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LAG Bre­men, Be­schluss vom 02.07.2013, 1 TaBV 35/12

   
Schlagworte: Abmahnung: Betriebsrat, Betriebsrat: Abmahnung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Bremen
Aktenzeichen: 1 TaBV 35/12
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 02.07.2013
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, Beschluss vom 22.11.2012, 8 BV 802/12
   

In dem Be­schluss­ver­fah­ren

An­trag­stel­ler, Be­tei­lig­ter zu 1) und Be­schwer­de­geg­ner

Verf.-Bev.:

An­trags­geg­ne­rin, Be­tei­lig­te zu 2) und Be­schwer­deführe­rin

Verf.-Bev.:

Be­tei­lig­ter zu 3)

Verf.-Bev.:

hat die 1. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Bre­men auf­grund der Anhörung vom 2. Ju­li 2013

durch

die Präsi­den­tin des Lan­des­ar­beits­ge­richts
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter

be­schlos­sen:

Die Be­schwer­de der Be­tei­lig­ten zu 2) (Ar­beit­ge­be­rin) ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Bre­men-Bre­mer­ha­ven vom 22.11.2012 - 8 BV 802/12 - wird als un­be­gründet zurück­ge­wie­sen.

 

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Das Ver­fah­ren ist ge­richts­kos­ten­frei.

Die Rechts­be­schwer­de wird ge­gen die­sen Be­schluss zu­ge­las­sen.

G R Ü N D E :

I.

Die Be­tei­lig­ten strei­ten sich im Er­geb­nis um die Be­rech­ti­gung ei­ner er­teil­ten Ab­mah­nung an den Be­tei­lig­ten zu 3).

Die Be­tei­lig­te zu 2) ist im Land Bre­men mit der Müll­ent­sor­gung und der Stadt­rei­ni­gung be­traut und ist Teil des N. -Kon­zerns. Sie selbst beschäftigt ca. 400 Ar­beit­neh­mer. Der Be­tei­lig­te zu 1) ist der bei der Be­tei­lig­ten zu 2) ge­bil­de­te Be­triebs­rat. Der Be­tei­lig­te zu 3) ist so­wohl Vor­sit­zen­der des Be­triebs­rats als auch Mit­glied des Kon­zern­be­triebs­rats.

Die Be­tei­lig­ten zu 1) und 2) schlos­sen im Mai 2011 ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung über den Ein­satz von Leih­ar­beit­neh­mern im Be­reich STS ab, die ei­ne Vergütungs­re­ge­lung für Leih­ar­beit­neh­mer enthält. Der Be­tei­lig­te zu 3) schrieb am 09.12.2011 ei­ne E-Mail an al­le Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen des N. -Kon­zerns. Dar­in wur­de der Ab­schluss der vor­ste­hend

 

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zi­tier­ten Be­triebs­ver­ein­ba­rung an­geführt und die Be­triebs­ver­ein­ba­rung als An­hang beige-fügt. We­gen der Ein­zel­hei­ten der E-Mail wird auf Bl. 41 d. A. ver­wie­sen.

Mit Schrei­ben vom 14.12.2011 (Bl. 107 d. A.) er­teil­te die Be­tei­lig­te zu 2) dem Be­tei­lig­ten zu 3) ei­ne „Ab­mah­nung als Be­triebs­rat“, und zwar we­gen der ver­sand­ten E-Mail und da­bei ins­be­son­de­re we­gen des Ver­sen­dens an Ar­beit­neh­mer außer­halb der Be­tei­lig­ten zu 2). In die­sem Schrei­ben heißt es u.a.:

„...Für Ihr Fehl­ver­hal­ten mah­nen wir Sie hier­mit ab. Soll­ten Sie er­neut ge­gen das Prin­zip der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit ver­s­toßen und sich in ent­spre­chen­der Art und Wei­se pflicht­wid­rig ver­hal­ten, müssen Sie da­mit rech­nen, dass wir Ih­ren Aus­schluss als Be­triebs­rats­mit­glied beim Ar­beits­ge­richt be­an­tra­gen wer­den (§ 23 Be­trVG). Ge­ge­be­nen­falls könn­te so­gar ei­ne Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses in Be­tracht kom­men.“

Die­se Ab­mah­nung ist zur Per­so­nal­ak­te des Be­tei­lig­ten zu 3) ge­nom­men wor­den.

Am 22.12.2011 fass­te der Be­tei­lig­te zu 1) den Be­schluss, die Ent­fer­nung der „Ab­mah­nung als Be­triebs­rat“ aus der Per­so­nal­ak­te des Be­tei­lig­ten zu 3) im ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schluss­ver­fah­ren gel­tend zu ma­chen.

Mit Schrei­ben vom 22.12.2011 wur­de die Be­tei­lig­te zu 2) auf­ge­for­dert, die Ab­mah­nung zu wi­der­ru­fen und aus der Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen. Die­ser Auf­for­de­rung ent­sprach die Be­tei­lig­te zu 2) nicht.

Mit sei­nem am 10.01.2011 beim Ge­richt ein­ge­reich­ten An­trag ver­langt der Be­tei­lig­te zu 1) im Er­geb­nis die Her­aus­nah­me der Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te des Be­tei­lig­ten zu 3) und die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der Ab­mah­nung. Mit ei­nem am 07.09.2012 beim Ar­beits­ge­richt Bre­men-Bre­mer­ha­ven ein­ge­gan­ge­nen An­trag wur­den für die Be­tei­lig­ten zu 1) und 3) die Anträge an­gekündigt, die Ar­beit­ge­be­rin zu ver­pflich­ten, die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung als Be­triebs­rat aus des­sen Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen, hilfs­wei­se hier­zu, die Ar­beit­ge­be­rin zu ver­pflich­ten, die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung als Be­triebs­rat aus der­je­ni­gen Ak­te zu ent­fer­nen, in wel­che die Ar­beit­ge­be­rin sie auf­ge­nom­men hat. Mit ei­nem Schrift­satz vom 08.11.2012, der am 09.11.2012 beim Ar­beits­ge­richt Bre­men-Bre­mer­ha­ven ein­ging, wur­den die Anträge um ei­nen wei­te­ren Hilfs­an­trag er­wei­tert, fest­zu­stel­len, dass die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung als Be­triebs­rat un­wirk­sam ist. In der münd­li­chen Anhörung am 22.11.2012 beim Ar­beits­ge­richt Bre­men-Bre­mer­ha­ven nahm der Be­tei­lig­te zu 3) den ers­ten Hilfs­an­trag aus dem Schrift­satz vom 08.11.2012 zurück.

 

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Der Be­tei­lig­te zu 1) hat vor­ge­tra­gen:

Nach Kennt­nis des Be­tei­lig­ten zu 1) ha­be die ge­schlos­se­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung aus Mai 2011 ei­ne in sons­ti­gen Kon­zern­ge­sell­schaf­ten bis­her nicht ver­ein­bar­te Re­ge­lung dar­ge­stellt. Die­sen Um­stand ha­be der Be­tei­lig­te zu 3) zum An­lass ge­nom­men, die Ar­beit­neh­mer der wei­te­ren Kon­zern­ge­sell­schaf­ten über den Ab­schluss die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung zu in­for­mie­ren. Der Be­tei­lig­te zu 1) se­he die Ab­mah­nung als Be­hin­de­rung des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und da­mit auch des Gre­mi­ums an. Er sei der Auf­fas­sung, dass ei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ab­mah­nung nicht zulässig sei. Wenn dies ent­ge­gen § 23 Be­trVG an­ders ge­se­hen wer­de, sei dar­auf hin­zu­wei­sen, dass ein Ver­s­toß ge­gen be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Pflich­ten nicht zu­gleich ei­ne Ver­let­zung der Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis dar­stel­len könne. So­mit kom­me auch kei­ne Kündi­gung für den Wie­der­ho­lungs-fall in Be­tracht. Auf ei­ne Kündi­gungsmöglich­keit ha­be sich die Be­tei­lig­te zu 2) aber aus­drück­lich be­ru­fen. Al­lein dies führe schon zur Un­wirk­sam­keit und da­mit auch zum An­spruch auf Ent­fer­nung aus der Per­so­nal­ak­te.

