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LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 11.07.2013, 10 Sa­Ga 3/13

   
Schlagworte: Persönlichkeitsrecht, Fotografie, Überwachung, Krankheit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen: 10 SaGa 3/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 11.07.2013
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Kaiserslautern, Urteil vom 28.03.2013, 2 Ga 5/13
   

Ak­ten­zei­chen:
10 Sa­Ga 3/13
2 Ga 5/13
ArbG Kai­sers­lau­tern
Ent­schei­dung vom 11.07.2013

Te­nor:
Die Be­ru­fung des Verfügungsklägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Kai­sers­lau­tern vom 28. März 2013, Az.: 2 Ga 5/13, wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

Tat­be­stand:
Der Verfügungskläger be­gehrt den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung ge­gen die zwei Verfügungs­be­klag­ten auf Un­ter­sa­gung, ihn oh­ne sei­ne Ein­wil­li­gung zu fil­men, zu fo­to­gra­fie­ren und/oder ihm heim­lich nach­zu­stel­len und/oder ihn heim­lich zu kon­trol­lie­ren.

Der 1974 ge­bo­re­ne Verfügungskläger ist seit dem 06.12.2000 im Be­trieb der Verfügungs­be­klag­ten zu 1), mit ca. 450 Ar­beit­neh­mern, als Pro­duk­ti­ons­hel­fer im Schicht­be­trieb beschäftigt. Der Verfügungs­be­klag­te zu 2) ist Ab­tei­lungs­lei­ter und Vor­ge­setz­ter des Klägers. Der Kläger war vom 25.02. bis 08.03. und dann bis 13.03.2013 von sei­nem Haus­arzt ar­beits­unfähig krank­ge­schrie­ben. Für die Zeit vom 12. bis 27.03.2013 er­folg­te die Krank­schrei­bung durch ei­nen Neu­ro­lo­gen.

Am Sams­tag, dem 16.03.2013, traf der Be­klag­te zu 2) den Kläger ge­gen 10:00 Uhr an ei­ner Au­to­wasch­an­la­ge in A-Stadt an. Der Kläger rei­nig­te ge­mein­sam mit sei­nem Va­ter ei­nen Pkw. Der Be­klag­te zu 2) war über die Rei­ni­gungstätig­kei­ten des krank­ge­schrie­be­nen Klägers und des­sen körper­li­che Ver­fas­sung er­staunt und fer­tig­te mit sei­ner Han­dy­ka­me­ra Fo­tos, um sei­ne Be­ob­ach­tung zu do­ku­men­tie­ren.

Es kam zu ei­ner - auch körper­li­chen - Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen dem Kläger und sei­nem Va­ter mit dem Be­klag­ten zu 2). Der Her­gang wird un­ter­schied­lich dar­ge­stellt. Die Be­klag­te zu 1) kündig­te das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger we­gen tätli­chen An­griffs auf ei­nen Vor­ge­setz­ten mit Schrei­ben vom 23.03. frist­los, hilfs­wei­se frist­ge­recht zum 31.08.2013. Das Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren vor dem Ar­beits­ge­richt Kai­sers­lau­tern (Az.: 2 Ca 436/13) ist noch nicht ab­ge­schlos­sen.

Mit am 21.03.2013 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nem und den zwei Verfügungs­be­klag­ten am 22.03.2013 zu­ge­stell­ten Schrift­satz be­an­trag­te der Verfügungskläger den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung mit fol­gen­den Anträgen:

den Be­klag­ten bei Mei­dung ei­nes für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung fälli­gen Ord­nungs­gel­des bis zu € 500.000,--, er­satz­wei­se Ord­nungs­haft bis zu sechs Mo­na­ten oder Ord­nungs­haft bis zu sechs Mo­na­ten, im Wie­der­ho­lungs­fall Ord­nungs­haft bis zu zwei Jah­ren, einst­wei­len zu un­ter­sa­gen, selbst oder durch Drit­te oh­ne Ein­wil­li­gung des Klägers die­sen zu fil­men, zu fo­to­gra­fie­ren und/oder heim­lich nach­zu­stel­len und/oder heim­lich zu kon­trol­lie­ren,

den Be­klag­ten auf­zu­ge­ben, sämt­li­che vom Kläger wi­der­recht­lich auf­ge­nom­me­nen Film- und Fo­to­auf­nah­men vom 16.03.2013 an ihn hilfs­wei­se an ei­nen vom Ge­richt zu be­nen­nen­den Se­ques­ter, her­aus­zu­ge­ben.

