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BAG, Ur­teil vom 25.02.2010, 6 AZR 911/08

   
Schlagworte: Aufhebungsvertrag, Gleichbehandlung, Diskriminierung: Alter
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 6 AZR 911/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 25.02.2010
   
Leitsätze: Ältere Arbeitnehmer, die ein Arbeitgeber generell von einem Personalabbau ausnimmt, werden grundsätzlich auch dann nicht iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar gegenüber jüngeren Arbeitnehmern benachteiligt, wenn der Personalabbau durch freiwillige Aufhebungsverträge unter Zahlung attraktiver Abfindungen erfolgen soll.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 9.02.2007, 7 Ca 506/06
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 15.09.2008, 9 Sa 525/07
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

6 AZR 911/08

9 Sa 525/07

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Nie­der­sach­sen

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am 25. Fe­bru­ar 2010

UR­TEIL

Gaßmann, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Sechs­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 25. Fe­bru­ar 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Fi­scher­mei­er, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Spel­ge so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Schmidt und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Stang für Recht er­kannt:


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1. Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen vom 15. Sep­tem­ber 2008 - 9 Sa 525/07 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Der Kläger hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

 

Tat­be­stand

 

 

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob die Be­klag­te un­ter dem Ge­sichts­punkt der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung oder we­gen Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund-sat­zes zum Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags ge­gen Ab­fin­dung ver­pflich­tet ist.

Der 1949 ge­bo­re­ne Kläger ist seit 1971 bei der Be­klag­ten beschäftigt. Im Ju­ni 2006 leg­te die Be­klag­te, bei der be­triebs­be­ding­te Be­en­di­gungskündi­gun­gen zu die­sem Zeit­punkt ta­rif­lich noch bis min­des­tens 31. De­zem­ber 2011 aus­ge­schlos­sen wa­ren, für die bei ihr und bei be­stimm­ten kon­zern­an­gehöri­gen Ge­sell­schaf­ten Beschäfti­gen ein Ab­fin­dungs­mo­dell für Ar­beit­neh­mer auf, die bis zum 30. Ju­ni 2007 frei­wil­lig aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schie­den. Für die Ar­beit­neh­mer, de­ren Ar­beits­verhält­nis­se zwi­schen dem 1. Ju­ni und dem 30. Sep­tem­ber 2006 auf­grund ent­spre­chen­der Auf­he­bungs­verträge en­de­ten, war ei­ne zusätz­li­che „Tur­bo-Prämie“ von 54.000,00 Eu­ro brut­to vor­ge­se­hen. Die­ses Mo­dell rich­te­te sich aus­drück­lich le­dig­lich an Mit­ar­bei­ter der Jahrgänge 1952 und jünger. Es stand un­ter ei­nem dop­pel­ten Frei­wil­lig­keits-vor­be­halt: Kein Ar­beit­neh­mer muss­te zu den dar­ge­leg­ten Be­din­gun­gen aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­den; die Be­klag­te be­hielt sich vor, An­ge­bo­te von Ar­beit­neh­mern auf ein Aus­schei­den ab­zu­leh­nen. Bis zum 1. Ja­nu­ar 2007 hat­ten 5.937 Ar­beit­neh­mer Auf­he­bungs­verträge un­ter­schrie­ben, dar­un­ter 24 Ar­beit­neh­mer, die wie der Kläger vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­ren sind. Das er­gibt sich aus ei­nem „Flash-Re­port“ mit Stand vom 1. Ja­nu­ar 2007. Zwi­schen den Par­tei­en ist strei­tig, zu wel­chen Kon­di­tio­nen die 24 vor dem 1. Ja­nu­ar 1952


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ge­bo­re­nen Ar­beit­neh­mer, mit de­nen die Be­klag­te Auf­he­bungs­verträge ge­schlos­sen hat, aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­den sind.

Der Kläger er­hielt das Rund­schrei­ben von Mai 2006, aus dem sich die Ein­zel­hei­ten des Ab­fin­dungs­mo­dells er­ga­ben, nicht. Mit Schrei­ben vom 13. Ju­ni 2006 bat er un­ter Be­zug auf die­ses Rund­schrei­ben die Be­klag­te dar­um, ihm ein „ent­spre­chen­des“ An­ge­bot zu un­ter­brei­ten. Dem Kläger stünde nach dem von der Be­klag­ten auf­ge­leg­ten Mo­dell bei Aus­schei­den bis zum 30. Sep­tem­ber 2006 in­klu­si­ve der Tur­bo-Prämie un­strei­tig ei­ne Ab­fin­dung von 171.720,00 Eu­ro brut­to zu. Die Be­klag­te lehn­te mit Schrei­ben vom 22. Ju­ni 2006 den Ab­schluss ei­ner Auf­he­bungs­ver­ein­ba­rung zu den im Rund­schrei­ben nie­der­ge­leg­ten Be­din­gun­gen ab. Sie wies auf die bei ihr be­ste­hen­de ta­rif­li­che Al­ters­teil­zeit-re­ge­lung hin und erklärte sich be­reit, dem Kläger ei­ne Ab­fin­dung zu zah­len, die sich an den Al­ters­teil­zeit­re­ge­lun­gen ori­en­tier­te. Nach den bei der Be­klag­ten gel­ten­den ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen darf die Al­ters­teil­zeit 24 Ka­len­der­mo­na­te nicht un­ter- und 60 Ka­len­der­mo­na­te nicht über­schrei­ten. Während der Al­ters­teil­zeit dürfen grundsätz­lich nur ge­ringfügi­ge Tätig­kei­ten un­ter­halb der Gren­ze des § 8 SGB IV aus­geübt wer­den.

In der Güte­ver­hand­lung bot die Be­klag­te dem Kläger ei­ne Ab­fin­dung von 58.700,00 Eu­ro net­to an. Die­ser bat dar­auf­hin mit Schrei­ben vom 26. Ok­to­ber 2006 um kurz­fris­ti­ge Mit­tei­lung, wel­che Brut­to­ab­fin­dung der Be­rech­nung der Be­klag­ten zu­grun­de lie­ge, und um Über­sen­dung der ent­spre­chen­den Be­rech­nun­gen. Die Be­klag­te ant­wor­te­te dar­auf­hin mit Schrei­ben vom 30. Ok­to­ber 2006 wie folgt:

„... tei­len wir Ih­nen mit, dass es uns nicht möglich ist, Ih­nen ei­ne Brut­to­ab­fin­dungs­sum­me zu nen­nen, weil die­se abhängig vom kon­kre­ten Ver­dienst und den Steu­er­da­ten Ih­res Man­dan­ten zum Aus­zah­lungs­zeit­punkt ist. Die Net­to­sum­me er­rech­net sich nach den Mo­na­ten bis zu ei­nem frühestmögli­chen Ren­ten­ein­tritt Ih­res Man­dan­ten (in die­sem Fall 60 Jah­re nach Al­ters-teil­zeit, al­so bei Aus­tritt noch in die­sem Ok­to­ber 36 Mo­na­te) und den Net­to­beträgen, die er in ei­ner Al­ters-teil­zeit mo­nat­lich lt. Zu­mut­bar­keits­ta­bel­le er­hal­ten würde (un­ter Berück­sich­ti­gung der Steu­er­klas­se III 1.632,46 €).


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...“

Ein Auf­he­bungs­ver­trag zu die­sen Kon­di­tio­nen kam zwi­schen den Par­tei­en nicht zu­stan­de.

Mit der am 22. Sep­tem­ber 2006 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge be­gehrt der Kläger den Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags un­ter Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung von 171.720,00 Eu­ro brut­to.

Der Kläger hat die An­sicht ver­tre­ten, sein An­spruch er­ge­be sich aus dem Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung. Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) fin­de be­reits An­wen­dung. Die Be­klag­te ha­be auch nach In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes noch den Ab­schluss des Auf­he­bungs­ver­trags zu den be­gehr­ten Be­din­gun­gen ab­ge­lehnt. Sie ha­be fal­sche Ver­gleichs­grup­pen ge­bil­det. Zu ver­glei­chen sei­en die Ar­beit­neh­mer, die ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung schließen woll­ten, und die Ar­beit­neh­mer, die das Ar­beits­verhält­nis fort­set­zen woll­ten. Die Möglich­keit, Al­ters­teil­zeit in An­spruch neh­men zu können, recht­fer­ti­ge die Un­gleich­be­hand­lung der kon­tra­hie­rungs­wil­li­gen Ar­beit­neh­mer der Ge­burts­jahrgänge 1951 und älter nicht. So könne er - un­strei­tig - frühes­tens im Jahr 2009 Al­ters­teil­zeit in An­spruch neh­men, al­so zu ei­nem Zeit­punkt, zu dem das von der Be­klag­ten auf­ge­leg­te Ab­fin­dungs­mo­dell be­reits ab­ge­lau­fen sei. Per­so­nal­ab­bau sei kein le­gi­ti­mes und an­ge­mes­se­nes Ziel iSd. § 10 AGG.

Der Kläger be­haup­tet, er wer­de auch ge­genüber den vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­re­nen 24 Ar­beit­neh­mern un­gleich be­han­delt, mit de­nen die Be­klag­te Auf­he­bungs­verträge ge­schlos­sen ha­be. Aus dem Flash-Re­port er­ge­be sich, dass die Auf­he­bungs­verträge zu den Be­din­gun­gen der Tur­bo-Prämie ab­ge­schlos­sen wor­den sei­en. An­dern­falls wären sie in die­sem nicht auf­geführt, der sich nach sei­nem Sinn und Zweck le­dig­lich auf die Tur­bo-Prämie be­zie­he. Wei­te­re Dar­le­gun­gen sei­en ihm nicht möglich, da ihm die­se Mit­ar­bei­ter na­ment­lich nicht be­kannt sei­en.

