HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 24.03.2010, 10 AZR 66/09

   
Schlagworte: Nebentätigkeit
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 66/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.03.2010
   
Leitsätze: Bei der Bestimmung der Reichweite des im laufenden Arbeitsverhältnis bestehenden Wettbewerbsverbots muss die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers stets Berücksichtigung finden. Daher ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob die anderweitige Tätigkeit zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers führt. Es spricht viel dafür, dass bloße Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug nicht erfasst werden.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Rosenheim, Urteil vom 15.01.2008, 5 Ca 1336/07
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 27.08.2008, 10 Sa 174/08
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

10 AZR 66/09

10 Sa 174/08

Lan­des­ar­beits­ge­richt München

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am 24. März 2010

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

ge­gen

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 24. März 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Mi­kosch, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Mar­quardt, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Rein­fel­der so­wie den eh­ren-


- 2 -

amt­li­chen Rich­ter Großmann und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Ru­dolph für Recht er­kannt:

1. Auf die Re­vi­si­on der Kläge­rin wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts München vom 27. Au­gust 2008 - 10 Sa 174/08 - auf­ge­ho­ben.

2. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ro­sen­heim vom 15. Ja­nu­ar 2008 - 5 Ca 1336/07 - ab­geändert.

3. Es wird fest­ge­stellt, dass die Kläge­rin be­rech­tigt ist, ei­ne Ne­bentätig­keit als Zei­tungs­zu­stel­le­rin bei der Z GmbH je­weils ei­ne St­un­de täglich bis 6:00 Uhr von je­weils mon­tags bis sonn­abends aus­zuüben.

4. Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Be­rech­ti­gung der Kläge­rin, ei­ne Ne­ben-

tätig­keit als Zei­tungs­zu­stel­le­rin aus­zuüben.

Die Kläge­rin ist seit 1985 bei der Be­klag­ten und ih­rer Rechts­vor-

gänge­rin als Sor­tie­re­rin in ei­nem Brief­zen­trum beschäftigt. Ih­re Wo­chen­ar­beits­zeit beträgt 15 St­un­den, ih­re mo­nat­li­che Vergütung ca. 1.200,00 Eu­ro brut­to. Auf das Ar­beits­verhält­nis fin­det kraft bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­bin­dung der Man­tel­ta­rif­ver­trag für die Ar­beit­neh­mer der Deut­schen Post AG vom 18. Ju­ni 2003 (im Fol­gen­den: MTV-DP AG) An­wen­dung.

§ 11 MTV-DP AG enthält fol­gen­de Re­ge­lun­gen:

Ne­bentätig­keit, Wett­be­werbs­ver­bo­te

(1) Will der Ar­beit­neh­mer ei­ner Ne­bentätig­keit nach­ge­hen, hat er die­se recht­zei­tig vor der Auf­nah­me dem Ar­beit­ge­ber un­ter An­ga­be der Art, des zeit­li­chen Um­fangs und des


- 3 -

Ar­beit­ge­bers schrift­lich an­zu­zei­gen.

(2) Der Ar­beit­ge­ber kann die Ne­bentätig­keit un­ter­sa­gen, wenn in­fol­ge übermäßiger Be­an­spru­chung des Ar­beit­neh­mers durch die Ne­bentätig­keit die ge­schul­de­te ver­trag­li­che Ar­beits­leis­tung be­ein­träch­tigt wer­den kann oder Gründe des un­mit­tel­ba­ren Wett­be­werbs da­ge­gen spre­chen.

(3) Bei ei­nem Teil­zeit­ar­beit­neh­mer ist ei­ne Über­be­an­spru­chung des Ar­beit­neh­mers und dem­zu­fol­ge ei­ne Be­ein­träch­ti­gung der ge­schul­de­ten ver­trag­li­chen Ar­beits­leis­tung im Re­gel­fall erst dann zu ver­mu­ten, wenn der zeit­li­che Um­fang al­ler Tätig­kei­ten die je­weils gel­ten­de re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit ei­nes voll­zeit-beschäftig­ten Ar­beit­neh­mers über­schrei­tet.

