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BAG, Ur­teil vom 21.05.2014, 4 AZR 50/13

   
Schlagworte: Tarifvertrag, Differenzierungsklausel
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 4 AZR 50/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.05.2014
   
Leitsätze: Die Nichtanwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Vereinbarungen zwischen Tarifvertragsparteien hat ihren Grund darin, dass bei solchen Vereinbarungen keine strukturelle Ungleichgewichtigkeit der Verhandlungspartner besteht, sondern von Verfassungs wegen eine Verhandlungsparität vorausgesetzt wird.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Darmstadt, Urteil vom 8.12.2011 - 10 Ca 217/11
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 19.11.2012 - 17 Sa 285/12
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


4 AZR 50/13
17 Sa 285/12

Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

21. Mai 2014

UR­TEIL

Frei­tag, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Vier­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 21. Mai 2014 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Ey­lert, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Creutz­feldt und
 


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Dr. Tre­ber so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Klotz und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Re­de­ker für Recht er­kannt:


1. Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 19. No­vem­ber 2012 - 17 Sa 285/12 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Der Kläger hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Zah­lung ei­ner Er­ho­lungs­bei­hil­fe. 


Der Kläger ist bei der Be­klag­ten in de­ren Be­trieb in Rüssels­heim beschäftigt. Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en fin­den kraft ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me die zwi­schen dem Ver­band der Me­tall- und Elek­tro-Un­ter­neh­men Hes­sen e.V. und der In­dus­trie­ge­werk­schaft Me­tall (im Fol­gen­den: IG Me­tall), Be­zirks­lei­tung Frank­furt, ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie für das Land Hes­sen An­wen­dung. Die Be­klag­te ist Mit­glied des ta­rif­sch­ließen­den Ar­beit­ge­ber­ver­bands; der Kläger ist nicht Mit­glied der IG Me­tall.


Am 31. Mai 2010 schlos­sen die Adam Opel GmbH (im Fol­gen­den: AOG), aus der die Be­klag­te durch form­wech­seln­de Um­wand­lung ent­stan­den ist, so­wie wei­te­re auf die Be­klag­te als über­neh­men­de Recht­sträge­rin ver­schmol­ze­ne Ge­sell­schaf­ten, der Ver­band der Me­tall- und Elek­tro-Un­ter­neh­men Hes­sen e.V., der Ver­band der Me­tall- und Elek­tro-In­dus­trie NRW e.V., der Ver­band der Pfälzi­schen Me­tall- und Elek­tro-In­dus­trie e.V., der Ver­band der Me­tall-und Elek­tro-In­dus­trie Thürin­gen e.V., die Be­triebsräte der ver­schie­de­nen Stand­or­te der AOG so­wie die Be­zirks­lei­tun­gen der IG Me­tall Frank­furt und Nord­rhein-West­fa­len ei­ne als „Mas­ter Agree­ment“ be­zeich­ne­te Ver­ein­ba­rung, die aus­zugs­wei­se fol­gen­den Wort­laut hat:

„Präam­bel

Zwi­schen al­len Be­tei­lig­ten be­steht Ei­nig­keit darüber, dass Ma­nage­ment, Be­triebsräte und IG Me­tall zu­sam­men­ar­bei­ten, um ei­nen nach­hal­ti­gen wirt­schaft­li­chen Busi­ness Plan für Opel so­zi­al ver­ant­wort­lich um­zu­set­zen und da­mit die Grund­la­ge für zukünf­ti­ge Pro­fi­ta­bi­lität und Wachs­tum von Opel so­wie die Si­cher­heit der Ar­beitsplätze zu schaf­fen.
...

Ab­schnitt I
Ar­beit­neh­mer­beiträge und Beschäfti­gungs­si­che­rung

Den Par­tei­en ist be­wusst, dass Per­so­nal­re­du­zie­run­gen not­wen­dig sind. Über den stand­ort­spe­zi­fi­schen Um­fang, des von der Geschäfts­lei­tung als er­for­der­lich an­ge­se­he­nen Per­so­nal­ab­baus, wur­den die Be­triebsräte in­for­miert.

...

Nach Um­set­zung die­ser Per­so­nal­re­du­zie­run­gen wird die Adam Opel GmbH bis zum 1.1.2015 kei­ne be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen aus­spre­chen.

Die Par­tei­en le­gen da­bei ei­ne Per­so­nal­kos­ten­re­du­zie­rung in Höhe von durch­schnitt­lich 176,8 Mio. € p.a. in Deutsch­land (265 Mio. € in Eu­ro­pa) zu­grun­de und ver­pflich­ten sich da­zu. ...

Den Zu­geständ­nis­sen der Ar­beit­neh­mer­sei­te zur Kos­ten­re­du­zie­rung ste­hen Zu­sa­gen der Ar­beit­ge­ber­sei­te zu In­ves­ti­tio­nen, Pro­dukt­in­no­va­tio­nen, zur Beschäfti­gungs­si­che­rung, Re­ge­lung zur Un­ter­neh­mens­mit­be­stim­mung und der zu ändern­den Rechts­form der AOG ge­genüber. Die Kern­punk­te ei­ner sol­chen zukünf­ti­gen Übe­r­ein­kunft sind in die­ser Ver­ein­ba­rung ge­re­gelt.

Ab­schnitt II
Auf­schie­ben­de Be­din­gung

Sämt­li­che un­ter Ab­schnitt IV A und B ge­nann­ten Zu­sa­gen al­ler Par­tei­en ste­hen un­ter der auf­schie­ben­den Be­din­gung, dass die Par­tei­en Ver­ein­ba­run­gen zu den Punk­ten

- Ge­winn­be­tei­li­gung
- Si­cher­hei­ten
- Ta­rif­ver­trag En­gi­nee­ring

bis zum 1.9.2010 ab­sch­ließen.

Um trotz der dar­ge­stell­ten zeit­li­chen Di­men­si­on die Kos­ten­re­du­zie­run­gen gemäß Ab­schnitt IV B zu ermögli­chen wer­den die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­ne Ver­schie­bung der Fällig­keit der ta­rif­li­chen Ein­mal­zah­lung 2010 und des der-

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zei­ti­gen Ur­laubs­geld An­spru­ches für 2010 in Höhe von 50% bis zum 30.09.2010 ver­ein­ba­ren. Die­se Zah­lun­gen ent­fal­len an­sch­ließend im Fal­le des Ein­tritts der Be­din­gun­gen.
...


Ab­schnitt IV
Ge­winn­be­tei­li­gung und Si­cher­hei­ten

...

B.) Per­so­nal­kos­ten­re­du­zie­run­gen


Die je­weils zuständi­gen Par­tei­en wer­den bis zum 01.09.2010 ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung/ Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und ei­nen Ta­rif­ver­trag/ Ta­rif­verträge mit dem nach­fol­gend be­schrie­be­nen In­halt ab­sch­ließen:

1. Ein­mal­zah­lun­gen
Die für den Zeit­raum vom 1. Mai 2010 bis zum 31. März 2011 vor­ge­se­he­ne ta­rif­li­che Ein­mal­zah­lung i.H.v. ins­ge­samt 320,- € brut­to für Ar­beit­neh­mer so­wie i.H.v. ins­ge­samt 120,- € brut­to für Aus­zu­bil­den­de entfällt.