Der Kläger hat be­an­tragt

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem Kläger ein An­ge­bot

zum Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags, der ei­ne


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Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses und Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 117.720,00 Eu­ro zuzüglich ei­nes Zu­schlags in Höhe von 54.000,00 Eu­ro, ins­ge­samt al­so ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 171.720,00 Eu­ro be­inhal­tet, zu un­ter­brei­ten, so­wie

2. fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, dem

Kläger al­le ma­te­ri­el­len und im­ma­te­ri­el­len Schäden zu er­set­zen, die dem Kläger da­durch ent­stan­den sind und ent­ste­hen wer­den, dass die Be­klag­te dem Kläger we­gen sei­nes Al­ters kei­nen Auf­he­bungs­ver­trag über die Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum 30. Sep­tem­ber 2006 und Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 117.720,00 Eu­ro zuzüglich Zu­schlag in Höhe von 54.000,00 Eu­ro, ins­ge­samt al­so ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 171.720,00 Eu­ro, an­ge­bo­ten hat.

Die Be­klag­te hat zur Be­gründung ih­res Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trags auf den dop­pel­ten Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt ver­wie­sen, un­ter dem der Ab­schluss der Auf­he­bungs­verträge im Rah­men der auf­ge­leg­ten Ak­ti­on ge­stan­den ha­be. Da sie das An­ge­bot des Klägers, ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung zu den Be­din­gun­gen des Rund­schrei­bens aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­zu­schei­den, vor In­kraft­tre­ten des AGG endgültig ab­ge­lehnt ha­be, fin­de die­ses kei­ne An­wen­dung. Je­den­falls ha­be sie den Kläger nicht we­gen sei­nes Al­ters dis­kri­mi­niert. Für ihn sei die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses wirt­schaft­lich am vor­teil­haf­tes­ten.

Die Be­klag­te hat be­haup­tet, sie ha­be mit den Ar­beit­neh­mern, die vor

dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­ren sei­en, zu an­de­ren Kon­di­tio­nen als de­nen des Rund­schrei­bens kon­tra­hiert. Sie hat in­so­weit drei Ar­beit­neh­mer aus dem Werk H, in dem auch der Kläger beschäftigt war, na­ment­lich be­nannt. Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass die­se Ar­beit­neh­mer nicht zu den Be­din­gun­gen des Rund­schrei­bens von Mai 2006 aus­ge­schie­den sind. Der Flash-Re­port wer­te ins­ge­samt aus, mit wie vie­len Ar­beit­neh­mern ein­ver­nehm­li­che Aus­schei­dens­re­ge­lun­gen ge­trof­fen wor­den sei­en.

Die Vor­in­stan­zen ha­ben die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits

ge­richt hat an­ge­nom­men, der Aus­schluss der vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge-


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bo­re­nen Ar­beit­neh­mer aus dem Per­so­nen­kreis des 2006 auf­ge­leg­ten Ab­fin­dungs­mo­dells sei durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt und ob­jek­tiv an­ge­mes­sen. Der Kläger ha­be auch kei­nen An­spruch auf Gleich­be­hand­lung mit den 24 Ar­beit­neh­mern, die als An­gehöri­ge des Jahr­gangs 1951 und älter Auf­he­bungs­verträge er­hal­ten hätten. Die Be­klag­te bie­te auch älte­ren Ar­beit­neh­mern Ab­fin­dun­gen an, wie sie es un­strei­tig auch beim Kläger ge­tan ha­be. Des­halb rei­che es aus, wenn die Be­klag­te le­dig­lich be­strei­te, dass im Flash-Re­port aus­sch­ließlich Ar­beit­neh­mer auf­geführt sei­en, die zu den Kon­di­tio­nen des Tur­bo-Mo­dells aus­ge­schie­den sei­en.

Hier­ge­gen wen­det sich der Kläger mit sei­ner vom Lan­des­ar­beits­ge­richt

zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on, mit der er ua. gel­tend macht, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be die An­for­de­run­gen an die Dar­le­gungs- und Be­weis­last rechts­feh­ler­haft über­spannt, so­weit es die Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes ver­neint ha­be.

 

Ent­schei­dungs­gründe

Der Kläger ist im Rah­men der von der Be­klag­ten im Jahr 2006 auf

ge­leg­ten Ab­fin­dungs­ak­ti­on we­der we­gen sei­nes Al­ters dis­kri­mi­niert noch von der Be­klag­ten gleich­heits­wid­rig be­nach­tei­ligt wor­den. Das hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend er­kannt.

A. Die Be­klag­te hat bei ih­rer im Rah­men ei­nes Per­so­nal­ab­baus durch

geführ­ten Ab­fin­dungs­ak­ti­on den Kläger nicht we­gen sei­nes Al­ters dis­kri­mi­niert. Er hat des­halb un­ter die­sem Ge­sichts­punkt kei­nen An­spruch auf das be­gehr­te An­ge­bot zum Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung von 171.720,00 Eu­ro.

I. Die Be­klag­te hat den Kläger durch die Her­aus­nah­me aus dem Per­so

nen­kreis, mit dem sie be­reit war, den Ab­schluss von Auf­he­bungs­verträgen zu den Be­din­gun­gen des Rund­schrei­bens vom Mai 2006 in Be­tracht zu zie­hen, nicht we­gen sei­nes Al­ters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG un­mit­tel­bar be­nach­tei­ligt. Be­reits aus die­sem Grund be­steht kein An­spruch des Klägers auf Ab­schluss


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ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags als Erfüllungs­an­spruch aus § 7 Abs. 1 AGG (zum An­spruch auf Ab­schluss ei­nes Ände­rungs­ver­trags als vor­ent­hal­te­ne Leis­tung nach dem Rechts­ge­dan­ken des durch das AGG auf­ge­ho­be­nen § 611a Abs. 3 Satz 1 BGB sie­he BAG 14. Au­gust 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 48, BA­GE 123, 358; zum An­spruch auf Erfüllung der­je­ni­gen Ansprüche, die der begüns­tig­ten Grup­pe zu­ste­hen, bei Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund-sat­zes sie­he BAG 24. Sep­tem­ber 2009 - 8 AZR 636/08 - Rn. 37, NZA 2010, 159; zum Erfüllungs­an­spruch aus § 7 Abs. 1 AGG allg. sie­he Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 7 Rn. 6; Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 19 f.). Ob ei­nem sol­chen Erfüllungs­an­spruch die Be­stim­mung des § 15 Abs. 6 AGG ent­ge­genstünde, der ei­nen Ver­trags­ab­schluss­zwang als Scha­den­er­satz bei Verstößen des Ar­beit­ge­bers ge­gen § 7 Abs. 1 AGG bei Be­gründung ei­nes Beschäfti­gungs- und Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis­ses und bei be­ruf­li­chem Auf­stieg aus­sch­ließt, kann des­halb da­hin­ste­hen. Ver­tragsände­run­gen und -be­en­di­gun­gen wie die vom Kläger ver­lang­te wer­den von die­ser Be­stim­mung je­den­falls ih­rem Wort­laut nach nicht er­fasst (ErfK/Schlach­ter 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 13; für ei­ne Aus­wei­tung des An­wen­dungs­be­reichs der Vor­schrift auf die Ver­ein­ba­rung jeg­li­chen Ver­trags und jeg­li­cher Ver­tragsände­rung gleich­wohl Münch­KommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 15 AGG Rn. 42). Eben­so kann da­hin­ste­hen, ob ein et­wai­ger Kon­tra­hie­rungs­zwang mit der durch Art. 2, 12 GG gewähr­leis­te­ten Ver­trags­frei­heit ver­ein­bar wäre (vor­sich­tig be­ja­hend ErfK/Die­te­rich 10. Aufl. Art. 12 GG Rn. 31 zur Si­che­rung ver­fas­sungs­recht­li­cher Grund­ent­schei­dun­gen bei ge­setz­li­cher Grund­la­ge mwN zum Streit­stand).

1. Nach Auf­fas­sung des EuGH ist das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen

des Al­ters ein all­ge­mei­ner Grund­satz des Uni­ons­rechts, der nun­mehr in Art. 21 Abs. 1 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on nie­der­ge­legt ist und den die Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf kon­kre­ti­siert (EuGH 19. Ja­nu­ar 2010 - C-555/07 - [Kücükde­ve­ci] Rn. 21 f.). Die uni­ons­recht­li­che Fra­ge, wel­cher Rechtscha­rak­ter dem Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung zu­kommt, ist da­mit vom EuGH endgültig be­ant­wor­tet. Die­ses Ver­bot ist vom EuGH in den Rang ei­nes


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Primärrechts er­ho­ben wor­den, das un­abhängig von ei­ner na­tio­na­len Um­set­zung auch im Verhält­nis zwi­schen Pri­va­ten von den Ge­rich­ten un­mit­tel­bar an­zu­wen­den ist. Ob die­ses Ver­bot ver­letzt wor­den ist, ließ sich an­ge­sichts sei­ner Un­be­stimmt­heit bis zum In­kraft­tre­ten des AGG nur am Maßstab der es kon­kre­ti­sie­ren­den Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (RL 2000/78/EG ABl. EG Nr. L 303 vom 2. De­zem­ber 2000 S. 16) fest­stel­len. Seit dem 18. Au­gust 2006 ist ei­ne Ver­let­zung des Ver­bots der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung an­hand des die­se Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht um­set­zen­den AGG zu prüfen.