(4) Wird ein nach­ver­trag­li­ches Wett­be­werbs­ver­bot ver­ein­bart, er­folgt ei­ne Entschädi­gung nach den Re­ge­lun­gen des Han­dels­ge­setz­bu­ches.“

Im No­vem­ber 2006 teil­te die Kläge­rin auf Auf­for­de­rung mit, dass sie

ei­ner Ne­bentätig­keit als Zei­tungs­zu­stel­le­rin mit ei­ner Wo­chen­ar­beits­zeit von ca. sechs St­un­den und ei­nem Brut­to­mo­nats­lohn von ca. 350,00 Eu­ro nach­ge­he. Da­bei stellt sie Abon­nen­ten frühmor­gens aus­sch­ließlich Zei­tun­gen und Pres­se­er­zeug­nis­se (Süddeut­sche Zei­tung, Münch­ner Mer­kur, Fi­nan­ci­al Ti­mes usw.) zu. Die Tätig­keit er­folgt für die Z Z GmbH (im Fol­gen­den: Z GmbH), die in der Zei­tungs­zu­stel­lung und der Brief­zu­stel­lung tätig ist. Die Be­klag­te stellt im Ver­lauf des Ta­ges ne­ben Brief­sen­dun­gen eben­falls Zei­tun­gen und sons­ti­ge Pres­se­er­zeug­nis­se zu.

Im Fe­bru­ar 2007 un­ter­sag­te die Be­klag­te der Kläge­rin die Ausübung

ih­rer Ne­bentätig­keit. Hier­ge­gen wen­det sich die Kläge­rin.

Die Kläge­rin hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, es feh­le an ei­nem Un­ter-

sa­gungs­grund im Sin­ne des Ta­rif­ver­trags. Ins­be­son­de­re könne sich die Be­klag­te nicht auf Gründe des un­mit­tel­ba­ren Wett­be­werbs stützen. Der Markt­be­reich der bei­den Un­ter­neh­men über­schnei­de sich nur in ei­nem sehr klei­nen Teil­be­reich. Weit über­wie­gen­de Haupttätig­keit der Be­klag­ten sei­en Brief­dienst­leis­tun­gen, bei der Z GmbH hin­ge­gen Zei­tungs­zu­stel­lun­gen. Die Tätig­keit der Kläge­rin als Zei­tungs­zu­stel­le­rin be­ein­träch­ti­ge die In­ter­es­sen der Be­klag­ten als


- 4 -

Brief­dienst­leis­te­rin nicht. So­weit die Be­klag­te in sehr ge­rin­gem Um­fang Zei­tun­gen zu­stel­le, sei ein an­de­res Markt­seg­ment be­trof­fen. Auch lie­ge kei­ne die Z GmbH un­terstützen­de Tätig­keit zu­las­ten der Be­klag­ten vor. Al­lein die Ein­brin­gung der Ar­beits­kraft rei­che hierfür nicht aus, er­for­der­lich sei­en zusätz­li­che Umstände. Dar­an feh­le es bei der un­ter­ge­ord­ne­ten Tätig­keit der Kläge­rin oh­ne je­den Kun­den­kon­takt. Ei­ne abs­trak­te oder zukünf­tig mögli­che Wett­be­werbs­si­tua­ti­on könne nicht da­zu führen, die Ne­bentätig­keit zu ver­bie­ten. Die Ver­sa­gung der Ne­bentätig­keit durch die Be­klag­te sei mit dem Grund­recht der Be­rufs­frei­heit nicht in Ein­klang zu brin­gen. Die Kläge­rin sei auf die Tätig­keit auf­grund von Kre­dit­ver­pflich­tun­gen an­ge­wie­sen und ha­be dar­auf ver­traut, die­se wei­ter ausüben zu können.