2. Nicht­wei­ter­ga­be der Ta­rif­erhöhung bis zum 31.01.2012
Die durch die Ta­rif­ab­schlüsse für die Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie im Fe­bru­ar 2010 vor­ge­se­he­ne Erhöhung der Ta­ri­fent­gel­te ab dem 1. April 2011 in Höhe von 2,7 % entfällt bis zum 31.01.2012. Die Ta­ri­fent­gel­te wer­den erst mit Wir­kung ab dem 01.02.2012 um 2,7 % in An­wen­dung des ERA-Ent­gel­tab­kom­men vom 18.02.2010 erhöht.

3. Re­du­zie­rung des Ur­laubs­gelds und Weih­nachts­gelds Das Ur­laubs­geld so­wie die Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on für die Jah­re 2010 und 2011 wird auf 50 % der der­zeit be­ste­hen­den Re­ge­lung re­du­ziert. Bei Mit­ar­bei­ter­grup­pen, die ein ver­ste­tig­tes Ur­laubs- oder Weih­nachts­geld in An­spruch ge­nom­men ha­ben, wird ei­ne ent­spre­chen­de Kürzung er­fol­gen.

4. Die AOG ver­pflich­tet sich, ei­nen ent­spre­chen­den Ein­spa­rungs­bei­trag des Ma­nage­ments ein­zu­brin­gen.
...“

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Eben­falls am 31. Mai 2010 schloss die Be­klag­te mit den Be­zirks­lei­tun­gen Frank­furt und Nord­rhein-West­fa­len der IG Me­tall ei­ne als „Si­de Let­ter zum Mas­ter Agree­ment vom 27.05.2010 - Re­ge­lung für IG-Me­tall-Mit­glie­der“ be­zeich­ne­te Ver­ein­ba­rung (im Fol­gen­den: Si­de Let­ter), die wie folgt lau­tet:

„Ergänzend zu der in der Präam­bel auf­ge­nom­me­nen Re­ge­lung zur auf­schie­ben­den Be­din­gung re­geln die Par­tei­en fol­gen­des:

Die von der IG-Me­tall un­ter B ge­nann­te Zu­sa­ge zur Ein­mal­zah­lung steht un­ter der auf­schie­ben­den Be­din­gung, dass die IG-Me­tall und das Ma­nage­ment ei­ne Ver­ein­ba­rung zum Punkt ‚Bes­ser­stel­lung für IG-Me­tall Mit­glie­der’ bis zum 1.9.2010 ab­sch­ließen.“

Zum 1. Sep­tem­ber 2010 wur­den die im „Mas­ter Agree­ment“ an­ge­spro­che­nen Sa­nie­rungs­ver­ein­ba­run­gen ua. zwi­schen der Be­klag­ten und der IG Me­tall ge­schlos­sen. Be­reits am 25./26. Au­gust 2010 hat­te die Be­klag­te mit dem Ver­ein zur Förde­rung von Ge­sund­heit und Er­ho­lung der saarländi­schen Ar­beit­neh­mer e.V. (im Fol­gen­den: Saar­ver­ein) ih­ren Bei­tritt zum Ver­ein ver­ein­bart. Die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung hat aus­zugs­wei­se fol­gen­den Wort­laut:


„1. Die AOG be­an­tragt die Mit­glied­schaft im Ver­ein. Die Sat­zung liegt die­ser Ver­ein­ba­rung als An­la­ge bei.

2. Der Ver­ein nimmt die­sen An­trag an.

3. Die Par­tei­en ver­ein­ba­ren in Ab­wei­chung zu § 7, Zif­fer (3.2) der Sat­zung vom 26.06.1998, dass die Adam Opel GmbH sich zu ei­nem ein­ma­li­gen Mit­glieds­bei­trag in Höhe von ins­ge­samt min­des­tens 8 Mio. € (...) und höchs­tens ins­ge­samt 8,5 Mio. € (...) ver­pflich­tet. Die ge­naue Höhe des Ge­samt-Mit­glieds­bei­trags wer­den die Par­tei­en recht­zei­tig und ein­ver­nehm­lich be­stim­men.

Der noch näher zu be­stim­men­de Mit­glieds­bei­trag wird in zwei Ra­ten fällig: Am 15.12.2010 wird die Adam Opel GmbH ei­nen Be­trag i.H.v. 4,25 Mio. € auf das an­ge­ge­be­ne Kon­to des Ver­eins zah­len. Am 15.12.2011 wird die Adam Opel GmbH ei­nen wei­te­ren Be­trag zah­len, der min­des­tens 3,75 Mio. € und höchs­tens 4,25 Mio. € beträgt. Wie be­reits oben be­schrie­ben, wer­den die Par­tei­en recht­zei­tig ein­ver­nehm­lich die Höhe des ge­sam­ten Mit­glieds­bei­trags und da­mit auch die Höhe der zwei­ten Ra­te be­stim­men.

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4. Der Ver­ein ver­wen­det den Mit­glieds­bei­trag sat­zungs­gemäß mit der Maßga­be, dass Er­ho­lungs­bei­hil­fen aus dem Mit­glieds­bei­trag aus­sch­ließlich an Beschäftig­te der Adam Opel GmbH und ih­rer Toch­ter­ge­sell­schaft gewährt wird. Der Ver­ein sagt der Adam Opel GmbH zu, dass die Er­ho­lungs­bei­hil­fe ma­xi­mal 250,-- € pro Be­zugs­be­rech­tig­ten und Jahr beträgt. Er wird der Adam Opel GmbH je­weils am 01.02.11 und am 01.02.12 ver­si­chern, dass aus­sch­ließlich an ih­re Beschäftig­te und an Beschäftig­te der Toch­ter­ge­sell­schaft Er­ho­lungs­bei­hil­fen ge­leis­tet wur­den. ...

5. Der Ver­ein ver­si­chert, dass sich an die­se Ver­ein­ba­rung kei­ne steu­er­recht­li­chen Aus­wir­kun­gen für die Adam Opel GmbH knüpfen; ins­be­son­de­re der Mit­glieds­bei­trag und die Gewährung der Er­ho­lungs­bei­hil­fen nicht lohn-/ein­kom­mens­steu­er­pflich­tig sind. Die Adam Opel GmbH hat für die Er­ho­lungs­bei­hil­fen kei­ne Lohn-/Ein­kom­men­steu­er ein­zu­be­hal­ten, son­dern der Ver­ein nimmt ei­ne pau­scha­le Ver­steue­rung vor.

