HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BVerwG, Ur­teil vom 26.11.2014, 6 CN 1.13

   
Schlagworte: Sonntagsarbeit
   
Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Aktenzeichen: 6 CN 1.13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.11.2014
   
Leitsätze:

1. Eine Gewerkschaft ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt für einen Normenkontrollantrag gegen eine Rechtsverordnung, die in ihrem Tätigkeitsbereich gestützt auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zulässt.

2. Der Vorbehalt des Gesetzes erfordert nicht, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in der Getränkeindustrie, in Eisfabriken und im Großhandel mit deren Erzeugnissen sowie in Callcentern wegen der Wesentlichkeit dieser Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber, nicht aber auf der Grundlage der Ermächtigung in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG durch den Verordnungsgeber zugelassen wird.

3. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Videotheken und die nicht weiter eingegrenzte Beschäftigung in Callcentern sind nicht im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich, um erhebliche Schäden zu vermeiden.

Vorinstanzen: Verwaltungsgerichtshof Hessen, Urteil vom 12.09.2013, 8 C 1776/12
   

BUN­DES­VER­WAL­TUN­GS­GERICHT

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

 

BVerwG 6 CN 1.13 VGH 8 C 1776/12.N

Verkündet
am 26. No­vem­ber 2014
...
als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

In der Nor­men­kon­troll­sa­che

 

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hat der 6. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 26. No­vem­ber 2014 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Neu­mann und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Grau­lich, Dr. Möller, Hahn und Prof. Dr. He­cker

für Recht er­kannt:

So­weit der Hes­si­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof § 1 Abs. 1 Nr. 8 der Ver­ord­nung über die Zu­las­sung der Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern an Sonn-und Fei­er­ta­gen (Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung - Bed­Ge­wV) vom 12. Ok­to­ber 2011 (GVBl I S. 664) für un­wirk­sam erklärt hat, wird sein Ur­teil vom 12. Sep­tem­ber 2013 geän¬dert. In­so­weit wer­den die Nor­men­kon­troll­anträge der An­trag­stel­ler ab­ge­lehnt.

So­weit der Hes­si­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 Bed­Ge­wV für un­wirk­sam erklärt hat, wird sein Ur­teil auf­ge­ho­ben. In die­sem Um­fang wird die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an den Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zurück­ver­wie­sen.

Im Übri­gen wird die Re­vi­si­on des An­trags­geg­ners ge­gen das Ur­teil des Hes­si­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs vom 12. Sep­tem­ber 2013 zurück­ge­wie­sen.

Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

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G r ü n d e :

I

Die An­trag­stel­ler wen­den sich mit ih­ren Nor­men­kon­troll­anträgen ge­gen Be­stim­mun­gen der Hes­si­schen Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung.

Gestützt auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 2 Satz 1 Arb­ZG er­ließ die Hes­si­sche Lan­des­re­gie­rung am 12. Ok­to­ber 2011 die Ver­ord­nung über die Zu­las­sung der Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen (Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung - Bed­Ge­wV), die im Ge­setz-und Ver­ord­nungs­blatt vom 1. No­vem­ber 2011 be­kannt ge­macht wur­de (GVBl I S. 664). Die Ver­ord­nung re­gelt, dass ab­wei­chend von dem ge­ne­rel­len Ver­bot des § 9 Abs. 1 Arb­ZG an Sonn- und Fei­er­ta­gen in be­stimm­ten Be­rei­chen mit je un­ter­schied­li­chen zeit­li­chen Be­schränkun­gen Ar­beit­neh­mer beschäftigt wer­den dürfen, so­weit die Ar­bei­ten nicht an Werk­ta­gen durch­geführt wer­den können. Zu die­sen Be­rei­chen gehören Vi­deo­the­ken und öffent­li­che Bi­blio­the­ken (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Bed­Ge­wV), Braue­rei­en, Be­trie­be zur Her­stel­lung von al­ko­hol­frei­en Ge­tränken oder Schaum­wein und Be­trie­be des Großhan­dels mit Er­zeug­nis­sen die­ser Be­trie­be (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Bed­Ge­wV), Fa­bri­ken zur Her­stel­lung von Roh-und Spei­se­eis so­wie Be­trie­be des Großhan­dels mit die­sen Er­zeug­nis­sen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 Bed­Ge­wV), Buch­ma­cher­ge­wer­be zur An­nah­me von Wet­ten für Ver­an­stal­tun­gen (§ 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV), Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men mit der Ent­ge­gen­nah­me von Auf­trägen, der Aus­kunfts­er­tei­lung und der Be­ra­tung per Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 Bed­Ge­wV) so­wie Lot­to- und To­to­ge­sell­schaf­ten mit der elek­tro­ni­schen Geschäfts­ab­wick­lung (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 Bed­Ge­wV).

Die An­trag­stel­le­rin zu 1, die ver.di Ver­ein­te Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft, hat nach ih­ren An­ga­ben in Hes­sen ca. 168 000 Mit­glie­der, von de­nen ca. 6 700 in Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men beschäftigt sind. Der An­trag­stel­ler zu 2, das Evan­ge­li­sche De­ka­nat Darm­stadt-Stadt, ist aus den 20 Evan­ge­li­schen Kir­chen­ge­mein­den im Ge­biet der Stadt Darm­stadt ge­bil­det. Es gehört wie der An­trag­s­tel-

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ler zu 3, das Evan­ge­li­sche De­ka­nat Vor­de­rer Oden­wald, zur Evan­ge­li­schen Kir­che in Hes­sen und Nas­sau. Der An­trag­stel­ler zu 3 ist aus ins­ge­samt 40 Evan­ge­li­schen Kir­chen­ge­mein­den ge­bil­det.

Die An­trag­stel­le­rin zu 1 hat am 3. Sep­tem­ber 2012, die An­trag­stel­ler zu 2 und zu 3 ha­ben am 29. Ok­to­ber 2012 beim Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Nor­men­kon­troll­anträge ge­gen die Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung ein­ge­reicht und be­an­tragt, § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 8, 9 und 10 Bed­Ge­wV für un­wirk­sam zu erklären. Die An­trag­stel­ler zu 2 und 3 ha­ben Ge­neh­mi­gun­gen der Kir­chen­ver­wal­tung der Lan­des­kir­che je­weils vom 23. Au­gust 2013 zur Er­he­bung der Kla­ge im Ver­wal­tungs­streit­ver­fah­ren nach­ge­reicht. Die An­trag­stel­ler ha­ben gel­tend ge­macht: Die Ver­ord­nung sei in dem an­ge­grif­fe­nen Um­fang rechts­wid­rig. In­so­weit lägen die Vor­aus­set­zun­gen für Aus­nah­men nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG nicht vor. Die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern in die­sen Be­rei­chen die­ne nicht da­zu, be­son­de­re Bedürf­nis­se in ei­nem we­sent­li­chen Teil der Bevölke­rung zu de­cken, um da­durch er­heb­li­che Schäden zu ver­mei­den.

Der An­trags­geg­ner ist den Nor­men­kon­troll­anträgen ent­ge­gen­ge­tre­ten und hat vor­ge­tra­gen: Der An­trag der An­trag­stel­le­rin zu 1 sei be­reits un­zulässig. Sie sei nicht an­trags­be­fugt. Der An­trag sei un­be­gründet. Die an­ge­grif­fe­nen Vor­schrif­ten der Ver­ord­nung dien­ten der Ver­mei­dung er­heb­li­cher Schäden, die dar­in lägen, dass Bedürf­nis­se der Bevölke­rung, na­ment­lich sol­che der Frei­zeit­ge­stal­tung und der sai­so­na­len Ver­sor­gung mit Eis und Ge­tränken, nicht be­frie­digt würden. Er ha­be sich ins­be­son­de­re dar­an ori­en­tiert, dass sich seit dem In­kraft­tre­ten des Ar­beits­zeit­ge­set­zes das Frei­zeit- und Ver­brau­cher­ver­hal­ten der Bevölke­rung so­wie die öko­no­mi­schen Rah­men­be­din­gun­gen gra­vie­rend verändert hätten.

Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat durch das an­ge­foch­te­ne Ur­teil die Aus­nah­me­re­ge­lun­gen in § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 8, 9 und 10 Bed­Ge­wV für un­wirk­sam erklärt: Die Nor­men­kon­troll­anträge sei­en zulässig. Die An­trag­stel­le­rin zu 1 könne gel­tend ma­chen, durch die an­ge­grif­fe­ne Ver­ord­nung in ih­rem Grund­recht auf Ko­ali­ti­ons­frei­heit aus Art. 9 Abs. 3 GG in Ver­bin­dung mit Art. 140 GG und Art. 139 WRV ver­letzt zu wer­den. Ob die An­trag­stel­ler zu 2 und zu 3 im Zeit­punkt ih­rer An­trag­stel­lung be­rech­tigt und fähig ge­we­sen sei­en, ih­re Rech­te vor

