HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Hamm, Be­schluss vom 14.11.2016, 12 Ta 475/16

   
Schlagworte: Zeugnis
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 12 Ta 475/16
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 14.11.2016
   
Leitsätze: Haben die Parteien im Vergleich im Zusammenhang mit der Zeugniserteilung vereinbart, dass der Arbeitnehmer ein Vorschlagsrecht hat, von dem Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund abweichen darf, haben sie zulässigerweise die Formulierungshoheit auf den Arbeitnehmer übertragen.
Weicht der Arbeitgeber vom Entwurf durch Steigerungen nach „oben“ ab, ist der titulierte Zeugnisanspruch nicht erfüllt, wenn sich aus dem Gesamteindruck des Zeugnisses ergibt, dass die Bewertungen durch ihren ironisierenden Charakter nicht ernstlich gemeint sind.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 04.08.2016, 3 Ca 1338/15
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, 12 Ta 475/16

Te­nor:

Die so­for­ti­ge Be­schwer­de der Schuld­ne­rin ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Hamm vom 04.08.2016 – 3 Ca 1338/15 – wird zurück­ge­wie­sen.

Die Schuld­ne­rin trägt die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens.

Der Ver­fah­rens­wert wird auf 5.200,- € fest­ge­setzt.

Gründe:

I. Die Par­tei­en strei­ten im Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren dar­um, ob die Schuld­ne­rin ih­rer Ver­pflich­tung aus ei­nem Ver­gleich, ein Zeug­nis nach ei­nem Ent­wurf des Gläubi­gers zu er­tei­len, nach­ge­kom­men ist.

Der Gläubi­ger stand bei der Schuld­ne­rin in der Zeit vom 01.08.2013 bis zum 31.07.2015 als Ver­kehrs­fach­wirt in ei­nem be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis.

In dem zu­grun­de­lie­gen­den Rechts­streit, in dem es um Vergütungs­ansprüche so­wie um Ar­beits­pa­pie­re und das Zeug­nis ging, schlos­sen die Par­tei­en am 28.10.2015 ei­nen ge­richt­li­chen Ver­gleich, in­dem es u. a. in Zif­fer 3 heißt:

„Die Be­klag­te er­teilt dem Kläger ein wohl­wol­len­des, qua­li­fi­zier­tes Ar­beits­zeug­nis. Dem Kläger bleibt nach­ge­las­sen, der Be­klag­ten ei­nen Zeug­nis­ent­wurf vor­zu­le­gen. Die­se darf hier­von nur aus wich­ti­gem Grund ab­wei­chen.“

Am 17.12.2015 über­mit­tel­te der Gläubi­ger der Schuld­ne­rin ei­nen Zeug­nis­ent­wurf. Mit Schrei­ben vom 18.01.2016 über­sand­te die Schuld­ne­rin dem Gläubi­ger ein un­ter dem 31.07.2015 ge­fer­tig­tes Zeug­nis, wel­ches von dem über­mit­tel­ten Ent­wurf in ei­ni­gen Punk­ten sprach­lich durch Syn­ony­me oder Stei­ge­run­gen ab­weicht:

Ent­wurf des Gläubi­gers 

Zeug­nis der Schuld­ne­rin

stets si­cher und

zu je­der Zeit si­cher und

sei­ner sehr gu­ten Auf­fas­sungs­ga­be

sei­ner ex­trem gu­ten Auf­fas­sungs­ga­be

war Herr F im­mer

war Herr F selbst­verständ­lich im­mer

Auf­ga­ben mit bei­spiel­haf­tem En­ga­ge­ment

Auf­ga­ben mit äußerst bei­spiel­haf­tem En­ga­ge­ment

auf aus­ge­prägte wirt­schaft­li­che Kennt­nis­se

auf sehr aus­ge­prägte wirt­schaft­li­che Kennt­nis­se

sei­ne sehr gut ent­wi­ckel­te Fähig­keit

sei­ne ex­trem gut ent­wi­ckel­te Fähig­keit

ha­ben sich er­freu­lich ent­wi­ckelt

ha­ben sich äußerst er­freu­lich ent­wi­ckelt

Herr F stets ein kom­pe­ten­ter

Herr F zu je­der Zeit ein äußerst kom­pe­ten­ter

bei wech­seln­den An­for­de­run­gen im­mer aus­ge­zeich­net bei wech­seln­den An­for­de­run­gen im­mer her­vor­ra­gend

Wir be­wer­ten ihn mit „sehr gut“.

