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BAG, Ur­teil vom 17.11.2015, 1 AZR 938/13

   
Schlagworte: Benachteiligung, Diskriminierung: Behinderung, Sozialplan: Abfindungsanspruch
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 AZR 938/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.11.2015
   
Leitsätze: Eine an die Rentenberechtigung aufgrund der Schwerbehinderung an-knüpfende Pauschalierung der Sozialplanabfindung benachteiligt schwer-behinderte Arbeitnehmer unmittelbar gegenüber nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern, welche in gleicher Weise von dem sozialplanpflichtigen Arbeitsplatzverlust betroffen sind und eine höhere, nach ihren individuellen Betriebs- und Sozialdaten zu ermittelnde Sozialplanabfindung verlangen können.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 5. Februar 2013, 13 Ca 5641/12
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 19.11.3013, 12 Sa 692/13
   

Im Na­men des Vol­kes!

UR­TEIL

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 17. No­vem­ber 2015 durch die Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts Schmidt, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Koch, die Rich­te-

 

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rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt K. Schmidt so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schus­ter und Rath für Recht er­kannt:

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln vom 19. No­vem­ber 2013 - 12 Sa 692/13 - wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Zah­lung ei­ner höhe­ren So­zi­al­plan­ab­fin­dung.

Der 1950 ge­bo­re­ne Kläger war bis zum 31. März 2012 bei der Be­klag­ten zu ei­nem Brut­to­mo­nats­ent­gelt von zu­letzt 3.852,00 Eu­ro beschäftigt. Er ist schwer­be­hin­der­ter Mensch mit ei­nem Grad der Be­hin­de­rung von 70. Sein Ar­beits­verhält­nis en­de­te aus be­triebs­be­ding­ten Gründen we­gen Still­le­gung ei­ner Be­triebs­ab­tei­lung. Die anläss­lich die­ser Be­triebsände­rung am 18. Ju­li 2011 von der Be­klag­ten und dem bei ihr be­ste­hen­den Ge­samt­be­triebs­rat ge­schlos­se­ne „Ver­ein­ba­rung über ei­nen So­zi­al­plan“ (SP 2011) lau­tet aus­zugs­wei­se:

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Gel­tungs­be­reich

1. Die­se Ver­ein­ba­rung fin­det auf al­le Mit­ar­bei­ter im Sin­ne des § 5 Abs. 1 Be­trVG An­wen­dung, die am 1. März 2011 in ei­nem un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis stan­den und von der Still­le­gung der Frisch­dienst­or­ga­ni­sa­ti­on zum 31. März 2012 be­trof­fen sind.

...

3. Für Mit­ar­bei­ter, die zum Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses An­spruch auf ei­ne ge­setz­li­che Voll­ren­te we­gen Al­ters oder we­gen vol­ler, un­be­fris­te­ter Er­werbs­min­de­rung ha­ben, kommt der So­zi­al­plan nicht zur An­wen­dung.

...

§ 2

Ab­fin­dun­gen bei be­triebs­be­ding­tem Ar­beits­platz­ver­lust

1. Mit­ar­bei­ter, die be­triebs­be­dingt auf Ver­an­las­sung des Ar­beit­ge­bers ih­ren Ar­beits­platz ver­lie­ren, ha­ben ei­nen An­spruch auf ei­ne Ab­fin­dung, die nach fol­gen­der For­mel be­rech­net wird:

Be­triebs­zu­gehörig­keit x Mo­nats­ent­gelt x Fak­tor = Ab­fin­dung

Die Fak­to­ren sind

• bis zur Voll­endung des 45. Le­bens­jah­res: 0,4

• vom Be­ginn des 46. bis zur Voll­endung des 50. Le­bens­jah­res: 0,5

• vom Be­ginn des 51. Le­bens­jah­res: 0,55.

...

Der ma­xi­ma­le Ab­fin­dungs­be­trag wird auf EUR 65.000,00 brut­to be­grenzt.

Mit­ar­bei­ter, die auf­grund ei­ner Schwer­be­hin­de­rung zu Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­ne Ren­te in An­spruch neh­men können, ha­ben kei­nen An­spruch auf Ab­fin­dung nach der vor­ste­hen­den Fak­to­ren­be­rech­nung. Die­se er­hal­ten ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von EUR 10.000,00 brut­to.