Die Ab­mah­nung sei aber auch in­halt­lich un­be­rech­tigt. Der Be­tei­lig­te zu 3) sei zu­gleich Mit­glied des Kon­zern­be­triebs­rats. Er könne nicht dar­auf ver­wie­sen wer­den, er dürfe sich nur an die Ar­beit­neh­mer der Be­tei­lig­ten zu 2) zu wen­den. Er ha­be aus­drück­lich auch als Kon­zern­be­triebs­rat ge­han­delt. Bei der Be­triebs­ver­ein­ba­rung han­de­le es sich auch nicht um ein ge­heim­hal­tungs­bedürf­ti­ges Do­ku­ment.

Das Ge­setz ken­ne ei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ab­mah­nung nicht. Des­halb wer­de über­wie­gend da­von aus­ge­gan­gen, dass ei­ne sol­che nicht zulässig sei. Ein Aus­schluss sei nur bei ei­ner gro­ben Pflicht­ver­let­zung möglich. Ei­ne Ab­mah­nung sei nicht er­for­der­lich. Ein Ver­s­toß un­ter­halb ei­ner gro­ben Pflicht­ver­let­zung könne im Übri­gen nicht zum Aus­schluss des Be­triebs­rats führen. Das Ver­hal­ten des Be­tei­lig­ten zu 3) stel­le ei­ne sol­che gro­be Pflicht­ver­let­zung nicht dar.

Der Be­tei­lig­te zu 1) hat be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung als Be­triebs­rat un­wirk­sam ist.

2. Die Be­tei­lig­te zu 2) wird ver­pflich­tet, die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung als Be­triebs­rat aus des­sen Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen.

 

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Die Be­tei­lig­te zu 2) hat be­an­tragt,

die Anträge zurück­zu­wei­sen.

Die Be­tei­lig­te zu 2) hat vor­ge­tra­gen:

Sie sei ab­mahn­be­rech­tigt ge­we­sen. Der Be­tei­lig­te zu 3) ha­be sei­ne be­triebs­ver­fas­sungs-recht­li­chen Pflich­ten ver­letzt. Die Ab­mah­nung wer­de dar­auf gestützt, dass sich der Be­tei­lig­te zu 3) pflicht­wid­rig an al­le Mit­ar­bei­ter des N. -Kon­zerns und nicht et­wa le­dig­lich an die Mit­ar­bei­ter der Be­tei­lig­ten zu 2) ge­wandt ha­be. Es han­de­le sich nach Auf­fas­sung der Be­tei­lig­ten zu 2) nämlich um „ex­ter­ne Drit­te“. Es ge­be für Ver­ein­ba­run­gen mit Leih­ar­beits-un­ter­neh­men oder Be­triebsräten kei­ne ab­ge­stimm­te Zu­sam­men­ar­beit. Sämt­li­che Un­ter-neh­men würden ei­gen­ver­ant­wort­lich han­deln. In­so­weit sei es ihr ur­ei­gens­ter Be­reich, in dem Ein­mi­schun­gen nicht gewünscht sei­en. Die ein­zi­ge Aus­nah­me sei das Ein­wir­ken der Kon­zer­no­ber­ge­sell­schaft. Der Be­tei­lig­te zu 3) ha­be sein Man­dat in er­heb­li­chem Maße über­zo­gen. De­mo­kra­tisch le­gi­ti­miert sei der Be­tei­lig­te zu 3) nur von den Beschäftig­ten der Be­tei­lig­ten zu 2); nur die­se ver­tre­te er. Er sei nicht be­rech­tigt, die In­ter­es­sen der übri­gen Beschäftig­ten des Kon­zerns wahr­zu­neh­men. Es sei dar­auf hin­zu­wei­sen, dass Be­tei­lig­te zu 3) aus­drück­lich nicht als Kon­zern­be­triebs­rats­mit­glied ge­schrie­ben ha­be.

Dem An­trag­stel­ler feh­le die not­wen­di­ge Ak­tiv­le­gi­ti­ma­ti­on. Nicht er in sei­ner Ge­samt­heit, son­dern der Be­tei­lig­te zu 3) ha­be ei­ne Ab­mah­nung er­hal­ten. Dem­ent­spre­chend könne auch nur der Be­tei­lig­te zu 3) ei­nen Ent­fer­nungs­an­spruch gel­tend ma­chen.

Ei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ab­mah­nung sei zulässig. Die Rechts­grund­la­ge dafür sei in § 2 Be­trVG zu fin­den. Die­se Pflicht zur ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit be­deu­te, dass das Be­triebs­rats­mit­glied nicht mit ei­nem Aus­schluss­an­trag aus dem Be­triebs­rat „über-fal­len“ wer­den könne. Ihm sei viel­mehr ei­ne Möglich­keit zur Ver­hal­tensände­rung ein­zuräum­en. Das mil­de­re Mit­tel sei zunächst ein­zu­set­zen.

Die Ab­mah­nung sei auch nicht des­halb un­wirk­sam, weil zu­gleich ei­ne Kündi­gungsmöglich­keit an­ge­spro­chen wor­den sei. Wenn das Be­triebs­rats­mit­glied aber zu­gleich bei gra­vie­ren­den Verstößen auch ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­s­toße, sei ein stren­ge­rer Maßstab an den Aus­spruch der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung an­zu­le­gen. Es sei zu prüfen, ob bei Aus­schluss aus dem Be­triebs­rat wei­te­re ver­gleich­ba­re Ar­beits­ver­trags­ver­let­zun­gen dro­hen würden und in­so­fern das Ver­trau­ens­verhält­nis zum Ar­beit­ge­ber nach­hal­tig gestört sei. Nach der Recht­spre­chung kom­me ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung z.B. bei ver­un­glimp­fen­der und auf­het­zen­der Wahl­wer­bung bei ei­ner Be­triebs­rats-

 

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wahl in Be­tracht. Auf die­se Recht­spre­chung wer­de im letz­ten Ab­satz der Ab­mah­nung ver­wie­sen. Die Warn­funk­ti­on ei­ner Ab­mah­nung wer­de da­durch erfüllt. Nur dar­auf kom­me es an.

Das Ar­beits­ge­richt Bre­men-Bre­mer­ha­ven hat am 22.11.2012 fol­gen­den Be­schluss verkündet:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass die dem Be­tei­lig­ten zu 3.) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung als Be­triebs­rat un­wirk­sam ist.

2. Die Be­tei­lig­te zu 2) wird ver­pflich­tet, die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung als Be­triebs­rat aus des­sen Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen.

3. Die Ent­schei­dung er­geht ge­richts­kos­ten­frei.

We­gen der Ein­zel­hei­ten der Be­gründung durch das Ar­beits­ge­richt wird auf Teil II der Gründe (Bl. 59 bis 62 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­sen ihr am 29.11.2012 zu­ge­stell­ten Be­schluss hat die Be­tei­lig­te zu 2) am 07.12.2012 Be­schwer­de beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt und die­se am 09.01.2013 be­gründet.