Wenn es bes­se­re No­te als „sehr gut“ ge­ben würde, würden wir ihn da­mit be­ur­tei­len.

We­gen sei­nes freund­li­chen

We­gen sei­nes ex­trem freund­li­chen

und Kun­den war im­mer vor­bild­lich.

und Kun­den war zu je­der Zeit vor­bild­lich.

für die stets sehr gu­te Zu­sam­men­ar­beit

für die stets her­vor­ra­gen­de Zu­sam­men­ar­beit

Zu­dem heißt es im Zeug­nis­ent­wurf:

„Herr F verlässt un­ser Un­ter­neh­men zum 31.07.2015 auf ei­ge­nen Wunsch, was wir sehr be­dau­ern.“

Im er­teil­ten Zeug­nis heißt es dem­ge­genüber:

„Herr F verlässt un­ser Un­ter­neh­men zum 31.07.2015 auf ei­ge­nen Wunsch, was wir zur Kennt­nis neh­men.“

Nach Zu­stel­lung der voll­streck­ba­ren Aus­fer­ti­gung des Ver­gleichs von An­walt zu An­walt be­an­trag­te der Gläubi­ger am 20.06.2016 beim Ar­beits­ge­richt die Fest­set­zung ei­nes Zwangs­gel­des, weil er der Auf­fas­sung war, die Schuld­ne­rin ha­be ih­rer Pflicht zu Er­stel­lung ei­nes Zeug­nis­ses nicht genügt. Die geänder­ten For­mu­lie­run­gen sei­en er­heb­lich und da­zu ge­eig­net, das ge­sam­te Zeug­nis wert­los zu ma­chen. Die Ände­run­gen dien­ten nicht dem Grund­satz der Zeug­nis­wahr­heit, son­dern zögen viel­mehr den Zeug­nis­text ins Lächer­li­che.

Die Schuld­ne­rin hat um Zurück­wei­sung des An­trags ge­be­ten.

Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das Zeug­nis sei ord­nungs­gemäß er­teilt. Es wei­che nur in we­ni­gen Punk­ten aus wich­ti­gem Grund ab. Das be­gehr­te Zeug­nis ent­spre­che nicht dem Grund­satz der Zeug­nis­wahr­heit, da sie das Ver­las­sen des Be­trie­bes durch den Gläubi­ger nicht be­daue­re. Die wei­te­ren Ab­wei­chun­gen be­schränk­ten sich le­dig­lich auf ei­ne al­ter­na­ti­ve Wort­wahl oh­ne Aus­wir­kung auf den Ge­samt­ein­druck und die Ge­samt­be­wer­tung der Ar­beits­lei­tung. Letzt­lich sei die Fra­ge, ob die Ab­wei­chun­gen im Ent­wurf ge­recht­fer­tigt sei­en, nicht im Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren zu klären, son­dern im We­ge des Er­kennt­nis­ver­fah­rens auf Zeug­nis­be­rich­ti­gung.

Mit Be­schluss vom 04.08.2016, der der Schuld­ne­rin am 09.08.2016 zu­ge­stellt wor­den ist und we­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten in Be­zug ge­nom­men wird, hat das Ar­beits­ge­richt ein Zwangs­geld in Höhe von 1.000,- € und im Fal­le der Un­ein­bring­lich­keit für je 250,- € durch ei­nen Tag Zwangs­haft zu voll­stre­cken an dem Geschäftsführer fest­ge­setzt.

Zur Be­gründung hat es aus­geführt, mit der Re­ge­lung im Ver­gleich hätten die Par­tei­en das Ziel ver­folgt, ei­nen wei­te­ren Streit über Zeug­nis­for­mu­lie­run­gen zu ver­mei­den. Da­mit sei die For­mu­lie­rungs­ho­heit des Ar­beit­ge­bers maßgeb­lich ein­ge­schränkt wor­den und auf den Ar­beit­neh­mer über­tra­gen wor­den. Die al­ler­dings ein­zu­hal­ten­de Gren­ze der Zeug­nis­wahr­heit und Zeug­nis­klar­heit sei hier ein­ge­hal­ten. Das er­teil­te Zeug­nis er­we­cke beim neu­tra­len Le­ser ei­nen spöttisch iro­ni­schen Ge­samt­ein­druck und zie­he den Zeug­nis­text ins lächer­li­che. Die For­mu­lie­rung, man neh­me sein Aus­schei­den zur Kennt­nis, sei für den neu­tra­len Le­ser ein deut­lich ne­ga­ti­ver Hin­weis dar­auf, dass die Par­tei­en nicht im Ein­ver­neh­men aus­ein­an­der ge­gan­gen sei­en.