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt

fest­zu­stel­len, dass sie be­rech­tigt ist, ei­ne Ne­bentätig­keit als Zei­tungs­zu­stel­le­rin bei der Z GmbH je­weils ei­ne St­un­de täglich bis 6:00 Uhr von je­weils mon­tags bis sonn­abends aus­zuüben.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Die Kläge­rin ar­bei­te für

ei­nen un­mit­tel­ba­ren Wett­be­wer­ber, der sich als Brief­dienst­leis­ter im Markt­be­reich der Be­klag­ten betäti­ge. Durch ih­re Tätig­keit als Zu­stel­le­rin un­terstütze und förde­re sie die Z GmbH bei de­ren Kon­kur­renztätig­keit. Durch Ge­win­ne bei der Zei­tungs­zu­stel­lung wer­de der Aus­bau der Brief­zu­stel­lung ermöglicht. Nicht ent­schei­dend sei, ob die In­ter­es­sen der Be­klag­ten durch die Tätig­keit kon­kret be­ein­träch­tigt würden. Im Übri­gen be­ste­he die Ge­fahr, dass die Z GmbH die Kläge­rin zukünf­tig in der Brief­zu­stel­lung ein­set­ze, da sie die­ses Geschäfts­feld aus­wei­ten wol­le. Um­ge­kehrt stel­le die Be­klag­te selbst Zei­tun­gen zu, so dass auch in­so­weit un­mit­tel­ba­rer Wett­be­werb statt­fin­de. Trotz der un­ter­schied­li­chen Zu­stell­zeit sei­en Markt­seg­ment und Kun­den­ziel­grup­pe iden­tisch. Dar­aus, dass die Kläge­rin die Ne­bentätig­keit über Jah­re aus­geübt ha­ben wol­le, könne sie nichts her­lei­ten. Der Be­klag­ten sei die Ne­bentätig­keit erst im No­vem­ber 2006 be­kannt ge­wor­den.


- 5 -

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt

hat die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin ihr Kla­ge­ziel wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist be­gründet.

I. Der An­trag der Kläge­rin ist zulässig.

1. Nach § 11 MTV-DP AG ist zur Ausübung ei­ner Ne­bentätig­keit kei­ne
Zu­stim­mung des Ar­beit­ge­bers er­for­der­lich. Die Ne­bentätig­keit be­darf le­dig­lich ei­ner schrift­li­chen An­zei­ge (§ 11 Abs. 1 MTV-DP AG) und kann vom Ar­beit­ge­ber nur aus den in § 11 Abs. 2 MTV-DP AG ge­nann­ten Gründen un­ter­sagt wer­den. Dem Kla­ge­ziel ent­spricht des­halb ein auf die Fest­stel­lung ge­rich­te­ter An­trag, dass die Kläge­rin zur Ausübung der be­gehr­ten Tätig­keit als Zei­tungs­zu­stel­le­rin be­rech­tigt sei (vgl. BAG 28. Fe­bru­ar 2002 - 6 AZR 357/01 - EzA BGB § 611 Ne­bentätig­keit Nr. 7). Ei­ne die Un­ter­sa­gung der Ne­bentätig­keit re­vi­die­ren­de Erklärung der Be­klag­ten ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht er­for­der­lich. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se er­gibt sich aus der Un­ter­sa­gung der Ne­bentätig­keit durch die Be­klag­te.

2. Der An­trag ist hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die
be­gehr­te Ne­bentätig­keit wird nach Ar­beit­ge­ber, Art, Um­fang und Zeit ein­deu­tig kon­kre­ti­siert.

II. Der An­trag ist be­gründet. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits-

ge­richts ist die Kläge­rin be­rech­tigt, die von ihr be­gehr­te Ne­bentätig­keit als Zei­tungs­zu­stel­le­rin bei der Z GmbH aus­zuüben. Ins­be­son­de­re spre­chen kei­ne Gründe des un­mit­tel­ba­ren Wett­be­werbs iSd. § 11 Abs. 2 MTV-DP AG da­ge­gen.

