­sen­ein­gang ge­bucht wor­den, ob­wohl der Kas­sen­be­stand nur 534,59 € be­tra­gen ha­be.

Das Ver­hal­ten des Klägers stel­le sich als Straf­tat dar, bei de­ren Kennt­nis sie den Ver­gleich nicht ab­ge­schlos­sen hätte. Dem Kläger sei klar ge­we­sen, dass nach Bu­chung der Un­ter­la­gen des Steu­erbüros vor dem 10. ei­nes Mo­nats die Be­klag­te von der Dif­fe­renz Kennt­nis er­lan­gen würde. In Kennt­nis die­ses Um­stan­des ha­be er sei¬nen An­walt zur Un­ter­brei­tung des Ver­gleichs­vor­schlags ver­an­lasst. Der Kläger sei ihr ne­ben der Zah­lung von Scha­dens­er­satz auch zur Zurück­zah­lung der Ab­fin­dung ver­pflich­tet. Die Kündi­gung sei we­gen der nachträglich be­kannt ge­wor­de­nen Pflicht­ver­let­zung des Klägers be­gründet.

Der Be­klag­te be­an­tragt,

 

- 8 -

1. das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Lübeck, Geschäfts­zei­chen 2 Ca 1679/10, verkündet am 07.10.2010 und zu­ge­stellt am 01.11.2010, ab­zuändern;

2. die Kündi­gungs­schutz­kla­ge des Klägers ab­zu­wei­sen;

3. wi­der­kla­gend den Kläger zu ver­ur­tei­len, an die Be­klag­te ei­nen Be­trag in Höhe von 7.915,54 € nebst Zin­sen in Höhe von 5 %-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 10.10.2010 zu zah­len;

4. wi­der­kla­gend den Kläger zu ver­ur­tei­len, an die Be­klag­te ei­nen Be­trag in Höhe von 3.300,-- € nebst Zin­sen in Höhe von 5 %-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit des Klag­an­trags zu 4.) zu zah­len.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen und die Wi­der­kla­gen ab­zu­wei­sen.
Im Übri­gen ver­folgt er die in ers­ter In­stanz ge­stell­ten Hilfs­anträge wei­ter.

Er er­wi­dert:
Er ha­be tatsächlich nur 5 bis 10 Mi­nu­ten Zeit für die Kas­sen­ab­rech­nung ge­habt. Et­was an­de­res be­le­ge auch die von der Be­klag­ten vor­ge­leg­te E-Mail von Frau S. nicht. Er ha­be auch noch sei­nen Ar­beits­platz räum­en müssen. Frau S. ha­be die Kas­sen­dif­fe­renz so­fort er­ken­nen können. Auch hätten die Geschäftsführer der Be­klag­ten die Kas­se so­fort prüfen müssen. Die Ge­ne­ral­quit­tung sei von sei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten in­iti­iert wor­den, nicht von ihm.

Der wei­te­re Vor­trag zu den Fehl­beständen sei nicht sub­stan­ti­iert. Er be­strei­tet die Rich­tig­keit der An­la­gen der Be­klag­ten hier­zu mit Nicht­wis­sen. Si­cher­lich ha­be er nicht sorgfältig ge­nug ge­ar­bei­tet. Wahr­schein­lich sei es zu Dop­pel­zah­lun­gen an die Ar­beit­neh­mer ge­kom­men, weil nicht im­mer Be­le­ge ge­schrie­ben wor­den sei­en. Das Geld sei von ihm an die Dis­po­nen­ten zur Wei­ter­ga­be an die Ar­beit­neh­mer aus­gehändigt wor­den. Er ha­be nicht im­mer Be­le­ge von den Dis­po­nen­ten er­hal­ten und hätte nach­ha­ken müssen, was er versäumt ha­be.

 

- 9 -

We­gen des wei­te­ren Sach- und Streit­stands wird auf den In­halt der Ak­te ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die statt­haf­te, frist­gemäß ein­ge­leg­te und be­gründe­te und da­mit zulässi­ge Be­ru­fung der Be­klag­ten ist nicht be­gründet. Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt dem Haupt­an­trag des Klägers statt­ge­ge­ben. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts ist al­ler­dings in­so­weit ab­zuändern, als es über den Wi­der­kla­ge­an­trag zu 3.), der be­reits in ers­ter In­stanz an­ge­fal­len war, nicht ent­schie­den hat. Der Wi­der­kla­ge­an­trag zu 3.) ist un­be­gründet. Eben­falls un­be­gründet ist der zulässi­ger­wei­se erst­mals in der zwei­ten In­stanz ge­stell­te Wi­der­kla­ge­an­trag zu 4.). Im Ein­zel­nen gilt hier­zu Fol­gen­des:

I.