Die Be­tei­lig­te zu 2) wie­der­holt ihr erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen und trägt fer­ner vor:

Ei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ab­mah­nung sei möglich. Sie sei in­halt­lich wirk­sam, da der Be­tei­lig­te zu 3) un­be­rech­tig­ter­wei­se nicht Be­trof­fe­ne über den In­halt ei­ner mit der Be­tei­lig­ten zu 2) ab­ge­schlos­se­nen Be­triebs­ver­ein­ba­rung in­for­miert ha­be. Auch als Kon­zern­be­triebs­rats­mit­glied sei er nicht be­rech­tigt, die­se Per­so­nen über den In­halt der mit der Be­tei­lig­ten zu 2) ab­ge­schlos­se­nen Be­triebs­ver­ein­ba­rung zu in­for­mie­ren, da die­se kei­nen Be­zug zu sei­nem Kon­zern­be­triebs­rats­man­dat ha­be. Er­schwe­rend sei in­so­fern auch die of­fen­sicht­lich hin­ter die­ser Vor­ge­hens­wei­se ste­hen­de In­ten­ti­on des Be­tei­lig­ten zu 3) zu berück­sich­ti­gen, dem es letzt­lich bei der Ver­sen­dung dar­um ge­gan­gen sei, in dem Kon­zern­un­ter­neh­men ein­heit­li­che bzw. un­ter­neh­mensüberg­rei­fen­de Re­ge­lun­gen ein­zuführen, die je­doch über­haupt kei­nen Kon­zern­be­zug hätten und so­mit ge­ra­de nicht in die Zuständig­keit des Kon­zern­be­triebs­rats fal­len würden. In­hal­te von Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den Be­tei­lig­ten zu 1) und 2) sei­en so­mit Be­triebs­in­ter­na, die letzt­lich nur die Mit­ar­bei­ter der Be­tei­lig­ten zu 2) beträfen und ent­spre­chend nicht an sons­ti­ge Per­so­nen wei­ter-zu­tra­gen sei­en. Die Pflicht­wid­rig­keit wer­de auch ins­be­son­de­re da­durch un­ter­stri­chen, dass der Be­tei­lig­te zu 3) sich nicht in sei­ner Funk­ti­on als Kon­zern­be­triebs­rat an sei­ne

 

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Kon­zern­be­triebs­rats­mit­glie­der ge­wandt ha­be, son­dern an al­le Mit­ar­bei­ter. Wel­ches Ziel der Be­tei­lig­te zu 3) da­mit - außer Ver­wir­rung und Un­ru­he­stif­tung - ver­folgt ha­be, sei nicht zu er­ken­nen.

Der An­spruch auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te sei aus­sch­ließlich ein in­di­vi­du­al­recht­li­cher An­spruch des Be­trof­fe­nen, kein An­spruch des Be­triebs­rats. Des­halb könne dies auch nicht im Be­schluss­ver­fah­ren geklärt wer­den.

Der Be­tei­lig­te zu 3) ha­be erst­in­stanz­lich kei­nen An­trag stellt. Dies könne er auch nicht im Be­schluss­ver­fah­ren, son­dern nur im Ur­teils­ver­fah­ren. Durch ei­nen erst­ma­li­gen zweit­in­stanz­li­chen An­trag im Be­schluss­ver­fah­ren könne auch kein in­di­vi­du­al­recht­li­cher An­spruch gel­tend ge­macht wer­den.

Die Be­tei­lig­te zu 2) be­an­tragt,

den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Bre­men-Bre­mer­ha­ven vom 22.11.2012 zum Ak­ten­zei­chen 8 BV 802/12 ab­zuändern und die Anträge zurück­zu­wei­sen.

Die Be­tei­lig­ten zu 1) und 3) be­an­tra­gen,

die Be­schwer­de der Be­tei­lig­ten zu 2) als un­be­gründet zurück­zu­wei­sen.

Der Be­tei­lig­te zu 3) be­an­tragt,

die Be­tei­lig­te zu 2) zu ver­pflich­ten, die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung als Be­triebs­rat aus des­sen Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen.

Die Be­tei­lig­te zu 2) be­an­tragt,

den An­trag des Be­tei­lig­ten zu 3) zurück­zu­wei­sen.

Die Be­tei­lig­ten zu 1) und 3) ver­tei­di­gen den erst­in­stanz­li­chen Be­schluss und tra­gen vor:

Das In­stru­ment der be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Ab­mah­nung sei un­zulässig. Han­de­le es sich um ei­ne Ab­mah­nung we­gen der Ver­let­zung be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Pflich­ten, wäre ei­ne sol­che Ab­mah­nung - so­fern sie sich nicht oh­ne­hin ge­gen das ge­sam­te Be­triebs­rats­gre­mi­um rich­ten würde - nicht in die Per­so­nal­ak­te des Be­triebs­rats­mit­glieds auf-zu­neh­men. Die Per­so­nal­ak­te ha­be die­je­ni­gen Do­ku­men­te zum In­halt, die sich auf die Ar­beit­neh­mer­stel­lung bezögen und nicht auf die Ausübung ei­ner Funk­ti­on im Be­triebs­rat.

 

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Da die dem Be­tei­lig­ten zu 3) er­teil­te Ab­mah­nung für den Wie­der­ho­lungs­fall auch in­di­vi­du­al­recht­li­che Sank­tio­nen in Aus­sicht stel­le, sei sie auch dann un­zulässig, wenn man grundsätz­lich die Möglich­keit ei­ner be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Ab­mah­nung be­ja­he.

Die Ab­mah­nung sei auch in­halt­lich nicht be­gründet. Es stel­le we­der ei­nen Ver­s­toß ge­gen be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Pflich­ten noch ge­gen Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis dar, wenn der Be­tei­lig­te zu 3) in sei­ner Funk­ti­on als Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der und Mit­glied des Kon­zern­be­triebs­rats ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung an Beschäftig­te im Kon­zern ver­sen­de.

Die Ab­mah­nung sei auch un­be­stimmt, da Sank­tio­nen für den Fall, dass der Be­tei­lig­te zu 3) sich „in ent­spre­chen­der Art und Wei­se pflicht­wid­rig“ ver­hal­te, an­ge­droht sei­en. Es sei nicht klar, wel­ches zukünf­ti­ge Ver­hal­ten die Be­tei­lig­te zu 3) von ihm er­war­te.

Durch die Ab­mah­nung wer­de die Be­triebs­ratstätig­keit be­hin­dert, wor­aus sich der Ent­fer­nungs­an­spruch des Be­tei­lig­ten zu 1) er­ge­be. Der Be­tei­lig­te zu 3) ha­be mit dem Zurück­wei­sungs­an­trag deut­lich ge­macht, dass er sei­nen An­spruch auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te gel­tend ma­che.

Un­abhängig da­von sei auch in zwei­ter In­stanz ein An­trag des Be­tei­lig­ten zu 3) auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung aus sei­ner Per­so­nal­ak­te zulässig, da er zu­min­dest sach­dien­lich sei.

