HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/395

An­nah­me­ver­zug trotz Ein­satz­ver­bot

Un­ter­sagt ei­ne Be­hör­de dem Ar­beit­ge­ber die Be­schäf­ti­gung ei­nes be­stimm­ten Ar­beit­neh­mers, trägt der Ar­beit­ge­ber das Ri­si­ko des Ar­beits­aus­falls: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 29.10.2014, 17 Sa 285/14
Polizist mit Handschellen

04.12.2014. Manch­mal kommt es zu Ar­beits­aus­fäl­len, für die we­der der Ar­beit­ge­ber noch der Ar­beit­neh­mer et­was kann.

Dann fragt sich, ob der Ar­beit­neh­mer sei­nen Ar­beits­lohn ver­lan­gen kann, ob­wohl er nicht ge­ar­bei­tet hat. Vor­aus­set­zung da­für ist, dass sich der Ar­beit­ge­ber wäh­rend des Ar­beits­aus­falls im An­nah­me­ver­zug be­fun­den hat.

Das ist der Fall, wenn ei­ne Be­hör­de dem Ar­beit­ge­ber die Be­schäf­ti­gung ei­nes be­stimm­ten Ar­beit­neh­mers un­ter­sagt, so das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg in ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil: LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 29.10.2014, 17 Sa 285/14 (Pres­se­mel­dung des Ge­richts).

Nicht je­der Ar­beit­neh­mer darf al­le si­cher­heits­re­le­van­ten Auf­ga­ben erfüllen

Im Be­wa­chungs- und im Si­cher­heits­ge­wer­be kommt es oft vor, dass Ar­beit­neh­mer nur dann ver­trags­gemäß ein­ge­setzt wer­den können, wenn sie ei­ne auf sie persönlich be­zo­ge­ne Ein­sat­z­er­laub­nis be­sit­zen. Das kann ei­ne behörd­li­che Er­laub­nis sein oder aber ein Ein­satz­pa­pier, die ein Großkun­de aus­stellt wie z.B. die ame­ri­ka­ni­schen Streit­kräfte, wenn sie ih­re Mi­litäran­la­gen auf deut­schem Bo­den durch pri­va­te Wach­un­ter­neh­men be­wa­chen las­sen.

Wird den Si­cher­heits­mit­ar­bei­tern ei­ne sol­che Er­laub­nis ent­zo­gen und kann ihr Ar­beit­ge­ber ih­nen kei­ne an­de­ren Ar­beits­auf­ga­ben zu­wei­sen, bei de­nen die Er­laub­nis nicht er­for­der­lich ist, kommt es zu ei­nem Ar­beits­aus­fall, bei dem sich der Ar­beit­ge­ber nicht im An­nah­me­ver­zug gemäß § 615 Satz 1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) be­fin­det.

Denn nach der Recht­spre­chung ist die­se Vor­schrift nur an­wend­bar, wenn der Ar­beit­neh­mer sei­ner­seits leis­tungsfähig und leis­tungs­be­reit ist. Und leis­tungsfähig ist er nicht, wenn er nicht (mehr) über die für sei­nen Ein­satz recht­lich not­wen­di­ge, auf ihn persönlich be­zo­ge­ne Ein­sat­z­er­laub­nis verfügt. In sol­chen Fällen ste­hen sich Wach­leu­te ähn­lich wie Be­rufs­kraft­fah­rer, de­nen die Fahr­er­laub­nis ent­zo­gen wur­de.

Frag­lich ist al­ler­dings, wer das Ri­si­ko ei­nes Ar­beits­aus­falls in­fol­ge ei­nes behörd­li­chen Ein­satz­ver­bo­tes trägt, wenn die­ses Ein­satz­ver­bot nicht an den Ar­beit­neh­mer ge­rich­tet ist (und z.B. im Ent­zug ei­ner behörd­li­chen Ein­sat­z­er­laub­nis be­steht), son­dern an den Ar­beit­ge­ber. Über die­se Fra­ge muss­te sich das LAG Ber­lin-Bran­den­burg Ge­dan­ken ma­chen.

Der Streit­fall: Flug­ha­fen­si­cher­heits­fir­ma darf ei­nen Mit­ar­bei­ter auf­grund po­li­zei­li­cher An­ord­nung vorüber­ge­hend nicht ein­set­zen

Ge­strit­ten hat­te ei­ne Flug­ha­fen­si­cher­heits­fir­ma mit ei­nem ih­rer Ar­beit­neh­mer. Der Ar­beit­neh­mer war persönlich be­fugt, als "Be­lie­he­ner" der Luft­si­cher­heits­behörde Si­che­rungs­auf­ga­ben wahr­zu­neh­men, die im Luft­si­cher­heits­ge­setz fest­ge­legt sind.