Der Haupt­an­trag des Klägers ist be­gründet. Der Rechts­streit der Par­tei­en ist durch den Pro­zess­ver­gleich vom 03.06.2010 rechts­wirk­sam be­en­det wor­den.

1. Der Haupt­an­trag des Klägers ist als Fest­stel­lungs­an­trag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Zur wei­te­ren Be­gründung hierfür wird auf die zu­tref­fen­den Gründe in der Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts zu die­ser Fra­ge ver­wie­sen. Ein­wen­dun­gen ge­gen die Zulässig­keit der Kla­ge sind im Be­ru­fungs­ver­fah­ren von der Be­klag­ten auch nicht er­ho­ben wor­den.

2. Der Haupt­an­trag des Klägers ist auch be­gründet. Der Pro­zess­ver­gleich vom 03.06.2010 ist wirk­sam. Die von der Be­klag­ten mit Schrift­satz vom 06.07.2010 erklärte An­fech­tung ist un­wirk­sam. Es fehlt an ei­nem An­fech­tungs­grund.

Nach § 123 Abs. 1 BGB kann auch ein ge­richt­li­cher Ver­gleich an­ge­foch­ten wer­den, wenn ei­ne Par­tei vom Pro­zess­geg­ner durch arg­lis­ti­ge Täuschung zum Ab­schluss des Ver­gleichs be­stimmt wor­den ist. Dies folgt aus der Dop­pel­na­tur des Pro­zess­ver-

 

- 10 -

gleichs. Da­bei bil­det ein An­fech­tungs­grund je­de arg­lis­ti­ge Täuschung, die den Getäusch­ten zum Ab­schluss ei­nes Ver­gleichs be­stimmt hat, den er mit die­sem In­halt oh­ne die Täuschung nicht ab­ge­schlos­sen hätte. Da­bei kann ei­ne arg­lis­ti­ge Täuschung durch po­si­ti­ves Tun oder auch durch Un­ter­las­sung be­gan­gen wer­den. Im Ver­schwei­gen von Tat­sa­chen bzw. im Un­ter­las­sen ei­ner Aufklärung kann al­ler­dings ei­ne zur An­fech­tung be­rech­ti­gen­de Täuschung nur dann lie­gen, wenn ei­ne Of­fen­ba­rungs­pflicht be­steht, et­wa weil das Ver­schwei­gen ge­gen Treu und Glau­ben verstößt und der Ver­trags­part­ner un­ter den ge­ge­be­nen Umständen die Mit­tei­lung der ver­schwie­ge­nen Tat­sa­chen hätte er­war­ten dürfen (BAG, Ur­teil vom 15.05.1997 - 2 AZR 43/96 - Ju­ris, Rn 16). Grundsätz­lich ist es Sa­che je­der Par­tei, ih­re ei­ge­nen In­ter­es­sen selbst wahr­zu­neh­men. Es be­steht kei­ne all­ge­mei­ne Pflicht, al­le Umstände zu of­fen­ba­ren, die für die Ent­schließung des an­de­ren Teils von Be­deu­tung sein könn­ten (LAG Hamm, Ur­teil vom 07.10.2005 - 10 Sa 747/05 - Ju­ris, Rn 39 m. w. Nachw. zur Recht­spre­chung des BGH).

a) Ei­ne Täuschung durch ak­ti­ves Tun ist durch den Kläger nicht er­folgt. Zu den­ken ist hier dar­an, dass die Be­klag­te be­haup­tet, der Kläger ha­be durch das An­ge­bot ei­ner Ge­ne­ral­quit­tung arg­lis­tig getäuscht. Das trifft je­doch in der Sa­che nicht zu. Schlägt ei­ne Sei­te anläss­lich ei­nes Ver­gleichs­schlus­ses im ge­richt­li­chen oder außer­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren ei­ne Ge­ne­ral­quit­tung vor, erklärt sie da­mit re­gelmäßig nur, sie wer­de nach Ab­schluss des Ver­gleichs kei­ne Ansprüche mehr gel­tend ma­chen. Ob da­ge­gen Ansprüche der Ge­gen­sei­te noch be­ste­hen, hat die­se selbst zu prüfen und zu erwägen, ob sie auf ihr be­kann­te oder aber mögli­cher­wei­se auch noch un­be­kann­te Ansprüche ver­zich­tet. Das ist das ty­pi­sche Ri­si­ko des Ge­ne­ral­ver­gleichs. Be­ste­hen bei Ver­trags­schluss nämlich noch Ansprüche ge­gen­ein­an­der, enthält die Ge­ne­ral­quit­tung zu­gleich ei­nen Er­lass­ver­trag. In dem An­ge­bot ei­ner Ge­ne­ral­quit­tung, wenn man denn den Vor­trag der Be­klag­ten in­so­weit als wahr un­ter­stellt, liegt da­nach kei­ne Täuschung darüber, dass noch Ansprüche der Ge­gen­sei­te be­ste­hen.