Darüber hin­aus sei erst­in­stanz­lich of­fen­bar bei der Pro­to­kol­lie­rung der An­trag­stel­lung nicht hin­rei­chend be­ach­tet wor­den, dass die Anträge so­wohl von dem Be­tei­lig­ten zu 1) als auch dem Be­tei­lig­ten zu 3) ge­stellt wor­den sei­en. Die Pro­to­kol­lie­rung der Anträge sei letzt­lich un­verständ­lich. Ei­ner­seits sol­le nur der Be­tei­lig­te zu 1) den An­trag auf Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der Ab­mah­nung und auf Ver­pflich­tung zur Ent­fer­nung der Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te ge­stellt ha­ben. An­de­rer­seits sol­le nur der Be­tei­lig­te 3) erklärt ha­ben, dass der ers­te Hilfs­an­trag aus dem Schrift­satz vom 08.11.2011 nicht auf­recht er­hal­ten wer­de. Dem­nach hätte der Be­triebs­rat den ers­ten Hilfs­an­trag je­doch auf­recht er­hal­ten, so­dass im Rah­men der Be­gründung der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung zu­min­dest hätte aus­geführt wer­den müssen, dass in­fol­ge der Zu­er­ken­nung des Haupt­an­tra­ges über den Hilfs­an­trag nicht mehr zu ent­schei­den ge­we­sen sei. Der­ar­ti­ge Ausführun­gen ent­hal­te die Ent­schei­dung der Vor­in­stanz je­doch nicht. An­de­rer­seits wer­de un­ter Ziff. 1.3 in der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung aus­geführt, dass nur der Be­tei­lig­te zu 1) (Be­triebs­rat) an­trags­be­fugt sei. Dies be­deu­te, dass im Rah­men der Be­gründung im Er­geb­nis die Anträge zurück­ge­wie­sen wor­den sei­en, oh­ne dass dies im Te­nor auf­geführt wor­den

 

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sei. Trotz der hier­in lie­gen­den Be­schwer des Be­tei­lig­ten zu 3) durch die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung sei dem Be­tei­lig­ten zu 3) ein Rechts­mit­tel im Rah­men der Rechts­mit­tel­be­leh­rung nicht zu­ge­stan­den wor­den.

Letzt­lich ha­be die Vor­in­stanz al­so die An­trag­stel­lung des Be­tei­lig­ten zu 3) über­g­an­gen. Der Um­stand, dass die Vor­in­stanz un­ter Berück­sich­ti­gung ih­rer Auf­fas­sung von ei­ner feh­len­den An­trags­be­fug­nis des Be­tei­lig­ten zu 3) ei­nen An­spruch auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te in das Ur­teils­ver­fah­ren hätte über­lei­ten müssen, ste­he der An­trags­er­wei­te­rung in zwei­ter In­stanz in­so­weit nicht ent­ge­gen. Wenn nämlich die er­for­der­li­che Über­lei­tung in das Ur­teils­ver­fah­ren nicht vor­ge­nom­men sei und letzt­lich in­halt­lich ent­schie­den wor­den sei, in­dem aus­geführt wer­de, dass der Be­tei­lig­te zu 3) nicht an­trags-be­fugt sei, sei ei­ne in­halt­li­che Ent­schei­dung über den gel­tend ge­mach­ten An­spruch im Be­schluss­ver­fah­ren er­folgt. Im Ver­fah­ren der zwei­ten In­stanz sei über den An­spruch dann wei­ter­hin im Be­schluss­ver­fah­ren zu ent­schei­den.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf den Ak­ten­in­halt, ins­be­son­de­re die ge­wech­sel­ten Schriftsätze der Be­tei­lig­ten nebst An­la­gen, die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten und die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung Be­zug ge­nom­men.

II.

Die Be­schwer­de ist an sich statt­haft, form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und da­mit ins­ge­samt zulässig, aber un­be­gründet.

Das Ar­beits­ge­richt hat im Er­geb­nis zu Recht fest­ge­stellt, dass die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung als Be­triebs­rat un­wirk­sam ist. Rich­ti­ger­wei­se ist auch die Be­tei­lig­te zu 2) ver­pflich­tet wor­den, die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung als Be­triebs­rat aus des­sen Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen.

Das Be­schwer­de­ge­richt ver­weist zur Be­gründung auf Teil II der Gründe des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses, de­nen es folgt (§ 69 Abs. 2 ArbGG). We­gen des Be­schwer­de­ver­fah­rens ist noch Fol­gen­des aus­zuführen:

1. Die Be­tei­lig­ten zu 1) und 3) können die von ih­nen gel­tend ge­mach­ten Ansprüche im ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schluss­ver­fah­ren wei­ter­ver­fol­gen.

 

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a) Ei­ne kol­lek­tiv­recht­li­che Strei­tig­keit ist trotz der gewähl­ten in­di­vi­du­al­recht­li­chen Form ei­ner Ab­mah­nung ge­ge­ben, wenn in der Sa­che im Streit zwi­schen den Be­tei­lig­ten die Fra­ge steht, ob ei­ne Störung der Be­triebs­rats- bzw. Per­so­nal­ver­tre­tungstätig­keit durch ei­ne Ab­mah­nung ver­ur­sacht und be­ab­sich­tigt war. Bil­det dies den Kern der Strei­tig­keit der Be­tei­lig­ten, dann ist das ar­beits­ge­richt­li­che Be­schluss­ver­fah­ren die zu­tref­fen­de Ver­fah­rens­art. Geht es hin­ge­gen um Fehl­ver­hal­ten, das un­abhängig von Be­triebs- oder Per­so­nal­ver­tre­tungstätig­keit gerügt wer­den soll, oder sol­ches, das kei­nen spe­zi­fi­schen Be­zug zur Be­triebs-rats- oder Per­so­nal­ver­tre­tungstätig­keit auf­weist, ist das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teils­ver­fah­ren die rich­ti­ge Ver­fah­rens­art (LAG Hamm Be­schl. v. 25.11.2002 - 10 TaBV 121/02; LAG Köln Be­schl. v. 27.04.2011 - 5 Ta 438/10 - AE 2012, 1114, 114; Hes­si­sches LAG Be­schl. v. 09.07.2009 - 9/10 Ta 25/09). Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Nie­der­sach­sen dif­fe­ren­ziert zwar in sei­ner Ent­schei­dung vom 30.11.2011 - 16 TaBV 75/10 - da­nach, ob ein be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Be­sei­ti­gungs­an­spruch gemäß § 78 Be­trVG oder ein in­di­vi­du­al­recht­li­cher An­spruch auf Rück­nah­me ei­ner Ab­mah­nung und Ent­fer­nung aus der Per­so­nal­ak­te gel­tend ge­macht wird. Nach Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen soll nur in dem ers­ten Fall das Be­schluss­ver­fah­ren ein­schlägig sein; da­ge­gen müsse der in­di­vi­du­al­recht­li­che An­spruch ab­ge­trennt wer­den und gemäß § 78 Abs. 1 ArbGG in das Ur­teils­ver­fah­ren über­ge­lei­tet wer­den, was zweit­in­stanz­lich gemäß §§ 65, 88 ArbGG nicht mehr möglich sein könn­te. Im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren be­darf es aber kei­ner Aus­ein­an­der­set­zung mit der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen, weil auch über den nun­mehr von dem Be­tei­lig­ten zu 3) aus­drück­lich gel­tend ge­mach­ten Ent­fer­nungs­an­spruch nicht im Ur­teils­ver­fah­ren zu ent­schei­den wäre.

b) Der Be­tei­lig­te zu 3) hat­te be­reits mit Schrift­satz vom 07.09.2012 in der ers­ten In­stanz den An­spruch auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung gel­tend ge­macht. In dem Schrift­satz vom 08.11.2012 ist der An­trag für den Be­tei­lig­ten zu 3) eben­falls ent­hal­ten. Auch wenn aus­weis­lich des Pro­to­kolls vom 22.11.2012 der Be­tei­lig­te zu 3) nicht aus­drück­lich die Ansprüche auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung und Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der aus­ge­spro­che­nen Ab­mah­nung in der münd­li­chen Anhörung ge­stellt hat, sind sei­ne Pro­zes­serklärun­gen so aus­zu­le­gen, dass er die an­gekündig­ten Anträge nicht auf­ge­ben woll­te und sich min­des­tens den Anträgen des Be­tei­lig­ten zu 1) an­schloss.