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ei­nem staat­li­chen Ge­richt oh­ne die nach der De­ka­nats­syn­oda­l­ord­nung er­for­der­li­che Ge­neh­mi­gung der Kir­chen­lei­tung gel­tend zu ma­chen, könne of­fen­blei­ben, weil die Kir­chen­lei­tung die er­for­der­li­chen Ge­neh­mi­gun­gen nachträglich er­teilt ha­be. Die Nor­men­kon­troll­anträge sei­en be­gründet. § 1 Abs. 1 Nr. 4 Bed­Ge­wV (Ge­tränke­indus­trie und -großhan­del), § 1 Abs. 1 Nr. 5 Bed­Ge­wV (Fa­bri­ken für Roh- und Spei­se­eis so­wie ent­spre­chen­der Großhan­del) und § 1 Abs. 1 Nr. 9 Bed­Ge­wV (Call­cen­ter) sei­en oh­ne hin­rei­chen­de Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge er­gan­gen. Der Ver­ord­nungs­ge­ber ha­be hier im grund­rechts­re­le­van­ten Be­reich we­sent­li­che Grund­ent­schei­dun­gen ge­trof­fen, die nicht ihm zustünden, son­dern dem par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­ber vor­be­hal­ten sei­en. Die Aus­nah­me in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Bed­Ge­wV zu­guns­ten von Vi­deo­the­ken und öffent­li­chen Bi­blio­the­ken die­ne nicht der Ver­mei­dung er­heb­li­cher Schäden. Die Nut­zer die­ser Ein­rich­tun­gen könn­ten sich auf de­ren Sch­ließung an Sonn- und Fei­er­ta­gen ein­stel­len, in­dem sie ih­re Vor­be­rei­tun­gen für die Ge­stal­tung die­ser Ta­ge schon am Sams­tag oder ei­nem an­de­ren ar­beits­frei­en Tag träfen. Auch die Aus­nah­me in § 1 Abs. 1 Nr. 10 Bed­Ge­wV für To­to- und Lot­to­ge­sell­schaf­ten die­ne nicht der Ver­mei­dung er­heb­li­cher Schäden. Würden Ge­win­ner und Ge­winn­quo­ten um ei­nen Tag verzögert er­mit­telt und mit­ge­teilt, lie­ge dar­in kein sol­cher Scha­den. Die Aus­nah­me in § 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV zu­guns­ten des Buch­ma­cher­ge­wer­bes sei nicht hin­rei­chend be­stimmt. Nach der Be­gründung für die Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung ha­be die­se Aus­nah­me of­fen­bar nur Pfer­de­ren­nen er­fas­sen sol­len. Die Re­ge­lung sei je­doch nicht auf zer­ti­fi­zier­te bzw. kon­zes­sio­nier­te Buch­ma­cher be­schränkt, die aus­sch­ließlich Pfer­de­wet­ten ab­sch­ließen und ver­mit­teln dürf­ten.

Mit sei­ner vom Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der An­trags­geg­ner sein Be­geh­ren wei­ter, die Nor­men­kon­troll­anträge ab­zu­leh­nen: Die Anträge sei­en un­zulässig. Die An­trag­stel­le­rin zu 1 sei nicht an­trags­be­fugt. Es sei aus­ge­schlos­sen, dass sie durch die an­ge­grif­fe­nen Vor­schrif­ten in ei­ge­nen Rech­ten, na­ment­lich in ih­rem Grund­recht auf Ko­ali­ti­ons­frei­heit aus Art. 9 Abs. 3 GG in Ver­bin­dung mit Art. 140 GG, Art. 139 WRV ver­letzt wer­de. Der Sonn-und Fei­er­tags­schutz nach die­sen Be­stim­mun­gen sei nicht funk­tio­nal auf die In­an­spruch­nah­me und Ver­wirk­li­chung des Grund­rechts der Ko­ali­ti­ons­frei­heit an­ge­legt. Den An­trag­stel­lern zu 2 und zu 3 feh­le die Pro­zessführungs­be­fug­nis.

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Ih­nen sei­en kir­chen­recht­lich kei­ne Auf­ga­ben und da­mit kor­re­spon­die­ren­de Rech­te zu­ge­wie­sen, die sich auf den Sonn­tags­schutz bezögen. Bis zum Ab­lauf der An­trags­frist ha­be kei­ne für die An­trag­stel­lung er­for­der­li­che Ge­neh­mi­gung der Kir­chen­lei­tung vor­ge­le­gen. Ei­ne Hei­lung die­ses Man­gels durch ei­ne nachträgli­che Ge­neh­mi­gung schei­de aus. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil sei nicht mit Gründen ver­se­hen, so­weit der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof an­ge­nom­men ha­be, die Aus­nah­me zu­guns­ten des Buch­ma­cher­ge­wer­bes in § 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV sei zu un­be­stimmt und des­halb un­wirk­sam. Wor­in der Grund für die Un­be­stimmt­heit lie­gen sol­le, sei nicht verständ­lich. In der Sa­che ha­be der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zu Un­recht an­ge­nom­men, die Aus­nah­men in § 1 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 9 Bed­Ge­wV ver­stießen ge­gen den Par­la­ments­vor­be­halt. Der Ge­setz­ge­ber ha­be in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG al­les We­sent­li­che für die Be­ant­wor­tung der Fra­ge ge­re­gelt, wann Aus­nah­men vom Sonn- und Fei­er­tags­schutz in Be­tracht kämen. Die Aus­nah­men zu­guns­ten der Vi­deo­the­ken, öffent­li­chen Bi­blio­the­ken und Lot­to- und To­to­ge­sell­schaf­ten dien­ten der Ver­mei­dung er­heb­li­cher Schäden für die Be­lan­ge der Ver­brau­cher.

Die An­trag­stel­ler wie­der­ho­len und ver­tie­fen ihr bis­he­ri­ges Vor­brin­gen, na­ment­lich ih­re Ausführun­gen zu ih­rer An­trags­be­fug­nis.

Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses hebt her­vor: Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof über­deh­ne die An­for­de­run­gen, die sich aus dem Vor­be­halt des Ge­set­zes ergäben. Der Ge­setz­ge­ber ha­be in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG al­le abwägungs­er­heb­li­chen Ge­sichts­punk­te so­wie de­ren ge­ne­rel­le Ge­wich­tung klar be­nannt und da­mit al­les We­sent­li­che für die Zu­las­sung wei­te­rer Aus­nah­men von dem grundsätz­li­chen Ver­bot ei­ner Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn-und Fei­er­ta­gen selbst ge­re­gelt.

II

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Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat oh­ne Ver­s­toß ge­gen Bun­des­recht die Nor­men­kon­troll­anträge al­ler An­trag­stel­ler für zulässig ge­hal­ten. In der Sa­che ist das an­ge­foch­te­ne Ur­teil mit Bun­des­recht ver­ein­bar, so­weit der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof § 1 Abs. 1 Nr. 1 (Vi­deo­the­ken und öffent­li­che Bi­blio­the­ken) so­wie § 1 Abs. 1 Nr. 10 Bed­Ge­wV (Lot­to- und To­to­ge­sell­schaf­ten) für ungültig erklärt hat. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil ver­letzt aber Bun­des­recht, so­weit der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof § 1 Abs. 1 Nr. 4 Bed­Ge­wV (Braue­rei­en und Be­trie­be zur Her­stel­lung von al­ko­hol­frei­en Ge­tränken oder Schaum­wein so­wie Be­trie­be des Großhan­dels), § 1 Abs. 1 Nr. 5 Bed­Ge­wV (Fa­bri­ken zur Her­stel­lung von Roh- und Spei­se­eis so­wie Be­trie­be des Großhan­dels), § 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV (Buch­ma­cher­ge­wer­be) und § 1 Abs. 1 Nr. 9 Bed­Ge­wV (Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men zur Ent­ge­gen­nah­me von Auf­trägen, Aus­kunfts­er­tei­lung und Be­ra­tung per Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on - Call­cen­ter) für ungültig erklärt hat. Hin­sicht­lich § 1 Abs. 1 Nr. 9 Bed­Ge­wV ist das Ur­teil je­doch aus an­de­ren Gründen im Er­geb­nis rich­tig. Ob dies hin­sicht­lich § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 Bed­Ge­wV eben­falls zu­trifft, lässt sich auf der Grund­la­ge der bis­he­ri­gen tatsächli­chen Fest­stel­lun­gen nicht be­ur­tei­len. Da­ge­gen er­weist sich das an­ge­foch­te­ne Ur­teil hin­sicht­lich § 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV auch nicht aus an­de­ren Gründen im Er­geb­nis als rich­tig, oh­ne dass in­so­weit wei­te­re tatsächli­che Fest­stel­lun­gen er­for­der­lich wären.

1. Die Anträge sind zulässig.

a) Der An­trag­stel­le­rin zu 1, der ver.di Ver­ein­te Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft, fehlt we­der die An­trags­be­fug­nis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Vw­GO noch das Rechts­schutz­in­ter­es­se.

aa) Die An­trag­stel­le­rin kann gel­tend ma­chen, durch die an­ge­grif­fe­nen Be­stim­mun­gen der Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung in ih­ren Rech­ten ver­letzt zu sein. Hierfür reicht ihr Vor­trag aus, dass die­se Be­stim­mun­gen mit der Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Ar­beits­zeit­ge­set­zes (Arb­ZG) vom 6. Ju­ni 1994 (BGBl I S. 1170) nicht ver­ein­bar sind. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG ist auch den In­ter­es­sen von Ver­ei­nen und Ge­werk­schaf­ten zu die­nen be­stimmt. Die dort ge­re­gel­ten Vor­aus­set­zun­gen für den Er­lass ei­ner Rechts­ver­ord­nung sind in die­sem Sin­ne drittschützend. Die begüns­tig­te Ge­werk­schaft

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kann sich dar­auf be­ru­fen, die Vor­aus­set­zun­gen für den Er­lass der Rechts­ver­ord­nung hätten nicht vor­ge­le­gen und die Ver­ord­nung ver­s­toße da­durch ge­gen ei­ne auch sie schützen­de Rechts­norm.