Nach­dem er von ei­ner Kol­le­gin an­ge­schwärzt wor­den war, er sol­le an­geb­lich ge­gen Zah­lung von Geld die Mit­nah­me un­er­laub­ter Flüssig­kei­ten im Flug­zeug er­laubt ha­ben, wand­te sich die Po­li­zei­behörde an die Si­cher­heits­fir­ma und wies sie an, den Ar­beit­neh­mer vorläufig nicht mehr zu beschäfti­gen.

Die Fir­ma tat, wie ihr die Po­li­zei ge­heißen, und stell­te den Ar­beit­neh­mer vorüber­ge­hend von der Ar­beit frei. Der Ar­beit­neh­mer bot den­noch sei­ne Ar­beits­leis­tung an und ver­lang­te Be­zah­lung, doch die ver­wei­ger­te die Fir­ma.

Später hob die Po­li­zei das Ein­satz­ver­bot wie­der auf, nach­dem sich die ge­gen den Ar­beit­neh­mer er­ho­be­nen Vorwürfe als halt­los er­wie­sen hat­ten. Und der Ar­beit­neh­mer zog vor Ge­richt und klag­te sei­ne Be­zah­lung für die Zeit der Frei­stel­lung ein.

LAG Ber­lin-Bran­den­burg: Un­ter­sagt ei­ne Behörde dem Ar­beit­ge­ber die Beschäfti­gung ei­nes Ar­beit­neh­mers, trägt der Ar­beit­ge­ber das Ri­si­ko des Ar­beits­aus­falls

Das LAG gab dem Ar­beit­neh­mer Recht und ver­ur­teil­te die Si­cher­heits­fir­ma auf der Grund­la­ge von § 615 Satz 1 BGB zur Zah­lung des An­nah­me­ver­zugs­lohns. Zur Be­gründung heißt es in der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des Ge­richts:

Die Tätig­keit der ver­klag­ten Si­cher­heits­fir­ma bringt es mit sich, dass ih­re Ar­beit­neh­mer ei­ner behörd­li­chen Auf­sicht un­ter­ste­hen, so das LAG. Es gehört da­her nach An­sicht des LAG zum un­ter­neh­me­ri­schen Ri­si­ko ei­nes sol­chen Ar­beit­ge­bers, dass sei­ne Ar­beit­neh­mer von ei­ner Behörde auf Zu­verlässig­keit hin über­prüft wer­den und dass de­ren Ein­satz zu­wei­len bis zum Ab­schluss ei­ner sol­chen Über­prüfung un­ter­sagt wird.

Ergänzend ver­weist das Ge­richt dar­auf, dass der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer nichts zu der ent­stan­de­nen Si­tua­ti­on bei­ge­tra­gen hat­te und er auch nicht Adres­sat der behörd­li­chen Verfügung war.

An­ders wäre es nach An­sicht der Rich­ter al­ler­dings, wenn sich die Behörde di­rekt an den Ar­beit­neh­mer wen­det und ihm sei­ne Tätig­keit un­ter­sagt. Dann, so das LAG, würden die Vergütungs­ansprüche fort­fal­len. Das LAG hat die Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) zu­ge­las­sen.

Fa­zit: Dem LAG ist zu­zu­stim­men, denn je nach­dem, an wen sich die Behörde mit ih­rer Verfügung wen­det, liegt die Ur­sa­che des Ar­beits­aus­falls ent­we­der im Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Ar­beit­neh­mers oder in dem des Ar­beit­ge­bers.

Da der Ar­beit­neh­mer hier im Streit­fall "kei­ne Post vom Amt" er­hal­ten hat­te, konn­te er die Dau­er des Ein­satz­ver­bots nicht be­ein­flus­sen. An die­ser Stel­le konn­te nur sein Ar­beit­ge­ber als Adres­sat der po­li­zei­li­chen Verfügung ak­tiv wer­den. Da­her gehört das vorüber­ge­hen­de Ein­satz­ver­bot, ob­wohl es auf ei­nen kon­kre­ten Ar­beit­neh­mer be­zo­gen war, zum Be­triebs­ri­si­ko des Ar­beit­ge­bers.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das LAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des LAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 19. Mai 2016

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 5.0 von 5 Sternen (2 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de