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BAG, Ur­teil vom 10.11.2016, 2 AZR 543/83

   
Schlagworte: Sozialauswahl, Änderungskündigung, Dominotheorie
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 543/83
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 10.11.2016
   
Leitsätze:

1. Bei der sozialen Auswahl gemäß §1 Abs. 3 Satz 1 KSchG hat der Arbeitgeber zwar keinen Ermessens- wohl aber einen Wertungsspielraum.

2. Wird mehreren Arbeitnehmern aus, dringenden betrieblichen Gründen zur selben Zeit gekündigt, einem vergleichbaren Arbeitnehmer dagegen nicht, der erheblich weniger hart von der Kündigung betroffen wäre, so können sich alle gekündigten Arbeitnehmer auf diesen Auswahlfehler mit Erfolg berufen.

Es bleibt unentschieden, ob der Arbeitgeber den Auswahlfehler nachträglich dadurch korrigieren kann, daß er dem weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer kündigt und dafür einem der gekündigten Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbietet.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bochum, Urteil vom 27.07.1982, 3 Ca 188/82
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 27.04.1983, 14 So 1213/82
   

2 AZR 543/83
14 Sa 1213/82 Hamm

Verkündet am
18. Ok­to­ber 1984 

Bitt­ner,
Amts­in­spek­tor als Ur­kunds­be­am­ter
der Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes!

Ur­teil

In Sa­chen

 

pp.

 

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hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 18. Ok­to­ber 1984 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter Hil­le­brecht, die Rich­ter Triebfürst und Dr. Wel­ler so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Strümper und Dr. Wol­ter

für Recht er­kannt:

1. Auf die Re­vi­si­on der Kläger wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 27. April 1983 - 14 Sa 1213/82 - auf­ge­ho­ben, so­weit es über die Kündi­gungs­schutz­kla­gen der Kläger zu 1), 6), 11), 17), 19), 24), 26), 33), 37), 39), 47), 49), 50), 53), 58), 59), 60), 61), 63), 69) und 75) und hin­sicht­lich die­ser Kläger über die Kos­ten des Rechts­streits ent­schie­den hat.

2. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bo­chum vom 27. Ju­li 1982 - 3 Ca 392/82 - wird auch in­so­weit zurück­ge­wie­sen.

3. Die Be­klag­te trägt die Kos­ten der Re­vi­si­on, wei­te­re 22/70 der im Be­ru­fungs­ver­fah­ren ent­stan­de­nen Ge­richts­kos­ten und die den vor­ge­nann­ten Klägern so­wie dem Kläger zu 3) im Be­ru­fungs­ver­fah­ren ent­stan­de­nen Kos­ten.

V o n Rechts we­gen!

Tat­be­stand:

Die ver­blie­be­nen 21 von ursprüng­lich 86 Klägern und die Be­klag­te strei­ten noch um die Un­wirk­sam­keit der Ände­rung ih­rer Ar­beits­be­din­gun­gen, nach­dem die Kläger das An­ge­bot der Be­klag­ten in der Ände­rungskündi­gung vom 17. Mai 1982 zur Fort­set­zung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses zu geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen un­ter Vor-

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be­halt an­ge­nom­men ha­ben.

Das Un­ter­neh­men der Be­klag­ten be­treibt Stahl- und Walz­wer­ke an ver­schie­de­nen Stand­or­ten. Schwer­punk­te sind die Wer­ke Bo­chum und Duis­burg-Rhein­hau­sen. Das Werk Bo­chum beschäftig­te An­fang 1982 noch et­wa 6.500 Mit­ar­bei­ter. We­gen der im­mer un­be­frie­di­gen­der wer­den­den Erlössi­tua­ti­on für ei­nen großen Teil ih­rer Pro­duk­te und we­gen der un­zu­rei­chen­den Ka­pa­zitätsaus­las­tung be­schloß die Geschäfts­lei­tung der Be­klag­ten im April 1981 ein Struk­tur­an­pas­sungs- und In­ves­ti­ti­ons­pro­gramm, wel­ches den Ab­bau von Ka­pa­zitäten bei den Stahl- und Walz­wer­ken, un­ter an­de­rem auch in dem Werk Bo­chum, vor­sah. Für das Werk Bo­chum war die Stil­le­gung des Sie­mens-Mar­tin-Stahl­wer­kes Höntrup, des Elek­tro-Stahl­werks Gußstahl und ei­nes Elektroo­fens so­wie die Rückführung von drei- auf ein­schich­ti­ge Be­triebs­wei­se an den Block- und Halb­zeug­s­traßen vor­ge­se­hen. Ins­ge­samt soll­ten durch die­se Maßnah­men 1.182 Ar­beitsplätze im Be­reich der Ar­bei­ter weg­fal­len. Die Per­so­nal­re­du­zie­rung soll­te teils durch vor­zei­ti­ges Aus­schei­den älte­rer Mit­ar­bei­ter, teils durch un­ter­neh­mens­in­ter­ne Ver­set­zun­gen er­reicht wer­den. In die­sem Zu­sam­men­hang wur­de zwi­schen der Be­klag­ten und dem Ge­samt­be­triebs­rat des Un­ter­neh­mens am 30. Ju­li 1981 ein So­zi­al­plan ver­ein­bart. Hier­in heißt es:

"...

II.

Per­so­nel­le Maßnah­men
Al­len be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­tern wird nach Möglich­keit ein an­de­rer zu­mut­ba­rer und möglichst gleich­wer­ti­ger Ar­beits­platz an­ge­bo­ten.

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Die sich er­ge­ben­den per­so­nel­len Maßnah­men wer­den in
Gesprächen mit den be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­tern erörtert.
Fol­gen­de Maßnah­men sind vor­ge­se­hen:

1. Ver­set­zun­gen

Die Ver­set­zun­gen er­fol­gen un­ter Berück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen der be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­ter im Ein­ver­neh­men zwi­schen der Un­ter­neh­mens­lei­tung bzw. de­ren Be­auf­trag­ten und dem je­weils zuständi­gen Be­triebs­rat.

2. Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses

3. Um­schu­lungs- und An­lern­maßnah­men

..."

Als so­zia­le Leis­tung bei Ver­set­zun­gen zu an­de­ren Stand­or­ten sah der So­zi­al­plan ei­nen Lohn- und Ge­halts­aus­gleich, ei­nen ein­ma­li­gen Über­nah­me­aus­gleich und ei­ne Um­zugs­kos­ten­entschädi­gung vor.

Bis Mit­te Fe­bru­ar 1982 leg­te die Be­klag­te im Werk Bo­chum das Sie­mens-Mar­tin-Stahl­werk 3 still und führ­te die Wal­zen­s­traße vom Drei-Schicht-Be­trieb auf Ein-Schicht-Be­trieb zurück. Im Zu­ge der Maßnah­men wur­den 90 Mit­ar­bei­ter, dar­un­ter die Kläger, aus dem Werk Bo­chum zum Werk Rhein­hau­sen ver­setzt. Während von den Ent­las­sun­gen über­wie­gend älte­re deut­sche Mit­ar­bei­ter be­trof­fen wa­ren, be­tra­fen die Ver­set­zun­gen zum Werk Rhein­hau­sen aus­sch­ließlich Ausländer, und zwar bis auf ei­ne Aus­nah­me Türken.