§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG kon­kre­ti­siert mit den Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen Ar­beit­neh­mer an Sonn- und Fei­er­ta­gen aus­nahms­wei­se beschäftigt wer­den dürfen, auf der Ebe­ne des ein­fa­chen Rechts den ver­fas­sungs­recht­li­chen Schutz­auf­trag, der sich für den Ge­setz­ge­ber aus Art. 140 GG in Ver­bin­dung mit Art. 139 WRV er­gibt. Nach Art. 139 WRV blei­ben der Sonn­tag und die staat­lich an­er­kann­ten Fei­er­ta­ge als Ta­ge der Ar­beits­ru­he und der see­li­schen Er­he­bung ge­setz­lich geschützt. Die Gewähr­leis­tung von Ta­gen der Ar­beits­ru­he und der see­li­schen Er­he­bung ist auch dar­auf aus­ge­rich­tet, den Grund­rechts­schutz zu stärken; sie kon­kre­ti­siert in­so­fern die aus den je­weils ein­schlägi­gen Grund­rech­ten fol­gen­den staat­li­chen Schutz­pflich­ten (BVerfG, Ur­teil vom 1. De­zem­ber 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <80 f.>). Der zeit­li­che Gleich­klang ei­ner für al­le Be­rei­che re­gelmäßigen Ar­beits­ru­he ist ein grund­le­gen­des Ele­ment für die Wahr­neh­mung der ver­schie­de­nen For­men so­zia­len Le­bens. Die Ar­beits­ru­he an Sonn- und Fei­er­ta­gen ist da­bei auch für die Rah­men­be­din­gun­gen des Wir­kens der po­li­ti­schen Par­tei­en, der Ge­werk­schaf­ten und sons­ti­ger Ver­ei­ni­gun­gen be­deut­sam (BVerfG, Ur­teil vom 1. De­zem­ber 2009 a.a.O. S. 83). Der ob­jek­tiv­recht­li­che Schutz­auf­trag, der in der Sonn- und Fei­er­tags­ga­ran­tie be­gründet ist (Art. 139 WRV), ist mit­hin auf die Stärkung des Schut­zes der­je­ni­gen Grund­rech­te an­ge­legt, die in be­son­de­rem Maße auf Ta­ge der Ar­beits­ru­he und der see­li­schen Er­he­bung an­ge­wie­sen sind (BVerfG, Ur­teil vom 1. De­zem­ber 2009 a.a.O. S. 84). Mit der Gewähr­leis­tung rhyth­misch wie­der­keh­ren­der Ta­ge der Ar­beits­ru­he fördert und schützt die Sonn- und Fei­er­tags­ga­ran­tie da­bei nicht nur die Ausübung der Re­li­gi­ons­frei­heit, son­dern dient ne­ben wei­te­ren Grund­rech­ten eben­so der Ver­ei­ni­gungs­frei­heit (Art. 9 Abs. 1 GG), auch in Ge­stalt der Ko­ali­ti­ons­frei­heit (Art. 9 Abs. 3 GG), die sich so ef­fek­ti­ver wahr­neh­men las­sen (BVerfG, Ur­teil vom 1. De­zem­ber 2009 a.a.O. S. 82).

Rhyth­misch wie­der­keh­ren­de Ta­ge der Ar­beits­ru­he und ei­ne da­mit ein­her­ge­hen­de re­gelmäßige Ar­beits­ru­he für al­le fördern und er­leich­tern die Möglich­keit des Ein­zel­nen, sich in ei­nem Ver­ein oder ei­ner Ko­ali­ti­on zu ge­mein­sa­mem Tun

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zu­sam­men­zu­fin­den. Spie­gel­bild­lich wird zu­gleich die Möglich­keit der Ver­ei­ni­gung selbst gefördert und er­leich­tert, ih­ren Zweck zu ver­wirk­li­chen, der ge­ra­de in der Or­ga­ni­sa­ti­on von ge­mein­schaft­lich wahr­zu­neh­men­den In­ter­es­sen be­steht. Wenn der Ver­ei­ni­gung ab­ge­lei­tet aus der Ver­ei­ni­gungs­frei­heit ei­ne An­trags­be­fug­nis zu­ge­bil­ligt wird, wird ihr mit­hin, an­ders als der An­trags­geg­ner meint, nicht et­wa er­laubt, die Rech­te ih­rer Mit­glie­der als ei­ge­ne wahr­zu­neh­men. Sie nimmt viel­mehr ein Recht wahr, das ihr selbst als Ver­ei­ni­gung zu­steht.

Zwar muss darüber hin­aus die Ver­ei­ni­gung oder die Ge­werk­schaft durch die an­ge­grif­fe­ne Rechts­norm in ih­rem Tätig­keits­be­reich be­trof­fen sein. Sie kann ei­ne Rechts­norm nicht an­grei­fen, wenn de­ren An­wen­dung sich nicht ne­ga­tiv auf die Ver­wirk­li­chung ge­ra­de ih­rer Ver­ei­ni­gungs­frei­heit aus­wir­ken kann. An die­ser Ein­schränkung schei­tert die An­trags­be­fug­nis der An­trag­stel­le­rin in­des nicht. Die Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung ge­stal­tet den Schutz der Sonn- und Fei­er­tags­ru­he im Dienst­leis­tungs­be­reich aus, in dem die An­trag­stel­le­rin tätig ist.

bb) Der An­trag­stel­le­rin fehlt nicht das Rechts­schutz­in­ter­es­se.

Das Er­for­der­nis ei­nes all­ge­mei­nen Rechts­schutz­in­ter­es­ses ne­ben der An­trags­be­fug­nis soll nur ver­mei­den, dass die Ge­rich­te in ei­ne Norm­prüfung ein­tre­ten müssen, de­ren Er­geb­nis für den An­trag­stel­ler wert­los ist. Maßgeb­lich ist, ob der An­trag­stel­ler durch die von ihm an­ge­streb­te Nich­ti­gerklärung der Norm sei­ne Rechts­stel­lung ver­bes­sern kann (Ur­teil vom 23. April 2002 - BVerwG 4 CN 3.01 - Buch­holz 310 § 47 Vw­GO Nr. 156). Dies ist hier schon des­halb der Fall, weil mit der Nich­ti­gerklärung der an­ge­grif­fe­nen Nor­men ein Ein­griff in die Grund­rech­te der An­trag­stel­le­rin un­ter­blie­be.

b) Auch die Anträge der An­trag­stel­ler zu 2 und zu 3, der Evan­ge­li­schen De­ka­na­te Darm­stadt-Stadt und Vor­de­rer Oden­wald, sind zulässig. 

aa) Die An­trag­stel­ler zu 2 und zu 3 sind an­trags­be­fugt. Sie können eben­falls gel­tend ma­chen, die an­ge­grif­fe­nen Nor­men ver­stießen ge­gen den auch für sie drittschützen­den § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG, der auf der Ebe­ne des ein-

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fa­chen Rechts den ver­fas­sungs­recht­li­chen Schutz­auf­trag kon­kre­ti­siert, der sich für sie aus der Glau­bens­frei­heit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG er­gibt.

Ent­ge­gen den in­so­weit geäußer­ten Zwei­feln des An­trags­geg­ners sind die De­ka­na­te nicht bloße über­ge­ord­ne­te Ver­wal­tungs­in­stan­zen oder Dach­verbände, die an dem ei­gent­li­chen re­li­giösen Auf­trag nicht teil­ha­ben. Sie sind viel­mehr in ih­rem Be­reich Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten und Träger des Grund­rechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Nach Art. 17 der Ord­nung der Evan­ge­li­schen Kir­che in Hes­sen und Nas­sau (Kir­chen­ord­nung - KO) in der Fas­sung vom 20. Fe­bru­ar 2010, Amts­blatt der Evan­ge­li­schen Kir­che in Hes­sen und Nas­sau (ABl) 2010 S. 118, hat das De­ka­nat den Auf­trag, das kirch­li­che Le­ben in der Re­gi­on zu ge­stal­ten und so das Evan­ge­li­um in sei­nem Be­reich zu be­zeu­gen. Es dient der Erfüllung ge­mein­sa­mer Auf­ga­ben, der Förde­rung der Zu­sam­men­ar­beit und dem mis­sio­na­ri­schen Wir­ken in der Welt. Das De­ka­nat trägt Ver­ant­wor­tung für die Ent­wick­lung der kirch­li­chen Hand­lungs­fel­der in sei­nem Ge­biet und fördert neue kirch­li­che Ar­beit in sei­nem Ge­biet.

bb) Die An­trag­stel­ler zu 2 und zu 3 sind nach § 61 Nr. 1 Vw­GO fähig, am Ver­fah­ren be­tei­ligt zu sein. Sie sind ju­ris­ti­sche Per­so­nen in der Ge­stalt von Körper­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts.