...

2. Min­dest­re­ge­lung

Da ein­zel­ne Mit­ar­bei­ter auf­grund ei­nes ge­rin­gen Mo­nats­ent­gelts nur ei­ne sehr ge­rin­ge Ab­fin­dung nach der oben­ste­hen­den For­mel er­hal­ten würden, wird ei­ne Min­dest­ab­fin­dung in Höhe von EUR 1.500,00 brut­to an je­den Mit­ar­bei­ter aus­ge­zahlt.

3. Ren­ten­na­he Jahrgänge

Bei Mit­ar­bei­tern, de­ren Ge­burts­tag vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 liegt, ist der Ab­fin­dungs­be­trag ab­wei­chend von Ab­satz 1 (letz­ter Satz) wie folgt be­grenzt:

• Mit­ar­bei­ter, die nach ei­nem Ar­beits­lo­sen­geld­be­zug (ALG I) von bis zu ma­xi­mal 12 Mo­na­ten die vor­ge­zo­ge­ne Al­ters­ren­te we­gen Ar­beits­lo­sig­keit erst­mals in An­spruch neh­men können, er­hal­ten ei­nen ma­xi­ma­len Ab­fin­dungs­be­trag i. H. v. EUR 40.000,00 brut­to.

 

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5. Zu­satz­be­trag

Schwer­be­hin­der­te oder ei­nem Schwer­be­hin­der­ten Gleich­ge­stell­te im Sin­ne des Schwer­be­hin­der­ten­ge­set­zes, die beim recht­li­chen En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses schwer­be­hin­dert sind, er­hal­ten ei­nen Zu-schlag zur Ab­fin­dung in Höhe von EUR 1.000,00 brut­to.

...

7. Fällig­keit

Die Ab­fin­dung so­wie die Zu­schläge und Zu­satz­beträge aus dem vor­lie­gen­den So­zi­al­plan wer­den mit dem En­de des letz­ten Beschäfti­gungs­mo­nats des Mit­ar­bei­ters zur Zah­lung fällig.“

Die Be­klag­te zahl­te dem Kläger, der ei­ne Al­ters­ren­te für schwer­be­hin­der­te Men­schen ab dem 1. Au­gust 2013 ab­schlags­frei und mit frühes­tem Ren­ten­be­ginn ab dem 1. Au­gust 2010 mit Ab­schlägen be­zie­hen konn­te, ne­ben dem Zu­satz­be­trag nach § 2 Ziff. 5 SP 2011 iHv. 1.000,00 Eu­ro ei­ne Ab­fin­dung ent­spre­chend § 2 Ziff. 1 Satz 6 und Satz 7 SP 2011 iHv. 10.000,00 Eu­ro. Die Be­rech­nung der Ab­fin­dung nach der in § 2 Ziff. 1 Satz 1 SP 2011 fest­ge­leg­ten For­mel hätte 64.558,00 Eu­ro er­ge­ben.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Kläger ei­ne wei­te­re Ab­fin­dung iHv. 53.558,00 Eu­ro nebst Zin­sen be­gehrt. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Re­ge­lung des § 2 Ziff. 1 Satz 6 und Satz 7 SP 2011 sei un­wirk­sam. Sie be­nach­tei­li­ge ihn we­gen sei­ner Schwer­be­hin­de­rung. Die Ab­fin­dung be­rech­ne sich da­her nach der in § 2 Ziff. 1 Satz 1 SP 2011 nie­der­ge­leg­ten For­mel.

Der Kläger hat sinn­gemäß be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 53.558,00 Eu­ro brut­to nebst Jah­res­zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 1. April 2012 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat ih­ren Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag mit der Auf­fas­sung be­gründet, § 2 Ziff. 1 Satz 6 und Satz 7 SP 2011 be­wir­ke kei­ne nach­tei­li­ge Be­hand­lung von Ar­beit­neh­mern auf­grund de­ren Schwer­be­hin­de­rung. Auch könne

 