Die­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter, die für die Ver­set­zung zum Werk Rhein­hau­sen vor­ge­se­hen wa­ren - dar­un­ter sämt­li­che Kläger -, er­hiel­ten nach vor­he­ri­ger münd­li­cher In­for­ma­ti­on we­ni­ge Ta­ge vor

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dem 16. Fe­bru­ar 1982 ei­ne schrift­li­che Mit­tei­lung, wo­nach sie sich ab dem 16. Fe­bru­ar 1982 zur Ar­beits­leis­tung im Werk Rhein-hau­sen be­reit­zu­hal­ten hätten. Ih­nen wur­de gleich­zei­tig be­kannt ge­ge­ben, daß sie ei­nen Ar­beits­platz im Trans­port­we­sen, im Walz-werk oder im Kran­fahr­dienst er­hiel­ten. Sämt­li­che nach Rhein­hau­sen ver­setz­te Mit­ar­bei­ter, al­so auch die Kläger, können ei­nen werks­ei­ge­nen kos­ten­lo­sen Trans­port­dienst be­nut­zen. Der Bus fährt je­weils 1 1/4 St­un­den vor Schicht­be­ginn am Tor 12 des Wer­kes Bo­chum ab und kehrt 1 bis 1 1/4 St­un­den nach Schich­ten­de zu die­sem Hal­te­punkt zurück.

Mit ih­ren am 19. März und 15. April 1982 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen, vom Ar­beits­ge­richt ver­bun­de­nen Kla­gen (3 Ca 188/82) ha­ben die ursprüng­lich 86 Kläger sich ge­gen die Ver­set­zun­gen ge­wehrt.

Sie ha­ben be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, sie un­ter Auf­he­bung der Ver­set­zung in das Werk Rhein­hau­sen wie­der zu ih­ren vor­he­ri­gen. Ar­beits­be­din­gun­gen im Werk Bo­chum zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­gen ab­zu­wei­sen.

Noch be­vor das Ar­beits­ge­richt Bo­chum in dem Rechts­streit 3 Ca 188/82 über die Ver­set­zungs­maßnah­men vom Fe­bru­ar 1982 ent­schie­den hat­te, sprach die Be­klag­te mit gleich­lau­ten­den Schrei­ben vom 17. Mai 1982 ge­genüber den Klägern Ände­rungskündi­gun­gen aus:

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"...

Ihr Ar­beits­platz ... ist im Zu­ge der Durchführung des Struk­tur­kon­zep­tes fort­ge­fal­len. Wir sind da­her zu un­se­rem Be­dau­ern nicht mehr in der La­ge, das mit Ih­nen be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis fort­zu­set­zen. Wir kündi­gen da­her die­ses Ar­beits­verhält­nis zum 31. De­zem­ber 1982.

Wir bie­ten Ih­nen je­doch die Fort­set­zung Ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses als ... in un­se­rem Werk Rhein-hau­sen an.

Sie er­hal­ten die Leis­tun­gen des So­zi­al­plans (Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 30. Ju­li 1981), die für Ver­set­zun­gen zu an­de­ren Stand­or­ten vor­ge­se­hen sind.

Ihr Ein­verständ­nis mit die­ser Ände­rungskündi­gung wol­len Sie uns bit­te auf der bei­gefügten Zweit­schrift bestäti­gen.
..."

Die Kläger ha­ben durch Schrei­ben ih­rer Anwälte vom 18. Mai 1982 das An­ge­bot auf Wei­ter­beschäfti­gung im Werk Rhein­hau­sen un­ter dem Vor­be­halt des § 2 KSchG an­ge­nom­men. Gleich­zei­tig ha­ben sie die Be­klag­te auf­ge­for­dert, die­je­ni­gen Gründe dar­zu­le­gen, die zur Aus­wahl ge­ra­de der Kläger geführt hätten.

Un­ter dem 7. Ju­ni 1982 ha­ben die Kläger so­dann vor dem Ar­beits­ge­richt Ände­rungs­schutz­kla­ge er­ho­ben (3 Ca 392/82). Sie ha­ben da­bei die ord­nungs­gemäße Be­triebs­rats­anhörung mit Nicht-wis­sen be­strit­ten und be­zwei­felt, daß es für die ih­nen an­ge­son­ne­ne Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se ge­ge­ben ha­be. Erst recht sei kei­ne Aus­wahl nach so­zia­len Ge­sichts­punk­ten er­folgt. Viel­mehr sei of­fen­sicht­lich, daß für die Ver­set­zung nach Rhein­hau­sen ge­zielt ausländi­sche Ar­beit­neh­mer aus­gewählt wor­den sei­en, weil man den deut­schen Kol­le­gen dies nicht ha­be zu­mu­ten wol­len. Es ge­be im Werk Bo­chum zahl­rei­che Ar­beitsplätze, die von Deut­schen be­setzt sei­en, aber

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ge­nau­so gut von je­dem der Kläger be­setzt wer­den könn­ten. So­mit er­ge­be sich das ein­deU­ti­ge Bild ei­ner Ausländer­dis­kri­mi­nie­rung.

Die Kläger ha­ben be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, daß die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen durch die Ände­rungskündi­gung vom 17. Mai 1982 so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist;

2. die Be­klag­te zu ver­pflich­ten, die Kläger zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat vor­ge­tra­gen, daß sie die Ände­rungskündi­gun­gen ein­ge­lei­tet ha­be, nach­dem im Ver­lau­fe des Rechts­streits über die Ver­set­zun­gen von Fe­bru­ar 1982 die Möglich­keit ei­ner di­rek­ten Ver­set­zung zwei­fel­haft ge­wor­den sei. Dem Be­triebs­rat sei da­bei er­neut ei­ne Lis­te des von den Ände­rungskündi­gun­gen be­trof­fe­nen Per­so­nen­krei­ses über­ge­ben wor­den. Die­ser sei dem Be­triebs­rat an-sich schon auf­grund der vor­ge­nom­me­nen Ver­set­zun­gen be­kannt ge­we­sen. Dem Per­so­nal­aus­schuß sei da­bei erläutert wor­den, daß die Be­triebs­be­dingt­heit der Ände­rungskündi­gun­gen und die Aus­wahl der be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­ter eben­so wie bei den Ver­set­zun­gen be­gründet sei. Der Per­so­nal­aus­schuß ha­be nach Be­ra­tung hierüber erklärt, daß er den Ände­rungskündi­gun­gen zu­stim­me. Hier­an an­sch­ließend sei­en dann die streit­be­fan­ge­nen Ände­rungskündi­gun­gen erklärt wor­den.

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Kündi­gun­gen könne nicht ge­zwei­felt wer­den. Denn durch die Rea­li­sie­rung des Struk­tur­kon­zepts 1981 sei­en Ar­beitsplätze im Werk Bo­chum­weg­ge­fal­len. Wenn nun in re­la­tiv stärke­rem Um­fang die ausländi­schen Mit­ar­bei­ter und hier ins­be­son­de­re die Türken von Ver­set­zun­gen be­trof­fen sei­en, so müsse berück­sich­tigt wer­den, daß zunächst fast aus­sch­ließlich älte­re-deut­sche Mit­ar­bei­ter von Ent­las­sun­gen be­trof­fen ge­we­sen sei­en. Im übri­gen ha­be es bei den streit­be­fan­ge­nen Ände­rungskündi­gun­gen nur ei­ne ein­ge­schränk­te so­zia­le Aus­wahl ge­ben können. Denn es ge­he ge­ra­de nicht dar­um, wel­che Ar­beit­neh­mer durch die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses härter und wel­che we­ni­ger hart be­trof­fen würden. Den Klägern droh­ten we­der funk­tio­nell noch ma­te­ri­ell, noch re­gio­nal, noch so­zi­al un­zu­mut­ba­re Nach­tei­le. Denn durch die So­zi­al­plan­leis­tun­gen und den kos­ten­lo­sen Bus­zu­brin­ger­dienst re­du­zier­ten sich die ver­set­zungs­be­ding­ten Nach­tei­le al­lein auf ei­ne Fahrt­zeit­verlänge­rung, die je­doch im Rah­men der Zu­mut­bar­keit lie­ge. Nicht rich­tig sei, daß sie, die Be­klag­te, so­zia­le Aus­wahl­ge­sichts­punk­te be­wußt nicht berück­sich­tigt ha­be. Da­bei wer­de ver­kannt, daß auf­grund des So­zi­al­plans vom 30. Ju­li 1981 nur ei­ne be­schränk­te Grup­pe von Ar­beit­neh­mern, nämlich der un­ter 57-jähri­gen, für Ver­set­zun­gen bzw. Ände­rungskündi­gun­gen über­haupt in die Aus­wahl ha­be ein­be­zo­gen wer­den können. Bei der wei­te­ren Aus­wahl sei dann im we­sent­li­chen auf den Ge­sund­heits­zu­stand der Be­trof­fe­nen Rück­sicht ge­nom­men wor­den. Es dürfe auch nicht über­se­hen wer­den, daß der Be­triebs­rat den Ände­rungskündi­gun­gen aus­drück­lich zu­ge­stimmt ha­be, was schon die Ver­mu­tung be­gründe,daß so­zia­le Ge­sichts­punk­te hin­rei­chend berück­sich­tigt wor­den sei­en.

