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LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 17.03.2017, 6 Sa 982/16

   
Schlagworte: Bezugnahmeklausel, Allgemeine Geschäftsbedingungen: Bezugnahmeklausel, OT-Mitgliedschaft, Tarifvertrag
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 6 Sa 982/16
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.03.2017
   
Leitsätze: Wird in einem Arbeitsvertrag die Geltung von näher konkretisierten Tarifverträgen mit der Einschränkung "soweit sie für den Arbeitgeber verbindlich sind" vereinbart, handelt es sich auch nach den seit dem 01.01.2002 geltenden Beurteilungsmaßstäben um eine Gleichstellungsabrede.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.10.2016, 5 Ca 1364/16
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf, 6 Sa 982/16

Te­nor:

I. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 20.10.2016 - AZ: 5 Ca 1364/16 - wird zurück­ge­wie­sen.

II. Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens hat die Kläge­rin zu tra­gen.

III. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

1 T A T B E S T A N D :
2 Die Par­tei­en strei­ten über Vergütungs­ansprüche.
3 Die Be­klag­te be­treibt E.-G.-Shops an Flughäfen. Die am 06.03.1967 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist Mit­glied der Ge­werk­schaft ver.di. Sie ist seit dem 15.11.1994 bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin, der Fir­ma Gebr. I. T. & Co KG (im Fol­gen­den: Gebr. I.) beschäftigt. Un­ter dem Da­tum des 19.09.1997 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ei­nen neu­en An­stel­lungs­ver­trag. Dort wird u.a. Fol­gen­des ge­re­gelt:
4 "1.Der Mit­ar­bei­ter wird ab dem 1. Ok­to­ber 1997 für I. als Verkäufe­r­in/Kas­sie­re­rin in Teil­zeit von 81,5 St­un­den mo­nat­lich tätig.
5 […]
6 3.Es gel­ten die Be­stim­mun­gen der für den Ein­satz­ort ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge für die Beschäftig­ten im Ein­zel­han­del - so­weit sie für I. ver­bind­lich sind - so­wie et­wai­ge Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen/-ord­nun­gen in ih­rer je­weils gel­ten­den Fas­sung.
7 […]
8 6.Der Mit­ar­bei­ter wird in die Ge­halts­grup­pe II, nach dem 5. Tätig­keits­jahr des gel­ten­den Ge­halts­ta­rif­ver­tra­ges ein­ge­stuft (Ta­rif­ge­halt der­zeit DM 1.905,--). Die Vergütung (nach­fol­gend kurz: Ge­halt) wird mo­nat­lich nachträglich auf ein vom Mit­ar­bei­ter ein­zu­rich­ten­des Kon­to ge­zahlt."
9 Die fett ge­druck­ten Text­tei­le wur­den von der Be­klag­ten in das von ihr ver­wen­de­te Ver­trags­for­mu­lar ein­gefügt. We­gen wei­te­rer Ein­zel­hei­ten wird auf die An­la­ge K 1, Bl. 71 ff. d.A., ver­wie­sen.
10 Die Fir­ma "Gebr. I." war Mit­glied des Ein­zel­han­dels­ver­ban­des. Der bei Ver­trags­schluss gel­ten­de Ge­halts­ta­rif­ver­trag zwi­schen dem Ein­zel­han­dels­ver­band Nord­rhein e.V. und der Ge­werk­schaft Han­del, Ban­ken und Ver­si­che­run­gen so­wie der Deut­schen An­ge­stell­ten - Ge­werk­schaft ent­hielt in § 3 (Beschäfti­gungs­grup­pen) un­ter lit. B. fol­gen­de Re­ge­lun­gen:
11 "...
12 Ge­halts­grup­pe I
13 An­ge­stell­te mit ein­fa­cher kaufmänni­scher Tätig­keit
14 Bei­spie­le: Verkäufer
15 Kas­sie­rer mit ein­fa­cher Tätig­keit
16 ...
17 ...
18 Ge­halts­grup­pe II
19 An­ge­stell­te mit ei­ner Tätig­keit, die er­wei­ter­te Fach­kennt­nis­se und ei­ne größere Ver­ant­wor­tung er­for­dern.
20 Bei­spie­le:Ers­te Verkäufer
21 ...
22 Kas­sie­rer mit ge­ho­be­ner Tätig­keit
23 ...
24 ..."
25 Im wei­te­ren Ver­lauf des Ar­beits­verhält­nis­ses wur­de die Kläge­rin zur Su­per­vi­so­rin (Ge­halts­grup­pe G III) er­nannt. Mit Schrei­ben vom 15.12.2009 sprach die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten ge­genüber der Kläge­rin ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung zum 30.06.2010 aus. Das Schrei­ben ent­hielt fol­gen­de Pas­sa­ge:
26 "Gleich­zei­tig bie­ten wir Ih­nen an, sie über die­sen Ter­min hin­aus naht­los als Verkäufe­r­in/Kas­sie­re­rin wei­ter­zu­beschäfti­gen. Die­se Po­si­ti­on ist in die Ta­rif­grup­pe G1 ein­grup­piert. Da Sie be­reits in der Ta­rif­grup­pe G2 ein­grup­piert ge­we­sen sind, be­vor Sie zur Su­per­vi­so­rin er­nannt wor­den sind,, bie­ten wir Ih­nen ei­ne Vergütung nach der Ta­rif­grup­pe G2 an. Al­le übri­gen Ver­trags­be­din­gun­gen würden un­verändert blei­ben."
27 Das Un­ter­neh­men "Gebr. I." trat mit Ab­lauf des 31.12.2011 aus dem Ar­beit­ge­ber­ver­band aus. Die zum 01.07.2012 im Ge­halts­ta­rif­ver­trag zwi­schen dem Han­dels­ver­band Nord­rhein-West­fa­len und die Ver­ein­te Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft - ver.di (im Fol­gen­den GTV) vom 29.06.2011 vor­ge­se­he­ne Erhöhung der Vergütung in der Ge­halts­grup­pe II gab sie an die Kläge­rin wei­ter, was an­ge­sichts des Ar­beits­zeit­an­teils der Kläge­rin ein mo­nat­li­ches Ent­gelt von 1.320,50 € er­gab.
28 Am 01.01.2013 ging das Ar­beits­verhält­nis im We­ge ei­nes Be­triebsüber­gangs auf die Be­klag­te über, die nicht Mit­glied ei­nes Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des ist.
29 Der zwi­schen dem Han­dels­ver­band Nord­rhein-West­fa­len und ver.di ver­ein­bar­te GTV vom 10.12.2013 be­inhal­te­te zum 01.08.2013 ei­ne 3%ige Ent­gel­terhöhung in der Ge­halts­grup­pe II, nach dem 5. Tätig­keits­jahr auf mo­nat­lich 2.720,- € brut­to und zum 01.05.2014 ei­ne 2,1%ige Erhöhung der Vergütung auf mo­nat­lich 2.777,- € brut­to. Ei­ne wei­te­re 2,5%ige Ta­rif­erhöhung er­folg­te ab dem 01.08.2015 auf mo­nat­lich 2.846,- € brut­to. Zum 01.05.2016 wur­den die Ta­rif­gehälter um 2% an­ge­ho­ben. Die Be­klag­te zahl­te der Kläge­rin un­verändert ein mo­nat­li­ches Ent­gelt in Höhe von 1.320,50 EUR brut­to zuzüglich ei­ner Rei­ni­gungs­pau­scha­le, vermögens­wirk­sa­men Leis­tun­gen, Es­sens­geld so­wie di­ver­sen Sonn­tags-, Fei­er­tags- und Nacht­zu­schlägen.
30 § 24 des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges zwi­schen dem Ein­zel­han­dels­ver­band Nord­rhein-West­fa­len, dem Han­dels­ver­band BAG Nord­rhein West­fa­len und ver.di (im Fol­gen­den MTV Ein­zel­han­del NRW) enthält - so­weit hier von In­ter­es­se - fol­gen­de Re­ge­lung:
31 "§ 24
32 Ver­fall­klau­sel
33 (1) Die Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis ver­fal­len wie folgt:
34 ...
35 c) 6 Mo­na­te nach Fällig­keit:
36 al­le übri­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis.
37 ..."
38 Mit Schrei­ben der Ge­werk­schaft ver.di vom 06.03.2014 und ei­nem Schrei­ben ih­rer jet­zi­gen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 17.02.2016 hat die Kläge­rin die Wei­ter­ga­be von Ta­rif­loh­nerhöhun­gen gel­tend ge­macht (An­la­gen K 14 und K 20, Bl. 216 f. und 255 ff. d.A.).