1. Dem Ar­beit­neh­mer ist während des recht­li­chen Be­ste­hens ei­nes

Ar­beits­verhält­nis­ses je­de Kon­kur­renztätig­keit zum Nach­teil sei­nes Ar­beit­ge­bers


- 6 -

un­ter­sagt, auch wenn kei­ne ent­spre­chen­den in­di­vi­du­al- oder kol­lek­tiv­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen be­ste­hen. Für Hand­lungs­ge­hil­fen ist dies in § 60 Abs. 1 HGB aus­drück­lich ge­re­gelt. Der Ar­beits­ver­trag schließt über den Gel­tungs­be­reich die­ser Vor­schrift hin­aus aber ein Wett­be­werbs­ver­bot ein, das viel­fach aus der Treue­pflicht des Ar­beit­neh­mers ab­ge­lei­tet wur­de (st. Rspr., zB BAG 26. Ja­nu­ar 1995 - 2 AZR 355/94 - zu II 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 155). Nun­mehr ist die­se Ver­hal­tens­pflicht zur Rück­sicht­nah­me auf die Rech­te, Rechtsgüter und In­ter­es­sen des Ver­trags­part­ners aus­drück­lich in § 241 Abs. 2 BGB nor­miert (Se­nat 20. Sep­tem­ber 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 16, BA­GE 119, 294).

Die­se Maßstäbe gel­ten grundsätz­lich auch für die Ausübung von

Ne­bentätig­kei­ten, et­wa im Rah­men ei­nes wei­te­ren Ar­beits­verhält­nis­ses. Bei der Be­ur­tei­lung, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen sich ei­ne Tätig­keit bei ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber als Kon­kur­renz aus­wirkt, soll es da­bei nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung un­er­heb­lich sein, auf wel­che Art und Wei­se der Ar­beit­neh­mer den auch im Tätig­keits­be­reich sei­nes Haupt­ar­beit­ge­bers ak­ti­ven Kon­kur­ren­ten un­terstützt, so­fern der Ne­bentätig­keit nicht aus­nahms­wei­se von vorn­her­ein jeg­li­che un­terstützen­de Wir­kung ab­ge­spro­chen wer­den kann (vgl. BAG 24. Ju­ni 1999 - 6 AZR 605/97 - zu I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 611 Ne­bentätig­keit Nr. 5 = EzA BGB § 611 Ne­bentätig­keit Nr. 2). Eben­so we­nig soll es auf die Funk­ti­on des Ar­beit­neh­mers beim Kon­kur­ren­ten an­kom­men; viel­mehr sei dem Ar­beit­neh­mer „jed­we­de Dienst­leis­tung“ für die­sen ver­bo­ten (vgl. BAG 16. Au­gust 1990 - 2 AZR 113/90 - zu III 2 c cc der Gründe, AP BGB § 611 Treue­pflicht Nr. 10 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 38).

Der Se­nat hat Be­den­ken, ob an die­ser Recht­spre­chung fest­ge­hal­ten

wer­den kann, wenn es sich le­dig­lich um ein­fa­che Tätig­kei­ten han­delt, die al­len­falls zu ei­ner un­ter­ge­ord­ne­ten wirt­schaft­li­chen Un­terstützung des Kon­kur­renz­un­ter­neh­mens führen können, und im Übri­gen schutzwürdi­ge In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers nicht berührt wer­den. In je­dem Fall muss bei der Be­stim­mung der Reich­wei­te des Wett­be­werbs­ver­bots die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­te Be­rufs­frei­heit des Ar­beit­neh­mers Berück­sich­ti­gung fin­den. Da­her ist im Rah­men ei­ner Ge­samtwürdi­gung al­ler Umstände des Ein­zel­falls