 

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Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts sind Pro­zes­serklärun­gen da­nach aus­zu­le­gen, was ge­wollt ist und aus Sicht der Pro­zess­par­tei­en vernünf­tig und ih­rer In­ter­es­sen­la­ge ent­spricht. Da­bei sind die schutzwürdi­gen Be­lan­ge des Erklärungs­adres­sa­ten zu berück­sich­ti­gen (BAG Urt. v. 28.08.2008 - 2 AZR 63/07 - AP Nr. 62 zu § 9 KSchG 1969; BAG Urt. v. 26.07.2012 - 6 AZR 221/11 - BB 2012, 3008). Dem Pro­to­koll der münd­li­chen Anhörung vom 22.11.2012 ist zu ent­neh­men, dass der Be­tei­lig­te zu 3) sich aus­drück­lich da­zu erklärt hat, dass der ers­te Hilfs­an­trag aus dem Schrift­satz vom 08.11.2012 („Die Ar­beit­ge­be­rin wird ver­pflich­tet, die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung als Be­triebs­rat aus der­je­ni­gen Ak­te zu ent­fer­nen, in wel­che die Ar­beit­ge­be­rin sie auf­ge­nom­men hat“) nicht auf­recht er­hal­ten wer­den soll­te. Die­se aus­drück­li­che Erklärung zu dem ei­nen Hilfs­an­trag macht aber nur dann Sinn, wenn der Be­tei­lig­te zu 3) nicht auch al­le sons­ti­gen Anträge, die er an­gekündigt hat­te, auf­ge­ben woll­te. Da­mit ent­spricht es der wohl­ver­stan­de­nen In­ter­es­sen­la­ge des Be­tei­lig­ten zu 3), dass die übri­gen an­gekündig­ten Anträge, die auch der Be­tei­lig­te zu 1) aus­drück­lich erst­in­stanz­lich ge­stellt hat­te, auch für den Be­tei­lig­ten zu 3) auf­recht er­hal­ten wer­den soll­ten. Es ist nicht er­kenn­bar, dass dem schutzwürdi­ge Be­lan­ge des Erklärungs­adres­sa­ten, al­so der Be­tei­lig­ten zu 2), ent­ge­gen ste­hen, weil sich die­se Anträge mit de­nen, die oh­ne­hin auf­grund der An­trag­stel­lung durch den Be­tei­lig­ten zu 1) rechtshängig wa­ren, deck­ten.

Das erst­in­stanz­li­che Ge­richt hat letzt­lich hierüber auch ent­schie­den, weil es auf Sei­te 8 des Be­schlus­ses (Teil II 1.3) aus­geführt hat, dass (nur) der Be­tei­lig­te zu 1) aus­sch­ließlich an­trags­be­fugt sei, ge­gen die aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung des Be­tei­lig­ten zu 3) vor­zu­ge­hen. Dies führt da­zu, dass gemäß §§ 65, 88 ArbGG - selbst, wenn das Ur­teils­ver­fah­ren als rich­ti­ge Ver­fah­rens­art für den Ent­fer­nungs­an­spruch des Be­tei­lig­ten zu 3) an­ge­se­hen würde - ei­ne Ab­tren­nung nicht mehr möglich wäre, son­dern in der Be­schwer­de­instanz in der Sa­che zu ent­schei­den ist (BAG Urt. v. 26.07.2012 - 6 AZR 221/11 - BB 2012, 308; LAG Nie­der­sach­sen Be­schl. v. 30.11.2011 - 16 TaBV 75/10). Dies gilt je­den­falls, wenn kei­ne Rüge bzgl. der Ver­fah­rens­art er­ho­ben wor­den ist, was vor­lie­gend erst­in­stanz­lich nicht ge­sche­hen ist.

c) Nichts An­de­res würde sich nach Auf­fas­sung der Be­schwer­de­kam­mer er­ge­ben, wenn an­zu­neh­men wäre, dass das Ar­beits­ge­richt über Anträge des Be­tei­lig­ten zu 3) in der ers­ten In­stanz nicht ent­schie­den hat.

 

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Dann hätte durch den Be­tei­lig­ten zu 3) gemäß § 320 ZPO Be­rich­ti­gung des Tat­be­stands oder gemäß § 321 ZPO Ergänzung des Be­schlus­ses be­an­tragt wer­den müssen. Da dies nicht ge­sche­hen ist, wäre die Rechtshängig­keit des An­trags für den Be­tei­lig­ten zu 3) ent­fal­len (BAG Be­schl. v. 21.08.2012 - 3 ABR 20/10 - BB 2012, 3199). Die­se Anträge wa­ren aber auf­grund der ein­zu­hal­ten­den Fris­ten nicht mehr möglich. Nach Mei­nung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist je­doch in ei­nem sol­chen Fall ei­ne An­trags­er­wei­te­rung in der zwei­ten In­stanz zulässig (BAG Be­schl. v. 21.08.2012 - 3 ABR 20/10 - BB 2012, 3199). Nach Auf­fas­sung der Be­schwer­de­kam­mer liegt zwi­schen den Be­tei­lig­ten zu 1) und 3) be­zo­gen auf das vor­lie­gen­de Ver­fah­ren ei­ne not­wen­di­ge Streit­ge­nos­sen­schaft im Sin­ne des § 62 Abs. 1 1. Al­tern. ZPO vor, da we­nigs­tens der An­trag zu 1 auf Fest­stel­lung, dass die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung als Be­triebs­rat un­wirk­sam ist, nur für die­se bei­den Be­tei­lig­ten gleich ent­schie­den wer­den kann (BAG Urt. v. 29.06.2004 - 1 AZR 143/03 - AP Nr. 36 zu § 1 TVG; BAG Be­schl. v. 13.03.2007 - 1 ABR 24/06 - AP Nr. 21 zu § 2 TVG Ta­rif­zuständig­keit). Die Be­schwer­de­er­wi­de­rung ist so aus­zu­le­gen, dass min­des­tens da­durch wie­der ei­ne sub­jek­ti­ve An­trags(Kla­ge-)häufung er­fol­gen soll­te, da der An­trag auf Zurück­wei­sung der Be­schwer­de für die Be­tei­lig­ten zu 1) und 3) ge­stellt wur­de (BAG Urt. v. 13.12.2012 - 6 AZR 348/11). Ein Zurück­wei­sungs­an­trag kann ei­ne Kla­ger­wei­te­rung dar­stel­len (BAG Urt. v. 28.08.2008 - 2 AZR 63/07 - AP Nr. 62 zu § 9 KSchG 1969). Die­se Grundsätze gel­ten auch im Be­schluss­ver­fah­ren (BAG Be­schl. v. 13.03.2007 - 1 ABR 24/06 - AP Nr. 21 zu § 2 TVG Ta­rif­zuständig­keit). Da der Pro­zess noch anhängig war, konn­te der Be­tei­lig­te zu 3) sei­ne Anträge in der Be­schwer­de­instanz als An­trags­er­wei­te­rung noch gel­tend ma­chen. Ge­sichts­punk­te des § 533 ZPO ste­hen dem nicht ent­ge­gen. Die Anträge des Be­tei­lig­ten zu 3) sind zu­min­dest für sach­dien­lich zu er­ach­ten, weil da­durch der Streit zwi­schen den Be­tei­lig­ten endgültig bei­ge­legt wer­den kann. Im Übri­gen kann der Be­tei­lig­te zu 3) sei­ne Anträge auch auf Tat­sa­chen stützen, die das Be­schwer­de­ge­richt sei­ner Ver­hand­lung und Ent­schei­dung über die Be­schwer­de oh­ne­hin zu­grun­de zu le­gen hat. Nach Auf­fas­sung der Be­schwer­de­kam­mer be­durf­te es in kei­nem Fall der An­schluss­be­schwer­de für die Anträge des Be­tei­lig­ten zu 3), weil ei­ne not­wen­di­ge Streit­ge­nos­sen­schaft zwi­schen den Be­tei­lig­ten zu 1) und 3) an­zu­neh­men ist.