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Die Be­klag­te hat ei­ne Lis­te al­ler in den ein­zel­nen Be­trie­ben des Wer­kes Bo­chum zum Zeit­punkt der Ände­rungskündi­gun­gen tätig ge­we­se­nen Put­zer, Gru­benmänner, Kranführer, Schmel­zer, Sägenmänner, Richt­ge­hil­fen, Ofenmänner, Ver­la­der, Flämmer, Ma­te­ri­al-war­te/Warm­brett­ar­bei­ter, Le­gie­rungs­war­te und Schlei­fer vor­ge­legt und da­zu aus­geführt, daß auch bei ob­jek­ti­ver Be­trach­tung an der Rich­tig­keit der So­zi­al­aus­wahl nicht ge­deu­telt wer­den könne.

Das Ar­beits­ge­richt hat in dem Rechts­streit we­gen der Ver­set­zun­gen (3 Ca 188/82) den Kla­gen, so­weit sie nicht zurück­ge­nom­men wor­den wa­ren, bis auf ei­ne Aus­nah­me statt­ge­ge­ben, eben-falls in dem Rechts­streit über die Ände­rungs­schutz­kla­ge (3 Ca 392/82) den Fest­stel­lungs­anträgen statt­ge­ge­ben, da­ge­gen die Anträge, die Be­klag­te zu ver­pflich­ten, die Kläger zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen wei­ter­zu­beschäfti­gen, ab­ge­wie­sen. Ge­gen bei­de Ur­tei­le hat die Be­klag­te Be­ru­fung ein­ge­legt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­gen, so­weit sie sich nicht zwi­schen­zeit­lich durch Ver­glei­che oder an­der­wei­tig in der Haupt­sa­che er­le­digt hat­ten, un­ter dem Ak­ten­zei­chen 14 Sa 1213/82 zu ge­mein­sa­mer Ver­hand­lung und Ent­schei­dung ver­bun­den. So­dann hat es in dem Ver­set­zungs­rechts­streit mit den ver­blie­be­nen 35 Klägern die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen. In dem Rechts­streit über die Ände­rungskündi­gun­gen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Be­ru­fung der Be­klag­ten hin­sicht­lich elf Klägern zurück­ge­wie­sen. Im übri­gen hat es auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts ab­geändert und die Kla­gen der Kläger zu 1., 3., 6., 11., 17., 19., 24., 26., 28., 33., 37., 39., 47. 49., 50., 53., 58., 59., 60., 61., 63., 69., 74. und 75. ab­ge­wie­sen.

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Mit der Re­vi­si­on ha­ben zunächst al­le un­ter­le­ge­nen Kläger, mit Aus­nah­me der Kläger zu 28. und 74., ih­ren Ände­rungs­schutz­an­trag wei­ter­ver­folgt. Während des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens ha­ben sieh der Kläger zu 3. und die Be­klag­te außer­ge­richt­lich ge­ei­nigt. Dem­ent­spre­chend ha­ben bei­de Par­tei­en in­so­fern die Haupt­sa­che für er­le­digt erklärt. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.

 

Ent­schei­dungs­gründe:

Die Re­vi­si­on ist be­gründet.

A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat aus­geführt, das Ar­beits­ge­richt ha­be die im Fe­bru­ar 1982 ein­sei­tig vor­ge­nom­me­nen Ver­set­zun­gen zu Recht für un­wirk­sam be­fun­den. Die vor­sorg­lich aus­ge­spro­che­nen Ände­rungskündi­gun­gen sei­en hin­ge­gen in 24 von 35 Fällen nicht zu be­an­stan­den. Sie sei­en nicht als Akt der Ausländer­be­nach­tei­li­gung ge­setz­wid­rig und des­halb nich­tig. Die Be­klag­te und der Be­triebs­rat hätten nämlich die Um­set­zung der Kläger als ei­nen Akt aus­glei­chen­der und so­zia­ler Ge­rech­tig­keit ver­stan­den wis­sen wol­len, da in der Ver­gan­gen­heit ge­ra­de die älte­ren deut­schen Ar­bei­ter die Haupt­last der Struk­tur­an­pas­sungs­maßnah­men ge­tra­gen hätten, in­dem sie vor­zei­tig hätten aus­schei­den müssen. Die nun­mehr zur Ver­mei­dung von Kündi­gun­gen vor­ge­nom­me­nen Um­set­zun­gen beträfen da­her' be­vor­zugt die re­gelmäßig viel jünge­ren und noch nicht so lan­ge beschäftig­ten ausländi­schen Mit­ar­bei­ter und hier als weit­aus größte Grup­pe die türki­schen Ar­beit­neh­mer.

Bei der zu tref­fen­den So­zi­al­aus­wahl sei es we­der zulässt,

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ei­ne Un­ter­schei­dung nach Na­tio­na­litäten zu tref­fen, noch aus-schließlich be­trieb­li­che Ge­sichts­punk­te bei der Ent­schei­dung zu berück­sich­ti­gen. Viel­mehr sei zu fra­gen, wel­che Ar­beit­neh­mer von den veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen am härtes­ten be­trof­fen würden. Da­bei fal­le ent­schei­dend ins Ge­wicht, daß es vor­lie­gend nicht um die Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen ge­he, son­dern der ein­zi­ge ins Ge­wicht fal­len­de Nach­teil der Ände­rungskündi­gun­gen in ei­ner Verlänge­rung der tägli­chen An- und Rück­fahrt­zeit be­ste­he. Da­durch, daß die Be­klag­te ei­nen kos­ten­lo­sen Zu­brin­ger­dienst ein­ge­rich­tet ha­be, wer­de der Nach­teil des größeren Zeit­auf­wan­des nicht ge­mil­dert. Den Be­trof­fe­nen entstünden le­dig­lich klei­ne ma­te­ri­el­le Nach­tei­le. Ein teil­wei­ser Nach­teils­aus­gleich wer­de je­doch durch den im So­zi­al­plan vom 30. Ju­li 1981 vor­ge­se­he­nen über­nah­me­aus­gleich er­reicht. Da­durch würden die nach­tei­li­gen Aus­wir­kun­gen so er­heb­lich ni­vel­liert, daß die Be­klag­te le­dig­lich ver­pflich­tet ge­we­sen sei, bei der So­zi­al­aus­wahl die­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter be­son­ders zu berück­sich­ti­gen, die in weit über­durch­schnitt­li­chem Maße von den ge­plan­ten Ver­set­zun­gen nach­tei­lig be­trof­fen ge­we­sen sei­en. Da be­reits der So­zi­al­plan ei­ne Staf­fe­lung des Über­nah­me­aus­gleichs nach der Be­triebs­zu­gehörig­keit vor­ge­se­hen ha­be, könne die Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit nicht auch noch ein ins Ge­wicht fal­len­der Ge­sichts­punkt für die Aus­wah­l­ent­schei­dung sein. Die Be­klag­te müsse da­her die­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter von den Ver­set­zun­gen aus­neh­men, die be­reits we­gen ih­res Al­ters und ih­rer zusätz­li­chen An­fahrts­zeit zum Werks­tor in Bo­chum be­son­ders be­trof­fen sei­en. Älte­ren Ar­beit­neh­mern ma­che ei­ne er­heb­lich länge­re An­fahrts­zeit mehr zu schaf­fen als jünge­ren Mit­ar­bei­tern. Die­je­ni­gen, die be­reits ei­nen länge­ren Weg zur Bus­hal­te­stel­le am