Die Verfügungs­be­klag­ten ha­ben be­an­tragt, die Anträge zurück­zu­wei­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Anträge mit Ur­teil vom 28.03.2013 zurück­ge­wie­sen und zur Be­gründung aus­geführt, es feh­le so­wohl am Verfügungs­an­spruch, als auch am Verfügungs­grund. Ein An­spruch auf Un­ter­las­sung und Be­sei­ti­gung be­ste­he nicht, weil der Be­klag­te zu 2) nicht rechts­wid­rig ge­han­delt ha­be. Der Kläger sei durch das Fo­to­gra­fie­ren an der Wasch­an­la­ge we­der in sei­ner In­tim- noch in sei­ner Pri­vat­sphäre, son­dern al­len­falls in sei­ner So­zi­al­sphäre be­ein­träch­tigt wor­den. An­ders als im De­liktsrecht sei die Rechts­wid­rig­keit ge­son­dert fest­zu­stel­len. Es ha­be stets ei­ne Güter- und In­ter­es­sen­abwägung statt­zu­fin­den. Da­nach lie­ge ein rechts­wid­ri­ger Ein­griff in die Rech­te des Klägers nicht vor. Der Ar­beit­ge­ber könne den ho­hen Be­weis­wert ei­ner Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung erschüttern, wenn er Umstände dar­le­ge, die da­ge­gen sprächen. Der Be­klag­te zu 2) ha­be den Kläger während der Krank­schrei­bung ar­bei­tend an ei­ner Au­to­wasch­an­la­ge ge­trof­fen. Er ha­be die­sen Vor­gang, der in der Öffent­lich­keit statt­fand, zu Be­weis­zwe­cken im Bild fest­hal­ten dürfen, weil ei­ne vor­getäusch­te Er­kran­kung im Be­reich des Mögli­chen ge­le­gen ha­be, und dem Ar­beit­ge­ber die ärzt­li­che Dia­gno­se nicht be­kannt sei. Der Kläger ha­be nicht näher dar­ge­legt, in­wie­fern er "ge­mobbt" wer­de. Al­lein die Er­tei­lung ei­ner Ab­mah­nung und der Um­stand, dass sei­nem Ur­laubs­an­trag für Ju­li 2013, in der Som­mer­fe­ri­en­zeit, nicht so­fort statt­ge­ge­ben wor­den sei, stel­le kein sys­te­ma­ti­sches An­fein­den dar. Auch ein Verfügungs­grund sei nicht ge­ge­ben. Da die Be­klag­te zu 1) ei­ne frist­lo­se Kündi­gung erklärt ha­be, feh­le die er­for­der­li­che Wie­der­ho­lungs­ge­fahr.

Das ge­nann­te Ur­teil ist dem Kläger am 08.04.2013 zu­ge­stellt wor­den. Er hat mit am 15.04.2013 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se gleich­zei­tig be­gründet.

Er trägt vor, ent­ge­gen der An­sicht des Ar­beits­ge­richts lie­ge ein un­zulässi­ger Ein­griff in sein Persönlich­keits­recht vor. Es sei un­er­heb­lich, dass er sich in der Öffent­lich­keit auf­ge­hal­ten ha­be, denn sei­ne In­di­vi­du­al­sphäre sei durch das Fo­to­gra­fie­ren an der Au­to­wasch­an­la­ge rechts­wid­rig be­ein­träch­tigt wor­den. Ihm ste­he aus sei­nem Persönlich­keits­recht das Recht zur Not­wehr zu. Der Be­klag­te zu 2) sei ihm als Pri­vat­per­son ge­genüber ge­tre­ten, es sei denn, die Be­klag­te zu 1) hätte ihn mit sei­ner Über­wa­chung be­auf­tragt. Erst durch die an­sch­ließen­de frist­lo­se Kündi­gung sei ei­ne Ver­knüpfung mit dem Ar­beits­verhält­nis her­ge­stellt wor­den. Der Be­klag­ten zu 1) und folg­lich auch dem Be­klag­ten zu 2) sei be­kannt ge­we­sen, dass er nicht an ei­ner körper­li­chen, son­dern an ei­ner neu­ro­lo­gi­schen Krank­heit er­krankt ge­we­sen sei. Dem­zu­fol­ge hätte es die Be­klag­ten auch nicht über­ra­schen dürfen, ihn an der Au­to­wasch­an­la­ge an­zu­tref­fen. Er sei sei­nem Va­ter be­hilf­lich ge­we­sen, der ihn von sei­ner de­pres­si­ven Grund­stim­mung ha­be ab­len­ken wol­len. Das ha­be den Hei­lungs­ef­fekt gefördert und nicht ver­hin­dert. Ein­ge­denk die­ses Um­stan­des ha­be der Be­klag­te zu 2) den Vor­gang nicht ge­gen sei­nen Wil­len zu Be­weis­zwe­cken im Bild fest­hal­ten dürfen. Ei­ne vor­getäusch­te Er­kran­kung ha­be we­gen der Krank­schrei­bung durch ei­nen Neu­ro­lo­gen nicht im Be­reich des Mögli­chen ge­le­gen.