39 Im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren hat die Kläge­rin erst­in­stanz­lich die mo­nat­li­che Dif­fe­renz zwi­schen dem ihr ge­zahl­ten Ge­halt von 1.320,50 € und dem ent­spre­chend ih­rer Ar­beits­zeit an­tei­lig be­rech­ne­ten Ent­gelt der Ge­halts­grup­pe II (nach fünf Tätig­keits­jah­ren) des je­weils ak­tu­el­len GTV für die Zeit von Au­gust 2013 bis April 2016 ein­ge­klagt. Sie hat die An­sicht ver­tre­ten, es sei ar­beits­ver­trag­lich ei­ne Be­zug­nah­me auf den je­weils gülti­gen Ta­rif­ver­trag ver­ein­bart wor­den. Ei­ne sog. Gleich­stel­lungs­ab­re­de lie­ge nicht vor. So­weit das Bun­des­ar­beits­ge­richt in frühe­rer Recht­spre­chung da­von aus­ge­gan­gen sei, es be­ste­he ei­ne wi­der­leg­li­che Ver­mu­tung, dass es ei­nem an ar­beits­ver­trag­lich in Be­zug ge­nom­me­ne Ta­rif­verträge ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber nur dar­um ge­he, durch die Be­zug­nah­me die nicht or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer mit den or­ga­ni­sier­ten Mit­ar­bei­tern hin­sicht­lich der Maßgeb­lich­keit des in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­werks für das Ar­beits­verhält­nis gleich­zu­stel­len, sei dies für die vor­lie­gen­de Fall­kon­stel­la­ti­on in zwei­fa­cher Hin­sicht un­er­heb­lich. Zum ei­nen könne die Be­klag­te auf die­se Recht­spre­chung nicht mehr ver­trau­en, denn die Par­tei­en hätten die Klau­sel im Zu­ge der Ände­rungskündi­gung vom 15.12.2009 zum Ge­gen­stand ei­ner neu­en Wil­lens­bil­dung ge­macht. Es fin­de da­mit die neue­re Recht­spre­chung des BAG An­wen­dung, wo­nach ei­ne der­ar­ti­ge Ver­mu­tung nicht mehr gel­te. Zum an­de­ren hätten die Par­tei­en aber selbst nach al­tem Recht kei­ne Gleich­stel­lung ver­ein­bart. Die Be­klag­te be­ru­fe sich nämlich dar­auf, die Kläge­rin sei von An­fang an zu Un­recht in die Ge­halts­grup­pe II ein­grup­piert wor­den, da für Verkäufe­r­in­nen/Kas­sie­re­rin­nen schon bei Ver­trags­schluss die Ge­halts­grup­pe I ein­schlägig ge­we­sen sei. Dies ge­he auch aus der Ände­rungskündi­gung vom 15.12.2009 her­vor. Dann ha­be aber der Ar­beit­ge­ber die Kläge­rin nicht et­wa nur mit den Ge­werk­schafts­mit­glie­dern gleich­ge­stellt, son­dern sei über sei­ne ta­rif­recht­li­che Ver­pflich­tung hin­aus­ge­gan­gen.
40 Die Kläge­rin hat be­an­tragt,
41 1.die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 2.444,70 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz aus 43,85 € seit dem 01.09.2013, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.10.2013, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.11.2013, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.12.2013, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.01.2014, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.02.2014, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.03.2014, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.04.2014, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.05.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.06.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.07.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.08.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.09.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.10.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.11.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.12.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.01.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.02.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.03.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.04.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.05.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.06.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.07.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.08.2015, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.09.2015, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.10.2015, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.11.2015, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.12.2015, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.01.2016, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.02.2016, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.03.2016, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.04.2016 und aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.05.2016 zu zah­len;
42 2. fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, den Ent­gelt­an­spruch der Kläge­rin an­hand der Vergütungs­grup­pe G II (nach 5 Jah­ren Tätig­keit) gemäß den zum Fällig­keits­zeit­punkt gel­ten­den Re­ge­lun­gen der Ta­rif­verträge für die Beschäftig­ten des Ein­zel­han­dels NRW zu be­rech­nen, ab­zu­rech­nen und aus­zu­zah­len.
43 Hilfs­wei­se für den Fall der Un­zulässig­keit oder Un­be­gründet­heit des Kla­ge­an­trags zu 2.) hat sie be­an­tragt,
44 3. fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, den Ent­gelt­an­spruch der Kläge­rin an­hand der Vergütungs­grup­pe G II (nach 5 Jah­ren der Tätig­keit) gemäß den zum Fällig­keits­zeit­punkt gel­ten­den Re­ge­lun­gen für die Beschäftig­ten des Ein­zel­han­dels NRW zu be­rech­nen, ab­zu­rech­nen und aus­zu­zah­len; un­be­scha­det ei­ner mögli­chen An­rech­nung künf­ti­ger Ta­rif­loh­nerhöhun­gen auf der Kläge­rin gewähr­te über­ta­rif­li­che Zu­la­gen.
45 Die Be­klag­te hat be­an­tragt,
46 die Kla­ge ab­zu­wei­sen.
47 Die Be­klag­te hat die An­sicht ver­tre­ten, sie sei nicht ver­pflich­tet, die Ta­rif­loh­nerhöhun­gen für die Zeit ab Au­gust 2013 wei­ter zu ge­ben. Der Ar­beits­ver­trag aus 1997 ent­hal­te zur An­wen­dung der Ta­rif­verträge für den Ein­zel­han­del le­dig­lich ei­ne sog. Gleich­stel­lungs­klau­sel. Hierfür spre­che gemäß der da­mals gülti­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ei­ne Ver­mu­tung. Die­se recht­li­che Ein­ord­nung ha­be sich durch die Ände­rungskündi­gung vom 15.12.2009 nicht geändert. Das Kündi­gungs­schrei­ben ent­hal­te ei­nen rein de­kla­ra­to­ri­schen Hin­weis auf den Fort­be­stand der übri­gen Ver­trags­be­din­gun­gen. Selbst wenn aber die Ver­mu­tung des Be­ste­hens ei­ner Gleich­stel­lungs­ab­re­de nicht grei­fen würde, so ergäbe die er­for­der­li­che Aus­le­gung der ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen, dass sich die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten nur so­lan­ge ha­be bin­den wol­len, wie sie selbst an die Ta­rif­verträge ge­bun­den sei. Dem­ent­spre­chend sei in Zif­fer 3. des An­stel­lungs­ver­tra­ges aus­drück­lich ver­ein­bart wor­den, dass die ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge nur gel­ten soll­ten "so­weit sie für I. ver­bind­lich sind". Mit Aus­tritt aus dem Ar­beit­ge­ber­ver­band ha­be die­se Ver­bind­lich­keit ge­en­det.
48 Käme man ent­ge­gen ih­rer Auf­fas­sung zu dem Er­geb­nis, dass un­abhängig von der Zu­gehörig­keit zum Ar­beit­ge­ber­ver­band ei­ne dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me auf den GTV ver­ein­bart wor­den sei, so ha­be die­se Dy­na­mik je­den­falls mit dem Be­triebsüber­gang ge­en­det. So­weit sie als Be­triebs­er­wer­be­rin an Ta­rif­verträge ge­bun­den würde, auf de­ren In­halt sie man­gels Ver­bands­zu­gehörig­keit kei­nen Ein­fluss neh­men könne, ver­s­toße dies ge­gen Uni­ons­recht, ins­be­son­de­re Art. 3 der Richt­li­nie 2001/23/EG und Art. 16 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on. In die­sem Fall müsse das Ver­fah­ren bis zur Ent­schei­dung des EUGH über die bei­den Vor­la­gen des BAG v. 17.06.2015 - AZ: 4 AZR 61/14 (A) und 95/14 (A) - aus­ge­setzt wer­den.
49 Mit Ur­teil vom 20.10.2016 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zif­fer 3. des An­stel­lungs­ver­tra­ges vom 19.09.1997 sei gemäß der frühe­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts als Gleich­stel­lungs­ab­re­de aus­zu­le­gen. Da die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten Mit­glied im Ar­beit­ge­ber­ver­band ge­we­sen sei, be­ste­he die wi­der­leg­li­che Ver­mu­tung dafür, dass die Ver­wei­sungs­klau­sel in Zif­fer 3 ei­ne Gleich­stel­lungs­ab­re­de dar­stel­le. Die­se Ver­mu­tung sei nicht wi­der­legt. Die Par­tei­en hätten ihr Ar­beits­verhält­nis durch die Ände­rungskündi­gung vom 15.12.2009 auch nicht auf ei­ne neue Grund­la­ge ge­stellt. Zif­fer 3. des An­stel­lungs­ver­tra­ges sei nicht durch Aus­spruch der Ände­rungskündi­gung und An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots durch die Kläge­rin zum Ge­gen­stand der rechts­geschäft­li­chen Wil­lens­bil­dung ge­macht wor­den.
50 Ge­gen die­ses der Kläge­rin am 02.11.2016 zu­ge­stell­te Ur­teil hat sie mit ei­nem am 21.11.2016 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit ei­nem am 20.12.2016 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet. Zu­gleich hat sie die Kla­ge um Dif­fe­renz­lohn­ansprüche für die Mo­na­te Mai bis No­vem­ber 2016 er­wei­tert.