b) Der Kläger hat die Be­klag­te auch nicht durch das Un­ter­las­sen ei­ner Aufklärung arg­lis­tig getäuscht.

 

- 11 -

aa) In Be­tracht kommt hier zunächst ein Un­ter­las­sen in Form des Ver­schwei­gens der Kas­sen­dif­fe­renz vor Ab­schluss des Ver­gleichs mit der Be­klag­ten.

Zur aus­drück­li­chen Of­fen­ba­rung die­ser Dif­fe­renz über das hin­aus, was der Kläger der Be­klag­ten bzw. ih­ren zuständi­gen Ver­tre­tern mit­ge­teilt hat­te, war der Kläger nach Treu und Glau­ben un­ter Berück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­sit­te nicht ver­pflich­tet. Der Kläger hat­te die Kas­se am 26.04.2010 ent­spre­chend den Vor­ga­ben der Be­klag­ten ab­ge­rech­net und an­wei­sungs­gemäß den Bar­be­stand der Kas­se an Frau S. über­ge­ben und eben­falls an­wei­sungs­gemäß die Kas­sen­ab­rech­nung selbst für die Zeit vom 01. bis 26.04.2010 an den dafür zuständi­gen Steu­er­be­ra­ter der Be­klag­ten nach Ham­burg ge­schickt. Da­mit hat er den dafür zuständi­gen Per­so­nen der Be­klag­ten al­le maßgeb­li­chen In­for­ma­tio­nen über das Be­ste­hen der Kas­sen­dif­fe­renz of­fen­ge­legt. Er durf­te da­her dar­auf ver­trau­en, dass die Be­klag­te - so­fern sie denn auf ei­ne Kas­sen­prüfung Wert leg­te - die­se nun­mehr durchführ­te. Je­den­falls hat­te die Be­klag­te für die Prüfung bis zum Güte­ter­min am 03.06.2010 aus­rei­chend Zeit. Der Be­klag­ten wäre es auch oh­ne Wei­te­res möglich ge­we­sen, die Kas­se di­rekt bei Überg­a­be durch Frau S. oder ei­nen an­de­ren hierfür ge­eig­ne­ten Mit­ar­bei­ter, ggf. die am sel­ben Tag vor Ort an­we­sen­den Geschäftsführer der Be­klag­ten, prüfen zu las­sen, wie es im Geschäfts­ver­kehr in die­sen Fällen all­ge­mein üblich ist.

Nach Treu und Glau­ben war der Kläger nicht ver­pflich­tet, über die von ihm ver­lang­ten und wei­sungs­gemäß ge­ge­be­nen In­for­ma­tio­nen hin­aus der Be­klag­ten noch zusätz­lich mit­zu­tei­len, et­wa durch ge­son­der­te schrift­li­che Mit­tei­lung, dass ei­ne Kas­sen­dif­fe­renz be­ste­he.

Der Be­klag­ten hätte es frei­ge­stan­den vor Ab­schluss des Ver­gleichs den Kläger nach et­wai­gen Kas­sen­dif­fe­ren­zen zu be­fra­gen. Hier wäre der Kläger selbst­verständ­lich zur wahr­heits­gemäßen Be­ant­wor­tung ver­pflich­tet ge­we­sen. Die man­gel­haf­te Or­ga­ni­sa­ti­on der Überg­a­be der Kas­se ist letzt­lich der Be­klag­ten an­zu­las­ten.

bb) Ei­ne Täuschung durch Un­ter­las­sen liegt auch nicht dar­in, dass der Kläger ver­schwie­gen hat, Kas­sen­gel­der un­ter­schla­gen zu ha­ben. Da­bei kann of­fen blei­ben, ob im vor­lie­gen­den Fall ei­ne Rechts­pflicht des Klägers zur „Selbst­be­zich­ti­gung“ be­steht.