6. Die­se Ver­ein­ba­rung steht un­ter der auf­schie­ben­den Be­din­gung des Wirk­sam­wer­dens des Ta­rif­ver­tra­ges ‚Zu­kunft Adam Opel GmbH‘ so­wie der Be­triebs­ver­ein­ba­rung ‚Zu­kunft Adam Opel GmbH‘.“

Der Bei­tritts­ver­ein­ba­rung mit dem Saar­ver­ein war die in Nr. 1 in Be­zug ge­nom­me­ne Sat­zung vom 26. Ju­ni 1998 bei­gefügt, die ua. Fol­gen­des re­gelt:


㤠2
Zweck

(1) Zweck des Ver­eins ist es, den ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern Mit­tel zur Verfügung zu stel­len und Maßnah­men zu fördern, die aus­sch­ließlich und un­mit­tel­bar zur Er­hal­tung der Ar­beits­kraft so­wie zur Förde­rung von Ge­sund­heit und Er­ho­lung die­nen.
...


§ 5
Mit­glied­schaft

(1) Die Mit­glied­schaft ist frei­wil­lig.
(2) Mit­glie­der des Ver­eins können sein: (2.1) Ver­tre­ter der In­dus­trie­ge­werk­schaft Me­tall
(2.2) Ver­tre­ter des Ver­eins der saarländi­schen Tex­til- und Le­der­in­dus­trie

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(2.3) Pri­vat­per­so­nen, Un­ter­neh­men, Un­ter­neh­mens­zu­sam­men­schlüsse und an­de­re Or­ga­ni­sa­tio­nen der ge­werb­li­chen Wirt­schaft, die be­reit sind die Zie­le des Ver­eins zu un­terstützen.
...

§ 7
Rech­te und Pflich­ten der Mit­glie­der

(1) ...
(2) Die den Mit­glie­dern an­ge­schlos­se­nen Ar­beit­neh­mer ha­ben das Recht auf Nut­zung der Leis­tung und auf Teil­nah­me an Ver­an­stal­tun­gen so­wie an Ein­rich­tun­gen des Ver­eins.“

In ei­nem von der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten In­for­ma­ti­ons­blatt des Saar­ver­eins ist ua. aus­geführt:

„Leis­tun­gen
Er­ho­lungs­bei­hil­fen
Er­ho­lungs­bei­hil­fen für in der IG Me­tall or­ga­ni­sier­te Ar­beit­neh­mer de­ren Ar­beit­ge­ber Mit­glied im Ver­ein sind.
Er­ho­lungs­maßnah­men
Durchführung von Ge­sund­heits­wo­chen für in der IG Me­tall or­ga­ni­sier­te Ar­beit­neh­mer de­ren Ar­beit­ge­ber Mit­glied im Ver­ein sind.

De­fi­ni­ti­on von Be­grif­fen im in­ter­nen und ex­ter­nen Sprach­ge­brauch
Er­ho­lungs­bei­hil­fen
Er­ho­lungs­bei­hil­fen sind Leis­tun­gen des Ver­eins an, in der IG Me­tall or­ga­ni­sier­te Ar­beit­neh­mer und de­ren Fa­mi­lie. Ein Rechts­an­spruch auf Zah­lung ei­ner Er­ho­lungs­bei­hil­fe be­steht nicht. Der Ar­beit­ge­ber des Leis­tungs­empfängers ist in der Re­gel Mit­glied des Ver­eins und zahlt sat­zungs­gemäße Beiträge.
...

Leis­tungs­be­rech­tig­te / Leis­tungs­empfänger
Leis­tungs­be­rech­tig­te bzw. Leis­tungs­empfänger sind in der IG Me­tall or­ga­ni­sier­te Ar­beit­neh­mer. Der je­wei­li­ge Ar­beit­ge­ber ist in der Re­gel Ver­bands­mit­glied bzw. un­terstützt die Zie­le und Ide­en des Ver­eins als Förde­rer.
Die Leis­tungs­be­rech­tig­ten bzw. Leis­tungs­empfänger selbst sind kei­ne Mit­glie­der des Ver­eins.

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Falsch ist, daß al­le Ar­beit­neh­mer ei­nen au­to­ma­ti­schen An­spruch auf Leis­tun­gen des Ver­eins ha­ben, so­bald der Ar­beit­ge­ber Mit­glied oder Förde­rer des Ver­eins ist.
...“


Nach­dem die Be­klag­te vom Steu­er­be­ra­ter des Saar­ver­eins die „An­ru­fungs­aus­kunft gem. § 42e EStG“ des Fi­nanz­amts Saarbrücken er­hal­ten hat­te, wo­nach Er­ho­lungs­bei­hil­fen „im Rah­men der Frei­gren­zen des § 40 (2) Nr. 3 EStG mit 25 % LSt (zzgl. SolZ und KiSt) pau­schal ver­steu­ert“ wer­den können, zahl­te sie am 2. Fe­bru­ar 2011 an den Saar­ver­ein die ers­te Ra­te des Mit­glieds­bei­trags.


Im Fe­bru­ar 2011 ver­brei­te­te die IG Me­tall, Be­zirk Frank­furt, das Flug­blatt „me­tall­nach­rich­ten - In­for­ma­ti­on für Opel-Beschäftig­te“, das aus­zugs­wei­se fol­gen­den Wort­laut hat:


„Al­le bei Opel beschäftig­ten IG Me­tall-Mit­glie­der ha­ben ab so­fort An­spruch auf Er­ho­lungs­bei­hil­fen für die Jah­re 2011 und 2012. Dies re­gelt der im letz­ten Jahr ab­ge­schlos­se­ne Ta­rif­ver­trag zwi­schen IG Me­tall und Adam Opel AG, nach dem die Fir­ma Opel nun auch Mit­glied im Saar­ver­ein ist. ...

Die so­ge­nann­ten Er­ho­lungs­bei­hil­fen wer­den oh­ne be­son­de­ren An­trag gewähr­leis­tet und ste­hen aus­sch­ließlich IG Me­tall-Mit­glie­dern zu. Sie sind steu­er­frei, da die Ver­steue­rung durch den Ver­ein vor­ge­nom­men wird. Ziel der Ver­wen­dung (Ver­wen­dungs­zweck) sind höhe­re Fit­ness und Ge­sund­er­hal­tung der Ar­beits­kraft, zum Bei­spiel durch:

• pro­fes­sio­nel­le Zahn­rei­ni­gung
• me­di­zi­ni­sche Mas­sa­gen
• Beiträge für Sport­ver­ei­ne oder Fit­ness­stu­di­os
• Rücken­schu­le
• Ernährungs­kur­se
• Zu­zah­lun­gen für Me­di­ka­men­te, Ku­ren oder Phy­sio­the­ra­pie
• Beiträge für Zu­satz­ver­si­che­run­gen oder Kran­ken­haus­auf­ent­hal­te
• Aus­lands­kran­ken­ver­si­che­rung“
 


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Im Flug­blatt ist wei­ter aus­geführt, dass die Er­ho­lungs­bei­hil­fe ge­staf­felt nach dem Ein­tritts­da­tum in die IG Me­tall in ei­ner Höhe von 100,00 bis 200,00 Eu­ro ge­zahlt wer­de. In der Fol­ge­zeit er­hiel­ten Ar­beit­neh­mer der Be­klag­ten, die Mit­glied der IG Me­tall sind, Er­ho­lungs­bei­hil­fen durch den Saar­ver­ein.