- 7 -

fest­zu­stel­len, ob nach Art der Haupt- und Ne­bentätig­keit und der be­tei­lig­ten Un­ter­neh­men über­haupt ei­ne Gefähr­dung oder Be­ein­träch­ti­gung der In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers vor­liegt. Es spricht viel dafür, dass die Reich­wei­te des Wett­be­werbs­ver­bots auf un­mit­tel­ba­re Kon­kur­renztätig­kei­ten be­schränkt wer­den muss und bloße Hilfstätig­kei­ten oh­ne Wett­be­werbs­be­zug nicht er­fasst wer­den (vgl. et­wa Münch­KommHGB/von Ho­y­nin­gen-Hue­ne 2. Aufl. § 60 Rn. 46; Oet­ker/Kot­zi­an-Marggraf HGB § 60 Rn. 15; Kütt­ner/Rei­ne­cke Per­so­nal­buch 2009 16. Aufl. Stich­wort Wett­be­werb Rn. 6; Schaub ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 57 Rn. 7; HWK/Dil­ler 3. Aufl. § 60 HGB Rn. 21; Bo­em­ke AR-Blat­tei SD Ne­ben­pflich­ten des Ar­beit­neh­mers 1228 Rn. 269; Buch­ner AR-Blat­tei SD Wett­be­werbs­ver­bot II 1830.2 Rn. 53; Grun­sky Wett­be­werbs­ver­bo­te für Ar­beit­neh­mer 2. Aufl. S. 12 f.; Bock Das Dop­pel­ar­beits­verhält­nis S. 35 f.; Fran­ke Ar­beits- und so­zi­al­recht­li­che Fra­gen von Zweit­ar­beits­verhält­nis­sen S. 74). Dies gilt ins­be­son­de­re, wenn der Ar­beit­neh­mer le­dig­lich ei­ne Teil­zeittätig­keit ausübt und des­halb zur Si­che­rung sei­nes Le­bens­un­ter­halts auf die Ausübung ei­ner wei­te­ren Er­werbstätig­keit an­ge­wie­sen ist (Kem­pen/Kreu­der AuR 1994, 214, 219 f.). Ge­ra­de im Be­reich der ein­fa­che­ren Tätig­kei­ten ist das in zu­neh­men­dem Maß der Fall.

Letzt­lich be­darf die­se Fra­ge im Streit­fall aber im Hin­blick auf die

Re­ge­lung in § 11 Abs. 1 bis 3 MTV-DP AG kei­ner ab­sch­ließen­den Ent­schei­dung.

2. § 11 Abs. 1 bis 3 MTV-DP AG schränkt die dar­ge­stell­ten all­ge­mei­nen

Grundsätze ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer ein. Der Ar­beit­ge­ber ist da­nach nur be­rech­tigt, Ne­bentätig­kei­ten für ein Kon­kur­renz­un­ter­neh­men zu un­ter­sa­gen, wenn nach der Stel­lung des Ar­beit­neh­mers oder der Art der dor­ti­gen Tätig­keit ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­ein­träch­ti­gung sei­ner schutzwürdi­gen In­ter­es­sen droht. Die nur un­ter­ge­ord­ne­te wirt­schaft­li­che Un­terstützung des Wett­be­wer­bers reicht nicht aus.

a) § 11 MTV-DP AG geht von der grundsätz­li­chen Zulässig­keit der Aus-

übung von Ne­bentätig­kei­ten aus und ver­langt le­dig­lich de­ren An­zei­ge. Zum Schutz sei­ner In­ter­es­sen ist der Ar­beit­ge­ber al­ler­dings be­rech­tigt, ei­ne Ne­ben-


- 8 -

tätig­keit zu ver­bie­ten, wenn in­fol­ge übermäßiger Be­an­spru­chung des Ar­beit­neh­mers durch die Ne­bentätig­keit die ge­schul­de­te ver­trag­li­che Ar­beits­leis­tung be­ein­träch­tigt wer­den kann oder wenn Gründe des un­mit­tel­ba­ren Wett­be­werbs da­ge­gen spre­chen (§ 11 Abs. 2 MTV-DP AG).

b) Die ta­rif­li­che Ne­bentätig­keits­re­ge­lung als sol­che be­geg­net kei­nen

Wirk­sam­keits­be­den­ken. Sie verstößt ins­be­son­de­re nicht ge­gen höher­ran­gi­ges

Recht (vgl. hier­zu zB BAG 26. Ju­ni 2001 - 9 AZR 343/00 - zu I 1 b der Gründe,

BA­GE 98, 123). Hier­von geht auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt aus, oh­ne dass

die Re­vi­si­on Ein­wen­dun­gen er­hebt.

c) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts können die Tätig-
keit für ei­nen Wett­be­wer­ber und „Gründe des un­mit­tel­ba­ren Wett­be­werbs“ nicht gleich­ge­setzt wer­den. Viel­mehr ist ei­ne ar­beit­ge­ber- und tätig­keits­be­zo­ge­ne Wett­be­werbs­si­tua­ti­on er­for­der­lich, um ei­ne Un­ter­sa­gung zu recht­fer­ti­gen. Da­bei müssen schutzwürdi­ge In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers be­ein­träch­tigt sein.

aa) Schon der Wort­laut des § 11 Abs. 2 MTV-DP AG, von dem vor­ran­gig

aus­zu­ge­hen ist (st. Rspr., vgl. et­wa Se­nat 11. Fe­bru­ar 2009 - 10 AZR 264/08 - Rn. 25, ZTR 2009, 259), macht deut­lich, dass die ta­rif­li­che Re­ge­lung sich nicht vollständig mit dem In­halt des all­ge­mei­nen Wett­be­werbs­ver­bots deckt. Sie ver­weist nicht le­dig­lich auf ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung des § 60 Abs. 1 HGB oder die all­ge­mei­nen Grundsätze. Dies hätte aber na­he ge­le­gen, hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en oh­ne­hin Gel­ten­des nur de­kla­ra­to­risch wie­der­ge­ben wol­len, wie sie es et­wa beim nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bot in § 11 Abs. 4 MTV-DP AG mit ei­nem Ver­weis auf die Re­ge­lun­gen des HGB ge­tan ha­ben. Die Ta­rif­norm be­nennt als Un­ter­sa­gungs­grund auch nicht all­ge­mein be­rech­tig­te In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers, Wett­be­werbs- oder Kon­kur­renz­gründe. Viel­mehr sol­len gemäß § 11 Abs. 2 MTV-DP AG aus­drück­lich nur Gründe des „un­mit­tel­ba­ren“ Wett­be­werbs, al­so sol­che di­rek­ter Kon­kur­renz, für ei­ne Un­ter­sa­gung der Ne­bentätig­keit aus­rei­chen. Ne­bentätig­kei­ten mit bloß mit­tel­ba­rem Wett­be­werbs­be­zug wer­den da­mit als er­laubt an­ge­se­hen. Sol­che Gründe des un­mit­tel­ba­ren Wett­be­werbs müssen „da­ge­gen spre­chen“, al­so der Ne­bentätig­keit ent­ge­gen­ste­hen. Die For­mu­lie­rung zeigt, dass die Ta­rif­ver­trags-


- 9 -

par­tei­en die Ne­bentätig­keit mit un­mit­tel­ba­rem Wett­be­werbs­be­zug vor Au­gen hat­ten und nicht von vorn­her­ein je­de denk­ba­re Tätig­keit bei ei­nem Kon­kur­renz­un­ter­neh­men als Un­ter­sa­gungs­grund ver­stan­den wis­sen woll­ten, auch wenn sie den an­de­ren Ar­beit­ge­ber im wei­tes­ten Sin­ne un­terstützen mag.

bb) Der ta­rif­li­che Ge­samt­zu­sam­men­hang bestätigt die­ses Verständ­nis. Die

in § 11 Abs. 1 MTV-DP AG ge­re­gel­te An­zei­ge­pflicht ver­langt die An­ga­be der Art, des zeit­li­chen Um­fangs und des Ar­beit­ge­bers der Ne­bentätig­keit, um dem Haupt­ar­beit­ge­ber ei­ne Prüfung zu ermögli­chen, ob ein Un­ter­sa­gungs­grund in Be­tracht kommt. Während die An­ga­be des zeit­li­chen Um­fangs primär da­zu dient, den Un­ter­sa­gungs­grund der Über­be­an­spru­chung prüfen zu können, ist das Er­for­der­nis der An­ga­be des Zweit­ar­beit­ge­bers auf die Un­ter­sa­gung aus Wett­be­werbs­gründen zu­ge­schnit­ten. Zusätz­lich ver­langt die An­zei­ge aber auch die An­ga­be der Art der Ne­bentätig­keit, die dem­nach eben­falls von Be­deu­tung sein kann.