51 Die Kläge­rin rügt, dass be­reits die ar­beits­ver­trag­li­che Ver­wei­sung auf die Ta­rif­verträge des Ein­zel­han­del NRW dy­na­misch for­mu­liert sei. Auch die For­mu­lie­rung in Zif­fer 6. des An­stel­lungs­ver­tra­ges, wo­nach das Ta­rif­ge­halt der "Ge­halts­grup­pe G II" "der­zeit" DM 1.905,-- be­tra­ge, deu­te auf ei­ne Dy­na­mi­sie­rung hin. Für das Verständ­nis ei­ner dy­na­mi­schen Ver­wei­sung spre­che zu­dem, dass die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten noch nach dem Ver­bands­aus­tritt die Ta­rif­erhöhung zum 01.07.2012 wei­ter­ge­ge­ben ha­be. Selbst wenn aber ursprüng­lich die Ver­mu­tung be­stan­den hätte, dass es sich bei der Be­zug­nah­me­klau­sel le­dig­lich um ei­ne Gleich­stel­lungs­ab­re­de nach der al­ten Recht­spre­chung ge­han­delt ha­be, so sei die­se Ver­mu­tung da­durch wi­der­legt wor­den, dass die Kläge­rin von An­fang an kon­sti­tu­tiv in ei­ne höhe­re Vergütungs­grup­pe ein­grup­piert wor­den sei als dies bei schlich­ter An­wen­dung des GTV der Fall ge­we­sen wäre. Darüber hin­aus könne auf die frühe­re Recht­spre­chung des BAG zur Gleich­stel­lungs­ab­re­de oh­ne­hin nicht mehr zurück­ge­grif­fen wer­den. Mit der Ände­rungskündi­gung im Jahr 2009 sei die ursprüng­li­che Klau­sel zum Ge­gen­stand der rechts­geschäft­li­chen Wil­lens­bil­dung der Par­tei­en ge­macht wor­den mit der Fol­ge, dass die Grundsätze der Recht­spre­chung zur Aus­le­gung von Neu­verträgen An­wen­dung fänden. Da­nach sei­en die ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen als dy­na­mi­sche Ver­wei­sung auf die Ta­rif­verträge des Ein­zel­han­dels NRW zu ver­ste­hen. Dem ste­he die For­mu­lie­rung "so­weit sie für I. ver­bind­lich sind" nicht ent­ge­gen. Die­se Klau­sel sei in­trans­pa­rent und da­her un­wirk­sam. Ein nor­mal und durch­schnitt­lich ge­bil­de­ter Ar­beit­neh­mer könne aus die­ser For­mu­lie­rung nicht schluss­fol­gern, dass ta­rif­li­che Leis­tun­gen nur dann ge­schul­det würden, wenn der Ar­beit­ge­ber auf­grund sei­ner Ver­bands­mit­glied­schaft an den Ta­rif­ver­trag ge­bun­den sei. "Ver­bind­lich" sei nicht mit "ta­rif­ge­bun­den" gleich­zu­set­zen. Die Klau­sel las­se Raum für In­ter­pre­ta­tio­nen und sei da­mit un­klar. An die dy­na­mi­sche Ver­wei­sung auf die Ta­rif­verträge der Beschäftig­ten des Ein­zel­han­dels NRW sei auch die Be­klag­te als Be­triebs­er­wer­be­rin ge­bun­den. Dem ste­he die Richt­li­nie 2001/23/EG nicht ent­ge­gen. Die­se sol­le nach ih­rem Sinn und Zweck le­dig­lich ei­nen Min­dest-Schutz für Ar­beit­neh­mer gewähren. Kei­nes­wegs könne die Ar­beit­ge­be­rin hier­durch bes­ser ge­stellt wer­den.
52 Die Kläge­rin be­an­tragt,
53 das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 20.10.2016 - AZ: 5 Ca 1364/16 - ab­zuändern und
54 1.die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 2.444,70 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz aus 43,85 € seit dem 01.09.2013, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.10.2013, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.11.2013, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.12.2013, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.01.2014, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.02.2014, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.03.2014, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.04.2014, aus wei­te­ren 43,85 € seit dem 01.05.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.06.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.07.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.08.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.09.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.10.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.11.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.12.2014, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.01.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.02.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.03.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.04.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.05.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.06.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.07.2015, aus wei­te­ren 72,44 € seit dem 01.08.2015, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.09.2015, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.10.2015, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.11.2015, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.12.2015, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.01.2016, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.02.2016, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.03.2016, aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.04.2016 und aus wei­te­ren 107,05 € seit dem 01.05.2016 zu zah­len;
55 2. fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ab De­zem­ber 2016 ver­pflich­tet ist, den Ent­gelt­an­spruch der Kläge­rin an­hand der Vergütungs­grup­pe G II (nach 5 Jah­ren der Tätig­keit) gemäß den zum Fällig­keits­zeit­punkt gel­ten­den Re­ge­lun­gen der Ta­rif­verträge für die Beschäftig­ten des Ein­zel­han­dels NRW zu be­rech­nen, ab­zu­rech­nen und aus­zu­zah­len;
56 3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 949,48 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz aus 135,64 € seit dem 01.06.2016, aus wei­te­ren 135,64 € seit dem 01.07.2016, aus wei­te­ren 135,64 € seit dem 01.08.2016, aus wei­te­ren 135,64 € seit dem 01.09.2016, aus wei­te­ren 135,64 € seit dem 01.10.2016, aus wei­te­ren 135,64 € seit dem 01.11.2016 und aus wei­te­ren 135,64 € seit dem 01.12.2016 zu zah­len.
57 Die Be­klag­te be­an­tragt,
58 die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.
59 Die Be­klag­te ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil und ist der An­sicht, die ar­beits­ver­trag­li­che Gleich­stel­lungs­ab­re­de ver­hin­de­re ei­nen An­spruch auf Wei­ter­ga­be von Ta­rif­loh­nerhöhun­gen nach dem Aus­tritt ih­rer Rechts­vorgänge­rin aus dem Ar­beit­ge­ber­ver­band. Auch die Ände­rungskündi­gung könne zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis führen, da durch sie kein neu­er Ver­trag ver­ein­bart wor­den sei. Ei­ne bloße Ver­knüpfung zum ursprüng­li­chen Ver­trag genüge nicht, um des­sen Re­ge­lun­gen zum Ge­gen­stand der rechts­geschäft­li­chen Wil­lens­bil­dung zu ma­chen. Sie ha­be mit dem Zu­satz "Al­le übri­gen Ver­trags­be­din­gun­gen würden un­verändert blei­ben" ge­ra­de nichts verändern wol­len. Zu­dem sei dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sich der Ge­ne­ral­an­walt des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs am 19.01.2017 in sei­nem Schluss­an­trag in den Ver­fah­ren C-680/15 und C-681/15 auf die Sei­te der be­klag­ten As­kle­pios-Kli­nik ge­stellt ha­be. Es sei da­mit zu er­war­ten, dass der EuGH ent­schei­den wer­de, dass dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me­klau­seln nach ei­nem Be­triebsüber­gang nur noch sta­tisch gel­ten.
60 We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den Tat­be­stand des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils, die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie auf die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten bei­der In­stan­zen Be­zug ge­nom­men.
61 E NT S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
62 A.
63 Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist zulässig aber un­be­gründet.
64 I. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist zulässig.
65 Sie ist nach Maßga­be der §§ 66 Abs.1, 64 Abs.6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den. Sie ist statt­haft gemäß § 64 Abs.1, 2 lit. b) ArbGG.
66 II. In der Sa­che hat die Be­ru­fung kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Die Kla­ge ist ins­ge­samt - ein­sch­ließlich der im Be­ru­fungs­ver­fah­ren er­folg­ten Kla­ge­er­wei­te­rung - un­be­gründet.
67 1. Die Kla­ge ist hin­sicht­lich sämt­li­cher Anträge zulässig.
68 a) Bezüglich des An­trags zu 2. lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des § 256 ZPO vor.
69 aa) Der An­trag be­darf al­ler­dings der Aus­le­gung.
70 Die For­mu­lie­rung "zu be­rech­nen, ab­zu­rech­nen und aus­zu­zah­len" darf nicht wört­lich ver­stan­den wer­den. Dies zeigt sich be­reits dar­an, dass die Kläge­rin zu den ein­zel­nen Tei­len die­ses An­trags kei­ne wei­te­ren Ausführun­gen getätigt hat, son­dern sich zur Be­gründung der Kla­ge aus­sch­ließlich auf die zwi­schen den Par­tei­en strei­ti­ge Fra­ge, ob die Vergütung nach dem je­weils ak­tu­el­len Ge­halts­ta­rif­ver­trag zu er­fol­gen hat, be­schränkt. Da ihr In­ter­es­se al­lein auf die Klärung die­ses strei­ti­gen Punk­tes ge­rich­tet ist, muss der An­trag so ver­stan­den wer­den, dass den oben ge­nann­ten drei Ele­men­ten des An­trags kei­ne ge­son­der­te Be­deu­tung zu­kommt, son­dern die Kläge­rin fest­ge­stellt ha­ben möch­te, dass die Be­klag­te ihr auch in Zu­kunft die Zah­lung ei­ner Vergütung gemäß der Ge­halts­grup­pe II (nach dem 5. Tätig­keits­jahr) des GTV Ein­zel­han­del NRW in der je­weils gel­ten­den Fas­sung schul­det (vgl. die ent­spre­chen­de Aus­le­gung im Ur­teil der er­ken­nen­den Kam­mer vom 11.11.2016 - 6 Sa 110/16 - Rn. 67, ju­ris, so­wie der 13. Kam­mer des LAG Düssel­dorf vom 17.09.2015 - 13 Sa 449/15 -, Rn. 56, ju­ris). Hierfür spricht auch, dass die Kläge­rin in Kennt­nis der vor­ge­nann­ten Ur­tei­le an der For­mu­lie­rung ih­res An­trags fest­ge­hal­ten und der ent­spre­chen­den Aus­le­gung nicht ent­ge­gen ge­tre­ten ist.