Dies hat der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof in Aus­le­gung und An­wen­dung ir­re­vi­si­blen Rechts fest­ge­stellt. Nach § 1 Abs. 2 des Ge­set­zes zu dem Ver­trag des Lan­des Hes­sen mit den Evan­ge­li­schen Kir­chen in Hes­sen vom 10. Ju­ni 1960 (GVBl I S. 54) in Ver­bin­dung mit Art. 1 Abs. 4 die­ses Ver­tra­ges sind die Kir­chen, die Kir­chen­ge­mein­den und die aus ih­nen ge­bil­de­ten Verbände Körper­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts. Nach Art. 16 Satz 1 KO wer­den die De­ka­na­te aus den Kir­chen­ge­mein­den ei­nes zu­sam­men­gehören­den Ge­bie­tes ge­bil­det. Hier­aus hat der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof ge­schlos­sen, dass die De­ka­na­te Körper­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts sind. An die Aus­le­gung ir­re­vi­si­blen Rechts durch den Ver­wal­tungs­ge­richts­hof ist das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt als Re­vi­si­ons­ge­richt auch dann gemäß § 173 Satz 1 Vw­GO, § 560 ZPO ge­bun­den, wenn das ir­re­vi­si­ble Recht Nor­men der Ver­wal­tungs­pro­zess­ord­nung ergänzt, wel­che

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von Amts we­gen zu prüfen­de Sa­chur­teils­vor­aus­set­zun­gen re­geln (Ur­teil vom 1. Ju­li 1988 - BVerwG 4 C 15.85 - Buch­holz 11 Art. 28 GG Nr. 69).

cc) Die An­trag­stel­ler zu 2 und zu 3 sind pro­zessführungs­be­fugt.

Die Pro­zessführungs­be­fug­nis setzt vor­aus, dass der An­trag­stel­ler pro­zes­su­al be­rech­tigt ist, im ei­ge­nen Na­men (al­so nicht als Ver­tre­ter ei­nes an­de­ren) den von ihm gel­tend ge­mach­ten An­spruch al­lei­ne (als al­lei­ni­ger po­ten­ti­el­ler Rechts­in­ha­ber) gel­tend zu ma­chen. Die Pro­zessführungs­be­fug­nis kann feh­len, wenn je­mand ein Recht im ei­ge­nen Na­men gel­tend macht, das nicht ihm oder ihm nur ge­mein­sam mit an­de­ren zu­steht.

Die An­trag­stel­ler zu 2 und zu 3 sind be­fugt, über das von ih­nen be­haup­te­te Recht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ei­nen Pro­zess im ei­ge­nen Na­men zu führen. Dar­an ändert sich nichts da­durch, dass Be­schlüsse des De­ka­nats­syn­odal­vor­stands über die Er­he­bung ei­ner Kla­ge vor ei­nem staat­li­chen Ge­richt nach § 26 Abs. 3 Buchst. b der De­ka­nats­syn­oda­l­ord­nung (DSO) vom 26. No­vem­ber 2003 (ABl 2004, 87) der Ge­neh­mi­gung durch die Kir­chen­ver­wal­tung bedürfen und erst mit de­ren Er­tei­lung wirk­sam wer­den. Die Vor­schrift be­schränkt nicht die Be­fug­nis des De­ka­nats­syn­odal­vor­stands, das De­ka­nat nach außen wirk­sam zu ver­tre­ten. Die­se Be­fug­nis ist an­der­weit in § 24 DSO ge­re­gelt. Eben­so wie die wei­te­ren Ge­neh­mi­gungs­vor­be­hal­te in § 26 Abs. 3 DSO räumt die Vor­schrift der Kir­chen­ver­wal­tung als Auf­sichts­behörde ein Kon­troll­recht bei als wich­tig an­ge­se­he­nen Vorgängen ein. Sie be­trifft da­mit nur die in­ter­ne Wil­lens­bil­dung. Das ge­richt­lich gel­tend ge­mach­te Recht steht aber wei­ter­hin al­lein den An­trag­stel­lern zu. Dass ih­re in­ter­ne Wil­lens­bil­dung vor An­trag­stel­lung an ei­nem Man­gel litt, nimmt ih­nen nicht die Pro­zessführungs­be­fug­nis.

Aus die­sem Grund kann of­fen­blei­ben, ob ei­ne Ge­neh­mi­gung, die erst nach Ab­lauf der An­trags­frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 Vw­GO er­teilt wird, sich noch auf die Zulässig­keit des An­trags aus­wir­ken könn­te oder ob dies aus­ge­schlos­sen ist, weil die An­trags­frist ei­ne Aus­schluss­frist ist.

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2. Die Nor­men­kon­troll­anträge sind be­gründet, so­weit § 1 Abs. 1 Nr. 1 Bed­Ge­wV die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen in Vi­deo­the­ken und öffent­li­chen Bi­blio­the­ken zulässt. In­so­weit ist die Ver­ord­nung von der Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG nicht ge­deckt.

a) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der An­trag­stel­ler folgt dies al­ler­dings (we­der hier noch bei den wei­te­ren Be­stim­mun­gen der Ver­ord­nung) nicht be­reits dar­aus, dass § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG Aus­nah­men nur für Be­trie­be zu­las­se, der An­trags­geg­ner aber Aus­nah­men für Be­rei­che zu­ge­las­sen ha­be.

§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG ermäch­tigt zum Er­lass ei­ner Rechts­ver­ord­nung und da­mit zum Er­lass ge­ne­rel­ler Re­ge­lun­gen. Der Ver­ord­nungs­ge­ber soll nicht für ein­zel­ne kon­kre­te Be­trie­be Aus­nah­men zu­las­sen, son­dern muss die Be­trie­be nach Bran­chen oder Tätig­keits­fel­dern abs­trakt um­schrei­ben. Wenn er da­bei von „Be­rei­chen“ spricht, weicht er mit die­ser Wort­wahl nicht von der Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge ab.

b) Je­doch lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen der Ermäch­ti­gung nicht vor. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 2 Satz 1 Arb­ZG können die Lan­des­re­gie­run­gen über die Aus­nah­men in § 10 Arb­ZG hin­aus durch Rechts­ver­ord­nung wei­te­re Aus­nah­men von dem Ver­bot ei­ner Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn-und Fei­er­ta­gen zur Ver­mei­dung er­heb­li­cher Schäden un­ter Berück­sich­ti­gung des Schut­zes der Ar­beit­neh­mer und der Sonn- und Fei­er­tags­ru­he für Be­trie­be zu­las­sen, in de­nen ei­ne sol­che Beschäfti­gung zur Be­frie­di­gung tägli­cher oder an die­sen Ta­gen be­son­ders her­vor­tre­ten­der Bedürf­nis­se der Bevölke­rung er­for­der­lich ist.

Die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern in Vi­deo­the­ken und öffent­li­chen Bi­blio­the­ken an Sonn- und Fei­er­ta­gen ist nicht er­for­der­lich, um an die­sen Ta­gen be­son­ders her­vor­tre­ten­de Bedürf­nis­se der Bevölke­rung zu be­frie­di­gen und an­de­ren­falls ein­tre­ten­de er­heb­li­che Schäden zu ver­mei­den.

aa) Es be­steht ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang zwi­schen ei­ner­seits den

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er­ta­gen aus­nahms­wei­se zu­ge­las­sen wer­den darf, und an­de­rer­seits den Schäden, de­ren Ver­mei­dung die Zu­las­sung ei­ner Aus­nah­me die­nen soll. Die Schäden be­ste­hen dar­in, dass Bedürf­nis­se der Bevölke­rung nur un­zu­rei­chend be­frie­digt wer­den. Zu die­sen Bedürf­nis­sen gehören auch sol­che, wel­che die Möglich­keit be­tref­fen, die Frei­zeit an Sonn- und Fei­er­ta­gen nach ei­ge­nen Vor­stel­lun­gen zu nut­zen. Wird die Frei­zeit­ge­stal­tung je­den­falls für be­acht­li­che Tei­le der Bevölke­rung be­ein­träch­tigt, kann dies ei­nen Scha­den dar­stel­len, zu des­sen Ver­mei­dung ei­ne Aus­nah­me zu­ge­las­sen wer­den kann. Dass von der Ermäch­ti­gung (nur) zur Ver­mei­dung er­heb­li­cher Schäden Ge­brauch ge­macht wer­den darf, steu­ert da­bei eben­so wie die vor­ge­schrie­be­ne Berück­sich­ti­gung des Schut­zes der Ar­beit­neh­mer und der Sonn- und Fei­er­tags­ru­he die An­for­de­run­gen, die an Be­deu­tung und Ge­wicht des Bedürf­nis­ses zu stel­len sind, des­sen sonst un­ter­blei­ben­de Be­frie­di­gung die Zu­las­sung ei­ner Aus­nah­me vom Beschäfti­gungs­ver­bot recht­fer­ti­gen soll. Im Sin­ne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG „er­for­der­lich“ ist die Be­frie­di­gung täglich oder an die­sen Ta­gen be­son­ders her­vor­tre­ten­der Bedürf­nis­se der Bevölke­rung nur, wenn ihr Un­ter­blei­ben ei­nen er­heb­li­chen Scha­den dar­stellt. In­so­weit hat der Ge­setz­ge­ber den Ge­stal­tungs­spiel­raum des Ver­ord­nungs­ge­bers bei der Aus­wahl der Bedürf­nis­se ein­ge­schränkt, de­ren Be­frie­di­gung ei­ne Aus­nah­me recht­fer­ti­gen soll.

bb) Bedürf­nis­se der Bevölke­rung, die an Sonn- und Fei­er­ta­gen be­son­ders her­vor­tre­ten, sind ins­be­son­de­re sol­che, die der Frei­zeit­ge­stal­tung die­nen. Der Schutz der Sonn- und Fei­er­ta­ge nach Art. 140 GG in Ver­bin­dung mit Art. 139 WRV ist nicht auf ei­nen re­li­giösen oder welt­an­schau­li­chen Sinn­ge­halt der Sonn-und Fei­er­ta­ge be­schränkt. Die Re­ge­lung zielt in der säku­la­ri­sier­ten Ge­sell­schafts- und Staats­ord­nung auch auf die Ver­fol­gung pro­fa­ner Zie­le wie die der persönli­chen Ru­he, Be­sin­nung, Er­ho­lung und Zer­streu­ung. An den Sonn- und Fei­er­ta­gen soll grundsätz­lich die Geschäftstätig­keit in Form der Er­werbs­ar­beit, ins­be­son­de­re der Ver­rich­tung abhängi­ger Ar­beit, ru­hen, da­mit der Ein­zel­ne die­se Ta­ge al­lein oder in Ge­mein­schaft mit an­de­ren un­ge­hin­dert von werktägli­chen Ver­pflich­tun­gen und Be­an­spru­chun­gen nut­zen kann. Die Bürger sol­len sich an Sonn- und Fei­er­ta­gen von der be­ruf­li­chen Tätig­keit er­ho­len und das tun können, was sie in­di­vi­du­ell für die Ver­wirk­li­chung ih­rer persönli­chen Zie­le und als

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Aus­gleich für den All­tag als wich­tig an­se­hen (BVerfG, Ur­teil vom 1. De­zem­ber 2009 a.a.O. S. 85 f.).