Ge­gen den ihr am 09.08.2016 zu­ge­gan­ge­nen Be­schluss hat die Schuld­ne­rin am 15.08.2016 so­for­ti­ge Be­schwer­de ein­ge­legt und im We­sent­li­chen ih­re Einwände wie­der­holt. Bei den Er­set­zun­gen im er­teil­ten Zeug­nis hand­le es sich um sinn­ver­wand­te Aus­drücke, so­dass schon kei­ne Ab­wei­chun­gen vorlägen, zu­dem sei­en die Be­grif­fe po­si­tiv.

Der Gläubi­ger hat die Zurück­wei­sung der so­for­ti­gen Be­schwer­de un­ter Ver­tie­fung sei­nes Vor­brin­gens be­an­tragt.

Mit Be­schluss vom 06.09.2016 hat das Ar­beits­ge­richt der so­for­ti­gen Be­schwer­de nicht ab­ge­hol­fen, son­dern sie dem Be­schwer­de­ge­richt vor­ge­legt.

Hin­sicht­lich der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens wird auf den In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie auf die Pro­zess­ak­te ver­wie­sen.

II. Die statt­haf­te, form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­te so­for­ti­ge Be­schwer­de der Schuld­ne­rin (§§ 62 Abs. 2, 78 ArbGG, 567, 569, 793, 888 ZPO) ist zulässig, je­doch un­be­gründet.

Bis­lang ist die Schuld­ne­rin ih­rer Ver­pflich­tung aus dem Ver­gleich vom 28.10.2015 nicht nach­ge­kom­men, so­dass das Ar­beits­ge­richt zu Recht ein Zwangs­geld und er­satz­wei­se Zwangs­haft gemäß § 888 ZPO fest­ge­setzt hat.

1. Die all­ge­mei­nen Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Zwangs­voll­stre­ckung lie­gen vor. Der ge­richt­li­che Ver­gleich vom 28.10.2015 ist als Ti­tel gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zur Zwangs­voll­stre­ckung ge­eig­net. Die voll­streck­ba­re Aus­fer­ti­gung wur­de er­teilt und der Schuld­ne­rin zu­ge­stellt (§§ 724 Abs. 1, 750 Abs. 1 ZPO).

2. Die im Ver­gleich un­ter Zif­fer 3 ti­tu­lier­te Pflicht zur Zeug­nis­er­tei­lung hat die Schuld­ne­rin nicht erfüllt.

a) Gemäß § 109 Ge­wO hat der Ar­beit­neh­mer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­nen An­spruch auf ein schrift­li­ches Zeug­nis, das sich nach sei­nem Ver­lan­gen auf Leis­tung und Ver­hal­ten im Ar­beits­verhält­nis er­streckt (§ 109 Abs. 1 Ge­wO). Nach Ab­satz 2 die­ser Vor­schrift muss das Zeug­nis klar und verständ­lich for­mu­liert sein und darf kei­ne Merk­ma­le oder For­mu­lie­run­gen ent­hal­ten, die den Zweck ha­ben, ei­ne an­de­re als aus der äußeren Form oder aus dem Wort­laut er­sicht­li­che Aus­sa­ge über den Ar­beit­neh­mer zu tref­fen.

b) Grundsätz­lich ist es Sa­che des Ar­beit­ge­bers, dass Zeug­nis zu for­mu­lie­ren. Er hat in­so­weit über den Wort­laut und den Duk­tus des Zeug­nis­ses die For­mu­lie­rungs­ho­heit, der er sich aber be­ge­ben kann.