71 bb) Der so ver­stan­de­ne An­trag zu 2. ist gemäß § 256 ZPO zulässig.
72 Ge­gen­stand ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge nach § 256 Abs. 1 ZPO können nur Rechts­verhält­nis­se sein, nicht hin­ge­gen bloße Ele­men­te oder Vor­fra­gen ei­nes Rechts­verhält­nis­ses. Ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge muss sich al­ler­dings nicht not­wen­dig auf ein Rechts­verhält­nis ins­ge­samt er­stre­cken, son­dern kann sich auch auf ein­zel­ne Be­zie­hun­gen oder Fol­gen aus ei­nem Rechts­verhält­nis, auf be­stimm­te Ansprüche oder auf be­stimm­te Ver­pflich­tun­gen so­wie den Um­fang ei­ner Leis­tungs­pflicht be­schränken (BAG v. 13.01.2015 - 3 AZR 897/12, Rn. 16, ju­ris). Ei­ne der­ar­ti­ge ein­zel­ne Be­zie­hung aus dem Rechts­verhält­nis stellt auch die Fra­ge der ge­schul­de­ten Vergütung dar (vgl. wie­der­um LAG Düssel­dorf v. 17.09.2015, Rn. 58, aaO).
73 Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se ist eben­falls ge­ge­ben. An­ders als in der von der 13. Kam­mer im oben ge­nann­ten Ver­fah­ren zu be­ur­tei­len­den Fall­ge­stal­tung kann der Streit zwi­schen den Par­tei­en über die zu er­brin­gen­de Vergütung mit dem Fest­stel­lungs­an­trag ab­sch­ließend geklärt wer­den. Die im Rechts­streit 13 Sa 449/15 zusätz­lich strei­ti­ge Fra­ge der An­rech­nung der Ta­rif­erhöhun­gen auf ei­ne über­ta­rif­li­che Zu­la­ge stellt sich vor­lie­gend nicht. Ei­ne sol­che Zu­la­ge, de­ren An­re­chen­bar­keit im Streit ste­hen könn­te, hat die Kläge­rin be­reits in der Ver­gan­gen­heit nicht er­hal­ten.
74 b) Der mit der Be­ru­fungs­be­gründung erst­ma­lig ge­stell­te An­trag zu 3. ist eben­falls zulässig.
75 aa) Nach § 533 ZPO, der gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG auch im ar­beits­ge­richt­li­chen Be­ru­fungs­ver­fah­ren An­wen­dung fin­det, ist ei­ne Kla­geände­rung in der Be­ru­fungs­in­stanz nur zulässig, wenn der Geg­ner ein­wil­ligt oder das Ge­richt dies für sach­dien­lich hält und die­se auf Tat­sa­chen gestützt wer­den kann, die das Be­ru­fungs­ge­richt sei­ner Ver­hand­lung und Ent­schei­dung über die Be­ru­fung oh­ne­hin nach § 529 ZPO bzw. im Ar­beits­ge­richts­pro­zess gemäß § 67 ArbGG zu­grun­de zu le­gen hat (vgl. Hess LAG v. 31.10.2011 - 17 Sa 761/11 - Rn. 26; LAG L. v. 12.08.2010 - 6 Sa 789/10 - Rn. 41, ju­ris). Sach­dien­lich­keit liegt vor, wenn der bis­he­ri­ge Pro­zess­stoff als Ent­schei­dungs­grund­la­ge ver­wert­bar bleibt und durch die Zu­las­sung der Kla­gehäufung ein neu­er Pro­zess ver­mie­den wird (BAG 12.09.2006 aaO; BGH v. 15.01.2001 - II ZR 48/99 - Rn. 17, ju­ris; LAG Düssel­dorf v. 30.01.2009 - 9 Sa 1695/07 - Rn. 52, ju­ris). Die Sach­dien­lich­keit ei­ner Kla­geände­rung ist erst dann zu ver­nei­nen, wenn in der Be­ru­fungs­in­stanz ein völlig neu­er Streitstoff in den Rechts­streit ein­geführt wird, bei des­sen Be­ur­tei­lung das Er­geb­nis der bis­he­ri­gen Pro­zessführung nicht ver­wer­tet wer­den kann. Be­steht zwi­schen meh­re­ren Streit­ge­genständen ein in­ne­rer recht­li­cher oder tatsäch­li­cher Zu­sam­men­hang, so ist es re­gelmäßig sach­dien­lich, die­se Streit­ge­genstände auch in ei­nem Ver­fah­ren zu er­le­di­gen (BAG v. 06.12.2001 - 2 AZR 733/00 - Rn. 34 ff., ju­ris; LAG Ber­lin-Bran­den­burg v. 20.08.2007 - 10 Sa 1164/07 - Rn. 75, ju­ris).
76 bb)Die dar­ge­stell­ten Vor­aus­set­zun­gen des § 533 ZPO lie­gen vor.
77 Die Er­wei­te­rung der Kla­ge um den An­trag zu 3. ist sach­dien­lich. Dem An­trag lie­gen die­sel­ben Rechts­fra­gen zu­grun­de, die oh­ne­hin Ge­gen­stand des Be­ru­fungs­ver­fah­rens sind. Auch die Vor­aus­set­zun­gen des § 67 Abs. 4 S.1 ArbGG lie­gen vor, da sämt­li­che für den An­trag zu 3. zu berück­sich­ti­gen­de Tat­sa­chen - so­weit sie nicht oh­ne­hin schon Ge­gen­stand der ar­beits­ge­richt­li­chen Fest­stel­lun­gen wa­ren - mit der Be­ru­fungs­be­gründung vor­ge­tra­gen wor­den sind.
78 2. Die Kla­ge ist ins­ge­samt un­be­gründet.
79 a) Die Be­klag­te ist nicht ver­pflich­tet, die Kläge­rin un­ter An­wen­dung des je­weils ak­tu­el­len Ge­halts­ta­rif­ver­tra­ges für die Beschäftig­ten im Ein­zel­han­del NRW zu vergüten. Der ein­schlägi­ge Ge­halts­ta­rif­ver­trag gilt in der Fas­sung vom 29.06.2011 nur noch sta­tisch fort, da die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten vor Ab­schluss des die­sen ablösen­den Ge­halts­ta­rif­ver­tra­ges vom 10.12.2013 aus dem Ar­beit­ge­ber­ver­band aus­ge­tre­ten und auch die Be­klag­te selbst nicht ta­rif­ge­bun­den ist. Ar­beits­ver­trag­lich ist kei­ne von der Ta­rif­bin­dung der Ar­beit­ge­be­rin un­abhängi­ge dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me auf die je­weils ak­tu­el­len Ta­rif­verträge er­folgt.
80 aa) Wie die er­ken­nen­de Kam­mer be­reits in ei­nem Par­al­lel­ver­fah­ren zu ei­ner iden­ti­schen Ver­trags­klau­sel ent­schie­den hat, ist Zif­fer 3. des An­stel­lungs­ver­tra­ges als sog. Gleich­stel­lungs­ab­re­de aus­zu­le­gen (vgl. LAG Düssel­dorf v. 11.11.2016 - 6 Sa 110/16 - ju­ris; dem fol­gend die 14. Kam­mer des LAG Düssel­dorf: Ur­teil v. 28.02.2017 - 14 Sa 852/16 - n.v.).
81 aaa) Nach der frühe­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts galt die wi­der­leg­li­che Ver­mu­tung, dass es ei­nem an ar­beits­ver­trag­lich in Be­zug ge­nom­me­ne Ta­rif­verträge ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber nur dar­um ge­he, durch die Be­zug­nah­me die nicht or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer mit den or­ga­ni­sier­ten Mit­ar­bei­tern hin­sicht­lich der Maßgeb­lich­keit des in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­werks für das Ar­beits­verhält­nis gleich­zu­stel­len. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ging da­von aus, dass mit ei­ner sol­chen von ei­nem nor­ma­tiv an den in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­ver­trag ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber ge­stell­ten Ver­trags­klau­sel le­dig­lich die et­waig feh­len­de Ta­rif­bin­dung des Ar­beit­neh­mers er­setzt wer­den sol­le, um je­den­falls zu ei­ner ver­trag­li­chen An­wen­dung des ein­schlägi­gen Ta­rif­ver­tra­ges zu kom­men und da­mit zu des­sen Gel­tung für al­le Beschäftig­ten (zu­sam­men­fas­send: BAG v. 14.12.2011 - 4 AZR 79/10 - Rn 18, AP Nr. 104 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag; vgl. wei­ter­hin BAG v. 23.02.2011 - 4 AZR 536/09 - Rn. 17, AP Nr. 86 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag; BAG v. 24.02.2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 19, AP Nr. 75 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag; BAG v. 10.12.2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18, AP Nr. 68 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag; BAG v. 14.12.2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 12 ff., ju­ris; BAG v. 01.12.2004 - 4 AZR 50/04 - Rn. 15 ff., ju­ris; BAG v. 21.08.2002 - 4 AZR 263/01 - Rn. 16 ff., ju­ris). Dar­aus fol­ge, dass auch oh­ne wei­te­re An­halts­punk­te im Ver­trags­text oder Be­gleit­umstände bei Ver­trags­schluss im Fal­le ei­ner Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­ge­bers an die in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge Be­zug­nah­me­klau­seln in al­ler Re­gel als sog. Gleich­stel­lungs­ab­re­den aus­zu­le­gen sei­en. Die Ver­wei­sung auf ei­nen Ta­rif­ver­trag oder ein Ta­rif­werk in der je­weils gel­ten­den Fas­sung wur­de des­halb ein­schränkend da­hin aus­ge­legt, dass die auf die­se Wei­se zum Aus­druck ge­brach­te Dy­na­mik nur so weit rei­che, wie der Ar­beit­ge­ber ge­genüber ei­nem ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer ta­rif­recht­lich aus neu ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträgen ver­pflich­tet sei, al­so dann en­de, wenn der Ar­beit­ge­ber we­gen Weg­falls der ei­ge­nen Ta­rif­ge­bun­den­heit nicht mehr nor­ma­tiv an künf­ti­ge Ta­ri­fent­wick­lun­gen ge­bun­den sei. Ab die­sem Zeit­punkt sei­en die in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge nur noch sta­tisch an­zu­wen­den (BAG v. 14.12.2011 Rn. 18 aaO; BAG v. 23.02.2011 Rn. 18 aaO; BAG v. vgl. nur BAG 23. Fe­bru­ar 2011 - 4 AZR 536/09 - Rn. 18 mwN, aaO; BAG v. 17.11.2010 - 4 AZR 127/09 - Rn. 17, AP Nr. 85 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag). Die­se Aus­le­gungs­re­gel galt auch dann, wenn der in Be­zug ge­nom­me­ne Ta­rif­ver­trag, an den der Ar­beit­ge­ber kraft Ver­bands­mit­glied­schaft ge­bun­den war, zum Zeit­punkt des Ar­beits­ver­trags­schlus­ses für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt war (BAG v. 14.12.2011 - 4 AZR 79/10 - Rn. 18 aaO; BAG v. 27.01.2010 - 4 AZR 570/08 - Rn. 18, AP Nr. 74 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag).