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Werks­tor hätten; sei­en weit härter be­trof­fen, als die­je­ni­gen, die in un­mit­tel­ba­rer Nähe der Bus­hal­te­stel­le woh­nen würden- Auf die fa­mi­liären Verhält­nis­se der Kläger und die teil­wei­se recht ho­he Kin­der­zahl ha­be die Be­klag­te nicht Rück­sicht neh­men müssen. Die et­was länge­re Tren­nung von der Fa­mi­lie sei bei ei­nem Kind nicht we­sent­lich nach­tei­li­ger als bei fünf Kin­dern. Un­ter die älte­ren scho­nungs­bedürf­ti­gen Mit­ar­bei­ter sei­en die­je­ni­gen zu zählen, die zum Zeit­punkt der Kündi­gung das 45. Le­bens­jahr be­reits über­schrit­ten hätten, fer­ner die Kläger zu 15. und zu 56., die 17 bzw. 13 km vom Werk Bo­chum ent­fernt wohn­ten. Außer­dem sei der Kläger zu 20. be­son­ders schutz­bedürf­tig, da er be­reits über zehn Jah­re im Werk der Be­klag­ten beschäftigt ge­we­sen, et­wa sechs km ent­fernt woh­ne und zur Zeit der Kündi­gung 39 Jah­re alt ge­we­sen, sei. Im übri­gen kom­me es bei ei­ner Mas­senände­rungskündi­gung, wel­che durch den So­zi­al­plan vom 30. Ju­li 1981 und durch den von der Be­klag­ten ein­ge­rich­te­ten Bus­dienst in ih­ren Aus­wir­kun­gen für die Be­trof­fe­nen weit­ge­hend ge­mil­dert wor­den sei, nicht dar­auf:an, wie bei Be­en­di­gungskündi­gun­gen die So­zi­al­da­ten al­ler ver­gleich,-ba­ren Ar­beit­neh­mer "pe­ni­bel ge­gen­ein­an­der ab­zuwägen": Viel­mehr ha­be, die Be­klag­te ei­nen weit­ge­hen­den Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ge­habt; der al­ler­dings da­durch ein­ge­schränkt ge­we­sen sei, daß die be­son­ders schütz­bedürf­ti­gen Mit­ar­bei­ter, dar­un­ter die oben er- wähn­ten Kläger, von den Ver­set­zungs­an­ge­bo­ten hätten ver­schont blei­ben müssen.

B. Den Ausführun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts kann we­der im Er­geb­nis noch in al­len Tei­len der Be­gründung ge­folgt wer­den.

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I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat fest­ge­stellt, daß in­fol­ge der Stil­le­gung des Sie­mens-Mar­tin-Stahl­werks SM 3 und durch die Rückführung der Block­walz­s­traße von Drei- auf Ein-Schicht-Be­trieb zum 15. Fe­bru­ar 1982 bis En­de Ju­ni 1982 et­wa 750 Ar­beitsplätze im Werk Bo­chum der Be­klag­ten weg­ge­fal­len sind. Hier­von sei­en auch die Kläger be­trof­fen ge­we­sen, da sie nicht für ei­nen be­stimm­ten Ar­beits­platz ein­ge­stellt ge­we­sen sei­en, son­dern die Be­klag­te sich ei­ne um­fas­sen­de be­triebs­in­ter­ne Um­set­zungsmöglich­keit aus­be­dun­gen ha­be. Nur ein ge­rin­ger Teil der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ha­be in­ner­be­trieb­lich auf an­de­ren Ar­beitsplätzen wei­ter­beschäftigt wer­den können. Ge­gen die­se Fest­stel­lung hat die Re­vi­si­on Ver­fah­rensrügen nicht er­ho­ben, so daß der Se­nat an die­se Fest­stel­lung gemäß § 561 Abs. 2 ZPO ge­bun­den ist.

Es ist re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den, wenn das Lan­des­ar­beits­ge­richt aus sei­nen Fest­stel­lun­gen fol­gert, die Ände­rungskündi­gun­gen sei­en gemäß § 1 Abs. 2, § 2 Satz 2 KSchG durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se be­dingt. Die Stil­le­gung der Stahl­pro­duk­ti­on im Sie­mens-Mar­tin-Stahl­werk und de­ren Ein­schränkung in der Block­walz­s­traße im Werk Bo­chum der Be­klag­ten sind un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dun­gen, die von den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen nicht auf ih­re Zweckmäßig­keit über­prüft wer­den können, son­dern nur dar­auf, ob sie of­fen­bar un­sach­lich, un­vernünf­tig oder willkürlich sind (vgl. zu­letzt BAG Ur­teil vom 24. März 1983 - 2 AZR 21/82 - BAG 42, 151 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung, un­ter B II 1 der Gründe, mit in­so­weit zust. Anm. von Mei­sel; vgl. auch KR-Be­cker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 294 und Hu­eck, KSchG, 10. Aufl., § 1

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Rz 104 a, m.w.N.).

Bei ei­ner be­triebs­be­ding­ten Ände­rungskündi­gung ist das Ände­rungs­an­ge­bot des Ar­beit­ge­bers dar­an zu mes­sen, ob drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se gemäß § 1 Abs. 2 KSchG das Ände­rungs­an­ge­bot be­din­gen und ob der Ar­beit­ge­ber sich bei ei­nem an sich an­er­ken­nens­wer­ten An­laß zur Ände­rungskündi­gung dar­auf be­schränkt hat, nur sol­che Ände­run­gen vor­zu­schla­gen, die der. Ar­beit­neh­mer bil­li­ger­wei­se hin­neh­men muß (vgl. statt vie­ler BAG, Ur­teil vom 3. No­vem­ber 1977 - 2 AZR 277/76 - AP Nr. 1 zu § 75 BPers­VG, un­ter IV .1 der Gründe; Hu­eck, aa0, § 2 Rz 23; Her­schel/ Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 2 Rz 32 - 33).

1. Von die­sem Prüfungs­maßstab bei ei­ner Ände­rungskündi­gung aus­ge­hend hat das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend an­ge­nom­men, die Be­klag­te sei auf­grund der Stil­le­gung der Stahl­pro­duk­ti­on im Sie­mens-Mar­tin-Stahl­werk und de­ren. Ein­schränkung in der Block­walz­s­traße im Werk Bo­chum außer­stan­de ge­we­sen, 90 Ar­bei­ter im. Be­trieb Bo­chum wei­ter­zu­beschäfti­gen (ins­ge­samt ent­fie­len 1.182 Ar­beitsplätze von Ar­bei­tern). Da­durch, daß die Be­klag­te so­weit wie möglich von Be­en­di­gungskündi­gun­gen ab­ge­se­hen und dafür Ände­rungskündi­gun­gen aus­ge­spro­chen hat, hat sie dem das Kündi­gungs­schutz­recht be­herr­schen­den Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit ent­spro­chen.