 

- 12 -

Je­den­falls hat die Be­klag­te zu ei­ner vorsätz­li­chen Un­ter­schla­gung/Ver­un­treu­ung von Kas­sen­gel­dern durch den Kläger nicht schlüssig vor­ge­tra­gen. Der Kläger hat in ers­ter und zwei­ter In­stanz dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es wie­der­holt versäumt wor­den sei, bei Bar­aus­zah­lun­gen ent­spre­chen­de Be­le­ge in die Kas­se ein­zu­le­gen; in zwei­ter In¬stanz hat er ergänzend aus­geführt, es sei ver­mut­lich auch zu Dop­pel­zah­lun­gen an Ar­beit­neh­mer ge­kom­men. Ne­ben die­ser Erklärung für et­wai­ge Dif­fe­ren­zen, die nicht von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen er­scheint, be­steht auch die Möglich­keit, dass das Geld von den Dis­po­nen­ten, die Bar­aus­zah­lun­gen an die Ar­beit­neh­mer vor­neh­men soll­ten, nicht im­mer ord­nungs­gemäß wei­ter­ge­lei­tet wor­den ist. Sch­ließlich hat der Kläger in ers­ter In­stanz vor­ge­tra­gen, Ein­bu­chun­gen in das EDV-Sys­tem sei­en nicht nur durch ihn, son­dern auch durch zwei wei­te­re Ar­beit­neh­mer (S./B.) vor­ge­nom­men wor­den. Auch hier­bei sind Feh­ler möglich.

Wei­ter­hin ist in zwei­ter In­stanz im Be­ru­fungs­ter­min un­strei­tig ge­wor­den, dass be­reits ei­ne ord­nungs­gemäße Kas­senüberg­a­be zu Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht statt­ge­fun­den hat. Die während des ge­sam­ten Ver­fah­rens von der Be­klag­ten schriftsätz­lich be­strit­te­ne An­fangs­dif­fe­renz im Kas­sen­be­stand von 891,-- € ist auf Be­fra­gen des Geschäftsführers der Be­klag­ten im Ver­hand­lungs­ter­min aus­drück­lich un­strei­tig ge­stellt wor­den. Eben­so un­strei­tig war, dass ei­ne ord­nungs­gemäße Kas­senüberg­a­be an den Kläger nicht statt­ge­fun­den hat. Auch in sei­ner persönli­chen Anhörung vor der Kam­mer über die Ur­sa­chen der Kas­sen­dif­fe­ren­zen hat der Kläger für das Ge­richt über­zeu­gend dar­ge­legt, dass er mit der Kas­senführung persönlich über­for­dert war, oh­ne dass er sich des­we­gen vorsätz­lich aus der Kas­se be­rei­chert hat. Nach sei­nem ge­sam­ten persönli­chen Auf­tre­ten und Ver­hal­ten im Be­ru­fungs­ter­min war er­kenn­bar, dass der Kläger zur ord­nungs­gemäßen Ver­wal­tung und Be­treu­ung der Kas­se nach sei­nen persönli­chen Möglich­kei­ten nicht in der La­ge war.

Im Hin­blick auf die ver­schie­de­nen Möglich­kei­ten, die zu Kas­sen­dif­fe­ren­zen führen können und auf den persönli­chen Ein­druck, den die Kam­mer in der Anhörung des Klägers ge­won­nen hat, ist der von der Be­klag­ten ge­zo­ge­ne Schluss, es könne nur ei­ne Un­ter­schla­gungs­hand­lung des Klägers vor­lie­gend nicht zwin­gen. In­so­weit fällt auch auf, dass die von der Be­klag­ten in zwei­ter In­stanz vor­ge­tra­ge­nen Scha­dens-

 

- 13 -

sum­men von 8.755,-- € für 2009 und 3.426,73 € für 2010, zu­sam­men al­so 12.181,73 €, sich nicht annähernd oder auch nur un­gefähr mit der Kas­sen­dif­fe­renz von 7.915,54 € de­cken.

Den kon­kre­ten Nach­weis ei­ner straf­ba­ren Hand­lung ver­mag da­her die Auf­stel­lung der Be­klag­ten in den An­la­gen BK 3 und BK 4 nicht zu er­brin­gen, auch wenn man die Rich­tig­keit der dor­ti­gen Auf­stel­lun­gen zu­guns­ten der Be­klag­ten un­ter­stellt.

II.

Der Wi­der­kla­ge­an­trag zu 3.) ist un­be­gründet.