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sich die Fest­le­gung der pau­scha­lier­ten Ab­fin­dung für die bei der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf­grund ih­rer Schwer­be­hin­de­rung ren­ten­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mer ge­genüber ei­ner in­di­vi­du­el­len Be­rech­nung der Ab­fin­dungshöhe ent­spre­chend § 2 Ziff. 1 Satz 1 SP 2011 so­gar güns­ti­ger aus­wir­ken, ins­be­son­de­re bei ei­ner sehr kur­zen Be­triebs­zu­gehörig­keit.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Be­klag­te zur Zah­lung ei­ner wei­te­ren Ab­fin­dung iHv. 30.000,00 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen ver­ur­teilt und die Kla­ge im Übri­gen mit der Be­gründung ab­ge­wie­sen, der dem Kläger zu­ste­hen­de und auf der Grund­la­ge der For­mel­be­rech­nung des § 2 Ziff. 1 Satz 1 SP 2011 zu er­mit­teln­de Ab­fin­dungs­be­trag sei nach § 2 Ziff. 3 ers­ter Glie­de­rungs­punkt SP 2011 auf 40.000,00 Eu­ro be­grenzt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die nur von der Be­klag­ten ein­ge­leg­te Be­ru­fung zurück­ge­wie­sen. Mit ih­rer Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ih­ren An­trag auf voll­umfäng­li­che Kla­ge­ab­wei­sung wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das der Kla­ge iHv. 30.000,00 Eu­ro brut­to statt­ge­ben­de ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil zu Recht zurück­ge­wie­sen. Der Kläger hat nach dem So­zi­al­plan ei­nen An­spruch auf ei­ne Ab­fin­dung, de­ren Höhe sich aus­ge­hend von der in § 2 Ziff. 1 Satz 1 SP 2011 nie­der-ge­leg­ten For­mel­be­rech­nung be­stimmt. Un­ter Berück­sich­ti­gung des dem Kläger ge­zahl­ten Ab­fin­dungs­be­trags und der von ihm nicht mehr an­ge­grif­fe­nen Be­gren­zung der Ab­fin­dung nach § 2 Ziff. 3 ers­ter Glie­de­rungs­punkt SP 2011 ist die Kla­ge­for­de­rung in der in die Re­vi­si­ons­in­stanz ge­lang­ten Höhe be­gründet.

I. Der Kläger un­terfällt dem An­wen­dungs­be­reich des SP 2011 nach des­sen § 1 Ziff. 1. Er stand am 1. März 2011 in ei­nem un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis und ist von der Still­le­gung der Frisch­dienst­or­ga­ni­sa­ti­on be­trof­fen. Hier-über strei­ten die Par­tei­en nicht.

 

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II. Der Kläger un­ter­liegt nicht dem An­wen­dungs­aus­schluss des § 1 Ziff. 3 SP 2011. Er hat­te im Zeit­punkt der Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses kei­nen An­spruch auf ei­ne ge­setz­li­che Voll­ren­te we­gen Al­ters oder we­gen vol­ler, un­be­fris­te­ter Er­werbs­min­de­rung. Mit der For­mu­lie­rung „ge­setz­li­che Voll­ren­te we­gen Al­ters“ ha­ben die Be­triebs­par­tei­en of­fen­sicht­lich den Re­gel­al­ters­ren­ten­an­spruch nach § 35 Satz 1, § 235 SGB VI, je­den­falls aber ei­nen un­gekürz­ten Ren­ten­be­zug ge­meint. Auch die Be­klag­te hat sich nicht auf den Stand­punkt ge­stellt, dass der An­spruch des Klägers auf ei­ne So­zi­al­plan­leis­tung nach § 1 Ziff. 3 SP 2011 aus­ge­schlos­sen sei.

III. Der Kläger hat nach § 2 Ziff. 1 Satz 1 bis Satz 5 SP 2011 ei­nen An­spruch auf die noch rechtshängi­ge So­zi­al­plan­ab­fin­dung iHv. 30.000,00 Eu­ro brut­to. Er muss sich nicht auf die Ab­fin­dungs­pau­scha­le nach § 2 Ziff. 1 Satz 6 und Satz 7 SP 2011 ver­wei­sen las­sen. Die­se Re­ge­lung ist mit dem be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz des § 75 Abs. 1 Be­trVG nicht ver­ein­bar. Sie ist da­her auf den Kläger nicht an­wend­bar.