2. Die Ände­rungskündi­gun­gen, mit de­nen ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung in ei­nem an­de­ren Be­trieb, dem Werk Rhein­hau­sen, er­reicht wer­den soll­te, war we­gen des Weg­falls der Ar­beitsplätze im Werk

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Bo­chum und dem Feh­len an­de­rer frei­er Ar­beitsplätze im Be­trieb Bo­chum an sich auch sach­lich ge­recht­fer­tigt. Die geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen wa­ren für die Kläger auch zu­mut­bar, denn an den ma­te­ri­el­len Ar­beits­be­din­gun­gen änder­te, sich nichts. Die um ca. zwei St­un­den verlänger­te Fahr­zeit zur Ar­beits­stel­le und von dort wie­der nach Hau­se war die ein­zi­ge Ver­schlech­te­rung für die Kläger. Die­se Be­las­tung ist durch ei­nen fi­nan­zi­el­len Über­nah­me-ausgle1ch, der sich an der Be­triebs­zu­gehörig­keit ori­en­tier­te, im So­zi­al­plan noch ge­mil­dert wor­den.

II. Nicht ge­folgt wer­den kann aber den Ausführun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts zur so­zia­len Aus­wahl.

1. Zwar un­ter­lie­gen die Ausführun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts zu der Fra­ge, ob die Kündi­gung rechts­un­wirk­sam ist, weil die Be­klag­te bei der Aus­wahl der zu ent­las­sen­den Ar­beit­neh­mer so­zia­le Ge­sichts­punk­te nicht aus­rei­chend berück­sich­tigt hat nur ei­ner be­schränk­ten re­vi­si­ons­recht­li­chen Nach­prüfung, weil der Be­griff der aus­rei­chen­den Berück­sich­ti­gung so­zia­ler Ge­sichts­punk­te eben­so wie der der So­zi­al­wid­rig­keit ein un­be­stimm­ter Rechts­be­griff ist (vgl. zu­letzt BAG 42, 151, 159 = AP Nr. 12 zu 5 1 KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung). Selbst un­ter Berück­sich­ti­gung die­ses ein­ge­schränk­ten re­vi­si­ons­recht­li­chen Prüfungs­maßstabs kann das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts aber kei­nen Be­stand ha­ben.

2. Wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt zunächst zu­tref­fend be­tont hat, gilt das Ge­bot der aus­rei­chen­den so­zia­len Aus­wahl für den Ar­beit­ge­ber nicht nur bei Be­en­di­gungs-, son­dern auch bei Ände-

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ungskündi­gun­gen, Das er­gibt sich oh­ne wei­te­ren be­reits aus der aus­drück­li­chen Ver­wei­sung in § 2 Satz 1 KSchG, der im Klam­mer­zu­satz auch auf § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG Be­zug nimmt (eben­so Her­schel/Löwisch, aa0, § 2 Rz 42; KR-Rost, 2. Aufl., § 2 KSchG Rz 103; Ur­teil des er­ken­nen­den Se­na­tes vom 7. Au­gust 1979 - 2 AZR 575/77 - nicht veröffent­licht; LAG Ba­den- Würt­tem­berg, DB 1959, 1171). Die ge­gen­tei­li­ge Auf­fas­sung des LAG Düssel­dorf (Ur­teil vom 21. Ja­nu­ar 1983, BB 1983, 1730) wi­der­spricht der ein­deu­ti­gen ge­setz­li­chen Re­ge­lung.

Un­zu­tref­fend ist je­doch die wei­te­re An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, bei Mas­senände­rungskündi­gun­gen sei­en, an­ders als bei Be­en­di­gungskündi­gun­gen, nicht die So­zi­al­da­ten al­ler ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer "pe­ni­bel" ge­gen­ein­an­der ab­zuwägen. Die Be­klag­te ha­be viel­mehr ei­nen weit­ge­hen­den Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ge­habt, der nur da­durch ein­ge­schränkt ge­we­sen sei, daß die be­son­ders schutz­bedürf­ti­gen Mit­ar­bei­ter ver­schont blei­ben mußten. Wie sich aus der Be­gründung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils er­gibt, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die­sen "weit­ge­hen­den Be­ur­tei­lungs­spiel­raum" des Ar­beit­ge­bers nicht mit den. Be­son­der­hei­ten von Mas­senkündi­gun­gen (vgl. da­zu Preis, DB 1984, 2244, 2248) zu be­gründen ver­sucht, son­dern auf den Un­ter­schied zwi­schen ei­ner Ände­rungs- und ei­ner Be­en­di­gungskündi­gung ab­ge­stellt. Das ist nur im Aus­gangs­punkt rich­tig; recht­fer­tigt aber nicht die dar­aus ge­zo­ge­nen zu weit­ge­hen­den Fol­ge­run­gen. An­ders als bei der Be­en­di­gungskündi­gung ist die so­zia­le Aus­wahl al­ler­dings nicht an der Prüfung aus­zu­rich­ten, wel­cher von meh­re­ren ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mern durch den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes re­la­tiv am we­nigs­ten hart ge­trof-

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fen wird. Da es bei der or­dent­li­chen Ände­rungskündi­gung, un­abhängig da­von, ob sie vom Ar­beit­neh­mer un­ter Vor­be­halt an­ge­nom­men wird oder nicht, um die so­zia­le Recht­fer­ti­gung des Ände­rungs­an­ge­bo­tes geht, ist auch bei der so­zia­len Aus­wahl auf die Aus­wir­kung der vor­ge­schla­ge­nen Ver­tragsände­rung auf den so­zia­len Sta­tus der ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer ab­zu­stel­len. Es ist in­so­weit zu prüfen, ob der Ar­beit­ge­ber, statt die Ar­beits­be­din­gun­gen des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers zu verändern, die­se Ände­rung ei­nem an­de­ren ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer hätte an­bie­ten können, dem das in so­zia­ler Hin­sicht eher zu­mut­bar ist (Her­schel/Löwisch, aa0). Die Er­mitt­lung, wo­durch der In­halts­schutz durch die Ände­rungskündi­gung be­ein­träch­tigt wird und wie sich das auf be­trof­fe­ne und an­de­re ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer aus­wirkt, setzt da­mit zwar an­de­re, aber nicht we­ni­ger "pe­ni­ble" Abwägun­gen vor­aus. Auch der Wer­tungs­spiel­raum des Ar­beit­ge­bers im Rah­men der so­zia­len Aus­wahl (vgl. da­zu un­ter II 4 a der Gründe) ist bei ei­ner Ände­rungs­ge­genüber der Be­en­di­gungskündi­gung nicht wei­ter­ge­hend, son­dern nur auf an­de­re Kri­te­ri­en als den des Ver­lus­tes des Ar­beits­plat­zes zu er­stre­cken. Wie die ein­ge­hen­den Ausführun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts zu den Nach­tei­len der Ver­set­zung für die gekündig­ten Ar­beit­neh­mer zei­gen, be­ruht das an­ge­foch­te­ne Ur­teil letzt­lich auch nicht auf den dar­in for­mu­lier­ten abs­trak­ten Rechtssätzen. Das Be­ru­fungs­ge­richt ist viel­mehr im Er­geb­nis selbst zu­tref­fend von der Not­wen­dig­keit ei­ner dif­fe­ren­zier­ten Abwägung der so­zia­len Ge­sichts­punk­te auch bei Ände­rungskündi­gun­gen aus­ge­gan­gen.