Auch wenn die Be­klag­te das An­ge­bot des Klägers auf Kon­tra­hie­rung zu

den Be­din­gun­gen des Rund­schrei­bens noch vor In­kraft­tre­ten des AGG endgültig ab­ge­lehnt hat, ist da­mit die Fra­ge, ob sie da­durch das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung ver­letzt hat und der Kläger An­spruch auf Ab­ga­be der be­gehr­ten Wil­lens­erklärung hat (§ 894 Satz 1 ZPO), am Maßstab des AGG zu be­ant­wor­ten. Dies gilt um so mehr, als der Kläger sein Ver­lan­gen nach ei­nem An­ge­bot zum Ab­schluss ei­nes ent­spre­chen­den Auf­he­bungs­ver­trags spätes­tens mit sei­ner der Be­klag­ten am 29. Sep­tem­ber 2006 zu­ge­stell­ten Kla­ge­schrift und da­mit vor Ab­lauf der von der Be­klag­ten für den An­spruch auf die höchs­te Stu­fe der Tur­bo-Prämie ge­setz­ten Frist am 30. Sep­tem­ber 2006 wie­der­holt hat, der Sach­ver­halt al­so bei In­kraft­tre­ten des AGG noch nicht ab­ge­schlos­sen iSd. § 33 Abs. 1 AGG war (da­zu zu­letzt BAG 17. De­zem­ber 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 31 ff.).

2. Die das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung kon­kre­ti­sie­ren­de Richt­li­nie

2000/78/EG soll aus­weis­lich ih­res Art. 1 in­ner­halb der Eu­ropäischen Ge­mein­schaft ei­nen all­ge­mei­nen Rah­men für die Ver­wirk­li­chung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes fest­le­gen und in die­sem Rah­men Dis­kri­mi­nie­run­gen in Beschäfti­gung und Be­ruf bekämp­fen. Ver­bo­ten ist des­halb im hier in­ter­es­sie­ren­den Zu­sam­men­hang je­de un­mit­tel­ba­re und mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters. Wel­ches Ver­hal­ten als un­zulässi­ge Dis­kri­mi­nie­rung zu wer­ten ist, legt Art. 2 Abs. 2 der Richt­li­nie fest. Re­ge­lungs­tech­nisch ist das

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Ver­bot der un­mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie ein Ver­bot, ei­ne dif­fe­ren­zie­ren­de, be­nach­tei­li­gen­de Be­hand­lung an das Al­ter zu knüpfen. Erfährt ei­ne Per­son we­gen ih­res Al­ters ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung als an­de­re Per­so­nen in ver­gleich­ba­ren Si­tua­tio­nen, stellt ei­ne sol­che Un­gleich­be­hand­lung be­griff­lich zunächst ein­mal ei­ne „un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung“ iSd. Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie dar (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Con­cern Eng­land] Rn. 59, EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 9).

Ei­ne der­ar­ti­ge Un­gleich­be­hand­lung un­ter­liegt - an­ders als un­mit­tel­ba­re

Dis­kri­mi­nie­run­gen im Eu­ro­pa­recht im All­ge­mei­nen - je­doch nicht un­ein­ge­schränkt dem Ver­dikt, rechts­wid­rig zu sein. Das Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­mal des Al­ters als sol­ches be­sitzt nämlich im Un­ter­schied zu den übri­gen in Art. 1 der Richt­li­nie ge­nann­ten ver­bo­te­nen An­knüpfungs­punk­ten die zur An­nah­me ei­ner ver­bo­te­nen Dis­kri­mi­nie­rung er­for­der­li­che ab­sch­ließen­de Aus­sa­ge­kraft für sich al­lein ge­nom­men noch nicht. Auch bei An­knüpfung an ein sol­ches Merk­mal können die Be­trof­fe­nen tatsächlich nicht nach­tei­lig be­las­tet sein. Al­ter ist ei­ne li­nea­re Ei­gen­schaft, denn je­der Beschäftig­te weist ir­gend­ein Al­ter auf, das sich auf ei­ner ho­ri­zon­ta­len, nach Le­bens­jah­ren ein­ge­teil­ten Ska­la ent­wi­ckelt, auf der sich Ab­schnit­te fest­le­gen und Dif­fe­ren­zie­run­gen nach Al­ters­stu­fen vor­neh­men las­sen. Die an­de­ren in Art. 1 der Richt­li­nie ge­nann­ten Dis­kri­mi­nie­rungs­merk­ma­le las­sen sich nicht in der­ar­ti­gen Stu­fen mes­sen und sind kei­ner ständi­gen, un­aus­weich­li­chen Verände­rung un­ter­wor­fen, son­dern - je­den­falls im Re­gel­fall - ein für al­le Mal fest­ge­legt. Das Al­ter ist da­ge­gen ein am­bi­va­len­tes, re­la­ti­ves Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­mal (Lin­sen­mai­er RdA 2003 Son­der­bei­la­ge Heft 5 S. 22, 25; Spren­ger Das ar­beits­recht­li­che Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung nach der Richt­li­nie 2000/78/EG S. 58 mwN zu Fn. 357). Von ei­ner Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung ist dar­um po­ten­zi­ell je­der Mensch be­trof­fen. Ei­ne bloße Dif­fe­ren­zie­rung an­hand des Le­bens­al­ters in­di­ziert des­halb selbst dann, wenn sie zu ei­ner Be­nach­tei­li­gung ei­ner Per­so­nen­grup­pe be­stimm­ten Al­ters führt, ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne ei­ner rechts­wid­ri­gen Be­nach­tei­li­gung (vgl. Brock-haus En­zy­klopädie 21. Aufl. „Dis­kri­mi­nie­rung“; Brock­haus Wah­rig Deut­sches Wörter­buch 1981 2. Bd. S. 245 „dis­kri­mi­nie­ren“) noch nicht. Viel­mehr kann es


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ge­recht­fer­tigt sein, ei­ne Maßnah­me al­ters­abhängig zu ge­stal­ten. Das bringt der Erwägungs­grund Nr. 25 der Richt­li­nie 2000/78/EG zum Aus­druck, der ei­ne Un­ter­schei­dung zwi­schen ei­ner bloßen Un­gleich­be­hand­lung, die ins­be­son­de­re durch rechtmäßige Zie­le im Be­reich der Beschäfti­gungs­po­li­tik, des Ar­beits­mark­tes und der be­ruf­li­chen Bil­dung ge­recht­fer­tigt ist, und ei­ner zu ver­bie­ten­den Dis­kri­mi­nie­rung ver­langt.

We­gen die­ser Be­son­der­hei­ten des Al­ters­kri­te­ri­ums als An­knüpfungs

punkt ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung sieht die Richt­li­nie 2000/78/EG ab­wei­chend von der übli­chen Sys­te­ma­tik uni­ons­recht­li­cher Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te nicht nur in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b bei mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­run­gen Recht­fer­ti­gungsmöglich­kei­ten vor, son­dern eröff­net in Art. 6 auch bei un­mit­tel­bar an das Al­ter an­knüpfen­den Maßnah­men die Möglich­keit, die­se durch den Nach­weis ih­rer Verhält­nismäßig­keit zu recht­fer­ti­gen (Schlach­ter Al­ters­gren­zen und Al­ters­si­che­rung im Ar­beits­recht S. 355, 366 f.).

3. Die­se Sys­te­ma­tik der Richt­li­nie 2000/78/EG behält das AGG bei.

Da­nach hat die Be­klag­te den Kläger schon nicht we­gen sei­nes Al­ters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG un­mit­tel­bar be­nach­tei­ligt.

a) Die Be­klag­te hat den Kläger aus dem Kreis der Ar­beit­neh­mer aus­ge­nom­men, mit de­nen sie den Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags zu den Kon­di­tio­nen des Rund­schrei­bens in Erwägung ge­zo­gen hat, weil er vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­ren ist. Da­mit ist der An­wen­dungs­be­reich des AGG er­öff­net, denn un­ter die Ent­las­sungs­be­din­gun­gen iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 2 AGG fal­len auch Auf­he­bungs­verträge (Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 2 Rn. 16; ErfK/Schlach­ter 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 8; vgl. EuGH 16. Fe­bru­ar 1982 - C-19/81 - [Bur­ton] Rn. 9, Slg. 1982, 555 für die Richt­li­nie 76/207).

b) Die von der Be­klag­ten vor­ge­nom­me­ne Un­ter­schei­dung zwi­schen Ar­beit­neh­mern, die vor oder nach dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­ren sind, be­nach­tei­lig­te Ar­beit­neh­mer wie den Kläger, die vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­ren sind, nicht un­mit­tel­bar iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Sol­che Ar­beit­neh­mer ha­ben da­durch, dass sie von dem ge­plan­ten Per­so­nal­ab­bau aus­ge­nom­men wor­den


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sind, kei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung als jünge­re Ar­beit­neh­mer er­fah­ren, de­nen das An­ge­bot un­ter­brei­tet wor­den ist, zu den im Rund­schrei­ben vom Mai 2006 ge­nann­ten Be­din­gun­gen aus­zu­schei­den, und die die­ses An­ge­bot an­ge­nom­men ha­ben. Das gilt auch dann, wenn älte­re Ar­beit­neh­mer wie der Kläger ein An­ge­bot der Be­klag­ten, zu den Be­din­gun­gen des Rund­schrei­bens bis zum 30. Sep­tem­ber 2006 aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­zu­schei­den, an­ge­nom­men hätten.