cc) Die­se Aus­le­gung steht im Ein­klang mit dem Zweck der ta­rif­li­chen

Ne­bentätig­keits­re­ge­lung. Ei­ner­seits soll die Ta­rif­norm den Schutz des Ar­beit­ge­bers vor Wett­be­werbs­hand­lun­gen sei­ner Ar­beit­neh­mer kon­kre­ti­sie­ren und für die be­trieb­li­che Pra­xis hand­hab­bar ma­chen. An­de­rer­seits darf sie die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­te Be­rufs­frei­heit der Ar­beit­neh­mer und de­ren In­ter­es­se an ei­ner Ver­wer­tung ih­rer Ar­beits­kraft nur so­weit ein­schränken, wie dies er­for­der­lich ist. Sie dient da­mit dem Aus­gleich der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­par­tei­en und der wei­testmögli­chen Auflösung der In­ter­es­sen­kol­li­si­on. Ob es über­haupt zu ei­ner Gefähr­dung oder Be­ein­träch­ti­gung der In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers kommt, kann nur an­hand ei­ner Ge­samtwürdi­gung al­ler Umstände fest­ge­stellt wer­den. Da­bei sind so­wohl die be­tei­lig­ten Un­ter­neh­men als auch die Art der Haupt- und Ne­bentätig­keit ein­zu­be­zie­hen.

3. Un­ter Zu­grun­de­le­gung die­ses Verständ­nis­ses spre­chen kei­ne Gründe

des un­mit­tel­ba­ren Wett­be­werbs ge­gen die Tätig­keit der Kläge­rin als Zei­tungs­zu­stel­le­rin bei der Z GmbH. Die Be­klag­te und die Z GmbH ste­hen zwar in Teil­be­rei­chen des Markts im Wett­be­werb. Die kon­kre­te Tätig­keit der Kläge­rin beim Kon­kur­renz­ar­beit­ge­ber hat aber kei­nen Wett­be­werbs­be­zug. Es han­delt


- 10 -

sich um ei­ne bloße Hilfstätig­keit und ei­ne le­dig­lich un­ter­ge­ord­ne­te wirt­schaft­li­che Un­terstützung. Die Kläge­rin kann nicht et­wa bei der Be­klag­ten er­wor­be­ne spe­zi­fi­sche Fähig­kei­ten, Kennt­nis­se oder Er­fah­run­gen zum Vor­teil des Wett­be­wer­bers ein­set­zen.

a) Die Be­klag­te und die Z GmbH ste­hen je­den­falls in Teil­be­rei­chen des
Markts im Wett­be­werb. Bei­de Un­ter­neh­men bie­ten Brief­dienst­leis­tun­gen an. Dass es sich da­bei bei der Be­klag­ten um ein Kern­geschäft han­delt, während sich die Geschäfts­spar­te bei der Z GmbH erst im Auf­bau be­fin­det, ist un­er­heb­lich. Die Un­ter­neh­men sind in­so­weit un­mit­tel­ba­re Kon­kur­ren­ten. Ob dies auch im Be­reich der Zei­tungs­zu­stel­lung so ist, kann da­hin­ste­hen. Zwar spricht man­ches dafür, dass es sich bei der Zu­stel­lung an Abon­nen­ten in den frühen Mor­gen­stun­den ei­ner­seits und der Zu­stel­lung mit der tägli­chen Post an­de­rer­seits um un­ter­schied­li­che Markt­seg­men­te han­delt, die sich nur un­we­sent­lich über­schnei­den. Zu­guns­ten der Be­klag­ten kann aber un­ter­stellt wer­den, dass sie sich auch in­so­weit mit der Z GmbH in Kon­kur­renz be­fin­det.

b) Die Ne­bentätig­keit der Kläge­rin hat kei­nen un­mit­tel­ba­ren Wett­be­werbs-
be­zug.