Vi­deo­the­ken ermögli­chen der Bevölke­rung, die Frei­zeit zu ge­stal­ten, in­dem sie Bildträger, wie Vi­deo­kas­set­ten und DVD, aber auch Com­pu­ter­spie­le ver­mie­ten. Sonn- und Fei­er­ta­ge bie­ten die nöti­ge Zeit und Muße, um sich Fil­me ei­ge­ner Wahl, al­so un­abhängig vom je­wei­li­gen An­ge­bot der Licht­spiel­thea­ter und des Fern­se­hens, an­zu­se­hen. Je­doch ist es nicht er­for­der­lich, Vi­deo­the­ken auch an Sonn- und Fei­er­ta­gen of­fen­zu­hal­ten, da­mit die­ses Bedürf­nis be­frie­digt wer­den kann.

Bildträger, wie DVD, können eben­so wie Com­pu­ter­spie­le werk­tags zum Ge­brauch an Sonn- oder Fei­er­ta­gen ge­mie­tet wer­den. Wer an Sonn- und Fei­er­ta­gen ei­ne DVD oder ein Com­pu­ter­spiel ver­wen­den will, muss sei­nen Be­darf an ei­nem der vor­an­ge­hen­den Werk­ta­ge de­cken oder et­wa von der Vorführung von Fil­men an dem fol­gen­den Sonn­tag oder Fei­er­tag ab­se­hen (vgl. hier­zu be­reits: (Ur­teil vom 19. April 1988 - BVerwG 1 C 50.86 - BVerw­GE 79, 236 <242>).

Der Ver­ord­nungs­ge­ber kann zwar bei dem Aus­gleich ge­genläufi­ger Schutzgüter im Rah­men sei­nes Ge­stal­tungs­spiel­raums auf ei­ne geänder­te so­zia­le Wirk­lich­keit, ins­be­son­de­re auf Ände­run­gen im Frei­zeit­ver­hal­ten, Rück­sicht neh­men. Es mag sein, dass es in­zwi­schen in wei­ten Krei­sen der Bevölke­rung als ein Man­gel emp­fun­den wird, wenn der spon­ta­ne Wunsch, sich ei­nen be­stimm­ten Film an-zu­se­hen, nicht so­gleich erfüllt wer­den kann. Ins­be­son­de­re über das In­ter­net las­sen sich sol­che Wünsche oh­ne Auf­schub rea­li­sie­ren. Da­durch mag die Ein­stel­lung der Bevölke­rung weit­hin ge­prägt sein, die ei­ne so­for­ti­ge Verfügbar­keit von An­ge­bo­ten vor­aus­setzt und er­war­tet (so im Er­geb­nis: Sächs­VerfGH, Ur­teil vom 21. Ju­ni 2012 - Vf. 77-II-11 A - NVwZ-RR 2012, 873 <879>).

Ein alltäglich zu be­frie­di­gen­des Er­werbs­in­ter­es­se po­ten­zi­el­ler Kun­den genügt je­doch grundsätz­lich nicht, um Aus­nah­men von dem ver­fas­sungs­un­mit­tel­bar ver­an­ker­ten Schutz der Sonn- und Fei­er­ta­ge zu recht­fer­ti­gen. Er muss nicht al­lein des­halb zurück­ste­hen, weil die Kun­den ih­ren an Sonn- oder Fei­er­ta­gen be­ste­hen­den Be­darf et­wa an DVD-Fil­men zwar an Werk­ta­gen de­cken könn­ten,

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ihn aber nicht an die­sen Ta­gen, son­dern auf­grund ei­nes spon­ta­nen Ent­schlus­ses an Sonn- oder Fei­er­ta­gen de­cken wol­len. Es tritt un­ter Berück­sich­ti­gung des Schut­zes der Ar­beit­neh­mer und der Sonn- und Fei­er­tags­ru­he kein er­heb­li­cher Scha­den im Sin­ne der ge­setz­li­chen Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge ein, wenn Wünsche nach ei­ner be­stimm­ten Frei­zeit­ge­stal­tung nur durch vor­aus­schau­en­de Pla­nung rea­li­siert wer­den können.

cc) Aus den­sel­ben Gründen ist die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen in öffent­li­chen Bi­blio­the­ken nicht er­for­der­lich, um an die­sen Ta­gen be­son­ders her­vor­tre­ten­de Bedürf­nis­se der Bevölke­rung zu be­frie­di­gen. Für wis­sen­schaft­li­che Präsenz­bi­blio­the­ken gilt oh­ne­dies ei­ne Aus­nah­me be­reits auf­grund von § 10 Abs. 1 Nr. 7 Arb­ZG.

3. Die Nor­men­kon­troll­anträge sind fer­ner be­gründet, so­weit § 1 Abs. 1 Nr. 10 Bed­Ge­wV die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen in Lot­to- und To­to­ge­sell­schaf­ten mit der elek­tro­ni­schen Geschäfts­ab­wick­lung zulässt. Auch in­so­weit ist die Ver­ord­nung von der Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG nicht ge­deckt.

Lot­to- und To­to­spie­len mag als Frei­zeit­ak­ti­vität den Sonn- und Fei­er­ta­gen zu­ge­ord­net wer­den können. Die Ent­ge­gen­nah­me von Spiel­schei­nen ist je­doch nicht er­fasst. Ab­wick­lung meint die Ar­bei­ten nach der Er­mitt­lung des Er­geb­nis­ses. Die Ka­bi­netts­vor­la­ge be­gründet die Re­ge­lung da­mit, in der Bevölke­rung be­ste­he ein drin­gen­des In­for­ma­ti­ons­bedürf­nis für die zeit­na­he Aus­wer­tung von Lot­to- und To­to­er­geb­nis­sen. Al­ler­dings ist nicht er­kenn­bar, dass ein Auf­schub der Ab­wick­lung des Spiels, al­so die Mit­tei­lung des Er­geb­nis­ses ein­sch­ließlich ei­ner Ge­winn­quo­te, nicht auch auf die fol­gen­den Werk­ta­ge ver­scho­ben wer­den kann. Auch in­so­weit ist die so­for­ti­ge Be­frie­di­gung des In­for­ma­ti­ons­bedürf­nis­ses nicht in ei­ner Wei­se drin­gend, dass durch sei­nen Auf­schub das Frei­zeit­vergnügen er­heb­li­chen Scha­den nimmt.

4. Die Nor­men­kon­troll­anträge sind be­gründet, so­weit § 1 Abs. 1 Nr. 9 Bed­Ge­wV die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen in Dienst­leis-

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tungs­un­ter­neh­men mit der Ent­ge­gen­nah­me von Auf­trägen, der Aus­kunfts­er­tei­lung und der Be­ra­tung per Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on (Call­cen­tern) zulässt.

a) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs ist die­se Aus­nah­me al­ler­dings nicht schon des­halb von der Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge nicht ge­deckt, weil sie we­gen ih­rer We­sent­lich­keit nur durch den par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­ber hätte ge­trof­fen wer­den dürfen. Mit die­ser Be­gründung ver­letzt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil viel­mehr Bun­des­recht (§ 137 Abs. 1 Vw­GO).

aa) Der Vor­be­halt des Ge­set­zes ver­langt, dass staat­li­ches Han­deln in be­stimm­ten grund­le­gen­den Be­rei­chen durch förm­li­ches Ge­setz le­gi­ti­miert wird. Der Ge­setz­ge­ber ist ver­pflich­tet, al­le we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen selbst zu tref­fen, und darf sie nicht an­de­ren Norm­ge­bern über­las­sen. Im grund­rechts­re­le­van­ten Be­reich be­deu­tet we­sent­lich in der Re­gel „we­sent­lich für die Ver­wirk­li­chung der Grund­rech­te“ (vgl. im Ein­zel­nen: BVerfG, Ur­teil vom 14. Ju­li 1998 - 1 BvR 1640/97 - BVerfGE 98, 218 <251>).

bb) Ge­mes­sen hier­an hat­te nicht der (Bun­des-)Ge­setz­ge­ber selbst zu ent­schei­den, ob für die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen in Call­cen­tern ei­ne Aus­nah­me zu­ge­las­sen wer­den soll. Er durf­te die­se Ent­schei­dung viel­mehr dem Ver­ord­nungs­ge­ber über­las­sen. Was für die Wah­rung des Sonn- und Fei­er­tags­schut­zes und die Schutz­pflich­ten für da­durch kon­kre­ti­sier­te Grund­rech­te we­sent­lich ist, hat der Ge­setz­ge­ber im Ar­beits­zeit­ge­setz ge­re­gelt. Er hat fest­ge­legt, dass das Ver­bot ei­ner Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen die Re­gel ist, ei­ne sol­che Beschäfti­gung nur als Aus­nah­me zu­ge­las­sen wer­den kann. Er hat in § 13 Abs. 1 Arb­ZG fest­ge­legt, wel­che ge­genläufi­gen Be­lan­ge hin­rei­chen­des Ge­wicht ha­ben, um ei­ne Aus­nah­me zu recht­fer­ti­gen, in Nr. 2 Buchst. a die Be­frie­di­gung von tägli­chen oder an Sonn-und Fei­er­ta­gen be­son­ders her­vor­tre­ten­den Bedürf­nis­sen der Bevölke­rung. Er hat hier­zu wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen fest­ge­legt, wel­che die Durch­bre­chung des Sonn- und Fei­er­tags­schut­zes als Aus­nah­me si­chern.