Ent­ge­gen der An­sicht des Ar­beits­ge­richts be­ste­he die Wie­der­ho­lungs­ge­fahr noch heu­te, weil die frist­lo­se Kündi­gung der Be­klag­ten zu 1) un­wirk­sam sei. Er wer­de wei­ter­hin vom Neu­ro­lo­gen krank­ge­schrie­ben, so dass die Ge­fahr be­ste­he, dass er durch die Be­klag­ten über­wacht und kon­trol­liert wer­de. So­weit der Be­klag­te zu 2) an­gekündigt ha­be, dass er kei­ne wei­te­ren Fo­tos von ihm fer­ti­gen wer­de, be­sei­ti­ge die­se un­de­fi­nier­te An­sicht nicht den Verfügungs­grund. Schon mor­gen könne der Be­klag­te zu 2) wie­der ganz an­de­rer Auf­fas­sung sein.

Der Verfügungskläger be­an­tragt zweit­in­stanz­lich,

un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Kai­sers­lau­tern vom 28.03.2013, Az.: 2 Ga 5/13,

den Verfügungs­be­klag­ten bei Mei­dung ei­nes für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung fälli­gen Ord­nungs­gel­des bis zu € 500.000,--, er­satz­wei­se Ord­nungs­haft bis zu sechs Mo­na­ten oder Ord­nungs­haft bis zu sechs Mo­na­ten, im Wie­der­ho­lungs­fall Ord­nungs­haft bis zu zwei Jah­ren, einst­wei­len zu un­ter­sa­gen, selbst oder durch Drit­te den Verfügungskläger oh­ne sei­ne Ein­wil­li­gung zu fil­men, zu fo­to­gra­fie­ren und/oder ihm heim­lich nach­zu­stel­len und/oder ihn heim­lich zu kon­trol­lie­ren,

den Verfügungs­be­klag­ten auf­zu­ge­ben, sämt­li­che vom Verfügungskläger wi­der­recht­lich auf­ge­nom­me­nen Film- und Fo­to­auf­nah­men vom 16.03.2013 an ihn, hilfs­wei­se an ei­nen vom Ge­richt zu be­nen­nen­den Se­ques­ter, her­aus­zu­ge­ben.

Die Verfügungs­be­klag­ten be­an­tra­gen,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­di­gen die ar­beits­ge­richt­li­che Ent­schei­dung un­ter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens als zu­tref­fend.

Ergänzend wird auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie den In­halt der Sit­zungs­nie­der­schrif­ten Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die zulässi­ge Be­ru­fung des Verfügungsklägers hat in der Sa­che kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat die Anträge im Ver­fah­ren auf einst­wei­li­gen Rechts­schutz zu Recht zurück­ge­wie­sen.

Die be­gehr­te einst­wei­li­ge Verfügung ist be­reits des­halb nicht zu er­las­sen, weil der Verfügungskläger kei­nen Verfügungs­an­spruch iSd. §§ 935, 940 ZPO glaub­haft ge­macht hat. Der Be­klag­te zu 2) han­del­te in An­be­tracht der kon­kre­ten Umstände des vor­lie­gen­den Falls nicht rechts­wid­rig, als er den Kläger am 16.03.2013 an der Au­to­wasch­an­la­ge in A-Stadt mit sei­ner Han­dy­ka­me­ra fo­to­gra­fier­te. Im Hin­blick auf den Un­ter­sa­gungs­an­spruch fehlt es zu­dem an ei­ner Wie­der­ho­lungs­ge­fahr.

1. Dem Verfügungskläger steht der gel­tend ge­mach­te Un­ter­sa­gungs­an­spruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB ana­log iVm. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.

Mit der Be­ru­fung ist da­von aus­zu­ge­hen, dass das An­fer­ti­gen der Fo­tos mit der Han­dy­ka­me­ra an der Au­to­wasch­an­la­ge am 16.03.2013 das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht des Klägers be­ein­träch­tigt hat.