aa) Hier ha­ben die Par­tei­en im Ver­gleich zulässi­ger­wei­se ei­ne ab­wei­chen­de Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen, die den Spiel­raum des Ar­beit­ge­bers ein­schränkt und die For­mu­lie­rungs­ho­heit dem Ar­beit­neh­mer überträgt (vgl. vgl. BAG, Be­schluss v. 09.09.2011 – 3 AZB 35/11, AP-Nr. 53 zu § 794 ZPO LAG Hamm, Ur­teil v. 18.02.2016 – 18 Sa 1577/15, ju­ris; LAG Hamm, Be­schluss v. 04.08.2010 – 1 Ta 196/10, ju­ris). Dies kommt da­durch zum Aus­druck, dass dem Gläubi­ger nach­ge­las­sen bleibt, der Schuld­ne­rin ei­nen Zeug­nis­ent­wurf vor­zu­le­gen, von dem sie nur aus wich­ti­gem Grund ab­wei­chen darf. Da­mit hat sich al­ler­dings die Schuld­ne­rin nicht ver­pflich­tet, den Ent­wurf des Schuld­ners oh­ne wei­te­re Prüfung und oh­ne je­de Ände­rung zu über­neh­men (vgl. BAG, Be­schluss v. 09.09.2011 – 3 AZB 35/11, AP-Nr. 53 zu § 794 ZPO). In dem der Ent­schei­dung des BAG zu­grun­de­lie­gen­den Fall hat­te sich der Schuld­ner ver­pflich­tet „ein pflicht­gemäßes qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis“ zu er­tei­len. Dem­ge­genüber hat sich die Schuld­ne­rin hier noch wei­ter ge­bun­den, in­dem sie mit dem Gläubi­ger im Ver­gleich ver­ein­bart hat, nur bei Vor­lie­gen ei­nes wich­ti­gen Grun­des ab­zu­wei­chen. Mit der An­for­de­rung des „wich­ti­gen Grun­des“ wird al­ler­dings aus­ge­schlos­sen, dass die Schuld­ne­rin nach dem Ver­gleich ver­pflich­tet wäre, in­halt­lich Un­wah­res in den Zeug­nis­text zu über­neh­men. Denn der – in ei­ner Viel­zahl von Fällen – ver­ein­bar­te Pas­sus ist un­ter Berück­sich­ti­gung des Grund­sat­zes der Zeug­nis­wahr­heit aus­zu­le­gen (vgl. LAG Hamm, Ur­teil vom 18.02.2016 – 18 Sa 1577/15, ju­ris). Die­ser Grund­satz und der der Zeug­nis­klar­heit, wie er in § 109 Abs. 2 Ge­wO zum Aus­druck kommt, wer­den als we­sent­li­che Prin­zi­pi­en des Zeug­nis­rechts ver­stan­den (vgl. Erfk-Müller-Glöge, 17. Aufl 2017, § 109 Ge­wO Rn. 22; BAG, Urt.v. 18.11.2014– 9 AZR 584/13, NZA 2015, 435, 437). Vor die­sem Hin­ter­grund kann die Schuld­ne­rin auch im We­ge der Zwangs­voll­stre­ckung nicht an­ge­hal­ten wer­den, ein Zeug­nis zu er­tei­len, das ge­gen die Zeug­nis­wahr­heit verstößt (vgl. BAG, 09.09.2011 – 3 AZB 35/11 a.a.O.).

bb) Ent­ge­gen der An­sicht der Schuld­ne­rin ist das Zeug­nis­be­geh­ren des Gläubi­gers nicht zunächst im Er­kennt­nis­ver­fah­ren zu klären. Viel­mehr sind die Ar­beits­ge­rich­te be­ru­fen, im Rah­men der Zwangs­voll­stre­ckung zu klären, ob das er­teil­te Zeug­nis dem ein­ge­reich­ten Ent­wurf ent­spricht. Des­we­gen kann die Schuld­ne­rin im Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren nach § 888 ZPO an­ge­hal­ten wer­den, ein dem Ent­wurf des Gläubi­gers ent­spre­chen­des Zeug­nis zu er­tei­len. Im Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren kann al­ler­dings nach der Recht­spre­chung des BAG nicht geklärt wer­den, ob das be­gehr­te Zeug­nis dem Grund­satz der Zeug­nis­wahr­heit ent­spricht oder nicht (vgl. BAG, 09.09.2011 – 3 AZB 35/11 a.a.O.).

c) Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze hat das Ar­beits­ge­richt zu Recht fest­ge­stellt, dass die im Ver­gleich vom 28.10.2015 ti­tu­lier­te Ver­pflich­tung von der Schuld­ne­rin bis­lang nicht erfüllt wor­den ist.