aa) Ein Ar­beit­neh­mer erfährt nicht be­reits dann ei­ne „we­ni­ger güns­ti­ge

Be­hand­lung“ iSv. § 3 Abs. 1 AGG, wenn er ob­jek­tiv an­ders als ein älte­rer oder jünge­rer Ar­beit­neh­mer be­han­delt wird (vgl. Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 3 Rn. 4; Münch­KommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 3 AGG Rn. 2; vgl. für die Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te des Art. 3 Abs. 1 GG ErfK/Schmidt 10. Aufl. Art. 3 GG Rn. 34; Os­ter­loh in Sachs Grund­ge­setz 5. Aufl. 2009 Art. 3 Rn. 84). Die dar­ge­leg­te feh­len­de Ein­deu­tig­keit des am­bi­va­len­ten Dis­kri­mi­nie­rungs­merk­mals „Al­ter“ ver­langt be­reits auf der Tat­be­stands­ebe­ne zur Fest­stel­lung ei­ner ob­jek­tiv vor­lie­gen­den Be­nach­tei­li­gung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ei­ne Un­gleich­be­hand­lung, die für den Be­trof­fe­nen ei­nen ein­deu­ti­gen Nach­teil be­wirkt. Die Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen un­ter­schied­lich al­ten Ar­beit­neh­mern muss sich al­so für ei­ne be­stimm­te Al­ters­grup­pe ne­ga­tiv aus­wir­ken, in­dem sie sie zurück­setzt (Wen­de­ling-Schröder/St­ein aaO; Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 2).

bb) Ob ein Ar­beit­neh­mer, der von ei­nem durch Ab­schluss frei­wil­li­ger Auf

he­bungs­verträge un­ter Zah­lung von Ab­fin­dun­gen durch­geführ­ten Per­so­nal­ab­bau we­gen sei­nes Al­ters aus­ge­nom­men wird, im vor­ste­hend dar­ge­leg­ten Sinn ei­ne „we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung“ erfährt als jünge­re Ar­beit­neh­mer, de­nen Auf­he­bungs­verträge ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung an­ge­bo­ten wer­den, und des­halb im uni­ons­recht­li­chen Sin­ne zunächst un­mit­tel­bar dis­kri­mi­niert wird, kann nur un­ter Her­an­zie­hung der Gründe be­ur­teilt wer­den, die zur Auf­nah­me des Al­ters als verpöntes Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­mal in die Richt­li­nie 2000/78/EG und da­mit in das AGG geführt ha­ben.


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(1) Ziel für die Schaf­fung ei­ner Richt­li­nie zur ein­heit­li­chen Bekämp­fung von

Dis­kri­mi­nie­run­gen in der Eu­ropäischen Uni­on war es, si­cher­zu­stel­len, dass ein möglichst ho­her Pro­zent­satz der Per­so­nen im er­werbsfähi­gen Al­ter tatsächlich ei­ner Beschäfti­gung nach­geht. Älte­re Men­schen wer­den im Be­reich Beschäfti­gung bei Ar­beits­platz­ver­lus­ten, Ein­stel­lung, Teil­nah­me an Aus- und Wei­ter­bil­dungs­maßnah­men und in Be­zug auf die Be­din­gun­gen für den Ein­tritt in den Ru­he­stand be­son­ders dis­kri­mi­niert (KOM [1999] 565 endgültig S. 3).

Die­se von der Kom­mis­si­on in ih­rem Vor­schlag zum Er­lass ei­ner Gleich-

be­hand­lungs­richt­li­nie an­geführ­te Ziel­rich­tung des Schut­zes und der In­te­gra­ti­on ge­ra­de älte­rer Ar­beit­neh­mer in den Ar­beits­markt hat auch in den Erwägungs­gründen der Richt­li­nie 2000/78/EG Nie­der­schlag ge­fun­den. Nach Art. 253 EGV be­darf das ge­sam­te Se­kundärrecht der Ge­mein­schaft ei­ner Be­gründung, die die wich­tigs­ten recht­li­chen und tatsächli­chen Erwägun­gen dar­legt, auf de­nen die Rechts­hand­lun­gen be­ru­hen und die für das Verständ­nis des Ge­dan­ken­gangs er­for­der­lich sind. Mo­ti­ve und Hin­ter­gründe, die zum Er­lass der Maßnah­me geführt ha­ben, sol­len durch sie trans­pa­rent ge­macht wer­den. Mit­glieds­staa­ten und den Ge­mein­schafts­rich­tern die­nen sie als In­di­ka­tor und maßgeb­li­che Er­kennt­nis­quel­le zur Über­prüfung der ma­te­ri­el­len Rechtmäßig­keit ei­ner Maßnah­me (Cal­liess in Cal­liess/Ruf­fert EUV/EGV 3. Aufl. 2007 Art. 253 EGV Rn. 2, 6; Schwar­ze EU-Kom­men­tar 2. Aufl. Ar­ti­kel 253 EGV Rn. 5 f.). Erwägungs­gründe stel­len des­halb nicht et­wa un­be­acht­li­che Pro­grammsätze dar, son­dern ge­ben für die Aus­le­gung der Re­ge­lun­gen ei­ner Richt­li­nie ent­schei­den­de Hin­wei­se (vgl. Se­nat 26. Ok­to­ber 2006 - 6 AZR 307/06 - Rn. 43, AP BGB § 611 Kir­chen­dienst Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 611 Kirch­li­che Ar­beit­neh­mer Nr. 9 [in­so­weit in der amtl. Samm­lung nicht ab­ge­druckt]; vgl. auch BVerfG 20. Sep­tem­ber 2007 - 2 BvR 855/06 - Rn. 33, NJW 2008, 209).

Der Erwägungs­grund Nr. 6 nimmt auf die Ge­mein­schafts­char­ta der so

zia­len Grund­rech­te der Ar­beit­neh­mer Be­zug, in der an­er­kannt wer­de, wie wich­tig die Bekämp­fung je­der Art von Dis­kri­mi­nie­rung und ge­eig­ne­te Maßnah­men zur so­zia­len und wirt­schaft­li­chen Ein­glie­de­rung älte­rer Men­schen und Men­schen mit Be­hin­de­rung sei­en. Der Erwägungs­grund Nr. 8 be­tont, dass der Un­terstützung älte­rer Ar­beit­neh­mer mit dem Ziel der Erhöhung ih­res An­teils an


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der Er­werbs­bevölke­rung be­son­de­rer Auf­merk­sam­keit gebührt. Erwägungs­grund Nr. 11 stellt fest, dass Dis­kri­mi­nie­run­gen ua. we­gen des Al­ters die Ver­wirk­li­chung der im EG-Ver­trag fest­ge­leg­ten Zie­le un­ter­mi­nie­ren könn­ten, ins­be­son­de­re die Er­rei­chung ei­nes ho­hen Beschäfti­gungs­ni­veaus und ei­nes ho­hen Maßes an so­zia­lem Schutz. Sch­ließlich stellt nach dem be­reits an­geführ­ten Erwägungs­grund Nr. 25 das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters ein we­sent­li­ches Ele­ment zur Er­rei­chung der Zie­le der beschäfti­gungs­po­li­ti­schen Leit­li­ni­en und zur Förde­rung der Viel­falt im Be­reich der Beschäfti­gung dar. Nach Art. 2 Abs. 1 ers­ter Ge­dan­ken­strich EU und Art. 2 EG zählt die Förde­rung ei­nes ho­hen Beschäfti­gungs­ni­veaus zu den Zie­len, die so­wohl von der Eu­ropäischen Uni­on als auch von der Ge­mein­schaft ver­folgt wer­den (EuGH 16. Ok­to­ber 2007 - C-411/05 - [Pa­la­ci­os de la Vil­la] Rn. 64, Slg. 2007, I-8531).

(2) Dem Schutz älte­rer Men­schen vor Be­nach­tei­li­gung im Beschäfti­gungs
verhält­nis kommt auch nach Auf­fas­sung des na­tio­na­len Ge­setz­ge­bers be­son­de­re Be­deu­tung zu (BT-Drucks. 16/1780 S. 31, 36). Die­ser hat bei der Um­set­zung der Richt­li­nie 2000/78/EG dar­auf ab­ge­stellt, dass es auch in Deutsch­land Hin­wei­se dafür ge­be, dass be­stimm­te Bevölke­rungs­grup­pen schlech­te­re Chan­cen im Ar­beits­le­ben als an­de­re hätten. Ins­be­son­de­re Frau­en, Men­schen mit Mi­gra­ti­ons­hin­ter­grund, Be­hin­der­te und älte­re Men­schen sei­en schlech­ter in die Ar­beits­welt ein­ge­bun­den. Men­schen über 55 und un­ter 20 Jah­ren ar­bei­te­ten über­durch­schnitt­lich häufig in aty­pi­schen Beschäfti­gungs­verhält­nis­sen. Die Er­werbs­be­tei­li­gung der über 55-Jähri­gen ge­he dras­tisch zurück. Bei Männern fal­le sie zwi­schen 55 und 64 Jah­ren von 82,1 % auf 27 %. Die­se so­zia­le La­ge könne zwar nicht al­lein mit ge­setz­li­chen Be­nach­tei­li­gungs­ver­bo­ten ver­bes­sert wer­den, ma­che aber deut­lich, dass auch in Deutsch­land die­se Per­so­nen­grup­pen be­son­de­ren Schut­zes bedürf­ten (BT-Drucks. 16/1780 S. 23 bis 25).