Das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht um­fasst ua. auch das Recht am ei­ge­nen Bild. Es gehört zum Selbst­be­stim­mungs­recht je­des Men­schen, darüber zu ent­schei­den, ob Fo­to­gra­fi­en oder Film­auf­nah­men von ihm ge­macht und mögli­cher­wei­se ge­gen ihn ver­wen­det wer­den dürfen. Da­bei ist das Recht am ei­ge­nen Bild nicht iden­tisch mit dem Schutz der Pri­vat­sphäre (BAG 29.06.2004 - 1 ABR 21/03 - Rn. 15 mwN, NZA 2004, 1278; BVerfG 09.10.2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - NJW 2002, 3619, zu C II 1 b der Gründe). Es ist des­halb nicht auf be­stimm­te Ört­lich­kei­ten, wie ins­be­son­de­re die ei­ge­ne Woh­nung, be­grenzt. Auch ist es nicht nur - wie durch § 22 Kunst­UrhG aus­drück­lich ge­re­gelt - ge­gen die un­zulässi­ge Ver­brei­tung oder öffent­li­che Zur­schau­stel­lung geschützt. Viel­mehr un­terfällt be­reits die Her­stel­lung von Ab­bil­dun­gen dem all­ge­mei­nen Persönlich­keits­recht (BAG 26.08.2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15 mwN., NZA 2008, 1187; BGH 25.04.1995 - VI ZR 272/94 - NJW 1995, 1955, zu III 1 der Gründe).

Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewähr­leis­te­te, auch im Pri­vat­rechts­ver­kehr und ins­be­son­de­re im Ar­beits­verhält­nis zu be­ach­ten­de all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers ist - auch in sei­ner Aus­prägung als Recht am ei­ge­nen Bild - nicht schran­ken­los gewähr­leis­tet. Ein­grif­fe können durch Wahr­neh­mung über­wie­gend schutzwürdi­ger In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ge­recht­fer­tigt sein. Bei ei­ner Kol­li­si­on des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts mit den In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ist durch ei­ne Güter­abwägung im Ein­zel­fall zu er­mit­teln, ob die­ses den Vor­rang ver­dient (BAG 21.06.2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30 mwN, NZA 2012, 1025).

Im vor­lie­gen­den Fall traf der Be­klag­te zu 2) den ar­beits­unfähig krank­ge­schrie­be­nen Kläger am Sams­tag, dem 19.03.2013, zufällig an ei­ner Au­to­wasch­an­la­ge an. Für ei­ne heim­li­che Über­wa­chung des Klägers be­ste­hen kei­ne An­halts­punk­te. Der Kläger war an der Wasch­an­la­ge mit Rei­ni­gungs­ar­bei­ten beschäftigt und mach­te auf den Be­klag­ten zu 2) ei­nen körper­lich ge­sun­den Ein­druck. Der Be­klag­te zu 2) fer­tig­te mit sei­ner Han­dy­ka­me­ra Fo­tos, um sei­ne Be­ob­ach­tung zu do­ku­men­tie­ren. Aus sei­ner Sicht be­stand der Ver­dacht, dass der Kläger sei­ne Ar­beits­unfähig­keit le­dig­lich vor­getäuscht ha­ben könn­te. Da der Be­weis­wert ei­ner ärzt­li­chen Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung durch an­de­re Tat­sa­chen mehr oder we­ni­ger ent­wer­tet wer­den kann, hat­te der Be­klag­te zu 2) das In­ter­es­se die körper­li­chen Ak­ti­vitäten des Klägers an der Wasch­an­la­ge zu Be­weis­zwe­cken zu fo­to­gra­fie­ren.

Der Ein­griff in das Persönlich­keits­recht des Klägers durch die Spei­che­rung der Fo­tos auf der Han­dy­ka­me­ra ist nicht schwer­wie­gend. Der Be­klag­te zu 2) hat die Ak­ti­vitäten des Klägers an der öffent­lich zugäng­li­chen Au­to­wasch­an­la­ge un­mit­tel­bar be­ob­ach­tet, so dass er als Au­gen­zeu­ge zur Verfügung steht. Die Spei­che­rung der Fo­tos über sei­ne punk­tu­el­le persönli­che Be­ob­ach­tung stellt un­ter den ge­ge­be­nen Umständen kei­nen un­verhält­nismäßigen Ein­griff in das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht des Klägers dar. Es be­stand aus Sicht des Vor­ge­setz­ten der kon­kre­te Ver­dacht, dass der Kläger sei­ne Ar­beits­unfähig­keit vor­getäuscht und da­mit ei­nen Ent­gelt­fort­zah­lungs­be­trug be­gan­gen ha­ben könn­te.