 

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2. Der von den Be­tei­lig­ten zu 1) und 3) ge­stell­te An­trag zu 1 - Fest­stel­lungs­an­trag - ist zulässig.

Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt in der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se gemäß § 256 Abs. 1 ZPO be­jaht. Zwi­schen den Be­tei­lig­ten ist die Rechts­wirk­sam­keit der aus­ge­spro­che­nen Ab­mah­nung um­strit­ten. Da die Be­tei­lig­te zu 2) die er­teil­te Ab­mah­nung aus­drück­lich als „Ab­mah­nung als Be­triebs­rat“ be­zeich­net hat, be­steht ein In­ter­es­se an der Klärung ih­rer Wirk­sam­keit so­wohl für den Be­tei­lig­ten zu 1) als auch für den Be­tei­lig­ten zu 3).

3. So­wohl der Be­tei­lig­te zu 1) als auch der Be­tei­lig­te zu 3) be­sit­zen die nach § 81 Abs. 1 ArbGG er­for­der­li­che An­trags­be­fug­nis.

Die An­trags­be­fug­nis im Be­schluss­ver­fah­ren ist ge­ge­ben, wenn der An­trag­stel­ler mit der Ein­lei­tung ei­nes Be­schluss­ver­fah­rens ei­ge­ne Rech­te gel­tend macht und die be­haup­te­te Rechts­po­si­ti­on möglich er­scheint. Die Ge­rich­te sol­len zur Fest­stel­lung oder Durch­set­zung ei­nes be­stimm­ten Rechts nicht oh­ne ei­ge­ne Rechts­be­trof­fen­heit des An­trag­stel­lers in An­spruch ge­nom­men wer­den können. Die er­for­der­li­che Be­trof­fen­heit ist ge­ge­ben, wenn sich der An­trag­stel­ler ei­ge­ner Rech­te berühmt und de­ren Be­ste­hen nicht von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen er­scheint (BAG Be­schl. v. 06.04.1976 - 1 ABR 84/74 - AP Nr. 7 zu § 83 ArbGG 1953; BAG Be­schl. v. 21.08.2012 - 3 ABR 20/10 - BB 2012, 3199; LAG Hamm Be­schl. v. 05.03.2010 - 10 TaBV 67/09). Der Be­tei­lig­te zu 1) macht gel­tend, durch die dem Be­tei­lig­ten zu 3) er-teil­te Ab­mah­nung in sei­nen Rech­ten gemäß § 78 Be­trVG be­ein­träch­tigt zu sein, da die Ab­mah­nung vom 14.12.2011 aus­drück­lich als „Ab­mah­nung als Be­triebs­rat“ er­teilt wur­de. Glei­ches gilt für den Be­tei­lig­ten zu 3), der be­zo­gen auf die er­teil­te Ab­mah­nung aber auch in­di­vi­du­al­recht­li­che Ansprüche gel­tend ma­chen kann. Bei­de Be­tei­lig­te be­haup­ten da­mit die Ver­let­zung ei­ner ei­ge­nen Rechts­po­si­ti­on durch die von der Ar­beit­ge­be­rin er­teil­te Ab­mah­nung.

4. Die Anträge sind auch be­gründet.

a) Dem Be­tei­lig­ten zu 1) ste­hen die gel­tend ge­mach­ten Ansprüche zu.

aa) § 2 Abs. 1 Be­trVG enthält das Ge­bot der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat. Nach § 78 Satz 1 Be­trVG dürfen die Mit­glie­der des Be­triebs­rats in der Ausübung ih­rer Tätig­keit nicht gestört oder be­hin­dert wer­den. Der Be­griff der Be­hin­de­rung in § 78 Satz 1 Be­trVG ist um-

 

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fas­send zu ver­ste­hen. In der Li­te­ra­tur wird darüber hin­aus an­ge­nom­men, dass bei ei­ner an­dau­ern­den Be­hin­de­rung auch ein Be­sei­ti­gungs­an­spruch be­ste­hen soll (GK-Be­trVG/Kreutz, 9. Aufl., Rd­nr. 39 zu § 78 Be­trVG; Ri­char­di/Thüsing, Be­trVG, 12. Aufl., Rd­nr. 16 zu § 78 Be­trVG), wo­bei so­wohl der Be­triebs­rat als auch das be­trof­fe­ne Be­triebs­rats­mit­glied an­trags­be­rech­tigt sein sol­len (Wlotz-ke/Preis, Be­trVG, 4. Aufl., Rd­nr. 20 zu § 78 Be­trVG; APS-Künzl, 3. Aufl., Rd­nr. 33, 60 zu § 78 Be­trVG; Däubler/Busch­mann, Be­trVG, 10. Aufl., Rd­nr. 30 zu § 78 Be­trVG).

Die Be­fug­nis­se des Be­triebs­rats um­fas­sen zwar grundsätz­lich nicht das Recht, auch in­di­vi­du­al­recht­li­che Ansprüche sei­ner Mit­glie­der ge­richt­lich klären zu las-sen. Kon­kre­te Ansprüche ei­nes ein­zel­nen Be­triebs­rats­mit­glieds ge­gen den Ar­beit­ge­ber sind nur vom je­wei­li­gen Be­triebs­rats­mit­glied ge­gen den Ar­beit­ge­ber durch­zu­set­zen (LAG Ba­den-Würt­tem­berg Be­schl. v. 04.07.2012 - 13 TaBV 4/12). Da­bei kommt es nicht dar­auf an, wel­cher Norm­ver­s­toß vom An­trag­stel­ler be­haup­tet wird, son­dern wel­che er­streb­te Rechts­fol­ge Ge­gen­stand des An­trags ist, da nur der Streit­ge­gen­stand Auf­schluss über die Rechts­in­ha­ber­schaft ge­ben kann. Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin will an­schei­nend in sei­nem Be­schluss vom 10.01.2007 - 76 BV 16593/06 - ei­nen An­spruch des Be­triebs­rats auf Ent­fer­nung ei­ner Ab­mah­nung dann be­ja­hen, wenn es sich um ei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ab­mah­nung han­delt. In dem vom Ar­beits­ge­richt Ber­lin ent­schie­de­nen Fall schei­ter­te al­ler­dings der vom Be­triebs­rat gel­tend ge­mach­te An­spruch dar­an, dass kei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ab­mah­nung vor­lie­gen soll­te. Wei­te­re Ent­schei­dun­gen lie­gen - so­weit er­sicht­lich - nicht da­zu vor, wel­che Ansprüche ein Be­triebs­rat im Fal­le ei­ner ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied er-teil­ten Ab­mah­nung (be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Art) zu­ste­hen sol­len.

