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ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/009

Öf­fent­li­cher Wi­der­ruf von Ab­mah­nung oder Kün­di­gung?

An­spruch auf be­triebs­öf­fent­li­chen Wi­der­ruf rechts­wid­ri­ger Ab­mah­nun­gen und Kün­di­gun­gen nur im Aus­nah­me­fall: Lan­des­ar­beits­ge­richt Mün­chen, Ur­teil vom 22.09.2010, 11 Sa 520/09
Geschäftsführer hinter Schreibtisch mit Bauarbeitern Ehr­ver­let­zung durch Kün­di­gung?
13.01.2011. Kün­di­gun­gen und Ab­mah­nun­gen kön­nen das be­ruf­li­che Fort­kom­men des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers nach­hal­tig be­ein­träch­ti­gen. Selbst wenn er sich ge­gen die­se er­folg­reich wehrt, kann bei­spiels­wei­se dann ein "Ma­kel" zu­rück­blei­ben, wenn die ar­beits­recht­li­che Maß­nah­me öf­fent­lich be­kannt ge­macht wur­de. Frag­lich ist, ob in sol­chen Fäl­len ein Recht auf öf­fent­li­chen Wi­der­ruf be­steht: Lan­des­ar­beits­ge­richt Mün­chen, Ur­teil vom 22.09.2010, 11 Sa 520/09

Wann ha­ben Ar­beit­neh­mer An­spruch auf öffent­li­chen Wi­der­ruf ei­ner rechts­wid­ri­gen Ab­mah­nung?

Das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht ist als ver­fas­sungs­recht­li­che Gewähr­leis­tung im Grund­ge­setz (GG) ver­an­kert. Art. 1 Abs. 1 in Verb. mit Art. 2 Abs. 1 GG schützt nicht nur je­der­mann vor ehr­ver­let­zen­den Äußerun­gen an­de­rer, son­dern gibt uns auch das Recht, selbst zu ent­schei­den, wel­che In­for­ma­tio­nen bzgl. un­se­rer Per­son wir pu­blik ma­chen wol­len und wel­che nicht. Die­ser Schutz kommt grundsätz­lich al­len Men­schen zu­gu­te. Auch der Ar­beit­neh­mer muss des­halb sein Persönlich­keits­recht nicht „am Be­triebs­ein­gang ab­ge­ben“, son­dern kann den ju­ris­ti­schen Persönlich­keits­schutz auch von sei­nem Ar­beit­ge­ber ein­for­dern.

Das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht kann auch durch ei­ne un­ge­recht­fer­tigt er­gan­ge­ne Ab­mah­nung ver­letzt wer­den. Ei­ne Ab­mah­nung spricht der Ar­beit­ge­ber dann aus, wenn der Ar­beit­neh­mer sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­letzt. Eben­so steht dem Ar­beit­neh­mer das Recht zur Ab­mah­nung im Fal­le ei­ner Pflicht­ver­let­zung des Ar­beit­ge­bers zu. Für den Ar­beit­ge­ber ist der Aus­spruch ei­ner Ab­mah­nung v.a. mit Blick auf ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung wich­tig. Ei­ne sol­che setzt als Vor­stu­fe zur Kündi­gung nämlich re­gelmäßig ei­nen Wie­der­ho­lungs­fall vor­aus, d.h. der Ar­beit­neh­mer muss in der Ver­gan­gen­heit ei­ne ähn­li­che Ver­trags­pflicht­ver­let­zung wie die, die nun der Kündi­gung zu­grun­de lie­gen soll, schon ein­mal be­gan­gen ha­ben, we­gen wel­cher er be­reits ab­ge­mahnt wur­de.