1. Gemäß § 2 Ziff. 1 Satz 6 und Satz 7 SP 2011 ha­ben Mit­ar­bei­ter, die auf­grund ei­ner Schwer­be­hin­de­rung bei Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses ei­ne Ren­te in An­spruch neh­men können, kei­nen An­spruch auf Ab­fin­dung nach der in § 2 Ziff. 1 Satz 1 SP 2011 fest­ge­leg­ten Fak­to­ren­be­rech­nung. Sie er­hal­ten un­ge­ach­tet ih­rer in­so­weit maßgeb­li­chen Be­rufs- und So­zi­al­da­ten ei­nen pau­scha­lier­ten Ab­fin­dungs­be­trag iHv. 10.000,00 Eu­ro. Die Be­triebs­par­tei­en ha­ben hier­bei nicht auf den tatsächli­chen Be­zug der Ren­te, son­dern auf das Be­ste­hen ei­nes ent­spre­chen­den An­spruchs ab­ge­ho­ben. Auch ha­ben sie nicht dif­fe­ren­ziert zwi­schen den Möglich­kei­ten, die Al­ters­ren­te für schwer­be­hin­der­te Men­schen nach § 236a SGB VI ab­schlags­frei (beim Kläger gemäß § 236a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB VI nach Voll­endung des 63. Le­bens­jah­res) oder vor­zei­tig mit Ab­schlägen (beim Kläger gemäß § 236a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 iVm. § 77 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 Buchst. a SGB VI nach Voll­endung des 60. Le­bens­jah­res) in An­spruch zu neh­men.

Die­se Vor­aus­set­zun­gen erfüllt der Kläger. Für ihn be­stand un­mit­tel­bar nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ab dem 1. April 2012 die Möglich-

 

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keit, ei­ne Al­ters­ren­te für schwer­be­hin­der­te Men­schen vor­zei­tig in An­spruch zu neh­men (§ 236a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB VI). Er hat­te in die­sem Zeit­punkt das 60. Le­bens­jahr voll­endet.

2. Gleich­wohl muss er sich für die Be­rech­nung der So­zi­al­plan­ab­fin­dung nicht auf § 2 Ziff. 1 Satz 6 und Satz 7 SP 2011 ver­wei­sen las­sen. Die in die­ser Vor­schrift ge­re­gel­te Aus­ge­stal­tung der So­zi­al­plan­ab­fin­dung für ren­ten­be­rech­tig­te schwer­be­hin­der­te Men­schen verstößt ge­gen § 75 Abs. 1 Be­trVG.

a) So­zi­alpläne un­ter­lie­gen, wie an­de­re Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen, der ge­richt­li­chen Rechtmäßig­keits­kon­trol­le. Sie sind dar­auf­hin zu über­prüfen, ob sie
mit höher­ran­gi­gem Recht, wie ins­be­son­de­re dem be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz, ver­ein­bar sind (BAG 9. De­zem­ber 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 18).

b) Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat ha­ben nach § 75 Abs. 1 Be­trVG darüber zu wa­chen, dass je­de Be­nach­tei­li­gung von Per­so­nen aus den in der Vor­schrift ge­nann­ten Gründen un­ter­bleibt. § 75 Abs. 1 Be­trVG enthält nicht nur ein Über­wa­chungs­ge­bot, son­dern ver­bie­tet zu­gleich Ver­ein­ba­run­gen, durch die Ar­beit­neh­mer auf­grund der dort auf­geführ­ten Merk­ma­le be­nach­tei­ligt wer­den. Dif­fe­ren­ziert ein So­zi­al­plan für die Be­rech­nung ei­ner Ab­fin­dung zwi­schen un­ter­schied­li­chen Ar­beit­neh­mer­grup­pen, hat ein da­mit ein­her­ge­hen­der Sys­tem­wech­sel die Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG) zu be­ach­ten. Der Ge­setz­ge­ber hat die in § 1 AGG ge­re­gel­ten Be­nach­tei­li­gungs­ver­bo­te in § 75 Abs. 1 Be­trVG über­nom­men (BAG 9. De­zem­ber 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 19). Da­zu gehört auch das Ver­bot der Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung (BAG 7. Ju­ni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 20, BA­GE 138, 107).

c) Der in § 75 Abs. 1 Be­trVG ent­hal­te­ne Be­griff der Be­nach­tei­li­gung und die Zulässig­keit ei­ner un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung rich­ten sich nach den Vor­schrif­ten des AGG (BAG 7. Ju­ni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 21, BA­GE 138, 107). Ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ei­ne we­ni­ger günsti-