82 Die­se Recht­spre­chung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt auf­ge­ge­ben und wen­det die Aus­le­gungs­re­gel der Gleich­stel­lungs­ab­re­de für ver­trag­li­che Ver­wei­sungs­klau­seln, die nach dem In­kraft­tre­ten der Schuld­rechts­re­form am 1. Ja­nu­ar 2002 ver­ein­bart wor­den sind, nicht an (vgl. BAG v. 18.11.2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 22, AP Nr. 70 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag; BAG v. 18.04.2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 26, 28, AP Nr. 53 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag). Die Aus­le­gung von Ver­wei­sungs­klau­seln in die­sen Ar­beits­verträgen ha­be sich in ers­ter Li­nie an de­ren Wort­laut zu ori­en­tie­ren. So­weit ein Ver­trags­part­ner vom Wort­laut ab­wei­chen­de Re­ge­lungs­zie­le ver­fol­ge, könn­ten die­se da­nach nur in die Aus­le­gung ein­ge­hen, wenn sie für den an­de­ren Ver­trags­part­ner mit hin­rei­chen­der Deut­lich­keit zum Aus­druck kämen. Ei­ne ein­zel­ver­trag­lich ver­ein­bar­te dy­na­mi­sche Ver­wei­sung auf ei­nen be­stimm­ten Ta­rif­ver­trag sei je­den­falls dann, wenn ei­ne Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­ge­bers nicht in ei­ner für den Ar­beit­neh­mer er­kenn­ba­ren Wei­se zur auflösen­den Be­din­gung der Ver­ein­ba­rung ge­macht wor­den ist, ei­ne kon­sti­tu­ti­ve Ver­wei­sungs­klau­sel, die durch ei­nen Ver­bands­aus­tritt des Ar­beit­ge­bers oder ei­nen sons­ti­gen Weg­fall sei­ner Ta­rif­ge­bun­den­heit nicht berührt wird - "un­be­ding­te zeit­dy­na­mi­sche Ver­wei­sung" - (BAG v. 18.11.2009 Rn. 22 und v. 18.04.2007 Rn.26,28, je­weils aaO).
83 Das Bun­des­ar­beits­ge­richt wen­det die Aus­le­gungs­re­gel auf Ba­sis der frühe­ren Recht­spre­chung aber aus Gründen des Ver­trau­ens­schut­zes wei­ter­hin auf Be­zug­nah­me­klau­seln an, die vor dem In­kraft­tre­ten der Schuld­rechts­re­form zum 1. Ja­nu­ar 2002 ver­ein­bart wor­den sind (BAG v. 14.12.2011 Rn. 19 aaO; BAG v. 17.11.2010 - 4 AZR 127/09 - Rn. 31, AP Nr. 85 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag; BAG v. 24.02.2010 Rn. 19 aaO; BAG v. 14.12.2005 - Rn. 24 ff. aaO).
84 Kom­me es in Ar­beits­verhält­nis­sen mit ei­ner Be­zug­nah­me­klau­sel, die vor dem 1. Ja­nu­ar 2002 ver­ein­bart wor­den ist ("Alt­ver­trag"), nach dem 31. De­zem­ber 2001 zu ei­ner Ar­beits­ver­tragsände­rung, hänge die Be­ur­tei­lung, ob es sich hin­sicht­lich die­ser Klau­sel um ei­nen Alt- oder Neu­ver­trag hand­le, da­von ab, ob die Klau­sel zum Ge­gen­stand der rechts­geschäft­li­chen Wil­lens­bil­dung der Par­tei­en des Ände­rungs­ver­tra­ges ge­macht wor­den sei (BAG v. 19.10.2011 - 4 AZR 811/09 - Rn. 25, 27, AP Nr. 93 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag; BAG v. 24.02.2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 25, AP Nr. 75 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag; BAG v. 18.11.2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 23 - 25, BAG 24. Fe­bru­ar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 25, AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 75 = EzA TVG § 3 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 47; 18. No­vem­ber 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 23 bis 25, AP Nr. 70 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag). Ein deut­li­cher Aus­druck dafür, dass ei­ne zu­vor be­ste­hen­de Ver­wei­sungs­klau­sel er­neut zum Ge­gen­stand der rechts­geschäft­li­chen Wil­lens­bil­dung der Ver­trags­par­tei­en ge­macht wor­den sei und die Par­tei­en trotz der geänder­ten Ge­set­zes­la­ge auch nach dem In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts am 1. Ja­nu­ar 2002 aus­drück­lich an den zu­vor ge­trof­fe­nen Ab­re­den fest­hiel­ten, lie­ge bei­spiels­wei­se in der aus­drück­li­chen Erklärung, dass "al­le an­de­ren Ver­ein­ba­run­gen aus dem An­stel­lungs­ver­trag un­berührt blei­ben" (BAG v. 19.10.2011 Rn. 25 aaO; BAG v. 30.07.2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 49, AP Nr. 274 zu § 611 BGB Gra­ti­fi­ka­ti­on). Al­ler­dings führe al­lein der Um­stand ei­ner Ver­tragsände­rung nicht da­zu, dass zu­gleich stets al­le ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen des ursprüng­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges er­neut ver­ein­bart oder bestätigt würden. Ob ei­ne sol­che Ab­re­de ge­wollt sei, müsse an­hand der kon­kre­ten Ver­tragsände­rung un­ter Berück­sich­ti­gung der Umstände des Ein­zel­falls be­ur­teilt wer­den (BAG v. 19.10.2011 Rn. 27 aaO).
85 bbb) Zif­fer 3. des An­stel­lungs­ver­tra­ges ist so zu ver­ste­hen, dass im Fal­le ei­ner feh­len­den Ta­rif­bin­dung des Ar­beit­ge­bers die Ver­wei­sung auf die ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge in ih­rer je­wei­li­gen Fas­sung en­det. Da­bei kann es da­hin­ge­stellt blei­ben, ob aus Ver­trau­ens­ge­sichts­punk­ten die Ver­mu­tung gemäß der frühe­ren Recht­spre­chung An­wen­dung fin­det - wie es die Be­klag­te ver­tritt - oder aber - wie die Kläge­rin meint - im Hin­blick auf die Ände­rungskündi­gung vom 15.12.2009 die Aus­le­gungs­grundsätze für "Neu­verträge" gel­ten (hier­ge­gen mit gu­ten Gründen: LAG Düssel­dorf v. 28.02.2017 - 14 Sa 852/16 - n.v.). Ei­nes Rück­griffs auf die Ver­mu­tungs­re­gel zu Gleich­stel­lungs­ab­re­den be­darf es nicht, da un­abhängig hier­von die Aus­le­gung der Klau­sel er­gibt, dass die Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­ge­bers an den in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­ver­trag zur auflösen­den Be­din­gung der Ver­ein­ba­rung ge­macht wor­den ist.
86 (1) Zif­fer 3. ist nach den Re­ge­lun­gen für all­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen aus­zu­le­gen.