Bis auf die „Be­dau­erns­for­mel“ be­fas­sen sich die Ände­run­gen und Ab­wei­chun­gen vom Ent­wurf des Gläubi­gers mit Wer­tun­gen, nicht aber mit Tat­sa­chen. Ab­ge­se­hen von ei­ni­gen Wen­dun­gen, die mögli­cher­wei­se syn­onym sind („stets“ bzw. „im­mer“ er­setzt durch „zu je­der Zeit“), zeich­net sich das er­teil­te Zeug­nis da­durch aus, dass die Schuld­ne­rin die Be­grif­fe ge­stei­gert hat („selbst­verständ­lich“, „äußerst“, „sehr“, „ex­trem“, „her­vor­ra­gend“). Sinn und Zweck des Zeug­nis­ses ist es, ei­nem po­ten­ti­el­len Ar­beit­ge­ber ein möglichst wah­res Ur­teil über die Leis­tung und das Ver­hal­ten im Ar­beits­verhält­nis zu ge­ben (BAG, Urt.v. 18.11.2014– 9 AZR 584/13, NZA 2015, 435, 437). In­so­fern leis­tet das er­teil­te Zeug­nis nichts. Denn auf­grund der an vie­len Stel­len ge­stei­ger­ten For­mu­lie­run­gen wird je­der un­be­fan­ge­ne Le­ser des Zeug­nis­ses er­ken­nen, dass die­se For­mu­lie­run­gen nicht ernst­lich ge­meint sind. Es han­delt sich um For­mu­lie­run­gen, die den Zweck ha­ben, ei­ne an­de­re als aus dem Wort­laut er­sicht­li­che Aus­sa­ge über den Gläubi­ger zu tref­fen (vgl. § 109 Abs. 2 S 2 Ge­wO). Dies wird nicht nur durch die Stei­ge­run­gen deut­lich, son­dern aus der ab­sch­ließen­den Leis­tungs­be­ur­tei­lung "wenn es bes­se­re No­te als sehr gut ge­ben würde, würden wir ihn da­mit be­ur­tei­len“. Ab­ge­se­hen da­von, dass die­ser Satz gram­ma­ti­ka­lisch miss­lun­gen ist (zum An­spruch auf ein „gehöri­ges“ Zeug­nis vgl. BAG im Ur­teil v. 3. 3. 1993, AP Nr. 20 zu § 630 BGB), wird da­durch der iro­ni­sie­ren­de Cha­rak­ter des Ge­samt­zeug­nis­ses deut­lich, nämlich dass sie ih­re Be­ur­tei­lun­gen nicht ernst meint. Dies wird auch im Vor­brin­gen der Schuld­ne­rin er­kenn­bar, wenn sie in Be­zug auf die „Be­dau­erns­for­mel“, aus­drück­lich mit­teilt, dass das Aus­schei­den des Gläubi­gers für sie kei­nen Ver­lust be­deu­te. Wäre der Gläubi­ger tatsächlich ein Mit­ar­bei­ter ge­we­sen, der nach Einschätzung der Schuld­ne­rin noch bes­ser als „sehr gut“ war, wäre sein Aus­schei­den – für je­den Ar­beit­ge­ber – ein Ver­lust.

d) Der Schuld­ne­rin ist es auch nicht ge­lun­gen, ei­nen „wich­ti­gen Grund“ - wie zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bart – dar­zu­le­gen (zur Dar­le­gungs- und Be­weis­last im Er­kennt­nis­ver­fah­ren vgl. LAG Hamm, Ur­teil v. 18.02.2016 – 18 Sa 1577/15, ju­ris) Ih­rer ei­ge­nen Auf­fas­sung nach sind die gewähl­ten For­mu­lie­run­gen al­le­samt „Syn­ony­me“ oder al­len­falls „Ergänzun­gen oh­ne Verände­rung des Sinn­ge­hal­tes“. War­um des­we­gen Ände­run­gen vor­ge­nom­men wer­den muss­ten, er­sch­ließt sich des­we­gen nicht.

3. Da­nach hat das Ar­beits­ge­richt zu Recht Zwangs­mit­tel ge­gen die Schuld­ne­rin fest­ge­setzt. Die Höhe der Zwangs­mit­tel wur­de von die­ser nicht an­ge­grif­fen. Sie be­wegt sich im ge­setz­li­chen Rah­men und liegt eher im un­te­ren Be­reich des An­ge­mes­se­nen.

4. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf §§ 891, 97 ZPO. Für die Zu­las­sung der Rechts­be­schwer­de nach den §§ 72, 78 ArbGG be­steht kein Grund.

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 12 Ta 475/16