Als die Be­klag­te die An­ga­ben des Flug­blatts und ins­be­son­de­re die an­gekündig­te Abhängig­keit der Höhe der Er­ho­lungs­bei­hil­fen von der Dau­er der Mit­glied­schaft der Ar­beit­neh­mer in der IG Me­tall zur Kennt­nis ge­nom­men hat­te, sah sie dar­in ei­nen Ver­s­toß ge­gen die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung. Sie for­der­te die Ver­tre­ter der IG Me­tall und die Vor­sit­zen­de des Saar­ver­eins auf, ent­we­der die Er­ho­lungs­bei­hil­fen ent­spre­chend den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben aus­zu­be­zah­len oder der Be­klag­ten zu­min­dest die lohn­steu­er­re­le­van­ten Da­ten der Begüns­tig­ten zum Zwe­cke ei­ner in­di­vi­du­el­len Ver­steue­rung zur Verfügung zu stel­len. Nach­dem dies er­folg­los ge­blie­ben war, schätz­te sie auf der Ba­sis ei­ner Plau­si­bi­litäts­sta­tis­tik die Steu­ern und So­zi­al­ab­ga­ben, kor­ri­gier­te ih­re An­ga­ben ge­genüber der Fi­nanz­ver­wal­tung und den So­zi­al­ver­si­che­rungs­trägern und ent­rich­te­te die aus­ste­hen­den Beträge nachträglich.


Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ihm ste­he ein An­spruch auf Er­ho­lungs­bei­hil­fe in Höhe von 200,00 Eu­ro net­to, hilfs­wei­se brut­to, ge­gen die Be­klag­te un­ter Gleich­be­hand­lungs­ge­sichts­punk­ten zu. Die Be­klag­te ha­be über den Saar­ver­ein aus­sch­ließlich - nach Dau­er der Mit­glied­schaft - ge­staf­fel­te Zah­lun­gen an IG Me­tall-Mit­glie­der er­bracht und da­bei nicht oder an­ders ge­werk­schaft­lich or­ga­ni­sier­te Ar­beit­neh­mer zu Un­recht von die­ser Leis­tung aus­ge­schlos­sen. Es lie­ge ein Um­ge­hungs­tat­be­stand vor. Mit der Leis­tung über den Saar­ver­ein soll­te ei­ne An­wen­dung des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes ver­hin­dert wer­den, die nicht schon des­halb aus­ge­schlos­sen sei, weil die Er­ho­lungs­bei­hil­fe auf­grund ei­ner Ver­ein­ba­rung mit der IG Me­tall gewährt wor­den sei. Die für die Er­ho­lungs­bei­hil­fe von der Be­klag­ten vor­ge­nom­me­ne Grup­pen­bil­dung sei sach­fremd. Die nicht in der IG Me­tall or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer hätten ge­nau­so wie die­se durch die Strei­chung ih­rer Son­der­zah­lun­gen zum Sa­nie­rungs­er­folg bei­ge­tra­gen. Es ha­be Zah­lun­gen in Höhe von 200,00 Eu­ro net­to ge­ge­ben. Der gel­tend ge­mach­te Be­trag sei des­halb auch der
 


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Höhe nach ge­recht­fer­tigt. Für ei­ne an­de­re Be­rech­nung sei die Be­klag­te dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig.


Der Kläger hat be­an­tragt, 


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 200,00 Eu­ro net­to, hilfs­wei­se brut­to, nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent-punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz hier­aus seit dem 18. Ju­li 2011 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat zur Be­gründung ih­res Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trags aus­geführt, sie sei schon nicht pas­siv le­gi­ti­miert. Sie ha­be kei­ne Leis­tun­gen an die IG Me­tall-Mit­glie­der ih­res Un­ter­neh­mens er­bracht, Zah­lun­gen ha­be le­dig­lich der Saar­ver­ein ge­leis­tet. Die Do­tie­rung der Er­ho­lungs­bei­hil­fen sei auch nicht frei­wil­lig er­folgt, son­dern zur Erfüllung der mit der IG Me­tall im „Si­de Let­ter“ ver­ein­bar­ten Be­din­gung für de­ren Zu­stim­mung zu den Sa­nie­rungs­ver­ein­ba­run­gen. Nach dem im „Mas­ter Agree­ment“ ver­ein­bar­ten Sa­nie­rungs­plan sei­en für die Jah­re 2010 und 2011 bei den Ar­beits­kos­ten Ein­spa­run­gen in Höhe von 265 Mil­lio­nen Eu­ro jähr­lich er­for­der­lich ge­we­sen, um das Un­ter­neh­men zu sa­nie­ren und ei­ne ab­seh­ba­re Ent­las­sung von vie­len Mit­ar­bei­tern des Un­ter­neh­mens zu ver­hin­dern. Da­bei sei sie zwin­gend auf die Mit­wir­kung der IG Me­tall an­ge­wie­sen ge­we­sen. Al­lein de­ren Zu­stim­mung zum Sa­nie­rungs­ta­rif­ver­trag sei Zweck der Bei­tritts­ver­ein­ba­rung und der da­mit ver­bun­de­nen Leis­tun­gen ge­we­sen. Dass die­se Ver­ein­ba­rung nicht mit­tels ei­nes - for­mel­len - Ta­rif­ver­trags er­folgt sei, ände­re nichts dar­an, dass es sich um ei­ne Ver­ein­ba­rung zwi­schen Ta­rif­ver­trags­par­tei­en han­de­le. Dass der Saar­ver­ein die Höhe der Er­ho­lungs­bei­hil­fen an die Dau­er der Mit­glied­schaft in der IG Me­tall ge­knüpft ha­be, sei ihr nicht zu­zu­rech­nen. Ver­ein­bart wor­den sei­en le­dig­lich die Zah­lun­gen von Er­ho­lungs­bei­hil­fen im steu­er­recht­li­chen Sinn.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sie ab­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on be­gehrt der Kläger die Wie­der­her­stel­lung des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils.
 


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Ent­schei­dungs­gründe


Die zulässi­ge Re­vi­si­on ist nicht be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen.

Für ei­nen An­spruch des Klägers auf Zah­lung der be­gehr­ten Er­ho­lungs­bei­hil­fe gibt es kei­ne recht­li­che Grund­la­ge, selbst wenn man zu sei­nen Guns­ten un­ter­stellt, die Be­klag­te ha­be in zu­re­chen­ba­rer Wei­se den bei ihr beschäftig­ten Mit­glie­dern der IG Me­tall durch den Ab­schluss der Bei­tritts­ver­ein­ba­rung zum Saar­ver­ein in der Form ei­nes Ver­tra­ges zu­guns­ten Drit­ter (§ 328 BGB) ei­nen Rechts­an­spruch auf die Leis­tung von Er­ho­lungs­bei­hil­fen zu­ge­wandt. Ein sol­cher An­spruch des Klägers er­gibt sich nicht in An­wen­dung des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes, auf den al­lein er sich be­zieht. Des­sen An­wen­dungs­be­reich ist nicht eröff­net. Die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung un­ter­liegt als ein Be­stand­teil der Sa­nie­rungs­ver­ein­ba­run­gen zwi­schen ta­riffähi­gen Ver­trags­part­nern, der Be­klag­ten und der IG Me­tall, nicht der Kon­trol­le an­hand des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes.