(3) Schutz und In­te­gra­ti­on älte­rer Ar­beit­neh­mer ste­hen so­mit im Vor­der-
grund der mit der Richt­li­nie 2000/78/EG und dem AGG ver­folg­ten Zie­le, so­weit die­se die Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters ver­bie­ten (vgl. ErfK/Schlach­ter 10. Aufl. § 1 AGG Rn. 11; Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 1 Rn. 67). Dies

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wird auch dar­an deut­lich, dass die in Art. 6 der Richt­li­nie 2000/78/EG ge­nann­ten Recht­fer­ti­gungs­gründe für Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters, so­weit sie in Abs. 1 Satz 2 Buchst. a die Ent­las­sungs­be­din­gun­gen aus­drück­lich an­spre­chen, den Schutz älte­rer Ar­beit­neh­mer verstärken und nicht et­wa schwächen sol­len (Schlach­ter Al­ters­gren­zen und Al­ters­si­che­rung im Ar­beits­recht S. 355, 369 f.).

Zwar ist un­be­strit­ten auch die Dis­kri­mi­nie­rung jünge­rer Ar­beit­neh­mer

durch die Richt­li­nie 2000/78/EG un­ter­sagt (Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 1 Rn. 66; ErfK/Schlach­ter 10. Aufl. § 1 AGG Rn. 11; Lin­sen­mai­er RdA 2003 Son­der­bei­la­ge Heft 5 S. 22, 25; zu ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung jünge­rer Ar­beit­neh­mer durch ein Punk­te­sche­ma bei Ver­set­zun­gen vgl. BAG 13. Ok­to­ber 2009 - 9 AZR 722/08 - DB 2010, 397). Gleich­wohl darf die oben dar­ge­stell­te Haupt­ziel­rich­tung der Richt­li­nie bei der Aus­le­gung des § 3 AGG nicht un­be­ach­tet blei­ben.

cc) An­ge­sichts die­ser Ziel­rich­tung der das uni­ons­recht­li­che Ver­bot der

Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung kon­kre­ti­sie­ren­den Richt­li­nie 2000/78/EG und des die­se um­set­zen­den AGG wer­den älte­re Ar­beit­neh­mer, die ein Ar­beit­ge­ber ge­ne­rell von ei­nem Per­so­nal­ab­bau aus­nimmt, auch dann nicht iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG un­mit­tel­bar ge­genüber jünge­ren Ar­beit­neh­mern be­nach­tei­ligt, wenn der Per­so­nal­ab­bau durch frei­wil­li­ge Auf­he­bungs­verträge un­ter Zah­lung at­trak­ti­ver Ab­fin­dun­gen er­fol­gen soll. Bei An­le­gung des von der Richt­li­nie 2000/78/EG und des AGG ge­for­der­ten ob­jek­ti­ven Maßsta­bes zur Be­ur­tei­lung ei­ner Be­nach­tei­li­gung (ErfK/Schlach­ter 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 3; Wen­de­ling-Schrö-der/St­ein AGG § 3 Rn. 4; aA wohl Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 12) wer­den älte­re Ar­beit­neh­mer durch die Her­aus­nah­me aus dem Per­so­nal­ab­bau ge­genüber jünge­ren Ar­beit­neh­mern, die un­ter Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung frei­wil­lig aus dem Un­ter­neh­men aus­schei­den können und sich neue Er­werbs­chan­cen su­chen müssen, im Re­gel­fall nicht we­ni­ger güns­tig be­han­delt. Im Ge­gen­teil ist der Zweck des Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bots we­gen des Al­ters grundsätz­lich ge­ra­de durch den wei­te­ren Ver­bleib älte­rer Ar­beit­neh­mer im Ar­beits­verhält­nis ver­wirk­licht. Die­se ste­hen da­durch nach wie vor in ei­nem Ar­beits­verhält­nis, das bei Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen des Kündi­gungs-


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schutz­ge­set­zes be­stands­geschützt ist. Sie er­hal­ten so bei ty­pi­sie­ren­der Be­trach­tung aus der ex-an­te-Per­spek­ti­ve die Chan­ce, bis zum Ein­tritt in den Ru­he­stand bzw. bis zum Er­rei­chen der für das Ar­beits­verhält­nis maßgeb­li­chen Al­ters­gren­ze er­werbstätig zu blei­ben. Dass in Ein­z­elfällen Ar­beit­neh­mer aus ge­sund­heit­li­chen Gründen vor Er­rei­chen der Al­ters­gren­ze aus­schei­den oder später aus be­triebs­be­ding­ten Gründen doch ih­ren Ar­beits­platz ver­lie­ren, muss da­bei außer Be­tracht blei­ben. Auch die sub­jek­ti­ve Einschätzung ein­zel­ner älte­rer Ar­beit­neh­mer, es sei für sie wirt­schaft­lich at­trak­ti­ver, un­ter Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­zu­schei­den als im Ar­beits­verhält­nis zu ver­blei­ben - et­wa in der Hoff­nung oder Er­war­tung, sich neue Ein­kom­mens­quel­len zu er­sch­ließen -, kann nach dem Re­ge­lungs­zweck des AGG, der mit dem der Richt­li­nie 2000/78/EG in Ein­klang steht, ei­ne Be­nach­tei­li­gung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nicht be­gründen (vgl. be­reits Se­nat 17. De­zem­ber 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 31, NZA 2010, 273). Das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung zwingt des­halb Ar­beit­ge­ber im Rah­men ei­nes von ih­nen ge­plan­ten Per­so­nal­ab­baus im Re­gel­fall nicht da­zu, auf Ver­lan­gen älte­rer Ar­beit­neh­mer mit die­sen ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung zu schließen.

II. Je­den­falls war die Her­aus­nah­me älte­rer Ar­beit­neh­mer aus der von der

Be­klag­ten im Jahr 2006 vor­ge­nom­me­nen Per­so­nal­ab­bau­maßnah­me ge­recht­fer­tigt iSd. § 10 AGG.

1. § 10 AGG hat Art. 6 der Richt­li­nie 2000/78/EG uni­ons­rechts­kon­form

um­ge­setzt. Der Ge­setz­ge­ber hat die mögli­chen Recht­fer­ti­gungs­gründe zunächst in § 10 Satz 1 und 2 AGG in Form ei­ner Ge­ne­ral­klau­sel um­schrie­ben, die mit der des Art. 6 Abs. 1 na­he­zu wort­gleich ist. In § 10 Satz 3 AGG sind dann sechs nicht ab­sch­ließen­de An­wen­dungsfälle von denk­ba­ren Recht­fer­ti­gun­gen auf­geführt (vgl. BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 40, EzA AGG § 15 Nr. 1). Zur wei­ter­ge­hen­den Fest­le­gung von recht­fer­ti­gen­den Zie­len war der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber nicht ver­pflich­tet. Die Mit­glied­staa­ten sind durch Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG nicht ge­zwun­gen, ei­nen ab­sch­ließen­den Ka­ta­log recht­fer­ti­gen­der Aus­nah­men auf­zu­stel­len. Die dar­in ge­nann­ten Zie­le sind nicht ab­sch­ließend, son­dern ha­ben nur Hin­wei­s­cha­rak­ter (EuGH 5. März


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2009 - C-388/07 - [Age Con­cern Eng­land] Rn. 43, 52, EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 9; BAG 17. Ju­ni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 49, EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 12; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 36, AP Be­trVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA Be­trVG 2001 § 112 Nr. 31).

Auch die Ge­ne­ral­klau­sel in § 10 Satz 1 und 2 AGG ist uni­ons­rechts­kon-

form. Der Ge­setz­ge­ber kann über ei­ne sol­che Re­ge­lung Ta­rif-, Be­triebs­par­tei­en oder auch ein­zel­nen Ar­beit­ge­bern Er­mes­sens- und Ge­stal­tungs­be­fug­nis­se bei der Fest­le­gung von Zie­len, die als rechtmäßig iSv. Art. 6 der Richt­li­nie an­ge­se­hen wer­den können, einräum­en und da­mit den Ar­beit­ge­bern bei der Ver­fol­gung der in der Um­set­zungs­norm ge­nann­ten rechtmäßigen Zie­le ei­ne ge­wis­se Fle­xi­bi­lität gewähren (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Con­cern Eng­land] Rn. 46, EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 9; Schluss­an­trag des Ge­ne­ral­an­walts Mazák vom 23. Sep­tem­ber 2008 - C-388/07 - Rn. 83; Spren­ger Eu­ZA 2009, 355, 358; vgl. für Ta­rif­ver­trags- und Be­triebs­par­tei­en BAG 17. Ju­ni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 50, EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 12; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 38, AP Be­trVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA Be­trVG 2001 § 112 Nr. 31). Dies hat der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber ge­tan, der in der Ge­set­zes­be­gründung aus­drück­lich auch ein­zel- und kol­lek­tiv­ver­trag­li­che Re­ge­lun­gen ei­ner Recht­fer­ti­gung über die Ge­ne­ral­klau­sel zugäng­lich ma­chen will (BT-Drucks. 16/1780 S. 36).