 

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ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde.

d) Die­ses Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot ha­ben die Be­triebs­par­tei­en bei dem Sys­tem­wech­sel für die Be­rech­nung der So­zi­al­plan­ab­fin­dung miss­ach­tet. Dies be­dingt ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung der langjährig für die Be­klag­te täti­gen schwer­be­hin­der­ten Ar­beit­neh­mer.

aa) Die Be­triebs­par­tei­en ha­ben bei den un­ter den Gel­tungs­be­reich des So­zi­al­plans fal­len­den Ar­beit­neh­mern mit § 2 Ziff. 1 Satz 1, Satz 6 und Satz 7 SP 2011 un­ter­schie­den zwi­schen Mit­ar­bei­tern, de­nen ein in Abhängig­keit von Be­triebs­zu­gehörig­keit, Mo­nats­ent­gelt und Le­bens­al­ter zu er­mit­teln­der Ab­fin­dungs­be­trag zu­steht, und de­nen, die hier­von aus­ge­nom­men sind und ei­nen pau­scha­lier­ten Be­trag er­hal­ten. Die­se Sys­tem­um­stel­lung bei dem An­spruch auf Ab­fin­dung stellt ei­ne Un­gleich­be­hand­lung dar.

bb) § 2 Ziff. 1 Satz 6 SP 2011 ver­knüpft den Aus­schluss von ei­ner Ab­fin­dung nach der Be­rech­nung des § 2 Ziff. 1 Satz 1 SP 2011 mit ei­nem Ren­ten­an­spruch auf­grund ei­ner Schwer­be­hin­de­rung. Der zu dem Aus­schluss und der pau­scha­lier­ten Ab­fin­dung des § 2 Ziff. 1 Satz 7 SP 2011 führen­de Grund liegt al­so al­lein in ei­ner sol­chen Ren­te, die der Ar­beit­neh­mer auf­grund sei­ner Schwer­be­hin­de­rung be­an­spru­chen kann. Bei der Be­hin­de­rung, wor­un­ter die Schwer­be­hin­de­rung fällt, han­delt es sich um ein in § 1 AGG ge­nann­tes Merk­mal. § 2 Ziff. 1 Satz 6 SP 2011 be­trifft da­mit aus­sch­ließlich Träger die­ses Dis­kri­mi­nie­rungs­merk­mals. Der Grund für die Un­gleich­be­hand­lung bei dem An­spruch auf Ab­fin­dung steht in ei­nem un­trenn­ba­ren Zu­sam­men­hang mit ei­ner nach § 1 AGG ver­bo­te­nen Dif­fe­ren­zie­rung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung.

cc) Die an das Merk­mal der Schwer­be­hin­de­rung an­knüpfen­de Un­gleich­be­hand­lung be­nach­tei­ligt den Kläger un­mit­tel­bar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Er wird durch die Sys­tem­um­stel­lung bei dem Ab­fin­dungs­an­spruch ge­genüber Per­so­nen in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on we­ni­ger güns­tig be­han­delt.

 

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(1) § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt ei­ne Un­gleich­be­hand­lung, die für den Be­trof­fe­nen ei­nen ein­deu­ti­gen Nach­teil be­wirkt, vor­aus (vgl. BAG 25. Fe­bru­ar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 25, BA­GE 133, 265). Das ist hier der Fall. Nach § 2 Ziff. 1 Satz 6 und Satz 7 SP 2011 stünde dem Kläger die Ab­fin­dungs­pau­scha­le iHv. 10.000,00 Eu­ro zu, während sich für ihn bei ei­ner Ab­fin­dungs­be­rech­nung gemäß der Fak­to­ren­for­mel des § 2 Ziff. 1 Satz 1 SP 2011 ein Ab­fin­dungs­be­trag iHv. 64.558,00 Eu­ro er­gibt.

(2) Als ein dem Gel­tungs­be­reich des So­zi­al­plans un­ter­fal­len­der Ar­beit­neh­mer be­fin­det sich der Kläger auch in ei­ner ei­nem nicht schwer­be­hin­der­ten Ar­beit­neh­mer ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on.