Auf die Zahl der Be­trof­fe­nen al­lein kommt es da­bei nicht an. Maßgeb­lich ist, ob

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schäfti­gung ei­ner großen Zahl von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen ge­recht­fer­tigt er­scheint, und ob die Beschäfti­gung an Sonn- und Fei­er­ta­gen ih­ren Aus­nah­me­cha­rak­ter behält. Die hierfür not­wen­di­gen Vor­ga­ben hat der Ge­setz­ge­ber dem Ver­ord­nungs­ge­ber durch die be­gren­zen­den Vor­aus­set­zun­gen der Ermäch­ti­gung ge­macht.

cc) Un­zu­tref­fend ist die wei­te­re An­nah­me des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs, die Ermäch­ti­gung zu Guns­ten der Lan­des­re­gie­rung las­se nur An­nah­men zu, durch wel­che ei­nem Re­ge­lungs­bedürf­nis re­gio­na­ler Art Rech­nung ge­tra­gen wer­den sol­le.

Zwar enthält die Be­gründung des Ge­setz­ent­wurfs der Bun­des­re­gie­rung zu § 13 Abs. 2 Arb­ZG die Be­mer­kung, ei­ne Lan­des­ver­ord­nung kom­me ins­be­son­de­re dann in Fra­ge, wenn das Re­ge­lungs­bedürf­nis re­gio­na­ler Art sei (BT­Drucks 12/5888 S. 30). Schon die­se Be­mer­kung bringt nicht zum Aus­druck, dass der Bun­des­ge­setz­ge­ber die Ermäch­ti­gung zu Guns­ten der Lan­des­re­gie­run­gen auf Re­ge­lungs­bedürf­nis­se re­gio­na­ler Art hat be­gren­zen wol­len. Erst Recht hat ei­ne sol­che Be­gren­zung im Norm­text kei­nen An­halt ge­fun­den. Der Ge­setz­ge­ber hat in ers­ter Li­nie die Bun­des­re­gie­rung zum Er­lass der Rechts­ver­ord­nung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG ermäch­tigt und die Lan­des­re­gie­run­gen nur, so­weit die Bun­des­re­gie­rung von die­ser Ermäch­ti­gung kei­nen Ge­brauch macht. In die­sem Fall können die Lan­des­re­gie­run­gen „ent­spre­chen­de Be­stim­mun­gen“ er­las­sen. Dar­aus er­gibt sich, dass die Re­ge­lungs­kom­pe­tenz der Lan­des­re­gie­run­gen in­halt­lich nicht ein­ge­schränkt ist, son­dern sie ih­nen in dem­sel­ben Um­fang über­tra­gen wird, wie sie der Bun­des­re­gie­rung zu­steht.

dd) Ei­ne feh­len­de Re­ge­lungs­be­fug­nis des Ver­ord­nungs­ge­bers kann fer­ner nicht dar­aus her­ge­lei­tet wer­den, dass dem Ge­setz­ge­ber - wie der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof meint - bei der Neu­fas­sung des Ar­beits­zeit­ge­set­zes, je­den­falls bei späte­ren Ände­run­gen die­ses Ge­set­zes, be­kannt war, dass Call­cen­ter auch an Sonn- und Fei­er­ta­gen auf un­ter­schied­li­chen - nach Auf­fas­sung des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs: zwei­fel­haf­ten - Grund­la­gen tätig wa­ren. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs trägt die Schluss­fol­ge­rung nicht, wenn der Ge­setz­ge­ber gleich­wohl in den Ka­ta­log des § 10 Arb­ZG kei­ne Aus­nah­me

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zu Guns­ten von Call­cen­tern auf­ge­nom­men ha­be, ha­be er da­mit zu­gleich die Wer­tung ge­trof­fen, in­so­weit über­wie­ge der Sonn­tags­schutz die Be­lan­ge der Be­trie­be und der Bevölke­rung, die ih­re Dienst­leis­tun­gen nach­fra­ge.

Dass der Ge­setz­ge­ber in mögli­cher Kennt­nis der Verhält­nis­se Call­cen­ter nicht mit ei­ner ei­ge­nen ge­setz­li­chen Aus­nah­me be­dacht hat, stellt kein be­red­tes Schwei­gen dar. Der Ge­setz­ge­ber kann von ei­ner ge­setz­li­chen Re­ge­lung al­lein des­halb Ab­stand ge­nom­men ha­ben, weil er die Re­ge­lung die­ses Sach­ver­halts bei­spiels­wei­se we­gen des­sen ge­rin­ge­rer Be­deu­tung dem Ver­ord­nungs­ge­ber über­las­sen woll­te.

b) Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil er­weist sich je­doch aus an­de­ren Gründen im Er­geb­nis als rich­tig (§ 144 Abs. 4 Vw­GO). Die Vor­aus­set­zun­gen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG für die Zu­las­sung ei­ner Aus­nah­me sind nicht erfüllt. Wei­te­re tatsächli­che Fest­stel­lun­gen sind hierfür nicht er­for­der­lich. Der Se­nat kann des­halb in­so­weit in der Sa­che selbst ent­schei­den (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO).

§ 1 Abs. 1 Nr. 9 Bed­Ge­wV er­fasst zum ei­nen Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men, die als Dienst­leis­ter für an­de­re Un­ter­neh­men per Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on Auf­träge ent­ge­gen­neh­men, Auskünf­te er­tei­len und be­ra­ten. Er er­fasst zum an­de­ren Dienst-leis­tungs­un­ter­neh­men, die durch ei­ge­ne Beschäftig­te be­zo­gen auf ih­re ei­ge­nen Dienst­leis­tun­gen sol­che Leis­tun­gen an­bie­ten. In bei­den Fällen ist nicht wei­ter ein­ge­grenzt, in wel­chen Bran­chen oder Tätig­keits­fel­dern die­se Leis­tun­gen sol­len er­bracht wer­den dürfen.

Mit die­sem In­halt ist die Norm mit der Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge nicht ver­ein­bar. Ob die en­gen Vor­aus­set­zun­gen der Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge erfüllt sind, lässt sich an­ge­sichts der Wei­te der Aus­nah­me und der da­mit ein­her­ge­hen­den man­geln­den Vor­aus­seh­bar­keit der er­fass­ten Bran­chen und Tätig­keits­fel­der nicht prüfen. Es ist je­doch aus­ge­schlos­sen, dass der Be­trieb von Call­cen­tern gleichgültig in wel­cher Bran­che oder für wel­che Tätig­keits­fel­der stets er­for­der­lich ist, um tägli­che oder an Sonn- und Fei­er­ta­gen be­son­ders her­vor­tre­ten­de Bedürf­nis­se der Bevölke­rung zu be­frie­di­gen.

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Un­ter den Bran­chen, für die Call­cen­ter tätig sind, sind auch sol­che, bei de­nen ei­ne Aus­nah­me vom Ver­bot der Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn-und Fei­er­ta­gen mit der Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge nicht ver­ein­bar ist. Da­zu gehört na­ment­lich der Ver­sand­han­del, für den ins­be­son­de­re der An­trags­geg­ner auf­grund ei­nes ge­wan­del­ten Ver­brau­cher­ver­hal­tens ein Bedürf­nis der Bevölke­rung an der Ent­ge­gen­nah­me von Auf­trägen, der Aus­kunfts­er­tei­lung und der Be­ra­tung an Sonn- und Fei­er­ta­gen per Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on an­neh­men möch­te. Zwar mag die Muße ei­nes Sonn- und Fei­er­tags ver­mehrt auch da­zu ge­nutzt wer­den, die An­ge­bo­te des Ver­sand­han­dels in Ru­he zu sich­ten und über­leg­te Kauf­ent­schei­dun­gen vor­zu­be­rei­ten. Je­doch ist die Erfüllung ei­nes Er­werbs­wun­sches durch Ab­ga­be ei­nes Auf­trags, ge­ge­be­nen­falls nach vor­he­ri­ger Ein­ho­lung zusätz­li­cher Auskünf­te oder wei­te­rer Be­ra­tung auch an den fol­gen­den Werk­ta­gen oh­ne Wei­te­res möglich. Das Bedürf­nis nach wei­te­ren Auskünf­ten, nach Be­ra­tung oder Er­tei­lung ei­nes Auf­trags muss nicht so­fort be­frie­digt wer­den. Die­se Tätig­kei­ten sind eng der werktägli­chen Geschäftig­keit und den alltägli­chen Er­werbswünschen zu­zu­rech­nen. Ihr Auf­schub ist hin­zu­neh­men; ei­ne er­heb­li­che Ein­buße des Frei­zeit­werts ist mit ihm nicht ver­bun­den.