2. Die von der Be­klag­ten vor­ge­nom­me­ne Maßnah­me un­terfällt kei­nem der

Re­gel­bei­spie­le in § 10 Satz 3 Nr. 1 bis 6 AGG. Das in Nr. 6 die­ser Norm auf­geführ­te Re­gel­bei­spiel ist nicht ana­log auf ein­zel­ver­trag­li­che Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen an­zu­wen­den (aA Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 59; für ei­ne Aus­deh­nung nur auf frei­wil­li­ge So­zi­alpläne und bei So­zi­alplänen nach dem Per­so­nal- oder Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tungs­recht Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 10 Rn. 61; der Se­nat hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 19. No­vem­ber 2009 - 6 AZR 561/08 - Rn. 30 die für So­zi­alpläne gel­ten­den Grundsätze des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG auch auf ei­ne von ei­ner pa­ritätisch be­set­zen Ar­beits- und Dienst­recht­li­chen Kom­mis­si­on be­schlos­se­ne kirch­li­che Ar­beits­ver­trags­re­ge­lung an­ge­wandt). Nach dem ein­deu­ti­gen, nicht aus­le­gungs-


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fähi­gen Wort­laut die­ser Vor­schrift sind da­von nur kol­lek­tiv­recht­lich ver­ein­bar­te Leis­tun­gen er­fasst. Es fehlt zu­dem be­reits an der für ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG er­for­der­li­chen Re­ge­lungslücke. Ein­zel­ver­trag­li­che Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen un­ter­fal­len der Ge­ne­ral­klau­sel in § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG.

3. Die Maßnah­me der Be­klag­ten ist nach § 10 Satz 1 und 2 AGG ge­recht

fer­tigt.

a) Kommt die Ge­ne­ral­klau­sel des § 10 Satz 1 und 2 AGG zur An­wen­dung,

müssen die na­tio­na­len Ge­rich­te fest­stel­len, ob ge­ne­rell-abs­trak­te Re­ge­lun­gen, die an das Al­ter an­knüpfen und zu ei­ner Be­nach­tei­li­gung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG führen, durch rechtmäßige Zie­le im Sin­ne die­ser Ge­ne­ral­klau­sel ge­recht­fer­tigt sind. Sie ha­ben si­cher­zu­stel­len, dass der Grund­satz des Ver­bots der Dis­kri­mi­nie­rung aus Gründen des Al­ters nicht aus­gehöhlt wird. Des­halb ge­nügen all­ge­mei­ne Be­haup­tun­gen, dass ei­ne be­stimm­te Maßnah­me ge­eig­net sei, der Beschäfti­gungs­po­li­tik, dem Ar­beits­markt und der be­ruf­li­chen Bil­dung zu die­nen, nicht zur Dar­le­gung ei­nes le­gi­ti­men Ziels iSd. § 10 AGG. Viel­mehr müssen zu­min­dest aus dem all­ge­mei­nen Kon­text der be­tref­fen­den Maßnah­me ab­ge­lei­te­te An­halts­punk­te die Fest­stel­lung des hin­ter ihr ste­hen­den Ziels ermögli­chen, um die Rechtmäßig­keit, die An­ge­mes­sen­heit und die Er­for­der­lich-keit der zu sei­ner Er­rei­chung ein­ge­setz­ten Mit­tel ge­richt­lich über­prüfen zu können. Da­bei können als rechtmäßig nur Zie­le an­ge­se­hen wer­den, die als so­zi­al­po­li­ti­sche Zie­le im all­ge­mei­nen In­ter­es­se ste­hen. Der­je­ni­ge, der ei­ne Un­gleich­be­hand­lung vor­nimmt, muss den na­tio­na­len Ge­rich­ten in ge­eig­ne­ter Wei­se die Möglich­keit zur Prüfung einräum­en, ob mit der Un­gleich­be­hand­lung ein Ziel an­ge­strebt wird, das die Un­gleich­be­hand­lung un­ter Be­ach­tung der Zie­le der Richt­li­nie 2000/78/EG recht­fer­tigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Con­cern Eng­land] Rn. 45 ff., EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 9; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 36 ff., AP Be­trVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA Be­trVG 2001 § 112 Nr. 31). In­wie­weit da­nach auch be­triebs- und un­ter­neh­mens­be­zo­ge­ne In­ter­es­sen Berück­sich­ti­gung fin­den können (be­ja­hend BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 53 mwN zum Streit­stand in


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Rn. 45 ff., EzA AGG § 15 Nr. 1), kann da­hin­ste­hen, weil die Be­klag­te sol­che nicht anführt.

b) Da­nach war hier der Aus­schluss der Ar­beit­neh­mer, die vor dem

1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­ren sind, aus der Per­so­nal­ab­bau­maßnah­me ge­recht­fer­tigt. Die Be­klag­te hat die­se älte­ren Ar­beit­neh­mer aus der Per­so­nal­ab­bau­maßnah­me aus­ge­nom­men und hat ih­nen mit der bei ihr gel­ten­den Al­ters­teil­zeit­re­ge­lung ei­nen glei­ten­den Über­gang in die Al­ters­ren­te ermöglicht (vgl. § 1 Abs. 1 AltTZG). Sie hat da­mit dem Per­so­nen­kreis, dem der Kläger an­gehört, die wei­te­re Teil­nah­me am Er­werbs­le­ben ermöglicht. Dies ist ein le­gi­ti­mes beschäfti­gungs­po­li­ti­sches Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG, das sich mit dem dar­ge­leg­ten Re­ge­lungs­ziel der Richt­li­nie 2000/78/EG und des die­se um­set­zen­den AGG deckt und des­halb die Her­aus­nah­me älte­rer Ar­beit­neh­mer aus dem Per­so­nen­kreis, mit dem die Be­klag­te den Ab­schluss von Auf­he­bungs­verträgen ge­gen Zah­lung von Ab­fin­dun­gen auf frei­wil­li­ger Ba­sis zum Zwe­cke des Per­so­nal­ab­baus in Be­tracht ge­zo­gen hat, sach­lich recht­fer­tigt (zum Verständ­nis der un­be­stimm­ten Rechts­be­grif­fe des § 10 Satz 1 AGG BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, EzA AGG § 15 Nr. 1). Zur Er­rei­chung die­ses Ziels ei­ner wei­te­ren In­te­gra­ti­on älte­rer Ar­beit­neh­mer in das Er­werbs­le­ben war der Aus­schluss älte­rer Ar­beit­neh­mer aus dem Per­so­nal­ab­bau auch ein verhält­nismäßiges Mit­tel iSd. § 10 Satz 2 AGG.

III. Würde dem Ar­beit­ge­ber we­gen des Ver­bots der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung

ge­ne­rell un­ter­sagt, älte­re Ar­beit­neh­mer auf­grund der ty­pi­sie­ren­den und pau­scha­lie­ren­den An­nah­me, dass die­sem Per­so­nen­kreis der Ver­bleib im Er­werbs­le­ben ermöglicht wer­den sol­le, ge­ne­rell von ei­nem Per­so­nal­ab­bau durch frei­wil­li­ges Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung aus­zu­neh­men, würde dies auch zu unüber­brück­ba­ren Wer­tungs­wi­dersprüchen und Brüchen in der Sys­te­ma­tik des na­tio­na­len Ver­trags­rechts führen. Dass die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en in Wahr­neh­mung ih­rer auch ver­fas­sungs­recht­lich durch Art. 2 Abs. 1 GG gewähr­leis­te­ten Pri­vat­au­to­no­mie die frei­wil­li­ge Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­ter Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung ver­ein­ba­ren können, steht außer Zwei­fel. Letz­ten En­des geht es dar­um, den von bei­den Sei­ten für


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an­ge­mes­sen ge­hal­te­nen Preis für ein „Ab­kau­fen“ des Be­stands­schut­zes zu er­mit­teln. Folg­te man je­doch der Rechts­auf­fas­sung des Klägers, wäre dem Ar­beit­ge­ber die Ab­leh­nung des An­ge­bots des kon­tra­hie­rungs­wil­li­gen Ar­beit­neh­mers ver­wehrt. Ein der­ar­ti­ger Kon­tra­hie­rungs­zwang würde im Er­geb­nis je­den Per­so­nal­ab­bau durch frei­wil­li­ge Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung unmöglich ma­chen, weil das zur Verfügung ste­hen­de Ab­fin­dungs­vo­lu­men über­wie­gend von älte­ren Ar­beit­neh­mern in An­spruch ge­nom­men wer­den würde, oh­ne dass der Ar­beit­ge­ber das mit dem ge­plan­ten Per­so­nal­ab­bau ver­folg­te Ziel ei­ner Kos­ten­er­spar­nis tatsächlich er­reicht.

IV. Die zu I. und II. dar­ge­stell­ten Grundsätze zum Verständ­nis und zur

An­wen­dung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a so­wie Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richt­li­nie 2000/78/EG sind, so­weit sie nicht oh­ne­hin of­fen­kun­dig sind, durch die an­geführ­te jünge­re Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs geklärt, so dass ein er­neu­tes Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­ren nach Art. 234 Abs. 3 EGV nicht er­for­der­lich war (vgl. EuGH 6. Ok­to­ber 1982 - C-283/81 - Ls. 4, Slg. 1982, 3415, 3429; 15. Sep­tem­ber 2005 - C-495/03 - [In­ter­mo­dal Trans­ports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151).

B. Der Kläger hat auch auf­grund des ar­beits­recht­li­chen Gleich-

be­hand­lungs­grund­sat­zes kei­nen An­spruch auf Ab­schluss des be­gehr­ten Auf­he­bungs­ver­trags ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung von 171.720,00 Eu­ro.