87 Dafür be­gründet be­reits das äußere Er­schei­nungs­bild ei­ne tatsächli­che Ver­mu­tung (vgl. BAG v. 18.11.2015 - 5 AZR 751/13 - Rn. 20, NZA 2016, 487; BAG v. 17.08.2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 11 m.w.N., AP Nr. 55 zu § 307 BGB), der kei­ner der Par­tei­en ent­ge­gen ge­tre­ten ist. Der Ver­trag ist auf Grund­la­ge ei­nes von der Ar­beit­ge­be­rin zur Verfügung ge­stell­ten For­mu­lars aus­ge­fer­tigt und an den dafür vor­ge­se­he­nen Stel­len mit den kon­kre­ten Ver­trags­da­ten mit Fett­druck ergänzt wor­den. Die Ver­trags­be­din­gun­gen sind für ei­ne Viel­zahl von Verträgen vor­for­mu­liert wor­den, wie be­reits aus den zahl­rei­chen Par­al­lel­ver­fah­ren her­vor­geht.
88 All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen sind nach ih­rem ob­jek­ti­ven In­halt und ty­pi­schen Sinn ein­heit­lich so aus­zu­le­gen, wie sie von verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­nern un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der nor­ma­ler­wei­se be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ver­stan­den wer­den. Da­bei sind nicht die Verständ­nismöglich­kei­ten des kon­kre­ten, son­dern die des durch­schnitt­li­chen Ver­trags­part­ners des Ver­wen­ders zu­grun­de zu le­gen. Maßge­bend sind in­so­weit die Verständ­nismöglich­kei­ten des ty­pi­scher­wei­se bei Verträgen der ge­re­gel­ten Art zu er­war­ten­den nicht rechts­kun­di­gen Ver­trags­part­ners (vgl. et­wa BAG v. 17.03.2016 - 8 AZR 665/14 - Rn. 17, NZA 2016, 945; BAG v. 04.08.2015 - 3 AZR 137/13 - Rn. 31, AP Nr. 33 zu § 1 Be­trAVG Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung; BAG v. 23.01.2014 - 8 AZR 130/13 - Rn. 18, AP Nr. 5 zu § 309 BGB; BAG v. 19.03.2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 23, AP Nr. 11 zu § 305 BGB).
89 (2) Da­nach er­gibt sich, dass die Ta­rif­verträge für den Ein­zel­han­del NRW in ih­rer je­weils gel­ten­den Fas­sung nur so in Be­zug ge­nom­men wer­den soll­ten, wie ei­ne Ta­rif­bin­dung der Ar­beit­ge­be­rin be­steht.
90 (a) Dies er­gibt be­reits ei­ne Aus­le­gung an­hand des Wort­lauts.
91 Die For­mu­lie­rung "so­weit sie für I. ver­bind­lich sind" ist im Sin­ne ei­ner Ta­rif­bin­dung zu ver­ste­hen, da je­de an­de­re Deu­tungsmöglich­keit - für den Ar­beit­neh­mer er­kenn­bar - aus­schei­det. Die ge­gen­tei­li­ge Ar­gu­men­ta­ti­on des Ar­beits­ge­richts ver­mag nicht zu über­zeu­gen. Zwar ist es zu­tref­fend, dass die Be­grif­fe "Ver­bind­lich­keit" und "Ta­rif­ge­bun­den­heit" nicht iden­tisch sind. Die Ver­bind­lich­keit setzt aber die Ta­rif­bin­dung vor­aus. Ver­bind­lich sind ta­rif­li­che Rechts­nor­men un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG. Da­zu gehört ne­ben ei­ner bei­der­sei­ti­gen Ta­rif­ge­bun­den­heit der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en zusätz­lich, dass die­se un­ter den Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­tra­ges fal­len. Der Gel­tungs­be­reich kann hier nicht ge­meint sein, da so­wohl der sach­li­che und persönli­che ("Ta­rif­verträge für die Beschäftig­ten im Ein­zel­han­del") als auch der ört­li­che Gel­tungs­be­reich ("für den Ein­satz­ort ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge") im Ar­beits­ver­trag an­der­wei­tig ab­sch­ließend ge­re­gelt wur­den. Es ver­bleibt als wei­te­re Vor­aus­set­zung zur An­wend­bar­keit der Ta­rif­verträge al­lein die Ta­rif­bin­dung, wo­bei es ab­wei­chend von § 4 Abs. 1 TVG nicht auf die bei­der­sei­ti­ge Ta­rif­ge­bun­den­heit, son­dern al­lein auf die­je­ni­ge der Ar­beit­ge­be­rin ("für I.") an­kom­men soll.
92 Die ver­trag­li­che Bin­dung an die Ta­rif­verträge kann hin­ge­gen nicht ge­meint sein, weil dies ei­nen Zir­kel­schluss be­inhal­ten würde. Wenn die in Zif­fer 3. ge­re­gel­te ar­beits­ver­trag­li­che Ver­wei­sung auf die Ta­rif­verträge des Ein­zel­han­dels zu­gleich die Ver­bind­lich­keit für I. im Sin­ne des in Par­en­the­se ein­ge­scho­be­nen Halb­sat­zes be­gründen soll­te, bedürf­te es der dar­in ent­hal­te­nen Ein­schränkung gar nicht. Sinn­gemäß würde die Re­ge­lung dann be­deu­ten, dass die Ver­wei­sung auf die ge­nann­ten Ta­rif­verträge gel­ten soll, so­lan­ge ar­beits­ver­trag­lich auf die­se ver­wie­sen wird. Da die Ver­wei­sung ih­rer­seits in Zif­fer 3. selbst ge­re­gelt ist, wäre ei­ne sol­che Re­ge­lung völlig sinn­frei.
93 Auch ei­ne Ver­bind­lich­keit im Sin­ne ei­ner Gel­tung der Ta­rif­verträge durch ei­ne All­ge­mein­ver­bind­lich­keits­erklärung ist nicht ge­meint. Da­ge­gen spricht schon die For­mu­lie­rung "für I. ver­bind­lich" (Her­vor­he­bung durch Un­ter­zeich­ner), denn All­ge­mein­ver­bind­lich­keits­erklärun­gen er­fol­gen bran­chen­weit, nicht für ein­zel­ne Ar­beit­ge­ber. Zif­fer 3. wäre bei ei­nem der­ar­ti­gen Verständ­nis zu­dem kom­plett ent­behr­lich, denn im Fal­le ei­ner All­ge­mein­ver­bind­lich­keit von Ta­rif­verträgen gel­ten die­se un­abhängig von ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen.
94 Als ein­zig mögli­ches Aus­le­gungs­er­geb­nis bleibt so­mit, dass die Ta­rif­bin­dung der Fir­ma I. als da­ma­li­ger Ar­beit­ge­be­rin zur auflösen­den Be­din­gung der Gel­tung sämt­li­cher in Be­zug ge­nom­me­ner Ta­rif­verträge ge­macht wur­de.
95 (b) Zu dem von der Kläge­rin ver­tre­te­nen ge­gen­tei­li­gen Er­geb­nis kommt man auch nicht un­ter Her­an­zie­hung der sog. Un­klar­hei­ten­re­gel des § 305c Abs. 2 BGB.
96 Der Ver­wen­der all­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen muss bei Un­klar­hei­ten die für ihn ungüns­tigs­te Aus­le­gungsmöglich­keit ge­gen sich gel­ten las­sen. Das er­gibt sich nun­mehr für Ver­brau­cher­verträge aus § 310 Abs. 3 Nr. 2 iVm. § 305c Abs. 2 BGB, galt aber auch be­reits vor de­ren In­kraft­tre­ten auf­grund des Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes (vgl. BAG v. 18.05.2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 38, AP Nr. 37 zu § 66 ArbGG 1979; BAG v. 12.12.2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 17 ff, AP Nr. 67 zu § 1 Be­trAVG Zu­satz­ver­sor­gungs­kas­sen).
97 Ei­ne Un­klar­heit im Sin­ne die­ser Norm be­steht nur, wenn nach Ausschöpfung al­ler Aus­le­gungs­me­tho­den ein nicht be­heb­ba­rer Zwei­fel bleibt. Die An­wen­dung der Un­klar­hei­ten­re­gel setzt vor­aus, dass die Aus­le­gung ei­ner ein­zel­nen Be­stim­mung min­des­tens zwei Er­geb­nis­se als ver­tret­bar er­schei­nen lässt und von die­sen kei­nes den kla­ren Vor­zug ver­dient. Es müssen er­heb­li­che Zwei­fel an der rich­ti­gen Aus­le­gung be­ste­hen (vgl. BAG v. 13.01.2015 - 3 AZR 897/12 - Rn. 48, AP Nr. 54 zu § 1 Be­trAVG Aus­le­gung; BAG v. 18.05.2010 Rn. 55 aaO). Die ent­fern­te Möglich­keit, zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis zu kom­men, genügt für die An­wen­dung der Un­klar­hei­ten­re­gel nicht (BAG v. 18.05.2010 Rn. 55, aaO; BAG v. 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 14, AP Nr. 32 zu § 307 BGB).
98 Der­ar­ti­ge er­heb­li­che Zwei­fel am rich­ti­gen Aus­le­gungs­er­geb­nis be­ste­hen nicht. Auch die Kläge­rin hat nicht aus­zuführen ver­mocht, wel­che an­de­re als die hier auf­ge­zeig­te Be­deu­tung die Ein­schränkung "so­weit sie für I. ver­bind­lich sind" ha­ben soll­te.