Al­len­falls für ein­zel­ne Bran­chen mag es vor­stell­bar sein, dass an­ge­sichts ei­nes ge­wan­del­ten Ver­brau­cher­ver­hal­tens oder aus an­de­ren Gründen an Sonn- und Fei­er­ta­gen ein Bedürf­nis nach Ent­ge­gen­nah­me von Auf­trägen, nach Aus­kunfts­er­tei­lung und Be­ra­tung per Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on be­steht, wel­ches auch un­ter Berück­sich­ti­gung des Schut­zes der Ar­beit­neh­mer und der Sonn- und Fei­er­tags­ru­he ei­ne Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern in Call­cen­tern als er­for­der­lich er­schei­nen lässt. Man­gels je­den An­halts­punk­tes im Norm­text ist es den Ge­rich­ten aber ver­wehrt, selbst ei­nen ei­ge­nen Ka­ta­log zulässi­ger Fel­der für ei­ne Betäti­gung von Call­cen­tern an Sonn- und Fei­er­ta­gen auf­zu­stel­len, um die Norm zu­min­dest teil­wei­se auf­recht­zu­er­hal­ten. So­weit über Call­cen­ter Diens­te ab­ge­wi­ckelt wer­den, die an Sonn- und Fei­er­ta­gen er­reich­bar sein müssen, um sonst ein­tre­ten­de er­heb­li­che Schäden an Rechtsgütern zu ver­hin­dern, be­darf es ei­ner über­g­angs­wei­sen Auf­recht­er­hal­tung der Norm nicht. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Arb­ZG dürfen Ar­beit­neh­mer an Sonn- und Fei­er­ta­gen in Not­diens­ten beschäftigt wer­den. Die Vor­schrift ist weit aus­zu­le­gen. Sie er­fasst al­le Dienst­leis-

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tun­gen und Tätig­kei­ten zur Hil­fe­leis­tung, wie Schlüssel­diens­te, Re­pa­ra­tur­not-diens­te und Sperr­an­nah­me­di­ens­te der Ban­ken und Kre­dit­kar­ten­un­ter­neh­men. Dies gilt un­abhängig da­von, ob die­se Diens­te in den Un­ter­neh­men selbst oder über aus­ge­la­ger­te Call­cen­ter er­reich­bar sind.

5. Ob die Nor­men­kon­troll­anträge be­gründet sind, so­weit § 1 Abs. 1 Nr. 4 Bed­Ge­wV die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen in Braue­rei­en, Be­trie­ben zur Her­stel­lung von al­ko­hol­frei­en Ge­tränken oder Schaum­wein so­wie in Be­trie­ben des Großhan­dels zulässt, kann der Se­nat nicht ab­sch­ließend ent­schei­den.

a) In­so­weit ver­letzt der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof aus den dar­ge­leg­ten Gründen mit sei­ner An­nah­me Bun­des­recht, die­se Aus­nah­me sei schon des­halb nicht von der Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge ge­deckt, weil sie we­gen ih­rer We­sent­lich­keit nur
durch den par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­ber hätte ge­trof­fen wer­den dürfen.

b ) Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil er­weist sich nicht schon des­halb aus an­de­ren Gründen im Er­geb­nis als rich­tig, weil - wie die An­trag­stel­ler gel­tend ge­macht ha­ben - die Ver­ord­nung (ins­ge­samt und des­halb auch be­zo­gen auf die­se Re­ge­lung) dem Abwägungs­ge­bot nicht genügt und aus die­sem Grund un­abhängig da­von ungültig ist, ob die Vor­aus­set­zun­gen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG für die in Re­de ste­hen­de Aus­nah­me vor­ge­le­gen ha­ben.

Die Gültig­keit ei­ner un­ter­ge­setz­li­chen Norm kann in der Re­gel nicht aus Mängeln im Abwägungs­vor­gang her­ge­lei­tet wer­den. Der par­la­men­ta­ri­sche Ge­setz­ge­ber lei­tet im Rah­men sei­ner Ver­ord­nungs­ermäch­ti­gung ei­ge­ne Ge­stal­tungs­freiräume an den Ver­ord­nungs­ge­ber wei­ter. Mit der Rechts­set­zung durch Ver­ord­nung sind vor­be­halt­lich ge­setz­li­cher Be­schränkun­gen die Be­wer­tungs­spiel-räume ver­bun­den, die sonst dem par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­ber selbst zu­ste­hen. Ei­ne ver­wal­tungs­ge­richt­li­che Über­prüfung des Abwägungs­vor­gangs des Norm­ge­bers setzt da­her bei un­ter­ge­setz­li­chen Nor­men ei­ne be­son­ders aus­ge­stal­te­te Bin­dung des Norm­ge­bers an ge­setz­lich for­mu­lier­te Abwägungs­di­rek­ti­ven vor­aus, wie sie et­wa im Bau­pla­nungs­recht vor­ge­ge­ben sind. Sind sol­che - wie hier - nicht vor­han­den, kann die Rechts­wid­rig­keit ei­ner Norm mit

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Mängeln im Abwägungs­vor­gang nicht be­gründet wer­den. Ent­schei­dend ist al­lein, ob das Er­geb­nis des Norm­set­zungs­ver­fah­rens den an­zu­le­gen­den recht­li­chen Maßstäben ent­spricht (Ur­teil vom 26. April 2006 - BVerwG 6 C
19.05 - BVerw­GE 125, 384 Rn. 16).

c) Ob das an­ge­foch­te­ne Ur­teil sich des­halb aus an­de­ren Gründen im Er­geb­nis als rich­tig er­weist, weil die Vor­aus­set­zun­gen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG für die Zu­las­sung ei­ner Aus­nah­me nicht erfüllt sind, kann der Se­nat man­gels aus­rei­chen­der tatsäch­li­cher Fest­stel­lun­gen nicht be­ur­tei­len. In­so­weit muss die Sa­che zur wei­te­ren Klärung des Sach­ver­halts an den Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zurück­ver­wie­sen wer­den (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO).

Auf der bis­he­ri­gen Tat­sa­chen­grund­la­ge lässt sich we­der fest­stel­len noch aus­sch­ließen, dass die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen in Braue­rei­en, Be­trie­ben zur Her­stel­lung von al­ko­hol­frei­en Ge­tränken oder Schaum­wein so­wie in Be­trie­ben des Großhan­dels er­for­der­lich ist, um tägli­che oder an die­sen Ta­gen be­son­ders her­vor­tre­ten­de Bedürf­nis­se der Bevölke­rung zu be­frie­di­gen.

aa) Al­ler­dings liegt auf der Hand, dass Ge­tränke nicht erst an Sonn- und Fei­er­ta­gen pro­du­ziert wer­den und zur Verfügung ste­hen, um Bedürf­nis­se der End­ver­brau­cher noch am sel­ben Tag zu be­frie­di­gen. So­weit es um Braue­rei­en und Be­trie­be zur Her­stel­lung von al­ko­hol­frei­en Ge­tränken und Schaum­wein geht, kann nur die Tat­be­stands­va­ri­an­te in Be­tracht kom­men, dass die Beschäfti­gung der Ar­beit­neh­mer (auch) an Sonn- und Fei­er­ta­gen für die Be­frie­di­gung tägli­cher Bedürf­nis­se der Bevölke­rung er­for­der­lich ist. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG ver­langt in die­ser Va­ri­an­te („tägli­cher Be­darf“) nicht, dass durch die Beschäfti­gung an dem Sonn­tag ein Be­darf an dem­sel­ben Sonn­tag be­frie­digt wird.

Da­bei kann un­ter­stellt wer­den, dass ein tägli­ches Bedürf­nis an Braue­rei­er­zeug­nis­sen und al­ko­hol­frei­en Ge­tränken vor­han­den ist. Re­gelmäßig wird al­ler­dings die Be­frie­di­gung die­ses Bedürf­nis­ses kei­ne Pro­duk­ti­on auch an Sonn- und Fei­er­ta­gen er­for­dern, son­dern durch den Aus­s­toß an Ge­tränken an den übri­gen Ta­gen ge­deckt wer­den können. So­weit § 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b

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Bed­Ge­wV ei­ne Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen nur in der Zeit vom 1. April bis zum 31. Ok­to­ber des Jah­res zulässt, darf die Vor­schrift fer­ner nicht da­hin miss­ver­stan­den wer­den, dass in die­ser Zeit durchgängig an je­dem Sonn- und Fei­er­tag die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern zulässig ist. Die In­an­spruch­nah­me die­ser Aus­nah­me steht un­ter dem all­ge­mei­nen Vor­be­halt in § 1 Abs. 1 Bed­Ge­wV, dass die Ar­bei­ten nicht an Werk­ta­gen durch­geführt wer­den können. Dies kann al­len­falls in Spit­zen­zei­ten der Nach­fra­ge zu­tref­fen, al­so ins­be­son­de­re im Som­mer bei länger an­hal­ten­den Hit­ze­pe­ri­oden, wenn et­wa die Pro­duk­ti­on aus den Zei­ten ge­rin­ge­rer Nach­fra­ge und ei­ne in­so­weit mögli­che La­ger­hal­tung nicht mehr aus­reicht, auch den jetzt erhöhten Be­darf zu de­cken, und die Ka­pa­zitäten der Ge­tränke­her­stel­ler aus nach­voll­zieh­ba­ren wirt­schaft­li­chen Gründen nicht auf ei­nen sol­chen Spit­zen­be­darf aus­ge­rich­tet sind. Sie könn­ten des­halb in der­ar­ti­gen Spit­zen­zei­ten auf ei­ne Pro­duk­ti­on rund um die Wo­che an­ge­wie­sen sein, um den dann täglich ge­ge­be­nen erhöhten Be­darf auch (zeit­ver­setzt zur Pro­duk­ti­on) täglich de­cken zu können.

bb) So­weit die Aus­nah­me sich auf Be­trie­be des Großhan­dels be­zieht (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c Bed­Ge­wV), kommt als Grund­la­ge der Re­ge­lung nur die Tat­be­stands­al­ter­na­ti­ve in Be­tracht, dass die Be­lie­fe­rung der Kund­schaft zur Be­frie­di­gung von Bedürf­nis­sen dient, die an Sonn- und Fei­er­ta­gen be­son­ders her­vor­tre­ten.