Die er­ken­nen­de Be­schwer­de­kam­mer geht da­von aus, dass ei­nem Be­triebs­rat in dem Fall, dass ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied ei­ne Ab­mah­nung er­teilt wor­den ist, die auf be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Verstöße des Be­triebs­rats­mit­glieds gestützt wird und da­mit be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Art ist, dem­ge­genüber Ansprüche zu­ste­hen. Denn das Vor­han­den­sein ei­ner un­zulässi­gen Ab­mah­nung, die sich auf et­wai­ge Pflicht­verstöße des Be­triebs­rats­mit­glieds im Rah­men sei­ner Tätig­keit als Be­triebs­rats­mit­glied be­zie­hen, be­ein­träch­tigt nicht nur die in­di­vi­du­al­recht­li­che Rechts­po­si­ti­on des Be­triebs­rats­mit­glieds, son­dern kann sich auch auf sein Ver­hal­ten im Rah­men sei­ner Be­triebs­ratstätig­keit aus­wir­ken und da­mit den Be­triebs­rat in sei­ner Tätig­keit be­hin­dern. Dann muss

 

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dem Be­triebs­rats­gre­mi­um auch die Be­fug­nis zu­ge­stan­den wer­den, hier­ge­gen ge­richt­lich vor­zu­ge­hen.

Auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt Nie­der­sach­sen hat in sei­nem Be­schluss vom 30.11.2011 - 16 TaBV 75/10 - ei­nen Ver­s­toß ge­gen § 78 Be­trVG für möglich ge­hal­ten, wenn das gerügte Ver­hal­ten of­fen­sicht­lich kei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Pflicht­ver­let­zung be­inhal­tet, son­dern nur das Be­triebs­rats­mit­glied durch die Rüge be­drängt wer­den soll.

bb) Es ist um­strit­ten, ob ei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ab­mah­nung möglich ist. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf ist in sei­nem Ur­teil vom 31.08.1988 - 14 Sa 724/88 (ab­ge­druckt in AuR 1989, 152) - da­von aus­ge­gan­gen, dass die Ver­let­zung be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Pflich­ten nicht zu ei­ner Ab­mah­nung im in­di­vi­du­al­recht­li­chen Be­reich führen darf und dem Ar­beit­ge­ber nur die Möglich­keit ver­bleibt, gemäß § 23 Abs. 1 Be­trVG den Aus­schluss des Ar­beit­neh­mers aus dem Be­triebs­rat we­gen gro­ber Pflicht­ver­let­zung zu be­an­tra­gen oder in sons­ti­ger Wei­se auf den Ar­beit­neh­mer ein­zu­wir­ken, die ihm als Be­triebs­rats­mit­glied ob­lie­gen­den Pflich­ten zu be­ach­ten. Das Ar­beits­ge­richt Det­mold hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 08.10.1998 - 3 Ca 1124/98 (ab­ge­druckt in AiB 1999, 41) - an­ge­nom­men, dass die Ab­mah­nung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds we­gen Amts­pflicht­ver­let­zung un­zulässig sei und aus der Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen sei. In der Ent­schei­dung vom 20.03.2009 - 10 Sa 1407/08 - hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm aus­drück­lich of­fen ge­las­sen, ob ei­ne Ab­mah­nung al­lein we­gen der Ver­let­zung be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Pflich­ten möglich ist. In der Ent­schei­dung vom 16.04.2010 - 13 Sa 1480/09 - scheint das Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm da­von aus­zu­ge­hen, dass im Fal­le der Ver­let­zung von be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Pflich­ten ei­ne Ab­mah­nung nicht in Be­tracht kommt, son­dern der Ar­beit­ge­ber nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG vor­ge­hen müsse. Dem­ge­genüber be­jaht das Ar­beits­ge­richt Ber­lin in der Ent­schei­dung vom 10.01.2007 - 76 BV 16593/06 - aus­drück­lich die Möglich­keit ei­ner be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Ab­mah­nung. Da­ge­gen geht das Bun­des­ar­beits­ge­richt da­von aus, dass ei­ne Ab­mah­nung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds nur dann in Be­tracht kommt, wenn die­ses zu­min­dest auch ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­s­toßen hat. Bei Verstößen ge­gen be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Pflich­ten, die nicht zu­gleich ei­ne Ver­let­zung der Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis dar­stel­len, soll nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kei­ne Kündi­gung und da­mit auch kei­ne Kündi­gungs­an­dro­hung für

 

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den Wie­der­ho­lungs­fall, son­dern ein An­trag nach § 23 Abs. 1 Be­trVG und da­mit auch nur die In­aus­sicht­stel­lung ei­nes sol­chen An­trags für den Wie­der­ho­lungs­fall in Be­tracht kom­men (BAG Urt. v. 10.11.1993 - 7 AZR 682/92 - AP Nr. 4 zu § 78 Be­trVG 1972; BAG Urt. v. 26.01.1994 - 7 AZR 640/92).

cc) Im vor­lie­gen­den Fall hat die Be­tei­lig­te zu 2) dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 ei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ab­mah­nung er­teilt. Un­ter Be­treff ist aus­geführt „Ab­mah­nung als Be­triebs­rat“. Im Text wird ein Ver­s­toß des Be­tei­lig­ten zu 3) ge­gen die ver­trau­ens­vol­le Zu­sam­men­ar­beit gerügt und ein An­trag auf Aus­schluss als Be­triebs­rats­mit­glied (§ 23 Be­trVG) an­ge­droht. Die Be­tei­lig­te zu 2) hat wei­ter aus­geführt, dass ggf. so­gar ei­ne Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses in Be­tracht kom­men könne. Die Be­tei­lig­te zu 2) be­zieht sich da­mit aus­drück­lich nur auf ei­ne Ver­let­zung von be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Pflich­ten, nicht aber von ar­beits­recht­li­chen Pflich­ten des Be­tei­lig­ten zu 3), so­dass ei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ab­mah­nung vor­liegt. Dies wird auch da­durch un­ter­mau­ert, dass der Be­tei­lig­te zu 3) sich mit sei­ner E-Mail vom 09.12.2011 aus­drück­lich als Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der und Kon­zern­be­triebs­rat an die Beschäftig­ten ge­wandt hat, wie aus den hin­zu­gefügten Be­zeich­nun­gen am En­de der E-Mail zu ent­neh­men ist. Die er­ken­nen­de Be­schwer­de­kam­mer schließt sich der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts an, dass der Ar­beit­ge­ber in ei­nem sol­chen Fall nur nach § 23 Abs. 1 Be­trVG vor­ge­hen kann, weil die be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Stel­lung des Be­triebs­rats­mit­glieds be­trof­fen ist und nicht oh­ne Wei­te­res sein ar­beits­recht­li­ches Verhält­nis zu der Ar­beit­ge­be­rin. Des­halb ver­tritt fer­ner die er­ken­nen­de Be­schwer­de­kam­mer die Auf­fas­sung, dass ei­ne Kündi­gung als in­di­vi­du­al­recht­li­che Maßnah­me in ei­nem der­ar­ti­gen Schrei­ben nicht an­ge­droht wer­den kann. Die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 durch die Be­tei­lig­te zu 2) er­teil­te Ab­mah­nung ist da­her un­zulässig und rechts­un­wirk­sam.