3. Die Bil­li­gung der so­zia­len Aus­wahl durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt hin­sicht­lich der Re­vi­si­onskläger be­ruht sach­lich

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des­we­gen auch nicht dar­auf, daß es der Be­klag­ten ei­nen zu weit­ge­hen­den Wer­tungs­spiel­raum ein­geräumt hat. Wie die Re­vi­si­on durch­grei­fend rügt, liegt der Rechts­feh­ler viel­mehr dar­in, daß das Be­ru­fungs­ge­richt den Vor­trag der Kläger, mit de­nen die­se die feh­ler­haf­te So­zi­al­aus­wahl be­gründet ha­ben, nicht vollständig be­han­delt und gewürdigt hat.

a) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat bei der Über­prüfung der so­zia­len Aus­wahl durch die Be­klag­te dar­auf ab­ge­stellt, vor­lie­gend wirk­ten sich die 'Ände­rungskündi­gun­gen nur durch die Ein­buße an Frei­zeit und die mit den Bus­fahr­ten ver­bun­de­nen zusätz­li­chen Be­las­tun­gen aus. Die­se sei­en ins­be­son­de­re von dem Le­bens­al­ter und dem Zeit­auf­wand abhängig. Es hat des­we­gen die über 45 Jah­re al­ten Ar­beit­neh­mer und die­je­ni­gen als am schutz­bedürf­tigs­ten an­ge­se­hen, die die längs­te An­fahrt zum Bus­hal­te­platz hat­ten. Die nach, die­sem Maßstab an­stel­le von elf Klägern zu kündi­gen­den Ar­beit­neh­mer hat das Be­ru­fungs­ge­richt den von der Be­klag­ten über­reich­ten Lis­ten ent­nom­men, auf­grund de­rer die­se zu be­le­gen ver­such­te, die aus­gewähl­ten Kläger sei­en nach der so­ge­nann­ten "Ham­mer Ta­bel­le" am we­nigs­ten schutz­bedürf­tig. Da­bei ha­ben die Kläger sich ins­ge­samt nur auf drei be­stimm­te an­de­re so­zi­al schwäche­re Ar­beit­neh­mer, nämlich die Ar­bei­ter P M und S be­ru­fen, die nach der von der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten Lis­te nach der Ham­mer Ta­bel­le kei­nen ein­zi­gen So­zi­al­punkt hat­ten.

b) Das Be­ru­fungs­ge­richt hätte sich bei der Kon­trol­le der So­zi­al­aus­wahl der Ände­rungskündi­gun­gen dem­gemäß dar­auf be­schränken müssen zu über­prüfen, ob die drei von den Klägern, be­nann­ten Ar-

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beit­neh­mer so­zi­al stärker wa­ren als sie und ob sich ge­ge­be­nen-falls dar­aus die Un­wirk­sam­keit drei­er oder al­ler Kündi­gun­gen er­gab. Der Se­nat hat nämlich ei­ne oh­ne ei­nen ent­spre­chen­den Vor­trag des Ar­beit­neh­mers er­fol­gen­de ge­richt­li­che Kon­trol­le der So­zi­al­da­ten der ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer be­reits in dem Grund­satz­ur­teil vom 24. März 1983 (BAG 42, 151 ff.) u.a. als ei­ne Ver­let­zung des Bei­brin­gungs­grund­sat­zes und des § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG ge­wer­tet. Wie von Du­den­bos­tel (AuR 1984, 298) kürz­lich nach­ge­wie­sen wor­den ist, hat der Se­nat in je­ner Ent­schei­dung zwar die Be­deu­tung des Ver­hand­lungs­grund­sat­zes wohl überschätzt. Rich­tig ist, daß das Ge­richt grundsätz­lich al­le Umstände zu berück­sich­ti­gen hat, die Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­wor­den sind, gleichgültig, ob sie von der dar­le­gungs­pflich­ti­gen Par­tei vor­ge­tra­gen wor­den sind oder nicht. Der Se­nat hält aus. die­sem Grun­de sei­ne Be­gründung nicht auf­recht, in ei­nem sol­chen Fal­le sei auch der Bei­brin­gungs­grund­satz ver­letzt. Da­ge­gen bestätigt der Se­nat sei­ne Auf­fas­sung, mit ei­ner Über­prüfung der, So­zi­al­da­ten "von Amts we­gen" wer­de ge­gen § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG ver­s­toßen (BAG vom 24. März 1984, aa0, zu B III 2 c der Gründe). We­gen der dem Ar­beit­neh­mer in Ab­wei­chung von der übri­gen Sys­te­ma­tik des § 1 KSchG aus­drück­lich zu­ge­wie­se­nen Be­weis- und da­mit auch Dar­le­gungs­last für die Tat­sa­chen, aus de­nen sich ei­ne nicht aus­rei­chen­de so­zia­le Aus­wahl er­ge­ben soll, ist von ihm zu ver­lan­gen, daß er un­ter An­ga­be der Gründe den Ar­beit­neh­mer be­nennt, dem an sei­ner Stel­le hätte gekündigt wer­den müssen. Ei­ne Aus­wahl "von Amts we­gen" durch das Ge­richt könn­te zu dem Er­geb­nis führen, daß die Aus­wahl ge­ra­de auf den Ar­beit­neh­mer fällt, den der Kläger un­ter kei­nen Umständen ver­drängen woll­te.

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4. Wäre das Be­ru­fungs­ge­richt bei Über­prüfung der So­zi­al­aus­wahl auf den Vor­trag der Kläger ein­ge­gan­gen, drei von der Kündi­gung ver­schon­te Ar­bei­ter wären von der Kündi­gung er­heb­lich we­ni­ger hart be­trof­fen ge­we­sen, hätte es zu dem Er­geb­nis kom­men müssen, daß nicht nur elf, son­dern al­le Ände­rungskündi­gun­gen we­gen nicht aus­rei­chen­der so­zia­ler Aus­wahl so­zi­al­wid­rig sind. Dem­ent­spre­chend hat­te der Se­nat auf die Re­vi­si­on der ver­blie­be­nen 21 Kläger das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts auf­zu­he­ben und die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts auch in­so­weit zurück­zu­wei­sen.

a) In der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung ha­ben die Re­vi­si­onskläger gel­tend ge­macht, die drei Ar­bei­ter P , M und S wären un­strei­tig we­ni­ger hart von der Kündi­gung be­trof­fen wor­den als sie, weil die­se nach der von der Be­klag­ten bei der Aus­wahl zu­grun­de ge­leg­ten Ham­mer Ta­bel­le kei­nen So­zi­al­punkt auf­wie­sen. Dem ist die Be­klag­te nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten. Ab­ge­se­hen da­von ist die so­zia­le Schutz­bedürf­tig­keit der drei nicht gekündig­ten Ar­beit­neh­mer tatsächlich er­heb­lich ge­rin­ger als die der Kläger. Die Be­klag­te hat die so­zia­le Aus­wahl auf der Grund­la­ge der so­ge­nann­ten "Ham­mer Ta­bel­le" vor­ge­nom­men. Der Se­nat hat zwar im Ur­teil vom 24. März 1983 (aa0) die Über­prüfung der so­zia­len Aus­wahl an­hand ei­nes Punk­te­sche­mas wie der "Ham­mer Ta­bel­le" durch das Ge­richt für un­zulässig erklärt. Ein ent­schei­den­der Ge­sichts­punkt dafür war, daß mit Hil­fe des ge­richt­li­chen Punk­te­sche­mas die Wer­tung des Ar­beit­ge­bers durch die des Ge­richts er­setzt wur­de, un­abhängig da­von, ob die Wer­tung des Ar­beit­ge­bers den An­for­de­run­gen des § 1 Abs. 3 KSchG genügte oder nicht. Der Ar­beit­ge­ber muß nämlich