I. Der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz al­lein kann dem Kläger - wie je­dem Ar­beit­neh­mer - kei­nen un­mit­tel­ba­ren An­spruch auf ei­ne Leis­tung des Ar­beit­ge­bers gewähren. Wen­det ein Ar­beit­ge­ber ei­ner nach be­stimm­ten Kri­te­ri­en de­fi­nier­ten Grup­pe von Ar­beit­neh­mern pri­vat­au­to­nom ei­ne Leis­tung zu, nimmt da­mit an­de­re Ar­beit­neh­mer hier­von aus und verstößt er bei der Fest­le­gung der zu­grun­de lie­gen­den An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen ge­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz, kann dies da­zu führen, dass er ver­pflich­tet ist, dem aus­ge­schlos­se­nen An­spruch­stel­ler gleich­wohl die der Grup­pe ver­spro­che­ne Leis­tung zu gewähren.


1. Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ge­bie­tet der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz dem Ar­beit­ge­ber, der Tei­len sei­ner Ar­beit­neh­mer frei­wil­lig nach ei­nem be­stimm­ten er­kenn­ba­ren ge­ne­ra­li­sie­ren­den Prin­zip Leis­tun­gen gewährt, Grup­pen von Ar­beit­neh­mern, die sich in glei­cher oder ver­gleich­ba­rer La­ge be­fin­den, gleich zu be­han­deln. Un­ter­sagt ist

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ihm da­nach so­wohl ei­ne willkürli­che Schlech­ter­stel­lung ein­zel­ner Ar­beit­neh­mer in­ner­halb ei­ner Grup­pe als auch ei­ne sach­frem­de Grup­pen­bil­dung (s. nur BAG 6. Ju­li 2011 - 4 AZR 596/09 - Rn. 23 mwN, BA­GE 138, 253). Da­bei gilt der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz bei Fra­gen der Vergütung nur ein­ge­schränkt; in­so­weit hat der Grund­satz der Ver­trags­frei­heit für in­di­vi­du­ell aus­ge­han­del­te Gehälter Vor­rang. Er­folgt die Vergütung je­doch nach ei­nem be­stimm­ten er­kenn­ba­ren und ge­ne­ra­li­sie­ren­den Prin­zip, in­dem er be­stimm­te Vor­aus­set­zun­gen oder be­stimm­te Zwe­cke fest­legt, greift der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz auch im Be­reich der Ent­gelt­zah­lung (BAG 25. Ja­nu­ar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 57, BA­GE 140, 291).


a) Vor­aus­set­zung für die An­wen­dung des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes ist, dass der Ar­beit­ge­ber durch ein ei­ge­nes ge­stal­ten­des Ver­hal­ten ein ei­ge­nes Re­gel­werk oder ei­ne ei­ge­ne Ord­nung ge­schaf­fen hat. Da­nach knüpft die Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zur Gleich­be­hand­lung sei­ner Ar­beit­neh­mer nicht un­mit­tel­bar an die Leis­tung selbst an, son­dern viel­mehr an das von ihm zu­grun­de ge­leg­te, selbst­be­stimm­te ge­ne­ra­li­sie­ren­de Prin­zip. Es han­delt sich da­bei um ei­ne pri­vat­au­to­no­me Ver­tei­lungs­ent­schei­dung, die ih­ren Aus­druck in ei­ner vom Ar­beit­ge­ber frei­wil­lig ge­setz­ten An­spruchs­grund­la­ge für die je­wei­li­ge Leis­tung fin­det. Der Leis­tung selbst geht je­weils die „Schaf­fung ei­nes ei­ge­nen Re­gel­werks ... durch ei­ge­nes ge­stal­ten­des Ver­hal­ten“ (zB BAG 21. No­vem­ber 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 76; eben­so 12. Ok­to­ber 2011 - 10 AZR 510/10 - Rn. 13; 6. Ju­li 2011 - 4 AZR 596/09 - Rn. 28, BA­GE 138, 253) vor­aus, in der das ge­ne­ra­li­sie­ren­de Prin­zip fest­ge­legt wird. Bei der Be­stim­mung der für den Leis­tungs­an­spruch maßge­ben­den Kri­te­ri­en und der Kon­kre­ti­sie­rung des „ge­ne­ra­li­sie­ren­den Prin­zips“ ist der Ar­beit­ge­ber al­ler­dings an den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ge­bun­den. Bei bloßem - auch ver­meint­li­chem - Norm­voll­zug gilt die­ser da­ge­gen nicht. Es fehlt in­so­weit an ei­ner ei­ge­nen Ver­tei­lungs­ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers, wenn er sub­jek­tiv kei­ne ei­ge­nen An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen bil­det, son­dern sich - wenn auch irrtümli­cher­wei­se - ver­pflich­tet sieht, ei­ne aus sei­ner Sicht wirk­sa­me Re­ge­lung nur voll­zie­hen zu müssen. An­ders verhält es sich, wenn der Ar­beit­ge­ber nach Kennt­nis von sei­nem Irr­tum die bis da­hin oh­ne Rechts­grund er­brach­ten Leis­tun­gen wei­ter­gewährt und recht­lich
 


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mögli­che Rück­for­de­rungs­ansprüche nicht gel­tend macht. Ab die­sem Zeit­punkt er­bringt er be­wusst zusätz­li­che frei­wil­li­ge Leis­tun­gen auf­grund ei­ge­ner Ent­schei­dung, die ih­rer­seits dem ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz genügen muss (st. Rspr., vgl. nur BAG 25. Ja­nu­ar 2012 - 4 AZR 148/10 - Rn. 57; 21. No­vem­ber 2013 - 6 AZR 23/12 - aaO; 27. Ju­ni 2012 - 5 AZR 317/11 - Rn. 17; 27. Au­gust 2008 - 4 AZR 484/07 - Rn. 40, BA­GE 127, 305; 26. April 2005 - 1 AZR 76/04 - zu II 1 der Gründe, BA­GE 114, 286).