Da ei­ne Ab­mah­nung nicht nur den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses gefähr­det, son­dern folg­lich auch das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers tan­giert, steht es die­sem frei, die Wirk­sam­keit ei­ner Ab­mah­nung auf dem Rechts­we­ge über­prüfen zu las­sen. Der Kla­ge­an­trag ist da­bei zu­meist auf die Ent­fer­nung der Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te ge­rich­tet. Gibt das Ge­richt der Kla­ge statt, ist die Ab­mah­nung un­wirk­sam mit der Fol­ge, dass sich der Ar­beit­ge­ber nicht mehr auf sie be­ru­fen kann. Gleich­zei­tig ist da­mit auch ei­ne durch die un­be­rech­tig­te Ab­mah­nung ein­ge­tre­te­ne Persönlich­keits­ver­let­zung be­rei­nigt. Die ge­gen den Ar­beit­neh­mer er­ho­be­nen Vorwürfe sind da­mit hinfällig.

Un­ter Umständen reicht dies dem Ar­beit­neh­mer aber noch nicht zur Re­ha­bi­li­tie­rung sei­ner Per­son aus. Dann kann er un­ter ge­wis­sen Umständen auch noch ei­nen (be­triebs-) öffent­li­chen Wi­der­ruf ver­lan­gen, ob­wohl der Ar­beit­ge­ber die Ab­mah­nung be­reits aus der Per­so­nal­ak­te ent­fernt hat. Nach dem Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) be­steht ein sol­cher An­spruch et­wa dann, wenn die in der Ab­mah­nung ent­hal­te­nen fal­schen An­schul­di­gun­gen den Ar­beit­neh­mer fort­dau­ernd in sei­nem be­ruf­li­chen Wer­de­gang be­hin­dern und/oder sein Persönlich­keits­recht wei­ter­hin tan­giert ist (BAG, Ur­teil vom 15.04.1999, 7 AZR 716/97). Dies ist dann der Fall, wenn der Ar­beit­ge­ber in der Ab­mah­nung ehr­ver­let­zen­de Be­haup­tun­gen auf­ge­stellt oder den Ar­beit­neh­mer öffent­lich „an­ge­pran­gert“ hat.

Vor Ge­richt hat ein sol­cher An­trag al­ler­dings nur sel­ten Aus­sicht auf Er­folg. Dies zeigt auch ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) München (Ur­teil vom 22.09.2010, 11 Sa 520/09).

Der Fall: Kol­le­gen ei­nes Re­vi­sors wer­den über später als rechts­wid­rig er­kann­te Ab­mah­nun­gen in­for­miert

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer war bei dem be­klag­ten Ar­beit­ge­ber als Prüfungs­lei­ter in der „In­ter­nen Re­vi­si­on“ tätig. Im Jahr 2003 er­hielt er zwei Ab­mah­nun­gen. Dar­in leg­te der Ar­beit­ge­ber ihm so­wohl ver­trags­wid­ri­ges Ver­hal­ten, als auch man­geln­de Kom­mu­ni­ka­ti­on im Verhält­nis zu sei­nen Kol­le­gen so­wie Geschäfts­part­nern zur Last. Im An­schluss dar­an sprach der Ar­beit­ge­ber auch noch ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te und ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung aus. Der Ar­beit­neh­mer leg­te so­wohl ge­gen die Ab­mah­nun­gen, als auch ge­gen die Kündi­gun­gen Kla­ge ein. In bei­den Fällen ob­sieg­te er und er­reich­te die Ent­fer­nung der Ab­mah­nun­gen aus sei­ner Per­so­nal­ak­te durch den Ar­beit­ge­ber.

Da der Ar­beit­ge­ber vor­ab aber auch al­len Mit­ar­bei­tern der „In­ter­nen Re­vi­si­on“ die In­for­ma­ti­on über die Ab­mah­nun­gen zu­kom­men ließ, war ei­ne bloße Ent­fer­nung der Ab­mah­nun­gen für den Ar­beit­neh­mer zu sei­ner Re­ha­bi­li­tie­rung noch nicht aus­rei­chend. Zu­dem wa­ren die Ab­mah­nun­gen - zu­min­dest aus Sicht des Ar­beit­neh­mers - auch noch vie­len an­de­ren Mit­ar­bei­tern mit­ge­teilt wor­den. Der Ar­beit­ge­ber be­stritt dies.