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nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG so­zia­le Ge­sichts­punk­te nur aus­rei­chend berück­sich­ti­gen und er kann die­ser Ver­pflich­tung man­gels ei­nes all­ge­mein gülti­gen Be­wer­tungs­maßstabs auch ge­recht wer­den, wenn sei­ne Wer­tung nicht der ei­ner ge­richt­li­chen Punk­te­ta­bel­le ent­spricht.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat stets be­tont, der Ar­beit­ge­ber ha­be bei der so­zia­len Aus­wahl kei­nen Er­mes­sens­spiel­raum. Dar­an wird fest­ge­hal­ten, denn ein Er­mes­sens­spiel­raum kann hier be­reits norm­lo­gisch nicht in Be­tracht kom­men, da es bei der so­zia­len Aus­wahl nicht um Rechts­fol­ge­fra­gen bzw. ein ein­sei­ti­ges Be­stim­mungs­recht des Ar­beit­ge­bers geht, son­dern um ein Tat­be­stands­merk­mal für die so­zi­al un­ge­recht­fer­tig­te Kündi­gung (vgl. da­zu näher Koh­te, AuR 1984, 263, 271). Wenn das Bun­des­ar­beits­ge­richt an­de­rer­seits in ständi­ger Recht­spre­chung ge­ringfügi­ge Un­ter­schie­de in der so­zia­len Schutz­bedürf­tig­keit für recht­lich un­be­acht­lich ge­hal­ten hat (vgl. statt vie­ler BAG 16, 149 = AP Nr. 15 zu § 1 KSchG Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung), dann des­halb, weil der Ar­beit­ge­ber nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG so­zia­le Ge­sichts­punk­te nur "aus­rei­chend" berück­sich­ti­gen muß. Der Se­nat hat darüber hin­aus be­reits im Ur­teil vom 24. März 1983 (aa0) her­vor­ge­ho­ben, daß es kei­nen all­ge­mein ver­bind­li­chen Be­wer­tungs­maßstab dafür gibt, wie die ein­zel­nen So­zi­al­da­ten zu­ein­an­der ins Verhält­nis zu set­zen sind. Dem ent­spricht ein ge­wis­ser Be­wer­tungs­spiel­raum des Ar­beit­ge­bers. Sei­ne äußers­ten Gren­zen er­ge­ben sich zum ei­nen aus der Wer­tung des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes selbst: § 10 KSchG läßt sich ent­neh­men, daß der Ge­setz­ge­ber für die recht­lich re­le­van­te Schutz­bedürf­tig­keit der Be­triebs­zu­gehö-

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rig­keit und dem Le­bens­al­ter Prio­rität einräumt, und zwar der Be­triebs­zu­gehörig­keit noch vor dem Le­bens­al­ter. Dem­gemäß hat der Ar­beit­ge­ber bei der so­zia­len Aus­wahl zunächst die Be­triebs­zu­gehörig­keit und dann das Le­bens­al­ter zu berück­sich­ti­gen. Darüber hin­aus be­steht ein Min­dest­kon­sens darüber, daß die Un­ter­halts­ver­pflich­tun­gen bei der Aus­wahl Berück­sich­ti­gung fin­den müssen.

Die­sen Wer­tungs­spiel­raum näher zu kon­kre­ti­sie­ren, gibt der vor­lie­gen­de Fall noch kei­nen An­laß, weil die drei be­nann­ten un­gekündig­ten Ar­beit­neh­mer von der Kündi­gung er­heb­lich we­ni­ger be­trof­fen wären als die Kläger. Die Be­klag­te hat der Vor­aus­wahl die "Ham­mer Ta­bel­le" zu­grun­de ge­legt. Dies ist recht­lich un­be­denk­lich, wenn dar­auf­hin - wie vor­lie­gend - noch ei­ne ab­sch­ließen­de, die be­son­de­ren Umstände des Ein­zel­falls berück­sich­ti­gen­de Schlußwer­tung durch den Ar­beit­ge­ber statt­fin­det. In der "Ham­mer Ta­bel­le" fin­den fünf Aus­wahl­kri­te­ri­en, dar­un­ter die Grund­da­ten Le­bens­al­ter, Be­triebs­zu­gehörig­keit und un­ter­halts­be­rech­tig­te Kin­der, Berück­sich­ti­gung. Die drei von den Klägern be­nann­ten un­gekündig­ten Ar­beit­neh­mer ha­ben nach der ei­ge­nen Wer­tung der Be­klag­ten kei­nen So­zi­al­punkt. Da­ge­gen ha­ben die Kläger in je­dem Fal­le be­reits zu­min­dest fünf So­zi­al­punk­te, weil sie zu­min­dest für ein Kind zu sor­gen ha­ben. Ge­ra­de die fa­mi­liären Verhält­nis­se sind aber in­so­weit für die Fra­ge von Be­deu­tung, wel­che Ar­beit­neh­mer die Aus­wir­kun­gen der Ver­set­zung am spür-bars­ten ge­trof­fen hat.

b) Der Se­nat folgt der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on, daß dann, wenn auch nur ein ver­gleich­ba­rer so­zi­al stärke­rer Ar­beit­neh­mer von der

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be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung aus­ge­nom­men wor­den ist, oh­ne daß die Vor­aus­set­zun­gen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG vor­lie­gen, sich be­lie­big vie­le so­zi­al schwäche­re zur glei­chen Zeit gekündig­te Ar­beit­neh­mer auf die feh­ler­haf­te so­zia­le Aus­wahl be­ru­fen können. Dies folgt aus der in­di­vi­du­al­recht­li­chen Kon­zep­ti­on des all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schut­zes.

c) In veröffent­lich­ten Ent­schei­dun­gen der Ge­rich­te ist die­se Fra­ge noch nicht be­han­delt wor­den. Im Schrift­tum hat erst­mals Hu­eck (KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 127 a) auf die­ses Pro­blem auf­merk­sam ge­macht. Er hat zu­tref­fend dar­auf hin­ge­wie­sen, daß die Grundsätze über die so­zia­le Aus­wahl eben­so gel­ten, wenn die be­triebs­be­ding­te Kündi­gung ge­genüber meh­re­ren Ar­beit­neh­mern gleich­zei­tig und aus glei­chem An­laß aus­ge­spro­chen wer­den soll. Auch bei ei­ner sol­chen "Mas­senkündi­gung" sind aus ei­nem größeren Kreis der in Be­tracht kom­men­den Ar­beit­neh­mer die­je­ni­gen aus­zuwählen, die die Kündi­gung am we­nigs­ten hart trifft. Ist in ei­nem sol­chen Fal­le ei­nem Ar­beit­neh­mer nicht gekündigt wor­den, der da­durch we­ni­ger hart be­trof­fen wäre als meh­re­re der gekündig­ten Ar­beit­neh­mer, so er­gibt sich das von Hu­eck (aa0) zu­erst er­kann­te Pro­blem, ob die­se sich al­le auf ei­ne feh­ler­haf­te Aus­wahl be­ru­fen können. Die Über­le­gung, bei der aus­rei­chen­den Berück­sich­ti­gung so­zia­ler Ge­sichts­punk­te wäre an­stel­le des un­gekündig­ten nur ei­ner, nämlich der am härtes­ten be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer, von der Kündi­gung ver­schont ge­blie­ben, spricht auf den ers­ten Blick dafür, nur dem so­zi­al schwächs­ten die Be­ru­fung auf die feh­ler­haf­te so­zia­le Aus­wahl zu ge­stat­ten. Im vor­lie­gen­den Fall würde das be­deu­tet ha­ben, daß nur drei Kläger sich auf ei­ne