99 Selbst wenn man aber Zwei­fel hätte, so könn­ten sich die­se al­len­falls dar­auf be­zie­hen, ob nicht zusätz­lich auch die All­ge­mein­ver­bind­lich­keit um­fasst sein soll. Dies würde aber zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis führen, denn auch ei­ne in die­sem Sin­ne zu­guns­ten der Kläge­rin un­ter­stell­te er­wei­ter­te Aus­le­gung führt nicht zu ei­ner An­wend­bar­keit der nach dem Jahr 2011 ver­ein­bar­ten Ge­halts­ta­rif­verträge. Die­se wur­den nämlich nicht für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt.
100 (c) Die Re­ge­lung ist schließlich nicht we­gen In­trans­pa­renz un­wirk­sam (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Sie ist - wie auf­ge­zeigt - klar und verständ­lich.
101 ccc) Et­was an­de­res er­gibt sich nicht dar­aus, dass die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ei­ne höhe­re Vergütungs­grup­pe ver­ein­bart ha­ben als der Kläge­rin bei ei­ner bloßen An­wen­dung des ein­schlägi­gen Ge­halts­ta­rif­ver­tra­ges ei­gent­lich zu­ge­stan­den hätte.
102 (1) Als "Verkäufe­r­in" fiel sie un­mit­tel­bar in die un­ter der Ge­halts­grup­pe I ge­nann­te ent­spre­chen­de Fall­grup­pe. Hin­sicht­lich der wei­te­ren Auf­ga­be als Kas­sie­re­rin wur­de we­der ar­beits­ver­trag­lich ei­ne ge­ho­be­ne Tätig­keit ver­ein­bart noch hat ei­ne der Par­tei­en vor­ge­tra­gen, die Kläge­rin ha­be ei­ne sol­che ge­ho­be­ne Tätig­keit aus­geübt oder ausüben sol­len. Bei­de Par­tei­en ge­hen viel­mehr da­von aus, dass die Kläge­rin ei­gent­lich in die Ge­halts­grup­pe I ein­zu­grup­pie­ren ge­we­sen wäre, wie auch der Ände­rungskündi­gung vom 15.12.2009 zu ent­neh­men ist.
103 Die­se Ein­grup­pie­rung in die höhe­re Vergütungs­grup­pe ist be­wusst er­folgt. Ein Irr­tum kann schon auf­grund der ein­deu­ti­gen Tätig­keits­be­zeich­nung in Zif­fer 1. des An­stel­lungs­ver­tra­ges aus­ge­schlos­sen wer­den. Dem­ent­spre­chend fehlt es an jeg­li­chem Vor­trag der Be­klag­ten, worüber sich die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en bei Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges ge­ge­be­nen­falls ge­irrt ha­ben soll­ten. Ge­gen ei­nen sol­chen Irr­tum spricht zu­dem, dass ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­run­gen in zahl­rei­chen an­de­ren Verträgen ge­trof­fen wur­den (vgl. nur die Ent­schei­dun­gen der 8. und der 13. Kam­mer des LAG Düssel­dorf: Ur­tei­le v. 31.03.2015 - 8 Sa 1140/14 - [n.v.] und v. 17.09.2015 - 13 Sa 449/15 - ju­ris so­wie der er­ken­nen­den Kam­mer v. 11.11.2016 - 6 Sa 110/16 - ju­ris [vgl. dort Rn. 99: da­nach ver­moch­te die Be­klag­te kei­nen Fall aus dem streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum zu be­nen­nen, in dem ih­re Rechts­vorgänge­rin ei­ne an­der­wei­ti­ge Ein­grup­pie­rung vor­ge­nom­men hat]).
104 (2) Mit die­ser be­wuss­ten Bes­ser­stel­lung der Kläge­rin bei der Ein­grup­pie­rung ha­ben die Par­tei­en aber nicht ver­ein­bart, dass der Kläge­rin ei­ne Vergütung nach der Ge­halts­grup­pe II des GTV selbst dann zu­ste­hen soll­te, so­fern der Ta­rif­ver­trag nicht kraft Ta­rif­bin­dung (oder ge­ge­be­nen­falls All­ge­mein­ver­bind­lich­keits­erklärung) an­wend­bar sein soll­te.
105 Zif­fer 6. enthält kei­ne Zu­sa­ge ei­ner von der Ta­rif­bin­dung der Ar­beit­ge­be­rin un­abhängi­gen Gel­tung des Ge­halts­ta­rif­ver­tra­ges. Dies er­gibt die Aus­le­gung die­ser Re­ge­lung.
106 (a) Bei Zif­fer 6. han­delt es sich wie­der­um um ei­ne Klau­sel, die nach den Re­ge­lun­gen für all­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen aus­zu­le­gen ist.
107 Hin­sicht­lich der for­mu­larmäßig vor­ge­ge­be­nen For­mu­lie­run­gen gel­ten die obi­gen Ausführun­gen zu Zif­fer 3. ent­spre­chend. Hin­sicht­lich der im Fett­druck vor­ge­nom­me­nen Ergänzun­gen gilt Fol­gen­des:
108 Muss ei­ne Klau­sel noch - ma­schi­nen­schrift­lich oder hand­schrift­lich - um An­ga­ben ergänzt wer­den, die den kon­kre­ten Ver­trag be­tref­fen, stellt dies ih­ren Cha­rak­ter als AGB nicht in Fra­ge, wenn es sich bei dem Zu­satz le­dig­lich um ei­ne un­selbständi­ge Ergänzung han­delt (Ba­se­dow in Münche­ner Kom­men­tar zum BGB, 7. Auf­la­ge 2016, § 305 BGB Rn. 15). Dies ist der Fall, wenn le­dig­lich Na­men oder be­stimm­te Da­ten ein­zu­tra­gen sind (vgl. die Bei­spie­le bei Münch­KommBGB - Ba­se­dow, § 305 BGB Rn. 15). Zif­fer 6 des An­stel­lungs­ver­tra­ges ist grundsätz­lich so kon­zi­piert, dass le­dig­lich un­selbständi­ge Ergänzun­gen vor­zu­neh­men sind, nämlich die Ein­grup­pie­rung und die Ent­gelthöhe, die sich aus dem gemäß Zif­fer 3. an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­trag er­gibt. Zwar ist die Ein­tra­gung der Ge­halts­grup­pe II darüber hin­aus­ge­gan­gen. Es han­delt sich den­noch um ei­ne un­selbstständi­ge Ein­tra­gung, die am Cha­rak­ter der Klau­sel als AGB nichts geändert hat, da die Ein­grup­pie­rung nicht et­wa in­di­vi­du­ell aus­ge­han­delt, son­dern von der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten - so­weit er­sicht­lich - in sämt­li­chen Verträgen ein­heit­lich vor­ge­nom­men wor­den ist.
109 (b) Durch Zif­fer 6. Abs. 1 wird Zif­fer 3. hin­sicht­lich des Er­for­der­nis­ses der Ta­rif­bin­dung nicht mo­di­fi­ziert.
110 Schon der Wort­laut führt zu ei­nem ein­deu­ti­gen Aus­le­gungs­er­geb­nis. Zwar lässt die For­mu­lie­rung "Ta­rif­ge­halt der­zeit ..." den Schluss zu, dass der ge­nann­te Be­trag DM 1.905,-- nicht fix blei­ben soll­te. Ob al­ler­dings ei­ne An­pas­sung nur so­lan­ge er­fol­gen soll­te, wie ei­ne Ta­rif­bin­dung be­steht, oder un­abhängig da­von auf Dau­er zu­ge­sagt wer­den soll­te, kann die­ser For­mu­lie­rung nicht ent­nom­men wer­den. Die Ant­wort hier­auf lässt sich viel­mehr der For­mu­lie­rung "des gel­ten­den Ge­halts­ta­rif­ver­tra­ges" (Her­vor­he­bung durch Un­ter­zeich­ner) ent­neh­men. Dar­aus geht ein­deu­tig her­vor, dass die An­wend­bar­keit des ein­schlägi­gen Ge­halts­ta­rif­ver­tra­ges nicht über Zif­fer 6. ver­ein­bart, son­dern vor­aus­ge­setzt wird.
111 Bestätigt wird dies durch die Sys­te­ma­tik der ar­beits­ver­trag­li­chen Be­stim­mun­gen. In an­de­ren ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen wird in der Re­gel pau­schal auf nicht näher ge­nann­te Ta­rif­nor­men ver­wie­sen, oh­ne den Ta­rif­ver­trag zu spe­zi­fi­zie­ren (et­wa Zif­fer 4. "gemäß Ta­rif" oder Zif­fer 8. "es gel­ten die ta­rif­li­chen Be­stim­mun­gen"). Die Fest­le­gung des ein­schlägi­gen Ta­rif­ver­tra­ges er­folgt viel­mehr für den Ar­beits­ver­trag ins­ge­samt über Zif­fer 3. ("für den Ein­satz­ort ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge im Ein­zel­han­del"). Die­se Be­stim­mung wird dann in sämt­li­chen wei­te­ren Re­ge­lun­gen vor­aus­ge­setzt. Dem­ent­spre­chend fin­det sich auch un­ter Zif­fer 6. kei­ne Be­zeich­nung oder sons­ti­ge Be­stim­mung des zur An­wen­dung kom­men­den Ta­rif­ver­tra­ges. Gilt in­so­weit aber ein­heit­lich die Grund­re­gel der Zif­fer 3., gibt es kei­nen Grund dafür, war­um die dar­in ent­hal­te­ne Ein­schränkung "so­weit sie für I. ver­bind­lich sind" als ein­zi­ge Re­ge­lung der Zif­fer 3. kei­ne Gel­tung be­an­spru­chen soll­te.