Die er­teil­te Ab­mah­nung ist darüber hin­aus nach dem Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit un­wirk­sam. Auch bei Vor­lie­gen ei­nes ob­jek­tiv pflicht­wid­ri­gen Ar­beit­neh­mer­ver­hal­tens kann im Ein­zel­fall der Aus­spruch ei­ner Ab­mah­nung un­verhält­nismäßig und da­mit un­zulässig sein. Bei Ab­mah­nun­gen ist der Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit zu be­ach­ten, der aus dem eben­falls für das Ar­beits­recht maßge­ben­den Prin­zip von Treu und Glau­ben nach § 242 BGB her-ge­lei­tet wird. Da­nach ist die Ausübung ei­nes Rechts un­zulässig, wenn sie der Ge­gen­sei­te un­verhält­nismäßig große Nach­tei­le zufügt und an­de­re, we­ni­ger

 

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schwer­wie­gen­de Maßnah­men möglich ge­we­sen wären, die den In­ter­es­sen des Be­rech­tig­ten eben­so gut Rech­nung ge­tra­gen hätten oder ihm zu­min­dest zu­mut­bar ge­we­sen wären. Der Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit wird als Über­maßver­bot zur Ver­mei­dung von schwer­wie­gen­den Rechts­fol­gen bei nur ge­ringfügi­gen Rechts­verstößen ver­stan­den. Des­halb ist ein ver­tret­ba­res Verhält­nis zwi­schen Ar­beits­verhält­nis und Fehl­ver­hal­ten zu ver­lan­gen; denn mit dem Hin­weis auf die Be­stands­gefähr­dung des Ar­beits­verhält­nis­ses greift der Ar­beit­ge­ber be­reits in be­ste­hen­de Rechts­po­si­tio­nen des Ar­beit­neh­mers ein. Ei­ne sol­che Gefähr­dung ist nur dann ge­recht­fer­tigt, wenn ein wei­te­res Fehl-ver­hal­ten nach Aus­spruch ei­ner Ab­mah­nung als Grund für ei­ne Kündi­gung ge­eig­net sein könn­te. Dafür rei­chen ein­ma­li­ge und ge­ringfügi­ge Verstöße nicht aus. Maßstab ist, ob ein verständi­ger Ar­beit­ge­ber die Pflicht­verstöße ernst­haft für kündi­gungs­recht­lich er­heb­lich hal­ten durf­te (BAG Urt. v. 10.11.1993 - 7 AZR 682/92 - AP Nr. 4 zu § 78 Be­trVG 1972; BAG Urt. v. 30.05.1996 - 6 AZR 537/95 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Ne­bentätig­keit; Hes­si­sches LAG Urt. v. 14.05.2003 - 2/1 Sa 1441/02 - AuA 2003, 44).

Zwar hat sich der Be­tei­lig­te zu 3) an die Beschäfti­gen im Kon­zern der N. AG mit sei­ner E-Mail vom 09.12.2011 ge­wandt, ob­wohl die von ihm erwähn­te Be­triebs­ver­ein­ba­rung nur für die Be­tei­lig­te zu 2) galt. Aber es ist nicht er­sicht­lich, wel­che schutzwürdi­gen In­ter­es­sen der Ar­beit­ge­ber­sei­te durch die Veröffent­li­chung der ab­ge­schlos­se­nen Be­triebs­ver­ein­ba­rung im Kon­zern be­ein­träch­tigt wer­den sol­len. Die Be­tei­lig­te zu 2) hat dies auch nicht im Ein­zel­nen dar­ge­legt, ab­ge­se­hen von dem Hin­weis auf ei­ne ent­ste­hen­de Un­ru­he. Letzt­lich ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die ab­ge­schlos­se­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung über den Ein­satz von Leih­ar­beit­neh­mern im Kon­zern oh­ne­hin be­kannt ge­wor­den wäre, da der­ar­ti­ge Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen kein Ge­heim­ma­te­ri­al sind. Der Ar­beit­ge­ber muss zu­dem we­gen der frei­en Mei­nungsäußerung un­ter Be­ach­tung des § 2 Abs. 1 Be­trVG so­gar öffent­li­che Kri­tik durch Be­triebs­rats­mit­glie­der hin­neh­men (LAG Rhein­land-Pfalz Urt. v. 08.07.2011 - 6 Sa 713/10). Der Be­tei­lig­te zu 3) hat in sei­ner E-Mail vom 09.12.2011 kei­ne un­sach­li­che Kri­tik an den Hand­lungs­wei­sen im Kon­zern geübt, son­dern le­dig­lich auf ei­nen Hand­lungs­be­darf im Fal­le des Ein­sat­zes von Leih­ar­beit­neh­mern hin­ge­wie­sen. Dies ist in sach­li­cher Wei­se durch den Be­tei­lig­ten zu 3) ge­sche­hen, so­dass die Be­tei­lig­te zu 2) die Mei­nungsäußerung des Be­tei­lig­ten zu 3) in der E-Mail vom 09.12.2011 hin­neh­men muss.

 

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Die dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 er­teil­te Ab­mah­nung ist da­nach un­ter al­len Ge­sichts­punk­ten rechts­un­wirk­sam, was auf den An­trag des Be­tei­lig­ten zu 1) fest­zu­stel­len war, weil ihr Vor­han­den­sein - wie aus­geführt - auch die Rechts­po­si­ti­on des Be­tei­lig­ten zu 1) be­ein­träch­tigt. We­gen ih­rer Aus­wir­kun­gen auf die Be­triebs­rats­ar­beit kann auch ih­re Ent­fer­nung aus der Per­so­nal­ak­te durch den Be­tei­lig­ten zu 1) be­an­sprucht wer­den.

b) Die Ansprüche ste­hen auch dem Be­tei­lig­ten zu 3) zu.

Die Un­wirk­sam­keit der dem Be­tei­lig­ten zu 3) mit Schrei­ben vom 14.12.2011 er­teil­ten Ab­mah­nung er­gibt sich aus den vor­ste­hen­den Ge­sichts­punk­ten. Die Un­zulässig­keit ei­ner be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Ab­mah­nung führt auch zu ei­nem in­di­vi­du­al­recht­li­chen Ent­fer­nungs­an­spruch (ArbG Det­mold Urt. v. 08.10.1998 - 3 Ca 1124/98 - AiB 1999, 41). Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts hat der Ar­beit­neh­mer außer­dem in ent­spre­chen­der An­wen­dung der §§ 242, 1004 BGB ei­nen An­spruch auf Ent­fer­nung ei­ner zu Un­recht er­teil­ten Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te (BAG Urt. v. 13.12.1989 - 5 AZR 10/89; BAG Urt. v. 30.05.1996 - 6 AZR 537/95 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Ne­bentätig­keit). Dem Be­tei­lig­ten zu 3) steht des­halb ein An­spruch auf Ent­fer­nung der strei­ti­gen Ab­mah­nung aus sei­ner Per­so­nal­ak­te zu.

Nach al­lem war die Be­schwer­de als un­be­gründet zurück­zu­wei­sen.

5. Das Ver­fah­ren ist gemäß § 2 Abs. 2 GKG ge­richts­kos­ten­frei.

Ge­gen die­sen Be­schluss war gemäß § 92 Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG die Rechts­be­schwer­de zu­zu­las­sen, weil so­wohl den pro­zes­sua­len Fra­gen als auch der Fra­ge der mögli­chen Ansprüche ge­genüber ei­ner be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Ab­mah­nung grundsätz­li­che Be­deu­tung zu­kommt

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