1. Der Wi­der­kla­ge­an­trag zu 3.) ist be­reits in der ers­ten In­stanz an­ge­fal­len.

Die Be­klag­te hat die Wi­der­kla­ge nicht et­wa hilfs­wei­se, für den Fall des Ob­sie­gens mit ih­rem Klag­ab­wei­sungs­an­trag er­ho­ben, son­dern un­be­dingt. Das er­gibt sich aus ih­rem Schrift­satz, mit dem sie die Wi­der­kla­ge an­gekündigt hat und auch aus der An­trag­stel­lung im Ver­hand­lungs­ter­min beim Ar­beits­ge­richt.

Mit Zu­stel­lung der Wi­der­kla­ge kommt zwi­schen den Par­tei­en ein Pro­zess­rechts­ve-hält­nis zu­stan­de. Ab die­sem Zeit­punkt ist die Wi­der­kla­ge un­abhängig vom Schick­sal der Kla­ge. Nur zum Zeit­punkt der Er­he­bung der Wi­der­kla­ge muss ein Pro­zess­rechts­verhält­nis tatsächlich be­ste­hen. Das war hier der Fall, denn mit der An­fech­tung des Pro­zess­ver­gleichs leb­te das Pro­zess­rechts­verhält­nis der Par­tei­en aus der ursprüng­li­chen Kla­ge wie­der auf. Die­ses Pro­zess­rechts­verhält­nis be­steht noch heu­te.

2. Der Wi­der­kla­ge­an­trag zu 3.) ist aber un­be­gründet.

Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch aus § 280 Abs. 1 BGB we­gen Pflicht­ver­let­zung aus dem Ar­beits­verhält­nis steht der Be­klag­ten nicht zu. Zwar ist zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig, dass der Kläger sei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Pflicht zur ord­nungs­gemäßen

 

- 14 -

Führung der Kas­se der Nie­der­las­sung L. der Be­klag­ten ver­letzt hat. Die­ser Scha­dens­er­satz­an­spruch ist aber durch den Er­lass­ver­trag der Par­tei­en vom 03.06.2010 er­lo­schen.

In Ziff. 6 der Ver­gleichs­ver­ein­ba­rung vom 03.06.2010 ha­ben die Par­tei­en ge­re­gelt, dass mit Ver­gleichs­schluss al­le ge­gen­sei­ti­gen Ansprüche der Par­tei­en aus dem Ar­beits­verhält­nis und sei­ner Be­en­di­gung er­le­digt sind. Hier­von er­fasst ist auch der Scha­dens­er­satz­an­spruch der Be­klag­ten we­gen Schlech­terfüllung der Ar­beits­pflich­ten. In­so­weit erhält Ziff. 6 des Ver­gleichs ei­nen Er­lass­ver­trag.

Ein An­spruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 246 Abs. 1 StGB oder ei­ner an­de­ren straf­recht­li­chen Norm be­steht eben­falls nicht. Da­bei kann of­fen blei­ben, ob auch Ansprüche aus vorsätz­li­cher un­er­laub­ter Hand­lung von der Er­lass­ver­ein­ba­rung in Ziff. 6 des Ver­gleichs er­fasst sind. Die Be­klag­te hat je­den­falls nicht nach­wei­sen können, dass der Kläger ei­ne un­er­laub­te Hand­lung zu ih­rem Nach­teil be­gan­gen hat. In­so­weit wird auf die obi­gen Ausführun­gen Be­zug ge­nom­men.

III.

Der Wi­der­kla­ge­an­trag zu 4. ist zulässig aber un­be­gründet.

1. Die mit dem An­trag zu 4. vor­ge­nom­me­ne Kla­ger­wei­te­rung in zwei­ter In­stanz ist gemäß § 533 ZPO zulässig. Sie ist gemäß § 533 Nr. 1 ZPO sach­dien­lich, weil mit der Ent­schei­dung über die­sen Klag­an­trag die rest­li­chen Fra­gen anläss­lich der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses um­fas­send geklärt wer­den können. Der Er­mitt­lung neu­er Tat­sa­chen im Sin­ne des § 533 Nr. 2 ZPO be­darf es nicht.

2. Der Wi­der­kla­ge­an­trag zu 4. ist un­be­gründet. Der Be­klag­ten steht kein An­spruch auf Rück­zah­lung der Ab­fin­dung zu, da der Ver­gleich vom 03.06.2010 rechts­wirk­sam ist.

 

- 15 -

IV.

Die Be­klag­te trägt die Kos­ten ih­rer er­folg­lo­sen Be­ru­fung. Gründe für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on lie­gen nicht vor.

 

gez. ... gez. ... gez. ...

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 1 Sa 538 e/10