I. Der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz, der un­ge­ach­tet

sei­ner um­strit­te­nen dog­ma­ti­schen Her­lei­tung in­halt­lich durch den Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG be­stimmt wird, knüpft an ei­ne ver­tei­len­de Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers an. Er ge­bie­tet die­sem, sei­ne Ar­beit­neh­mer oder Grup­pen sei­ner Ar­beit­neh­mer, die sich in ver­gleich­ba­rer La­ge be­fin­den, bei An­wen­dung ei­ner selbst ge­setz­ten Re­ge­lung gleich zu be­han­deln. Er ver­bie­tet so­mit nicht nur die willkürli­che Schlech­ter­stel­lung ein­zel­ner Ar­beit­neh­mer in­ner­halb ei­ner Grup­pe, son­dern auch ei­ne sach­frem­de Grup­pen­bil­dung. Nicht an­wend­bar ist der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz je­doch, wenn Leis­tun­gen oder Vergüns­ti­gun­gen in­di­vi­du­ell ver­ein­bart wer­den. In­so­weit


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ge­nießt die Ver­trags­frei­heit Vor­rang vor dem Gleich­be­hand­lungs­grund­satz (st. Rspr., zu­letzt Se­nat 17. De­zem­ber 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 29, NZA 2010, 273).

II. Nach die­sen Maßstäben hat die Be­klag­te nicht ge­gen den ar­beits­recht-

li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ver­s­toßen.

1. Der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ist nicht da­durch ver­letzt, dass die Be­klag­te den Kläger wie al­le an­de­ren Ar­beit­neh­mer, die vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­ren sind, aus dem Per­so­nen­kreis, dem sie an­ge­bo­ten hat, zu den Be­din­gun­gen des Rund­schrei­bens Stand Mai 2006 aus­zu­schei­den, von vorn­her­ein aus­ge­nom­men hat. Die­ser Grund­satz fin­det kei­ne An­wen­dung, wenn ein Ar­beit­ge­ber mit Ar­beit­neh­mern in­di­vi­du­el­le Ver­ein­ba­run­gen über die Auf­he­bung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses un­ter Zah­lung von Ab­fin­dun­gen trifft. Dies gilt auch dann, wenn die Ab­fin­dun­gen dem Grun­de und der Höhe nach in ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung oder wie hier in ei­nem von der Be­klag­ten auf­ge­stell­ten Re­ge­lungs­plan fest­ge­legt sind. Die Be­klag­te hat sich aus­drück­lich vor­be­hal­ten, in je­dem Ein­zel­fall darüber zu ent­schei­den, ob sie An­ge­bo­te von Ar­beit­neh­mern auf Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags zu den im Rund­schrei­ben von Mai 2006 dar­ge­stell­ten Be­din­gun­gen an­neh­men will. In ei­nem sol­chen Fall fehlt es be­reits an ei­ner ver­tei­len­den Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers nach ei­ner von ihm selbst auf­ge­stell­ten Re­gel (vgl. Se­nat 17. De­zem­ber 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 30, NZA 2010, 273). Auf die vom Kläger an­ge­zo­ge­ne Ent­schei­dung (BAG 18. Sep­tem­ber 2007 - 9 AZR 788/06 - AP BGB § 307 Nr. 29 = EzA BGB 2002 § 242 Gleich­be­hand­lung Nr. 15) kommt es des­halb nicht an.

2. Der Kläger hat auch kei­nen An­spruch auf ei­ne Gleich­be­hand­lung mit den 24 Ar­beit­neh­mern, die wie er vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­ren sind, und mit de­nen die Be­klag­te un­strei­tig bis zum 31. De­zem­ber 2006 Auf­he­bungs­verträge ab­ge­schlos­sen hat. Er hat nicht dar­ge­legt, dass die Kon­di­tio­nen der mit die­sen Ar­beit­neh­mern ver­ein­bar­ten Auf­he­bungs­verträge den Be­din­gun­gen, wie sie die Be­klag­te im Rund­schrei­ben vom Mai 2006 fest­ge­legt hat, ent­spre­chen und die Be­klag­te sich in­so­weit an die von ihr selbst ge­setz­te Re­ge­lung nicht ge­hal­ten, son­dern ei­ne neue, wie­der­um ge­ne­ra­li­sie­ren­de Re­ge­lung ge­schaf­fen


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hat, mit ei­ner Mehr­zahl kon­tra­hie­rungs­wil­li­ger Ar­beit­neh­mer, die vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­ren sind, ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag zu den Be­din­gun­gen des Rund­schrei­bens von Mai 2006 zu schließen.

a) Die Be­klag­te hat dar­ge­legt, dass sie mit den 24 vor dem 1. Ja­nu­ar 1952

ge­bo­re­nen Ar­beit­neh­mern zu den Be­din­gun­gen, wie sie sie auch dem Kläger mit Schrei­ben vom 30. Ok­to­ber 2006 an­ge­bo­ten hat, kon­tra­hiert hat. Da­mit hat sie der ihr ob­lie­gen­den Ver­pflich­tung, die Gründe für ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen bei­den Ar­beit­neh­mer­grup­pen of­fen­zu­le­gen und so sub­stan­ti­iert dar­zu­tun, dass die Be­ur­tei­lung möglich ist, ob die Grup­pen­bil­dung sach­li­chen Kri­te­ri­en ent­spricht (BAG 15. Ju­li 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 14, EzA BGB 2002 § 242 Gleich­be­hand­lung Nr. 20), genügt. Der Kläger hätte nun­mehr sei­ne Be­haup­tung, die­ser Vor­trag der Be­klag­ten sei in­halt­lich un­zu­tref­fend, näher be­gründen müssen. Dies ist nicht hin­rei­chend ge­sche­hen. Dar­auf hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu Recht ab­ge­stellt.

aa) Die bloße Auf­nah­me der 24 Ar­beit­neh­mer in den Flash-Re­port lässt

ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers kei­nen Rück­schluss dar­auf zu, dass die Auf­he­bungs­verträge auch die­ser älte­ren Ar­beit­neh­mer zu den von ihm be­gehr­ten Kon­di­tio­nen ge­schlos­sen wor­den sind. Die­ser Re­port gibt laut sei­ner S. 1 den „Rea­li­sie­rungs­stand der ab­ge­schlos­se­nen Auf­he­bungs­verträge“ wie­der. Aus­ge­hend vom Ziel der Ab­fin­dungs­ak­ti­on, zur Kos­ten­sen­kung Per­so­nal ab­zu­bau­en, ist es fol­ge­rich­tig, sämt­li­che Ar­beit­neh­mer, die anläss­lich die­ser Ak­ti­on bis zu dem gewünsch­ten Zeit­punkt aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­den sind, im Re­port auf­zuführen, auch so­weit Auf­he­bungs­verträge zu an­de­ren Kon­di­tio­nen als de­nen des Rund­schrei­bens von Mai 2006 ge­schlos­sen wor­den sind.

bb) Auch die auf S. 5 des Flash-Re­ports er­folg­te „Auf­tei­lung ab

ge­schlos­se­ner Auf­he­bungs­verträge“ spricht ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers nicht für sei­ne Be­haup­tung, son­dern im Ge­gen­teil ge­gen die­se. Der Flash-Re­port wer­tet dort un­ter Auf­schlüsse­lung nach Ent­gelt­stu­fen und Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit aus, wie hoch der An­teil an­ge­schrie­be­ner Ar­beit­neh­mer ist, die tatsächlich ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ge­schlos­sen ha­ben. Dem

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Kläger ist zu­zu­ge­ben, dass die vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­re­nen Ar­beit­neh­mer un­strei­tig nicht von der Be­klag­ten an­ge­schrie­ben wor­den sind. Gleich­wohl sind Ba­sis auch die­ser Sta­tis­tik al­le bis zum 31. De­zem­ber 2006 ge­schlos­se­nen 5.937 Auf­he­bungs­verträge ein­sch­ließlich der auf S. 11 des Flash-Re­ports aus­ge­wie­se­nen 24 Verträge, die mit vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­re­nen Ar­beit­neh­mern ge­schlos­sen wor­den sind. Aus­sa­gen zu den Kon­di­tio­nen der Auf­he­bungs­verträge las­sen sich da­mit S. 5 des Flash-Re­ports nicht ent­neh­men, son­dern nur das Bemühen der Be­klag­ten, al­le bis zum 31. De­zem­ber 2006 ab­ge­schlos­se­nen Auf­he­bungs­verträge sta­tis­tisch zu er­fas­sen und zu be­wer­ten.

cc) Sch­ließlich ist auch der Vor­trag des Klägers, Ab­fin­dun­gen an älte­re

Ar­beit­neh­mer sei­en stets net­to ge­zahlt wor­den, kein schlüssi­ges In­diz für sei­ne Be­haup­tung, die Kon­di­tio­nen der 24 auf S. 11 des Flash-Re­ports auf­geführ­ten Auf­he­bungs­verträge entsprächen de­nen des Rund­schrei­bens. Der Kläger nimmt in­so­weit aus­drück­lich Be­zug auf das Schrei­ben der Be­klag­ten vom 30. Ok­to­ber 2006, aus dem sich le­dig­lich er­gibt, dass sie im kon­kre­ten Fall des Klägers ei­ne Net­to­ab­fin­dung er­rech­net hat, weil ihr man­gels der er­for­der­li­chen Da­ten die Er­mitt­lung ei­ner Brut­to­ab­fin­dung nicht möglich war.

b) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die

An­for­de­run­gen an die Dar­le­gungs­last nicht über­spannt. Es hat viel­mehr zu Recht vom Kläger ver­langt, wei­te­re In­di­zi­en vor­zu­tra­gen, aus de­nen ge­schlos­sen wer­den könne, dass sei­ne Be­haup­tung, die Be­klag­te ha­be auch mit 24 älte­ren Ar­beit­neh­mern zu den Be­din­gun­gen des Rund­schrei­bens vom Mai 2006 kon­tra­hiert, rich­tig sei. Trotz des un­strei­ti­gen Um­stands, dass der Kläger die Be­din­gun­gen der 24 auf S. 11 des Flash-Re­ports auf­geführ­ten Auf­he­bungs­verträge, die mit vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­re­nen Ar­beit­neh­mern ge­schlos­sen sind, nicht kennt und kei­ne Ein­sicht in die Per­so­nal­un­ter­la­gen hat, war die Be­klag­te nicht zu wei­ter­ge­hen­dem Vor­trag ver­pflich­tet.

aa) Al­ler­dings genügt nach den Grundsätzen der se­kundären Be­haup­tungs-

last das ein­fa­che Be­strei­ten des Geg­ners der primär dar­le­gungs­pflich­ti­gen Par­tei nicht, wenn die dar­le­gungs­pflich­ti­ge Par­tei außer­halb des für ih­ren


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An­spruch er­heb­li­chen Ge­sche­hens­ab­laufs steht, der Geg­ner da­ge­gen al­le we­sent­li­chen Tat­sa­chen kennt und ihm nähe­re An­ga­ben zu­zu­mu­ten sind. In die­sen Fällen kann von ihm das sub­stan­ti­ier­te Be­strei­ten der be­haup­te­ten Tat­sa­che un­ter Dar­le­gung der für das Ge­gen­teil spre­chen­den Tat­sa­chen und Umstände ver­langt wer­den (BGH 17. Ja­nu­ar 2008 - III ZR 239/06 - Rn. 16, NJW 2008, 982; BAG 6. Sep­tem­ber 2007 - 2 AZR 715/06 - Rn. 38, BA­GE 124, 48). Der Geg­ner der primär dar­le­gungs- und be­weis­pflich­ti­gen Par­tei muss de­ren Vor­trag al­so po­si­ti­ve Ge­gen­an­ga­ben ge­genüber­stel­len (St­ein/Jo­nas/Lei-pold 22. Aufl. § 138 Rn. 36 f.; um­fas­send zu den Mo­di­fi­zie­run­gen der Dar-le­gungs­last un­ter dem Ge­sichts­punkt der se­kundären Be­haup­tungs­last Zöller/Gre­ger ZPO 28. Aufl. Vor § 284 Rn. 34 ff.).

Die­sen An­for­de­run­gen hat die Be­klag­te genügt. Sie hat vor­ge­tra­gen,

dass sie mit den 24 vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­re­nen Ar­beit­neh­mern Auf­he­bungs­verträge zu den Be­din­gun­gen ge­schlos­sen ha­be, wie sie sie auch dem Kläger an­ge­bo­ten hat. Sie hat die­sen Vor­trag mit der na­ment­li­chen Be­nen­nung von drei Ar­beit­neh­mern, die wie der Kläger im Werk H beschäftigt und im Flash-Re­port er­fasst sei­en, un­ter­mau­ert. Un­strei­tig sind die­se Ar­beit­neh­mer tatsächlich zu an­de­ren Be­din­gun­gen als de­nen des Ab­fin­dungs­mo­dells des Jah­res 2006 aus­ge­schie­den. Eben­so un­strei­tig hat die Be­klag­te je­den­falls dem Kläger le­dig­lich die Kon­di­tio­nen an­ge­bo­ten, zu de­nen sie nach ih­rem Vor­trag mit den 24 älte­ren Ar­beit­neh­mern kon­tra­hiert hat. Sie hat da­mit den vom Kläger be­haup­te­ten Sach­ver­halt hin­rei­chend sub­stan­ti­iert be­strit­ten.

Wei­ter­ge­hen­de Vor­trags­pflich­ten tra­fen die Be­klag­te auf­grund des

Grund­sat­zes der se­kundären Be­haup­tungs­last nicht. Ins­be­son­de­re ver­lan­gen die­se vom Geg­ner der be­weis­pflich­ti­gen Par­tei nicht die Preis­ga­be von Na­men und la­dungsfähi­ger An­schrift von (po­ten­ti­el­len) Zeu­gen. Dass die Be­klag­te die 24 Ar­beit­neh­mer nicht na­ment­lich be­nannt hat, hat­te des­halb ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers nicht zur Fol­ge, dass sein Vor­trag, die­se Ar­beit­neh­mer sei­en zu den Be­din­gun­gen des Rund­schrei­bens von Mai 2006 aus­ge­schie­den, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zu­ge­stan­den an­zu­se­hen war (vgl. BGH 17. Ja­nu­ar 2008 - III ZR 239/06 - Rn. 18 f., NJW 2008, 982).


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bb) Die Zi­vil­pro­zess­ord­nung kennt kei­ne - über die an­er­kann­ten Fälle der

Pflicht zum sub­stan­ti­ier­ten Be­strei­ten hin­aus­ge­hen­de - all­ge­mei­ne Aufklärungs­pflicht der nicht dar­le­gungs- und be­weis­be­las­te­ten Par­tei. Dass im Zi­vil­pro­zess die Wahr­heits­pflicht we­sent­li­che Be­deu­tung hat, er­laubt nicht den Schluss, die Par­tei­en sei­en ge­ne­rell zu dem Ver­hal­ten ver­pflich­tet, das am bes­ten der Wahr­heits­fin­dung dient. We­der die Auf­ga­be der Wahr­heits­fin­dung noch das Rechts­staats­prin­zip hin­dert den Ge­setz­ge­ber dar­an, den Zi­vil­pro­zess der Ver­hand­lungs­ma­xi­me zu un­ter­stel­len und es in ers­ter Li­nie den Par­tei­en zu über­las­sen, die not­wen­di­gen Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen auf­zu­stel­len und die Be­weis­mit­tel zu be­nen­nen. Im Grund­satz gilt, dass kei­ne Par­tei ge­hal­ten ist, dem Geg­ner das Ma­te­ri­al für des­sen pro­zes­sua­les Ob­sie­gen zu ver­schaf­fen (BAG 1. De­zem­ber 2004 - 5 AZR 664/03 - BA­GE 113, 55, 58 f.; BGH 11. Ju­ni 1990 - !! ZR 159/89 - NJW 1990, 3151).

Oh­ne­hin ist außer ei­nem aus­drück­li­chen Geständ­nis der Be­klag­ten kein

Vor­trag er­kenn­bar, der dem Kläger die wei­te­re Sub­stan­ti­ie­rung sei­ner Be­haup­tung, die Auf­he­bungs­verträge mit den 24 vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­re­nen Ar­beit­neh­mern sei­en zu den­sel­ben Be­din­gun­gen wie die der 5.913 bis zum 31. De­zem­ber 2006 aus­ge­schie­de­nen jünge­ren Ar­beit­neh­mer ge­schlos­sen, ermögli­chen würde. Trüge die Be­klag­te die Na­men und Kon­di­tio­nen von 21 wei­te­ren vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­re­nen Ar­beit­neh­mern vor, mit de­nen sie 2006 Auf­he­bungs­verträge ge­schlos­sen hat, könn­te der Kläger eben­so, wie er es be­reits bei den drei von der Be­klag­ten na­ment­lich be­nann­ten Ar­beit­neh­mern des Werks H ge­tan hat, ein­wen­den, dass de­ren Auf­he­bungs­verträge nicht im Flash-Re­port auf­geführt sei­en. Leg­te die Be­klag­te - un­ter Hint­an­stel­lung da­ten­schutz­recht­li­cher Be­den­ken - al­le 5.937 von ihr bis zum 31. De­zem­ber 2006 ge­schlos­se­nen Auf­he­bungs­verträge vor, wären da­von 24 mit Ar­beit­neh­mern ge­schlos­sen, die vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­ren sind, und würden die­se Verträge an­de­re Kon­di­tio­nen als die im Rund­schrei­ben vom Mai 2006 ge­nann­ten auf­wei­sen, könn­te der Kläger eben­falls ein­wen­den, dass dies nicht die Verträge der 24 im Flash-Re­port auf­geführ­ten Ar­beit­neh­mer sei­en.

c) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auch sei­ne Hin­weis­pflicht aus § 139 ZPO

ent­ge­gen der Aufklärungsrüge der Re­vi­si­on nicht ver­letzt. Zum ei­nen hat­te es


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be­reits laut Pro­to­koll vom 4. Fe­bru­ar 2008 auf sei­ne Auf­fas­sung hin­ge­wie­sen, der Kläger ha­be kon­kret vor­zu­tra­gen, zu wel­chen Be­din­gun­gen die Ar­beit­neh­mer, die älter als 55 Jah­re ge­we­sen sei­en, aus dem Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten aus­ge­schie­den sei­en. Zum an­de­ren war der vom Kläger auf den ver­miss­ten Hin­weis ge­hal­te­ne Vor­trag, den er in der Re­vi­si­ons­be­gründung mit­ge­teilt hat, nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich. Wie aus­geführt, ändert der Um­stand, dass der Kläger die 24 im Flash-Re­port auf­geführ­ten, vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­re­nen Ar­beit­neh­mer nicht kennt und un­ter der Viel­zahl der bei der Be­klag­ten beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer auch nicht aus­fin­dig ma­chen kann, nichts dar­an, dass er sei­ner Dar­le­gungs­last nicht genügt hat.

C. Der An­trag auf Fest­stel­lung ei­ner künf­ti­gen Scha­den­er­satz­pflicht ist aus
den dar­ge­leg­ten Gründen un­be­gründet.

D. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fi­scher­mei­er Brühler Spel­ge

Schmidt B. Stang

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