Für die Be­frie­di­gung der tägli­chen Bedürf­nis­se ist ei­ne Aus­nah­me nicht er­for­der­lich. Außer­halb der Sonn- und Fei­er­ta­ge wer­den die Bedürf­nis­se der Bevölke­rung nach ei­ner Ver­sor­gung mit Ge­tränken in ers­ter Li­nie über Ver­kaufs­stel­len be­frie­digt. Für ih­re Be­lie­fe­rung ist der Großhan­del nicht auf die Sonn- und Fei­er­ta­ge an­ge­wie­sen. Selbst ein größerer Ab­satz von Ge­tränken am Wo­chen-en­de kann durch ei­ne Be­lie­fe­rung am frühen Mon­tag aus­ge­gli­chen wer­den.

An Sonn- und Fei­er­ta­gen tre­ten Bedürf­nis­se der Bevölke­rung an Er­zeug­nis­sen der Braue­rei­en, an al­ko­hol­frei­en (Er­fri­schungs-)Ge­tränken und an Schaum­wein be­son­ders her­vor in Re­stau­rants, Aus­flugs­lo­ka­len und an die­sen Ta­gen geöff­ne­ten Vergnügungsstätten. Re­stau­rants können sich grundsätz­lich an Werk­ta­gen aus­rei­chend ein­de­cken. Die Ermäch­ti­gung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a

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Arb­ZG dient nicht da­zu, Fehl­dis­po­si­tio­nen ein­zel­ner Un­ter­neh­men aus­zu­glei­chen (zu­tref­fend: Ri­char­di/An­nuß, NZA 1999, 953 <956>). Dass ei­ne Be­lie­fe­rung die­ser Kun­den des Großhan­dels an Sonn- und Fei­er­ta­gen über den Aus­gleich von Fehl­dis­po­si­tio­nen hin­aus er­for­der­lich ist, die Bedürf­nis­se der Bevölke­rung dort zu be­frie­di­gen, hat der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof nicht fest­ge­stellt. Auch in­so­weit ist dem Se­nat ei­ne ab­sch­ließen­de Ent­schei­dung nicht möglich.

6. Ob die Nor­men­kon­troll­anträge be­gründet sind, so­weit § 1 Abs. 1 Nr. 5 Bed­Ge­wV die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen in Fa­bri­ken zur Her­stel­lung von Roh- und Spei­se­eis so­wie in Be­trie­ben des Großhan­dels mit die­sen Er­zeug­nis­sen zulässt, kann der Se­nat eben­falls nicht ab­sch­ließend ent­schei­den.

Auch in­so­weit ver­letzt der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof aus den dar­ge­leg­ten Gründen mit sei­ner An­nah­me Bun­des­recht, die­se Aus­nah­me sei schon des­halb nicht von der Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge ge­deckt, weil sie we­gen ih­rer We­sent­lich­keit nur durch den par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­ber hätte ge­trof­fen wer­den dürfen. Ob die Vor­aus­set­zun­gen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG für die Zu­las­sung die­ser Aus­nah­me erfüllt sind und das an­ge­foch­te­ne Ur­teil sich des­halb aus an­de­ren Gründen im Er­geb­nis als rich­tig er­weist, kann der Se­nat man­gels aus­rei­chen­der tatsäch­li­cher Fest­stel­lun­gen nicht ent­schei­den. In­so­weit muss die Sa­che aus den eben­falls be­reits dar­ge­leg­ten Gründen zur wei­te­ren Klärung des Sach­ver­halts an den Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zurück­ver­wie­sen wer­den.

7. Die Nor­men­kon­troll­anträge sind un­be­gründet, so­weit § 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen im Buch­ma­cher­ge­wer­be zur An­nah­me von Wet­ten für Ver­an­stal­tun­gen zulässt. In­so­weit ist die Ver­ord­nung von der Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Arb­ZG ge­deckt.

a) Mit sei­ner ge­gen­tei­li­gen An­nah­me ver­letzt der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Bun­des­recht.

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aa) Ent­ge­gen der Rüge des An­trags­geg­ners lei­det das an­ge­foch­te­ne Ur­teil in­so­weit nicht an ei­nem Ver­fah­rens­feh­ler im Sin­ne des § 138 Nr. 6 Vw­GO. Die Ausführun­gen des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs genügen dem for­ma­len Be­gründungs­er­for­der­nis (zu ihm et­wa: Be­schluss vom 4. De­zem­ber 1998 - BVerwG 8 B 187.98 - Buch­holz 310 § 6 Vw­GO Nr. 1). Es ist er­kenn­bar, mit wel­chen Über­le­gun­gen der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zu sei­ner An­nah­me ge­langt ist, § 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV sei zu un­be­stimmt. Er hat der Be­gründung des Ent­wurfs der Rechts­ver­ord­nung ent­nom­men, der Ver­ord­nungs­ge­ber ha­be mit die­ser Norm ei­ne Aus­nah­me zu Guns­ten der Buch­ma­cher auf Pfer­de­renn­bah­nen für Ren­nen an Sonn- und Fei­er­ta­gen schaf­fen wol­len. Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat dem Wort­laut der Norm ei­ne so ein­ge­schränk­te Aus­nah­me aber nicht ent­neh­men können und des­halb ge­meint, der Ver­ord­nungs­ge­ber ha­be sei­nen Re­ge­lungs­wil­len nicht hin­rei­chend be­stimmt zum Aus­druck ge­bracht. Aus die­sen Über­le­gun­gen mag sich ei­ne Un­be­stimmt­heit der Norm nicht er­ge­ben können. Das be­gründet aber kei­nen for­ma­len Man­gel im Sin­ne des § 138 Nr. 6 Vw­GO.

bb) Bun­des­recht ver­letzt aber die An­nah­me des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs, § 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV sei nicht hin­rei­chend be­stimmt. Die Norm mag aus­le­gungs­bedürf­tig sein, sie ist aber auch aus­le­gungsfähig.

Nach dem Wort­laut des § 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV dürfen Ar­beit­neh­mer im Buch­ma­cher­ge­wer­be nicht schlecht­hin an Sonn- und Fei­er­ta­gen beschäftigt wer­den, son­dern nur zur Ent­ge­gen­nah­me von Wet­ten für Ver­an­stal­tun­gen. Da­bei kann es sich nur um sol­che Ver­an­stal­tun­gen han­deln, die an die­sem Ta­ge statt­fin­den und für die sich des­halb aus an­de­ren Vor­schrif­ten er­ge­ben muss, dass sie an die­sen Ta­gen et­wa aus Gründen der Frei­zeit­ge­stal­tung der Bevölke­rung auch statt­fin­den dürfen (hier­zu: § 10 Abs. 1 Nr. 7 Arb­ZG). Fer­ner er­gibt sich aus der Be­zug­nah­me auf Ver­an­stal­tun­gen zu­gleich, dass die Wet­ten nur an der Stätte der Ver­an­stal­tung ent­ge­gen ge­nom­men wer­den dürfen. Er­fasst wer­den da­mit ins­be­son­de­re Renn­sport­ver­an­stal­tun­gen, et­wa auf Pfer­de­renn­bah­nen.

b) In die­ser Aus­le­gung ist § 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV von der Ermäch­ti­gungs-

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an­stal­tungs­ort han­delt es sich um ei­nen spe­zi­fi­schen Sonn- und Fei­er­tags­be­darf, der als Be­stand­teil des Frei­zeit­er­leb­nis­ses aus der Si­tua­ti­on ge­bo­ren ist und, um nicht den Frei­zeit­ge­nuss ins­ge­samt zu gefähr­den, nur an Ort und Stel­le be­frie­digt wer­den kann (zu­tref­fend: Ri­char­di/An­nuß, a.a.O.).

 

Neu­mann 

Dr. Grau­lich 

Dr. Möller

Hahn 

Prof. Dr. He­cker

 

Be­schluss

 

Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren auf 30 000 € fest­ge­setzt.

 

G r ü n d e :

Die Fest­set­zung des Streit­werts be­ruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Ge­gen­stand des Nor­men­kon­troll­ver­fah­rens wa­ren ins­ge­samt sechs selbständig zu be­ur­tei­len­de Aus­nah­men vom Beschäfti­gungs­ver­bot, die je­weils ei­ge­ne Rechts­nor­men und ei­nen je ei­ge­nen Ver­fah­rens­ge­gen­stand bil­den. Der Se­nat hat für je­de an­ge­grif­fe­ne Rechts­norm den Auf­fang­wert von 5 000 € an­ge­setzt.
Neu­mann 

 

Dr. Grau­lich 

Dr. Möller

Hahn Prof.

Dr. He­cker

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