Die Kläge­rin be­schränkt ihr Be­geh­ren aus­drück­lich dar­auf, bei der Z

GmbH ei­ne Ne­bentätig­keit als Zei­tungs­zu­stel­le­rin ausüben zu wol­len. Die Zu­stel­lung von Brief­sen­dun­gen ist da­von nicht um­fasst (vgl. auch LAG Ba­den-Würt­tem­berg 9. April 2003 - 4 Sa 58/02 - zu III 2 der Gründe).

Die Tätig­kei­ten der Kläge­rin bei der Be­klag­ten als Sor­tie­re­rin und bei

der Z GmbH als Zei­tungs­zu­stel­le­rin wei­sen kei­ne er­heb­li­chen Über­schnei­dun­gen auf. Sie be­schränken sich bei bei­den Ar­beit­ge­bern auf die Ausführung von vor­ge­ge­be­nen Ar­beits­auf­ga­ben. Ein Kun­den­kon­takt fin­det bei der Be­klag­ten nicht und im Rah­men der Zei­tungs­zu­stel­lung al­len­falls zufällig statt. In­ter­es­sen der Be­klag­ten wer­den da­durch nicht berührt. We­der be­steht ei­ne Ver­wechs­lungs­ge­fahr, für wen die Kläge­rin ge­ra­de tätig ist, noch be­steht ih­re Auf­ga­be in der Kun­den­ge­win­nung. Es ist eben­falls nicht er­sicht­lich, dass die Kläge­rin bei der Be­klag­ten er­wor­be­ne fir­men­spe­zi­fi­sche Fähig­kei­ten, Kennt­nis­se oder Er­fah­run­gen zur Förde­rung des Wett­be­wer­bers ein­set­zen könn­te.


- 11 -

Viel­mehr kann die Zei­tungs­zu­stel­lung von Drit­ten oh­ne be­son­de­re Qua­li­fi­ka­ti­on wahr­ge­nom­men wer­den.

Müss­te die Z GmbH auf die Ar­beits­leis­tung der Kläge­rin ver­zich­ten,

würde sie an de­ren Stel­le ei­ne an­de­re Ar­beits­kraft mit der­sel­ben Tätig­keit beschäfti­gen. Die An­nah­me, dass die Z GmbH statt­des­sen auf ei­ne Zu­stel­lung von Zei­tun­gen am frühen Mor­gen ver­zich­te­te und die Be­klag­te mit der Zu­stel­lung im Ver­lau­fe des Ta­ges be­auf­trag­te, liegt fern. Zwar mag man al­lein in der Tat­sa­che, dass die Kläge­rin ih­re Ar­beits­kraft ein­setzt, ei­ne Un­terstützung der Z GmbH se­hen, die im wei­tes­ten Sinn das Wett­be­werbs­verhält­nis berührt. Al­len­falls kann hier aber von ei­ner mit­tel­ba­ren, un­ter­ge­ord­ne­ten Förde­rung des Wett­be­wer­bers ge­spro­chen wer­den. Ge­gen die Tätig­keit spre­chen­de Gründe des „un­mit­tel­ba­ren“ Wett­be­werbs im Sinn der Ta­rif­re­ge­lung lie­gen dar­in nicht.

Dem steht nicht ent­ge­gen, dass die Kläge­rin zukünf­tig im Rah­men ih­rer

Ne­bentätig­keit mit der Brief­zu­stel­lung be­auf­tragt wer­den könn­te. Die Kläge­rin wäre in ei­nem sol­chen Fall gemäß § 11 Abs. 1 MTV-DP AG ver­pflich­tet, die Ände­rung der Tätig­keit an­zu­zei­gen. Die Be­klag­te könn­te dann über­prüfen, ob nun­mehr ein Un­ter­sa­gungs­grund im Hin­blick auf die geänder­te Tätig­keit ge­ge­ben ist.

III. Die Be­klag­te hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kos­ten des Rechts­streits

zu tra­gen.

Mi­kosch Mar­quardt W. Rein­fel­der

Ru­dolph Großmann

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 10 AZR 66/09