aa) Die Kri­te­ri­en, nach de­nen die not­wen­dig abs­trak­ten An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen durch den Ar­beit­ge­ber be­stimmt wer­den, kenn­zeich­nen zu­gleich die Ab­gren­zung der begüns­tig­ten Grup­pe von den sons­ti­gen Ar­beit­neh­mern, die die­se Vor­aus­set­zun­gen nicht erfüllen. Da­bei wer­den die Kri­te­ri­en ent­we­der aus­drück­lich for­mu­liert oder - wie es häufig der Fall ist - da­durch kon­klu­dent be­stimmt, dass sich die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen aus ei­ner Ge­samt­schau der begüns­tig­ten Ar­beit­neh­mer und de­ren Ge­mein­sam­kei­ten oh­ne Wei­te­res er­ge­ben. In­so­fern geht die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts da­von aus, dass sich aus den tatsächlich gewähr­ten Leis­tun­gen mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit ein „er­kenn­ba­res“ all­ge­mei­nes Prin­zip - un­abhängig von der ein­zel­nen Per­son des begüns­tig­ten Ar­beit­neh­mers - er­gibt und er­ge­ben muss (BAG 16. Fe­bru­ar 2012 - 8 AZR 242/11 - Rn. 79 mwN). Es be­darf da­her ei­nes kol­lek­ti­ven Be­zugs, da bloße Ein­zel­maßnah­men des Ar­beit­ge­bers nicht dem ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz un­ter­lie­gen (BAG 16. Mai 2012 - 4 AZR 372/10 - Rn. 20; 24. Ja­nu­ar 2012 - 9 AZR 131/11 - Rn. 25; 21. Ok­to­ber 2009 - 10 AZR 664/08 - Rn. 29; ähn­lich zur be­trieb­li­chen Übung BAG 21. April 2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 11, 13; zum er­for­der­li­chen kol­lek­ti­ven Be­zug bei der An­wen­dung des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes nach § 75 Abs. 1 Be­trVG ausf. BAG 10. Ok­to­ber 2006 - 1 ABR 68/05 - Rn. 28 ff., BA­GE 119, 356). Steht ei­ne un­ter­schied­li­che Aus­ge­stal­tung von Leis­tun­gen nach Grup­pen von Ar­beit­neh­mern fest, oh­ne dass das der Leis­tung zu­grun­de lie­gen­de Prin­zip of­fen­sicht­lich wird, muss ein Ar­beit­ge­ber die von ihm bei der Ver­tei­lungs­ent­schei­dung um­ge­setz­te und vor­her be­stimm­te Re­gel nach Zweck der Leis­tung und Dif­fe­ren­zie­rungs­ge­sichts­punk­ten bei den
 


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Begüns­tig­ten of­fen­le­gen (BAG 12. Ok­to­ber 2011 - 10 AZR 510/10 - Rn. 14 mwN; 16. Ju­ni 2010 - 4 AZR 928/08 - Rn. 39).

bb) Lie­gen da­nach der Leis­tung be­stimm­te, vom Ar­beit­ge­ber for­mu­lier­te oder for­mu­lier­ba­re Vor­aus­set­zun­gen zu­grun­de, muss die vom Ar­beit­ge­ber da-mit selbst ge­schaf­fe­ne Grup­pen­bil­dung ge­mes­sen am Zweck der Leis­tung sach­lich ge­recht­fer­tigt sein (vgl. nur BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 808/07 - Rn. 35 mwN). Dies ist nach der Recht­spre­chung der Fall, wenn die Dif­fe­ren­zie­rungs­gründe un­ter Berück­sich­ti­gung der Be­son­der­hei­ten der je­wei­li­gen Leis­tung auf vernünf­ti­gen, ein­leuch­ten­den Erwägun­gen be­ru­hen und nicht ge­gen ver­fas­sungs­recht­li­che Wer­tent­schei­dun­gen oder ge­setz­li­che Ver­bo­te ver­s­toßen (vgl. nur BAG 16. Ju­ni 2010 - 4 AZR 928/08 - Rn. 39; 22. De­zem­ber 2009 - 3 AZR 136/08 - Rn. 45 mwN). Da­mit wird die Be­stim­mung der vom Ar­beit­ge­ber au­to­nom fest­ge­setz­ten „Tat­be­stands­merk­ma­le“ für die fest­ge­setz­te Leis­tung ei­ner Recht­fer­ti­gungs­prüfung am Maßstab des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes un­ter­zo­gen. Lässt sich die mit der ar­beit­ge­ber-sei­ti­gen Fest­le­gung der An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen bei der „Norm­auf­stel­lung“ (Raab FS Kreutz 2010 S. 317, 341) ver­bun­de­ne Aus­gren­zung an­de­rer Ar­beit­neh­mer, die die­se An­for­de­run­gen nicht erfüllen, ge­mes­sen am Zweck der Leis­tung nicht sach­lich recht­fer­ti­gen, ist hin­sicht­lich der Ar­beit­neh­mer, die da­durch in nicht ge­recht­fer­tig­ter Wei­se von der Leis­tung aus­ge­schlos­sen wer­den, der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ver­letzt.

b) Rechts­fol­ge ei­ner Ver­let­zung des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes ist die „Kor­rek­tur“ der ar­beit­ge­ber­sei­tig be­stimm­ten gleich­be­hand­lungs­wid­ri­gen Vor­aus­set­zung. Die sach­lich nicht ge­recht­fer­tig­te Grup­pen­bil­dung führt im Er­geb­nis zu ei­ner An­pas­sung die­ses Merk­mals durch ein gleich­be­hand­lungs­kon­for­mes. Der Ar­beit­neh­mer, der oh­ne sach­li­che Recht­fer­ti­gung un­gleich be­han­delt wur­de, kann die Leis­tung, von der er nach der Re­gel­bil­dung des Ar­beit­ge­bers we­gen Nich­terfüllung des gleich­be­hand­lungs­wid­ri­gen Tat­be­stands­merk­mals aus­ge­schlos­sen war, von die­sem ver­lan­gen, wenn es kei­ne wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen gibt oder wenn et­wai­ge wei­te­re Vor­aus­set-
 


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zun­gen von ihm erfüllt wer­den (s. et­wa zur An­wen­dung ei­nes be­stimm­ten Ta­rif­werks BAG 6. Ju­li 2011 - 4 AZR 596/09 - Rn. 24 ff., 51, BA­GE 138, 253).


2. Der Ar­beit­ge­ber ist nicht nur dann an den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ge­bun­den, wenn er ein­sei­tig all­ge­mei­ne An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Leis­tung be­stimmt hat, son­dern auch, wenn ar­beits­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen vor­lie­gen. Dann be­grenzt der Grund­satz um den Schutz des Ar­beit­neh­mers wil­len die Ge­stal­tungs­macht des Ar­beit­ge­bers (vgl. da­zu BAG 6. Ju­li 2011 - 4 AZR 596/09 - Rn. 23 mwN, BA­GE 138, 253).


a) Pri­vat­recht­li­che Ver­ein­ba­run­gen be­ru­hen auf dem Prin­zip der Pri­vat­au­to­no­mie. Die­ses setzt als Grund­la­ge für ei­ne freie Ver­ein­ba­rung vor­aus, dass die Be­din­gun­gen der Selbst­be­stim­mung des Ein­zel­nen tatsächlich ge­ge­ben sind (vgl. BVerfG 7. Sep­tem­ber 2010 - 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10 - Rn. 34, BVerfGK 18, 14; 7. Fe­bru­ar 1990 - 1 BvR 26/84 - zu C I 3 der Gründe, BVerfGE 81, 242). Die Ver­mu­tung der An­ge­mes­sen­heit ei­nes in ei­nen Ver­trag münden­den Ver­hand­lungs­er­geb­nis­ses be­ruht auf der prin­zi­pi­el­len An­nah­me ei­nes struk­tu­rel­len Gleich­ge­wichts zwi­schen den bei­den Ver­hand­lungs­part­nern (BAG 7. Ju­ni 2006 - 4 AZR 316/05 - Rn. 29, BA­GE 118, 232).