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feh­ler­haf­te so­zia­le Aus­wahl hätten be­ru­fen können. Auf die sich dann auf­drängen­de Fra­ge, wie, und durch wen die drei Ar­beit­neh­mer be­stimmt wer­den sol­len, die., sich, auf die un­rich­ti­ge Aus­wahl mit Er­folg be­ru­fen: können, gibt es kei­ne recht­lich halt­ba­re Ant­wort. Nach § 1 Abs. 3 Satz 3. KSchG hat nämlich der Ar­beit­neh­mer die Tat­sa­chen zu be­wei­sen, die so­zia­le Aus­wahl un­rich­tig er­schei­nen las­sen. Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer muß dem­gemäß sub­stan­ti­iert vor­tra­gen, wel­che ver­gleich­ba­ren un­gekündig­ten Ar­beit­neh­mer we­ni­ger schutz­bedürf­tig sein sol­len als er selbst .(Ur­teil des Se­nats vom 24. März 1984 aa0). Dem sind al­le Kläger nach­ge­kom­men. Dem­ent­spre­chend kann auch kei­ne Kla­ge als un­sub­stan­ti­iert ab­ge­wie­sen wer­den. § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG kann auch nicht ent­nom­men wer­den, die gekündig­ten Ar­beit­neh­mer müßten un­ter sich ei­ne wei­te­re in­ter­ne so­zia­le Rang­fol­ge auf­stel­len: Ab­ge­se­hen, da­von, daß ein kla­gen­der Ar­beit­neh­mer nicht im­mer wis­sen muß, wel­chem an­de­ren -Ar­beit­neh­mern zur sel­ben Zeit gekündigt wor­den ist, ist auch nicht von vorn­her­ein ab­zu­se­hen wor­auf schon Hu­eck (aa0) hin­ge­wie­sen hat -, ob und wel­che an­de­ren härter be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer, ge­gen die Kündi­gung nicht frist­gemäß nach §'14 KSchG Kla­ge er­he­ben, so daß, die­se als von An­fang an als rechts­wirk­sam gilt (§ 7 KSchG). Da sol­che Ar­beit­neh­mer für ei­nen Ver­gleich im Rah­men der so­zia­len Aus­wahl nicht mehr in Be­tracht kom­men, be­steht' bei je­dem der gekündig­ten Ar­beit­neh­mer beim Zu­gang der Kündi­gung als dem für die Be­ur­tei­lung der So­zi­al­wid­rig­keit maßge­ben­den Zeit­punkt we­nigs­tens die Möglich­keit, daß er am härtes­ten be­trof­fen ist (so schon Hu­eck, aa0, Rz 127 a).

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von sich aus die drei schutz­bedürf­tigs­ten Ar­beit­neh­mer zu be­stim­men. Da­mit würde wie­der­um ge­gen den sich aus § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG er­ge­ben­den Grund­satz ver­s­toßen, daß es al­lein Sa­che des Ar­beit­neh­mers ist, die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer zu be­nen­nen, die sei­ner An­sicht nach von ei­ner Kündi­gung we­ni­ger hart be­trof­fen sind. We­gen der in­di­vi­du­al­recht­li­chen Aus­ge­stal­tung des Künd­gungs­schut­zes können al­le 21 gekündig­ten Ar­beit­neh­mer sich auf die ge­rin­ge­re so­zia­le Schutz­bedürf­tig­keit der drei nicht gekündig­ten Ar­beit­neh­mer be­ru­fen (so schon Hu­eck, aa0, § 1 Rz 127 a; Her­schel/Löwisch, aa0, § 1 Rz 247 und Ber­kow­sky, Die be­triebs­be­ding­te Kündi­gung, S. 56), und zwar mit der Fol­ge, daß al­le Kündi­gun­gen un­wirk­sam sind.

e) Die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung des er­ken­nen­den Se­nats ent­spricht sach­lich weit­ge­hend ei­nem Ur­teil des Sieb­ten Se­nats zur Pflicht des Ar­beit­ge­bers, bei der Stil­le­gung ei­ner Be­triebs­ab­tei­lung nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG Mit­glie­der des Be­triebs­ra­tes in ei­ne an­de­re Be­triebs­ab­tei­lung zu über­neh­men. In dem Ur­teil des Sieb­ten Se­nats vom 25. No­vem­ber 1981 (BAG 37, 128 AP Nr. 11 zu § 15 KSchG 1969) zu­grun­de lie­gen­den Sach­ver­halt hat­te der Ar­beit­ge­ber al­len Man­datsträgern gekündigt, ob­wohl ei­ner von ih­nen in ei­ne an­de­re Ab­tei­lung hätte ver­setzt wer­den können. Der Sieb­te Se­nat hat da­zu aus­geführt, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be es nicht rechts­feh­ler­haft un­ter­las­sen,-zwi­schen den meh­re­ren Man­datsträgern, die sich auf den Ar­beits­platz ei­ner un­gekündig­ten Ar­beit­neh­me­rin be­ru­fen hätten, ei­ne so­zia­le Aus­wahl vor­zu­neh­men. Wenn ei­ne so­zia­le Aus­wahl zwi­schen meh­re­ren Man­datsträgern zu tref­fen ge­we­sen sei, dann durch den Ar­beit­ge­ber.

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Der Be­klag­te ha­be je­doch statt ei­ner an­de­ren Ar­beit­neh­me­rin, die noch kei­nen Kündi­gungs­schutz ge­nos­sen ha­be, al­len be­son­ders geschütz­ten Man­datsträgern gekündigt. Die­ser Feh­ler haf­te je­der Kündi­gung für sich an und sei vom Ar­beit­ge­ber zu ver­tre­ten, so daß das Er­geb­nis auch nicht un­trag­bar er­schei­ne.

f) Un­trag­bar ist das Er­geb­nis auch nicht im vor­lie­gen­den Fall, weil es im Er­geb­nis nur um die Rück­nah­me ei­ni­ger Ver­set­zun­gen in ei­nen an­de­ren Be­trieb ei­nes Großun­ter­neh­mens geht. Der Se­nat ver­kennt aber nicht, daß auf die­se Wei­se bei un­ab­ding­ba­ren Mas­sen­ent­las­sun­gen hun­der­te von Kündi­gun­gen schei­tern können, wenn der Ar­beit­ge­ber ei­ni­ge we­ni­ge so­zi­al er­heb­lich we­ni­ger schutz­bedürf­ti­ge Ar­beit­neh­mer über­se­hen und des­halb von der Kündi­gung aus­ge­nom­men hat. Der Se­nat neigt da­her - eben­falls im An­schluß an Hu­eck (aa0) - zu­min­dest da­zu, dem Ar­beit­ge­ber die Möglich­keit ein­zuräum­en, den Feh­ler in der so­zia­len Aus­wahl nachträglich zu kor­ri­gie­ren, in­dem er den we­ni­ger hart be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern kündigt und ei­ner ent­spre­chen­den An­zahl von Ar­beit­neh­mern die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses an­bie­tet. Der Se­nat über­sieht nicht, daß dies ei­ne sys­tem­wid­ri­ge und des­halb auch von Löwisch (aa0) ab­ge­lehn­te Ein­schränkung des Grund­sat­zes be­deu­tet, die So­zi­al­wid­rig­keit der Kündi­gung nach den Verhält­nis­sen zum Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gung zu be­ur­tei­len. An­ge­sichts der Schwie­rig­kei­ten, de­nen ei­ne kor­rek­te so­zia­le Aus­wahl bei ei­ner Mas­senkündi­gung be­geg­net, er­scheint dem Se­nat aber ein star­res Fest­hal­ten an ei­ner dog­ma­tisch sau­be­ren Lösung in die­sen Fällen kaum ver­tret­bar. Ab­sch­ließend hat­te der Se­nat die­se Fra­ge noch nicht zu ent­schei­den, weil vor­lie­gend die Be­klag­te trotz des

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Hin­wei­ses der Kläger auf die von Hu­eck (aa0) ver­tre­te­ne Auf­fas­sung zu ei­ner Kor­rek­tur ih­rer so­zia­len Aus­wahl nicht be­reit war.

C. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt hin­sicht­lich des Klägers zu 3. aus § 91 a ZPO, im übri­gen aus § 91 ZPO.

 

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Dr. Wel­ler

Strümper 

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