(a) Die Fest­stel­lung ei­ner un­mit­tel­ba­ren Be­nach­tei­li­gung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt vor­aus, dass die ge­gen­ein­an­der ab­zuwägen­den Si­tua­tio­nen ver­gleich­bar sind. Da­bei müssen die Si­tua­tio­nen nicht iden­tisch, son­dern nur ver­gleich­bar sein. Die Prüfung die­ser Ver­gleich­bar­keit darf nicht all­ge­mein und abs­trakt, son­dern muss spe­zi­fisch und kon­kret er­fol­gen (vgl. BAG 7. Ju­ni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 29, BA­GE 138, 107; zur Aus­le­gung der übe­rein­stim­men­den Maßga­be in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie 2000/78/EG ua. EuGH 12. De­zem­ber 2013 - C-267/12 - [Hay] Rn. 32 f. mwN; 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 41 ff., Slg. 2011, I-3591; 1. April 2008 - C-267/06 - [Ma­ru­ko] Rn. 67 ff., Slg. 2008, I-1757). Der Ver­gleich der je­wei­li­gen Si­tua­tio­nen ist da­her fall­be­zo­gen an­hand des Zwecks und der Vor­aus­set­zun­gen für die Gewährung der frag­li­chen Leis­tun­gen fest­zu­stel­len (vgl. BAG 7. Ju­ni 2011 - 1 AZR 34/10 - aaO; vgl. auch BAG 26. Ju­ni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 28 mwN).

(b) So­zi­alpläne ha­ben nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Se­nats ei­ne zu­kunfts­be­zo­ge­ne Aus­gleichs- und Über­brückungs­funk­ti­on. Die in ih­nen vor­ge­se­he­nen Leis­tun­gen sol­len gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG die künf­ti­gen Nach­tei­le aus­glei­chen oder ab­mil­dern, die den Ar­beit­neh­mern durch die Be­triebsände­rung ent­ste­hen können. Sie stel­len kein zusätz­li­ches Ent­gelt für die in der Ver­gan­gen­heit er­brach­ten Diens­te dar (vgl. BAG 9. De­zem­ber 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 23; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 23, BA­GE 131, 61).

 

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(c) Ge­mes­sen hier­an ist der Kläger als ein Ar­beit­neh­mer, der auf­grund sei­ner Be­hin­de­rung als schwer­be­hin­der­ter Mensch iSd. § 2 Abs. 2 SGB IX an­er­kannt ist, in Be­zug auf sei­ne durch die Be­triebsände­rung ver­ur­sach­ten wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on iSd. § 3 Abs. 1 AGG mit nicht schwer­be­hin­der­ten Ar­beit­neh­mern. Eben­so wie die­se ver­liert er in­fol­ge der Be­triebsände­rung und dem da­mit ver­bun­de­nen Ver­lust sei­nes Ar­beits­plat­zes sei­nen An­spruch auf das bis­her gewähr­te Ar­beits­ent­gelt. Aus dem Um­stand der frühe­ren Möglich­keit der In­an­spruch­nah­me ei­ner (vor­zei­ti­gen) Al­ters­ren­te auf­grund sei­ner Schwer­be­hin­de­rung folgt nicht, dass sei­ne Si­tua­ti­on ei­ne an­de­re als die ei­nes nicht schwer­be­hin­der­ten Ar­beit­neh­mers ist (vgl. EuGH 6. De­zem­ber 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 62).

dd) Für den Sys­tem­wech­sel bei der Be­rech­nung nach § 2 Ziff. 1 Satz 1 bis Satz 5 so­wie Satz 6 und Satz 7 SP 2011 fehlt es an ei­nem zulässi­gen Dif­fe­ren­zie­rungs­grund. Ein Rück­griff auf die in § 3 Abs. 2 AGG ge­nann­ten Recht­fer­ti­gungs­gründe ist aus­ge­schlos­sen. Auch kann we­der von ei­ner po­si­ti­ven Maßnah­me iSv. § 5 AGG noch von ei­ner zulässi­gen un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung un­ter den in §§ 8 bis 10 AGG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen aus­ge­gan­gen wer­den.