Die An­sicht des Klägers, der Be­klag­te zu 2) ha­be auf­grund sei­ner gu­ten körper­li­chen Ver­fas­sung nicht dar­auf schließen dürfen, dass er ei­ne Ar­beits­unfähig­keit nur vor­getäuscht ha­be, weil die ärzt­li­che Be­schei­ni­gung ab 12.03.2013 von ei­nem Neu­ro­lo­gen aus­ge­stellt wor­den ist, geht fehl. Die Dia­gno­se wird dem Ar­beit­ge­ber auf der Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung nicht mit­ge­teilt. Es gibt auch kei­nen all­ge­mei­nen Er­fah­rungs­satz, dass neu­ro­lo­gi­sche Er­kran­kun­gen mit kei­nen körper­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen ein­her­ge­hen

2. Das Ar­beits­ge­richt hat auch zu­tref­fend er­kannt, dass die für ei­nen Un­ter­sa­gungs­an­trag er­for­der­li­che Wie­der­ho­lungs­ge­fahr fehlt. Die Wie­der­ho­lungs­ge­fahr ist ei­ne ma­te­ri­el­le Vor­aus­set­zung des Un­ter­las­sungs­an­spruchs. Wenn sie entfällt, er­lischt auch der zu­kunfts­ge­rich­te­te Un­ter­las­sungs­an­spruch.

Für die vom Kläger be­haup­te­te Ge­fahr, der Be­klag­te zu 2) wer­de ihn wei­ter­hin fo­to­gra­fie­ren und/oder ihm heim­lich nach­stel­len und/oder ihn heim­lich kon­trol­lie­ren, lie­gen kei­ne aus­rei­chen­den An­halts­punk­te vor. Al­lein die Tat­sa­che, dass die Be­klag­te zu 1) die Fo­tos im lau­fen­den Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren vor dem Ar­beits­ge­richt Kai­sers­lau­tern (Az.: 2 Ca 436/13) vor­ge­legt hat, bie­tet kei­ne hin­rei­chen­de Grund­la­ge für die An­nah­me des Klägers, die Be­klag­ten zu 1) und zu 2) hiel­ten sich für be­rech­tigt, die Fo­tos auch be­lie­bi­gen außen­ste­hen­den Drit­ten zur Verfügung zu stel­len oder im In­ter­net zu veröffent­li­chen. Ob die Fo­tos im Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren als Be­weis­mit­tel ver­wer­tet wer­den dürfen, hat das Pro­zess­ge­richt zu ent­schei­den.

3. Der Kläger kann von den Be­klag­ten nicht die Her­aus­ga­be von „wi­der­recht­lich“ auf­ge­nom­me­nen Film- und Fo­to­auf­nah­men vom 16.03.2013 ver­lan­gen. Er hat be­reits nicht glaub­haft ge­macht, dass der Be­klag­te zu 2) von ihm Film­auf­nah­men ge­fer­tigt hat. Der Be­klag­te zu 2) hat nach ei­ge­nem Be­kun­den mit sei­ner Han­dy­ka­me­ra drei Fo­tos her­ge­stellt. So­weit der Kläger die Her­aus­ga­be der Fo­tos an sich ver­langt, würde dies nicht nur zur Si­che­rung, son­dern zur Erfüllung des in­so­weit gel­tend ge­mach­ten An­spruchs führen. Die dar­in lie­gen­de Vor­weg­nah­me der Haupt­sa­che ist nicht ge­recht­fer­tigt. Auch die An­ord­nung der vorläufi­gen Her­aus­ga­be von Fo­tos an ei­nen Se­ques­ter kommt nicht in Be­tracht, weil der Be­klag­te zu 2) mit sei­nem Han­dy Fo­tos ge­fer­tigt hat, so dass - wenn über­haupt - die ge­spei­cher­ten Fo­to­da­tei­en (und evtl. Ko­pi­en) zu löschen wären. Im Übri­gen schei­tert der An­trag letzt­lich auch dar­an, dass die An­fer­ti­gung der Fo­tos - wie oben aus­geführt - nicht rechts­wid­rig war.

4. Die Be­ru­fung des Verfügungsklägers war da­her mit der Kos­ten­fol­ge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurück­zu­wei­sen.

Die Re­vi­si­on ge­gen die­ses Ur­teil ist gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG nicht zulässig.

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