Dies war An­lass für den Ar­beit­neh­mer, er­neut zu kla­gen, dies­mal mit dem Ziel, den Ar­beit­ge­ber da­zu zu ver­pflich­ten, die Be­leg­schaft über die ge­richt­li­chen Er­fol­ge des Ar­beit­neh­mers zu in­for­mie­ren, d.h. darüber, dass die Ab­mah­nun­gen und Kündi­gun­gen durch die Ge­rich­te für un­wirk­sam erklärt wor­den wa­ren. Das Ar­beits­ge­richt München gab die­sem Be­geh­ren nicht statt (Ur­teil vom 02.04.2009, 32 Ca 5328/09).

Lan­des­ar­beits­ge­richt München: Ist die In­for­ma­ti­on sach­lich und nicht ehr­ver­letz­tend, hat der Ar­beit­neh­mer kei­nen An­spruch auf öffent­li­chen Wi­der­ruf

Eben­so ur­teil­te auch das LAG München ge­gen den Ar­beit­neh­mer. Die­ser sei, nach­dem er die vor­he­ri­gen Pro­zes­se ge­win­nen konn­te, nicht mehr in sei­nem Persönlich­keits­recht oder sei­nem be­ruf­li­chen Fort­kom­men be­ein­träch­tigt, so das LAG.

Zur Be­gründung führ­te das Ge­richt an, dass die Ab­mah­nun­gen kei­ne ehr­ver­let­zen­den Äußerun­gen ent­hiel­ten, son­dern viel­mehr sach­lich for­mu­liert wa­ren. Auch die In­for­ma­ti­on ei­ni­ger Mit­ar­bei­ter der „In­ter­nen Re­vi­si­on“ über die Ab­mah­nun­gen durch den Ar­beit­ge­ber sei nicht zu be­an­stan­den. Auf­grund der Ein­bin­dung die­ser Mit­ar­bei­ter in ar­beits­tei­li­ge Abläufe sei ei­ne Un­ter­rich­tung die­ser über sol­che Vor­komm­nis­se „re­gelmäßig zu er­war­ten, zum Teil so­gar ge­bo­ten“. An den Pran­ger ge­stellt wor­den war der Ar­beit­neh­mer da­mit aber noch nicht.

Der Ar­beit­ge­ber ha­be viel­mehr nur sei­ne ihm zu­ste­hen­den ar­beits­recht­li­chen Ge­stal­tungs­rech­te aus­geübt, so das LAG. Selbst wenn Ab­mah­nun­gen und Kündi­gun­gen später in der Sa­che als un­be­rech­tigt er­gan­gen be­wer­tet wer­den, kann dies nicht da­zu führen, dass be­reits die bloße Er­tei­lung ei­ner Ab­mah­nung bzw. Kündi­gung im Nach­hin­ein ei­ne Persönlich­keits­ver­let­zung dar­stellt.

Fa­zit: So­lan­ge Ab­mah­nun­gen oder Kündi­gungs­erklärun­gen kei­ne sach­lich nicht nach­voll­zieh­ba­ren ehr­ver­let­zen­den Äußerun­gen ent­hal­ten, und so­mit auch nicht über ih­ren sach­li­chen Ge­halt hin­aus das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers tan­gie­ren, sind so­wohl die Äußerun­gen selbst als auch ei­ne be­triebsöffent­li­che In­for­ma­ti­on über die­se nicht zu be­an­stan­den. In der Re­gel genügt es wohl zur Be­sei­ti­gung ei­ner Persönlich­keits­ver­let­zung, wenn der Ar­beit­neh­mer ge­richt­lich die Be­sei­ti­gung der Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te er­wirkt und de­ren Un­wirk­sam­keit fest­ge­stellt wird.

Auch wenn - natürlich - nie­mand un­ge­recht­fer­tig­te Ab­mah­nun­gen oder Kündi­gun­gen hin­neh­men muss, wer­den Be­trof­fe­ne nur dann mit dem Be­geh­ren ei­ner darüber hin­aus­ge­hen­den Wi­der­rufs­erklärung Er­folg ha­ben, wenn ei­ne be­son­ders gra­vie­ren­de, ehr­ver­let­zen­de An­pran­ge­rung vor­liegt.

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Letzte Überarbeitung: 16. Juli 2018

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