ee) Zur Fest­stel­lung ei­ner un­mit­tel­ba­ren Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung be­darf es nicht der Durchführung ei­nes Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­rens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. Es ist uni­ons­recht­lich geklärt, dass ein letz­tent­schei­dungs­be­fug­tes na­tio­na­les Ge­richt un­ter Zu­grun­de­le­gung des vom Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on ent­wi­ckel­ten Ver­gleichs­maßstabs selbst zu prüfen hat, ob sich der Be­trof­fe­ne in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on mit an­de­ren be­fin­det (EuGH 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 52, Slg. 2011, I-3591; 1. April 2008 - C-267/06 - [Ma­ru­ko] Rn. 73, Slg. 2008, I-1757). Eben­so ist geklärt, dass bei ei­ner So­zi­al­plan­leis­tung der durch die frühe­re Möglich­keit der In­an­spruch­nah­me von Al­ters­ren­te gewähr­te Vor­teil für schwer­be­hin­der­te Ar­beit­neh­mer die­se ge­genüber an­de­ren Ar­beit­neh­mern nicht in ei­ne be­son­de­re Si­tua­ti­on bringt (vgl. EuGH 6. De­zem­ber 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 62).

 

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3. Die An­nah­me des Se­nats, die Ab­fin­dungs­re­ge­lung des § 2 Ziff. 1 Satz 6 und Satz 7 SP 2011 be­din­ge ei­ne mit dem AGG un­ver­ein­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung, wahrt die ver­fas­sungs­recht­li­chen Gren­zen rich­ter­li­cher Rechts­fin­dung. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on konn­te die Be­klag­te auf die Rechtmäßig­keit des im So­zi­al­plan an­ge­ord­ne­ten Sys­tem­wech­sels nicht ver­trau­en.

a) Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ist die Ände­rung ei­ner ständi­gen höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung un­ter dem Ge­sichts­punkt des Ver­trau­ens­schut­zes grundsätz­lich dann un­be­denk­lich, wenn sie hin­rei­chend be­gründet ist und sich im Rah­men ei­ner vor­her­seh­ba­ren Ent­wick­lung hält. Schutzwürdi­ges Ver­trau­en in ei­ne be­stimm­te Rechts­la­ge auf­grund höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung kann da­her in der Re­gel nur bei ei­ner ge­fes­tig­ten und langjähri­gen Recht­spre­chung ent­ste­hen (BVerfG 2. Mai 2012 - 2 BvL 5/10 - Rn. 81, BVerfGE 131, 20).

b) Da­nach konn­te die Be­klag­te nicht in schutzwürdi­ger Wei­se dar­auf ver­trau­en, dass die in Re­de ste­hen­de So­zi­al­plan­ge­stal­tung rechtmäßig ist.

aa) Ein sol­ches Ver­trau­en ist nicht im Hin­blick auf die Se­nats­ent­schei­dung vom 7. Ju­ni 2011 be­gründet (- 1 AZR 34/10 - Rn. 32 f., BA­GE 138, 107; vgl. hier­zu nach­ge­hend BVerfG 25. März 2015 - 1 BvR 2803/11 -). Der Se­nat hat in die­ser Ent­schei­dung er­kannt, dass Ar­beit­neh­mer von So­zi­al­plan­leis­tun­gen aus­ge­nom­men wer­den können, wenn sie we­gen des Be­zugs ei­ner be­fris­te­ten vol­len Er­werbs­min­de­rungs­ren­te nicht beschäftigt sind und mit der Wie­der­her­stel­lung ih­rer Ar­beitsfähig­keit auch nicht zu rech­nen ist. In die­sem Zu­sam­men­hang ist der Se­nat da­von aus­ge­gan­gen, dass von So­zi­al­plan­leis­tun­gen aus­ge­schlos­se­ne er­werbs­ge­min­der­te Ar­beit­neh­mer nicht un­mit­tel­bar we­gen ih­rer Be­hin­de­rung be­nach­tei­ligt wer­den. Zu der Fra­ge ei­ner an die Al­ters­ren­te für schwer­be­hin­der­te Men­schen an­knüpfen­den un­mit­tel­ba­ren Un­gleich­be­hand­lung bei ei­ner So­zi­al­plan­ab­fin­dung verhält sich die Se­nats­ent­schei­dung nicht.

bb) Auch die von der Be­klag­ten an­geführ­te Ent­schei­dung des Se­nats vom 11. No­vem­ber 2008 (- 1 AZR 475/07 - BA­GE 128, 275) ver­mag kei­nen Ver­trau-