112 Nichts an­de­res er­gibt sich aus dem Sinn und Zweck der un­ter Zif­fer 6. ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung. Die Kläge­rin soll­te - eben­so wie die an­de­ren bei der Be­klag­ten beschäftig­ten Verkäufer und ein­fa­chen Kas­sie­rer - bes­ser ge­stellt wer­den, als sie bei ei­ner ta­rif­ge­rech­ten Ein­grup­pie­rung stünde. Dies wird durch die Ver­ein­ba­rung der höhe­ren Vergütungs­grup­pe gewähr­leis­tet, denn die Kläge­rin erhält dau­er­haft mehr als ihr bei ei­ner Ein­grup­pie­rung in die Ge­halts­grup­pe I zustünde. Die Bes­ser­stel­lung soll­te hin­ge­gen nicht los­gelöst von den tatsächlich gel­ten­den ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen er­fol­gen. Wäre dies ge­wollt ge­we­sen, so wäre ei­ne über­ta­rif­li­che Zu­la­ge ver­ein­bart wor­den. Die statt­des­sen vor­ge­nom­me­ne höhe­re Ein­grup­pie­rung kann dem­ent­spre­chend nur den Sinn ge­habt ha­ben, die Kläge­rin so zu stel­len, als würde sie die höher­wer­ti­gen Auf­ga­ben der Ge­halts­grup­pe II wahr­neh­men. Wäre dies aber der Fall, so würde sie wie­der­um gemäß Zif­fer 3. an der Dy­na­mi­sie­rung der Ta­rif­verträge nur so­lan­ge teil­neh­men wie die Ar­beit­ge­be­rin ta­rif­ge­bun­den ist (vgl. die obi­gen Ausführun­gen). Würde man nun­mehr an­neh­men, mit der Ver­ein­ba­rung der Ge­halts­grup­pe II sei zu­gleich auch noch ei­ne Dy­na­mi­sie­rungs­ver­ein­ba­rung ge­trof­fen wor­den, so würde die Kläge­rin nicht et­wa den nach der Ge­halts­grup­pe II zu vergüten­den ers­ten Verkäufe­r­in­nen oder Kas­sie­re­rin­nen mit ei­ner ge­ho­be­nen Ver­ant­wor­tung gleich-, son­dern die­sen ge­genüber bes­ser­ge­stellt. Dass war - aus Empfänger­ho­ri­zont ob­jek­tiv er­kenn­bar - nicht ge­wollt.
113 Die Un­klar­hei­ten­re­gel kommt wie­der­um nicht zur An­wen­dung, da kei­ne er­heb­li­chen Zwei­fel am rich­ti­gen Aus­le­gungs­er­geb­nis be­ste­hen. Die von der Kläge­rin ver­tre­te­ne Aus­le­gung ist we­der mit dem Wort­laut noch der Sys­te­ma­tik der ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen in Ein­klang zu brin­gen und folg­lich nicht in glei­cher Wei­se recht­lich ver­tret­bar wie das von der Kam­mer ge­fun­de­ne Aus­le­gungs­er­geb­nis.
114 (c) In­so­weit wur­de auch durch die Ände­rungskündi­gung nichts an­de­res ver­ein­bart.
115 Wie dem Schrei­ben vom 15.12.2009 zu ent­neh­men ist, soll­te die Kläge­rin mit der Ein­grup­pie­rung in die Ent­gelt­grup­pe G II wie­der so ge­stellt wer­den wie sie vor ih­rer Beförde­rung zur Su­per­vi­so­rin stand. Die Kläge­rin als Empfänge­rin des ent­spre­chen­den Ände­rungs­an­ge­bots hat­te kei­nen An­lass, die­ses so zu ver­ste­hen, es ha­be ei­ne Bes­ser­stel­lung in der Form er­fol­gen sol­len, dass der ein­schlägi­ge Ge­halts­ta­rif­ver­trag zukünf­tig un­abhängig von der Ta­rif­bin­dung der Ar­beit­ge­be­rin zur An­wen­dung ge­bracht wer­den soll­te. Dem steht ne­ben dem im Kündi­gungs­schrei­ben selbst zum Aus­druck ge­kom­me­nen Zweck der Ein­grup­pie­rung in G II ent­ge­gen, dass die übri­gen Be­din­gun­gen des An­stel­lungs­ver­tra­ges - und da­mit auch die Gleich­stel­lungs­ab­re­de in Zif­fer 3. - fort­gel­ten soll­ten.
116 ddd) Ein ab­wei­chen­des Er­geb­nis ist schließlich nicht durch die späte­re Hand­ha­bung ge­recht­fer­tigt.
117 Mit der Wei­ter­ga­be der Ta­rif­erhöhung zum 01.07.2012 trotz des zwi­schen­zeit­lich zum 31.12.2011 er­folg­ten Ver­bands­aus­tritts hat die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten nicht zum Aus­druck ge­bracht, dass sie von ei­ner un­abhängig von Ta­rif­bin­dun­gen be­ste­hen­den dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me aus­geht. Ein sol­cher Schluss wäre nur dann möglich, wenn die Ta­rif­erhöhung nach dem Ver­bands­aus­tritt ver­ein­bart wor­den wäre. Tatsächlich ist sie aber be­reits im Ge­halts­ta­rif­ver­trag vom 29.06.2011 und da­mit zu ei­nem Zeit­punkt ver­ein­bart wor­den, an dem die Ar­beit­ge­be­rin un­strei­tig noch an die Ta­rif­verträge des Ein­zel­han­dels NRW ge­bun­den war. Folg­lich ist die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten mit der Zah­lung des erhöhten Ge­halts ab dem 01.07.2012 le­dig­lich ih­rer sich aus der Bin­dung an den Ta­rif­ver­trag vom 29.06.2011 fol­gen­den Ver­pflich­tung nach­ge­kom­men.
118 bb) Da­mit gel­ten die Ta­rif­verträge nur noch in der zum 31.12.2011 gülti­gen Fas­sung wei­ter.
119 Die Ver­ein­ba­rung ei­ner Gleich­stel­lungs­klau­sel führt da­zu, dass die Dy­na­mik nur so weit reicht, wie dies bei ei­nem ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer der Fall ist, al­so dann en­det, wenn der Ar­beit­ge­ber we­gen Weg­falls der ei­ge­nen Ta­rif­ge­bun­den­heit nicht mehr nor­ma­tiv an künf­ti­ge Ta­ri­fent­wick­lun­gen ge­bun­den ist. Ab die­sem Zeit­punkt sind die in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge nur noch sta­tisch an­zu­wen­den (vgl. BAG v. 13.05.2015 - 4 AZR 244/14 - Rn. 20, AP Nr. 130 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag; BAG v. 11.12.2013 - 4 AZR 473/12 - Rn. 14 f., AP Nr. 125 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag). Die­se sta­ti­sche Wir­kung wur­de durch den Aus­tritt der Gebr. I. zum 31.12.2011 her­bei­geführt. Gemäß § 613a Abs. 1 S.2 BGB gilt dies seit dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 01.01.2013 im Verhält­nis der eben­falls nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Be­klag­ten zur Kläge­rin.
120 b) Folg­lich sind auch die Anträge zu 1. und 3. un­be­gründet.
121 Auf­grund der sta­ti­schen Wei­ter­gel­tung des Ge­halts­ta­rif­ver­tra­ges vom 29.06.2011 steht der Kläge­rin fol­gen­des mo­nat­li­ches Ge­halt zu:
122 Ta­rif­ge­halt für An­ge­stell­te in Voll­zeit G II (nach d. 5. Tätig­keitsj.):2.641,- €
123 Ta­rif­li­che Mo­nats­ar­beits­zeit: 163 St­un­den.
124 2641,-- : 163 x 81,5 = 1.320,50 €.
125 Darüber hin­aus­ge­hen­de Zah­lungs­ansprüche be­ste­hen - ab­ge­se­hen von den un­strei­ti­gen sons­ti­gen Ent­gelt­be­stand­tei­len wie Zu­schlägen etc. - nicht.
126 B.
127 I. Die Kläge­rin hat gemäß § 97 ZPO die Kos­ten des oh­ne Er­folg ein­ge­leg­ten Rechts­mit­tels zu tra­gen.
128 II. Die Kam­mer hat die Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ZPO we­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung ei­ner ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Rechts­fra­ge zu­ge­las­sen.
129 RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG
130 Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der Kläge­rin
131 R E V I S I O N
132 ein­ge­legt wer­den
133 Für die be­klag­te Par­tei ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.
134 Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form beim
135 Bun­des­ar­beits­ge­richt
136 Hu­go-Preuß-Platz 1
137 99084 Er­furt
138 Fax: 0361-2636 2000
139 ein­ge­legt wer­den.
140 Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.
141 Die Re­vi­si­ons­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:
142 1.Rechts­anwälte,
143 2.Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
144 3.Ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Num­mer 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.
145 In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Re­vi­si­ons­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.
146 Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.
147 Bezüglich der Möglich­keit elek­tro­ni­scher Ein­le­gung der Re­vi­si­on wird auf die Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ar­beits­ge­richt vom 09.03.2006 (BGBl. I Sei­te 519) ver­wie­sen.
148 * ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.
149 Barth Sent­ker­Jed­in­ski

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