 

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ens­schutz zu ver­mit­teln. In die­ser Ent­schei­dung hat­te der Se­nat ei­ne vor dem In­kraft­tre­ten des AGG ge­trof­fe­ne So­zi­al­plan­ge­stal­tung zu be­ur­tei­len und an­ge­nom­men, dass in So­zi­alplänen für Ar­beit­neh­mer, die im An­schluss an die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses An­spruch auf vor­zei­ti­ge Al­ters­ren­te ha­ben, ge­rin­ge­re Ab­fin­dun­gen vor­ge­se­hen wer­den können. Der Se­nat hat hier­in kei­nen Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot schwer­be­hin­der­ter Men­schen - das nach § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 17. Au­gust 2006 gel­ten­den Fas­sung so­wie nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu prüfen war - ge­se­hen. Er hat aus­geführt, dass ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung schon des­halb aus­schei­det, weil die strei­ti­ge So­zi­al­plan­be­stim­mung nicht aus­drück­lich an das Merk­mal der Be­hin­de­rung an­ge­knüpft hat. Ei­ne mit der Re­ge­lung mögli­cher­wei­se ver­bun­de­ne mit­tel­ba­re Un­gleich­be­hand­lung schwer­be­hin­der­ter Men­schen hat der Se­nat als sach­lich ge­recht­fer­tigt an­ge­se­hen. Nur in­so­weit könn­te sich über­haupt ein Ver­trau­en­stat­be­stand er­ge­ben, auf den es hier aber nicht an­kommt, weil § 2 Ziff. 1 Satz 6 und Satz 7 SP 2011 ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung be­wirkt. So­weit im Übri­gen nun­mehr nach der Wer­tung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on in sei­ner Ent­schei­dung vom 6. De­zem­ber 2012 (- C-152/11 - [Odar]) in der Re­du­zie­rung der So­zi­al­plan­ab­fin­dung in Abhängig­keit von ei­nem frühestmögli­chen Ren­ten­ein­tritt ei­ne nicht ge­recht­fer­tig­te Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung liegt, sind die Möglich­kei­ten der na­tio­na­len Ge­rich­te zur Gewährung von Ver­trau­ens­schutz oh­ne­hin uni­ons­recht­lich vor­ge­prägt und be­grenzt (vgl. BVerfG 10. De­zem­ber 2014 - 2 BvR 1549/07 - Rn. 28).

4. Rechts­fol­ge der un­zulässi­gen Un­gleich­be­hand­lung ist, dass der Kläger ver­lan­gen kann, wie ein nicht schwer­be­hin­der­ter Ar­beit­neh­mer be­han­delt zu wer­den (vgl. [bei ei­ner Ta­rif­vor­schrift] BAG 12. No­vem­ber 2013 - 9 AZR 484/12 - Rn. 11; vgl. auch [zur Un­an­wend­bar­keit ei­ner So­zi­al­plan­vor­schrift] BAG 19. Fe­bru­ar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 23, 39 ff., BA­GE 125, 366). Es kommt da­her nicht dar­auf an, dass sich nach dem - in­so­weit al­ler­dings auch nicht kon­kre­ti­sier­ten - Vor­brin­gen der Be­klag­ten die Be­stim­mung des § 2 Ziff. 1 Satz 6 und Satz 7 SP 2011 bei ei­nem schwer­be­hin­der­ten Ar­beit­neh­mer mit ei­ner sehr kur­zen Be­triebs­zu­gehörig­keit ge­genüber der in­di­vi­dua­li­sier­ten Ab­fin-

 

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dung so­gar als güns­ti­ger er­wei­sen kann. Denn die un­ter­schied­li­che und nicht ge­recht­fer­tig­te Be­hand­lung ei­ner Grup­pe von Ar­beit­neh­mern auf­grund ih­rer Schwer­be­hin­de­rung entfällt nicht da­durch, dass ei­ne an­de­re Grup­pe die­ser Ar­beit­neh­mer nicht be­nach­tei­ligt ist (vgl. BAG 10. Fe­bru­ar 2015 - 9 AZR 53/14 (F) - Rn. 17 mwN).

IV. Der gel­tend ge­mach­te Zins­an­spruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

Schmidt

Koch

K. Schmidt

Rath

N. Schus­ter

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