b) Die­se Vor­aus­set­zung ist im Rah­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses auf­grund der be­ste­hen­den Dis­pa­rität der Ver­trags­part­ner zu­las­ten des Ar­beit­neh­mers grundsätz­lich nicht ge­ge­ben. Dass der ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer sich beim Ab­schluss von Ar­beits­verträgen ty­pi­scher­wei­se in ei­ner Si­tua­ti­on struk­tu­rel­ler Un­ter­le­gen­heit be­fin­det, ist auch in der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts an­er­kannt (BVerfG 23. No­vem­ber 2006 - 1 BvR 1909/06 - zu II 2 b aa (2) der Gründe mwN der st. Rspr.; BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 22, BA­GE 122, 182). Die von Ver­fas­sungs we­gen zu berück­sich­ti­gen­de struk­tu­rel­le Un­ter­le­gen­heit des Ar­beit­neh­mers be­steht nicht nur bei der Be­gründung, son­dern auch im be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis (BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - aaO). Es ist Auf­ga­be des Rechts, auf die Wah­rung der Grund­rechts­po­si­tio­nen bei­der Ver­trags­part­ner hin­zu­wir­ken, um zu ver­hin­dern, dass sich für ei­nen Ver­trags­teil die Selbst­be­stim­mung in ei­ne Fremd­be­stim­mung ver­kehrt (BVerfG 6. Fe­bru­ar 2001 - 1 BvR 12/92 - zu B I 1 a und b der


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Gründe, BVerfGE 103, 89). Dies ge­schieht ua. durch ei­ne In­halts­kon­trol­le ein­zel­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­run­gen (allg. et­wa BAG 7. Ju­ni 2006 - 4 AZR 316/05 - Rn. 29 f., BA­GE 118, 232), et­wa an­hand der §§ 305 ff. BGB, wenn All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen vor­lie­gen. Räumt der Ar­beits­ver­trag dem Ar­beit­ge­ber bei der Durchführung ei­ne ein­sei­ti­ge Ge­stal­tungs­macht ein, un­ter­liegt de­ren Ausübung der rich­ter­li­chen Er­mes­sens­kon­trol­le nach §§ 315 ff. BGB. Wenn da­bei ein kol­lek­ti­ver Be­zug vor­liegt, kommt in­so­weit der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz zur An­wen­dung (zur Be­gründung des ar­beits-recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes be­reits BAG 21. De­zem­ber 1970 - 3 AZR 510/69 - zu II der Gründe, BA­GE 23, 160; zum Schutz­cha­rak­ter des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes BAG 23. Ok­to­ber 2012 - 4 AZR 48/11 - Rn. 14).


c) Die Be­gren­zung pri­vat­au­to­no­men Han­delns an­hand des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes greift nach den vor­ste­hen­den Maßstäben des­halb auch ein, wenn der Ar­beit­ge­ber mit ein­zel­nen Ar­beit­neh­mern ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen über ei­ne Leis­tung schließt und der Aus­wahl der Ar­beit­neh­mer ein abs­trak­tes, ge­ne­ra­li­sie­ren­des Prin­zip zu­grun­de liegt. Ist der kol­lek­ti­ve Be­zug hin­rei­chend gewähr­leis­tet, ist der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet, ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer nur aus sach­lich ge­recht­fer­tig­ten Ge­sichts­punk­ten von dem An­ge­bot aus­zu­sch­ließen (zu ei­ner sol­chen Kon­stel­la­ti­on BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 155/09 - BA­GE 134, 223; 25. Fe­bru­ar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 47 ff., BA­GE 133, 265). Ein zu Un­recht be­nach­tei­lig­ter Ar­beit­neh­mer kann da­nach ver­lan­gen, dass auch mit ihm ein ent­spre­chen­der Ver­trag ge­schlos­sen wird. Lehnt al­ler­dings ein Ar­beit­neh­mer das an al­le Ar­beit­neh­mer ge­mach­te An­ge­bot des Ar­beit­ge­bers auf Ab­schluss ei­nes (Ände­rungs-)Ver­trags ab, schei­det ei­ne Ver­let­zung des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes aus, weil die sich aus der Wei­ge­rung nun­mehr er­ge­ben­de Grup­pen­bil­dung hin­sicht­lich der in den Ände­rungs­verträgen vor­ge­se­he­nen Leis­tung nicht auf ei­ner vom Ar­beit­ge­ber selbst auf­ge­stell­ten Re­gel be­ruht (BAG 21. Sep­tem­ber 2011 - 5 AZR 520/10 - Rn. 20, BA­GE 139, 190; vgl. auch BAG 14. De­zem­ber 2011 - 5 AZR 675/10 - Rn. 17 f.).
 


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3. Die Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zur Be­ach­tung des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes be­steht al­ler­dings nicht bei je­der Form pri­vat­au­to­no­men Han­delns. Wer­den Rech­te und Pflich­ten für ein Ar­beits­verhält­nis zwar pri­vat­au­to­nom, aber un­ter den Be­din­gun­gen ei­nes struk­tu­rel­len Gleich­ge­wichts ver­ein­bart, bleibt der An­wen­dungs­be­reich des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes ver­schlos­sen. In der Fol­ge sind nicht nur ta­rif­ver­trag­li­che, son­dern auch schuld­recht­li­che Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen ta­riffähi­gen Par­tei­en von ei­ner Kon­trol­le an­hand des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes aus­ge­schlos­sen.


a) Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts fin­det der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz kei­ne An­wen­dung bei ei­nem bloßen Nor­men­voll­zug (s. nur BAG 6. Ju­li 2011 - 4 AZR 596/09 - Rn. 23 mwN, BA­GE 138, 253). So­weit dies in der Recht­spre­chung auf Ta­rif­verträge an­ge­wandt wird, kann dies nicht dar­auf zurück­geführt wer­den, dass die Ver­ein­ba­rung und Erfüllung zwin­gen­der Ta­rif­re­ge­lun­gen ei­ne - dem Ge­setz ver­gleich­ba­re - Fremd­be­stim­mung enthält, der der Ar­beit­ge­ber bloß un­ter­le­gen ist. Der Ab­schluss von Ta­rif­verträgen ist als Wahr­neh­mung der Ta­rif­au­to­no­mie dem pri­vat­au­to­no­men Han­deln der Be­tei­lig­ten zu­zu­ord­nen, was sich bei Fir­men­ta­rif­verträgen von selbst er­gibt, aber auch für Ver­bands­ta­rif­verträge gilt. Die Gel­tung von Ta­rif­re­ge­lun­gen nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG ist so­wohl recht­lich als auch le­gi­ti­ma­to­risch auf den pri­vat­au­to­no­men Wil­len der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en zurück­zuführen. Die Erfüllung von mit­glied­schaft­lich le­gi­ti­mier­ten ta­rif­lich ge­re­gel­ten Ver­pflich­tun­gen ist mit dem Voll­zug ei­ner ge­setz­li­chen An­ord­nung nicht ver­gleich­bar. Ih­re Her­aus­nah­me aus dem An­wen­dungs­be­reich des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes hat ih­ren Grund viel­mehr dar­in, dass bei Ta­rif­verträgen die bei In­di­vi­dual­ar­beits­verträgen ty­pi­scher­wei­se zu ver­nei­nen­de Ver­hand­lungs­pa­rität von Ver­fas­sungs we­gen vor­aus­ge­setzt wird (st. Rspr. vgl. nur BAG 7. Ju­ni 2006 - 4 AZR 316/05 - Rn. 30 mwN, BA­GE 118, 232). Der In­halts­kon­trol­le des pri­vat­au­to­no­men Han­delns des Ar­beit­ge­bers be­darf es hier nicht, weil es an ei­nem struk­tu­rel­len Un­gleich­ge­wicht des Ver­hand­lungs­part­ners fehlt. Die Möglich­keit, dass Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen aus­han­deln, stellt ein ver­fas­sungs­recht­lich und ge­setz­lich vor­ge-


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se­he­nes Kor­rek­tiv zur struk­tu­rel­len Un­gleich­ge­wich­tig­keit der Ver­trags­part­ner ein­zel­ner Ar­beits­verhält­nis­se dar. Die Ta­rif­au­to­no­mie ist ge­ra­de dar­auf an­ge­legt, die struk­tu­rel­le Un­ter­le­gen­heit der ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer beim Ab­schluss von Ar­beits­verträgen durch kol­lek­ti­ves Han­deln aus­zu­glei­chen und da­mit ein annähernd gleich­ge­wich­ti­ges Aus­han­deln der Vergütun­gen und Ar­beits­be­din­gun­gen zu ermögli­chen (BVerfG 26. Ju­ni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 3 b aa der Gründe, BVerfGE 84, 212; 4. Ju­li 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 c der Gründe, BVerfGE 92, 365). Hier­durch wird re­gelmäßig wie­der die - all­ge­mein vor­aus­ge­setz­te - Gleich­wer­tig­keit der Ver­hand­lungs­macht her­ge­stellt (vgl. BAG 19. Ju­ni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 20, BA­GE 123, 134; 4. Ju­ni 2008 - 4 AZR 419/07 - BA­GE 127, 27; BVerfG 4. Ju­li 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - aaO). Da­her ha¬ben die Er­geb­nis­se kol­lek­tiv aus­ge­han­del­ter Ta­rif­ver­ein­ba­run­gen die Ver­mu­tung der An­ge­mes­sen­heit für sich (s. nur BAG 7. Ju­ni 2006 - 4 AZR 316/05 - aaO). Den so aus­ge­han­del­ten Ta­rif­verträgen legt das Ge­setz ei­ne un­mit­tel­ba­re und zwin­gen­de Wir­kung bei (§ 4 Abs. 1 TVG). Des­halb ist die in §§ 305 ff. BGB vor­ge­se­he­ne An­ge­mes­sen­heits­kon­trol­le bei Ta­rif­verträgen nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB auch aus­ge­schlos­sen. Ei­ne Be­schränkung kann sich hier nur aus ei­nem un­mit­tel­ba­ren Ver­s­toß ge­gen höher­ran­gi­ges Recht er­ge­ben. Für die An­wen­dung des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes ist da­ge­gen bei Ver­ein­ba­run­gen von ta­riffähi­gen Ver­trags­part­nern kein Raum (so be­reits aus­drück­lich BAG 26. April 2000 - 4 AZR 177/99 - zu II 3 b der Gründe, BA­GE 94, 273).


b) Die­se Grundsätze gel­ten nicht nur für nach § 4 Abs. 1 TVG un­mit­tel­bar und zwin­gend gel­ten­de Ta­rif­verträge, son­dern auch für schuld­recht­li­che Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen ta­riffähi­gen Ver­trags­par­tei­en.


aa) Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sind nicht ge­hal­ten, Ar­beits­be­din­gun­gen durch Ta­rif­verträge zu ver­ein­ba­ren. Sie können im Rah­men der ver­fas­sungs­recht­lich gewähr­leis­te­ten Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­frei­heit (s. nur JKOS/Krau­se Ta­rif­ver­trags­recht 2. Aufl. § 4 Rn. 159 mwN) auch schuld­recht­li­che (Ko­ali­ti­ons-)Verträge schließen (et­wa BAG 26. Ja­nu­ar 2011 - 4 AZR 159/09 - Rn. 18, BA­GE 137, 45; 3. April 2007 - 9 AZR 283/06 - Rn. 60, BA­GE 122, 33; 14. April


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2004 - 4 AZR 232/03 - zu II 1 b der Gründe, BA­GE 110, 164). Für die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en gilt die all­ge­mei­ne Ver­trags­frei­heit. Im Grund­satz ist ih­re schuld-recht­li­che Ver­ein­ba­rungs­macht un­be­grenzt (Löwisch/Rieb­le TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1169). So kann sich ein Ar­beit­ge­ber durch ei­ne schuld­recht­li­che Ver­ein­ba­rung mit ei­ner Ge­werk­schaft bspw. ver­pflich­ten, bei ei­ner „Out­sour­cing-Maßnah­me“ de­ren Zu­stim­mung ein­zu­ho­len (vgl. BAG 26. Ja­nu­ar 2011 - 4 AZR 159/09 - Rn. 20, aaO).


bb) Sol­che schuld­recht­li­chen Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen Ta­rif­ver­trags­par­tei­en können auch als Verträge zu­guns­ten Drit­ter begüns­tig­ten Ar­beit­neh­mern un­mit­tel­bar, wenn auch ab­ding­bar (BAG 14. April 2004 - 4 AZR 232/03 - zu II 1 c aa der Gründe, BA­GE 110, 164), Rech­te einräum­en (zB BAG 5. No­vem­ber 1997 - 4 AZR 872/95 - zu II 1.2 der Gründe mwN, BA­GE 87, 45).


cc) Die An­ge­mes­sen­heits­ver­mu­tung gilt auch für schuld­recht­li­che Ver­ein­ba­run­gen ta­riffähi­ger Par­tei­en. Der Grund, war­um Ta­rif­ver­ein­ba­run­gen ei­ner Kon­trol­le durch den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ent­zo­gen wer­den, ist nicht de­ren zwin­gen­de, un­mit­tel­ba­re Gel­tung, son­dern die grundsätz­li­che An­ge­mes­sen­heits­ver­mu­tung (oben un­ter I 3 a), die nicht nur für Ta­rif­verträge, son­dern auch für an­de­re Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in glei­cher Wei­se gilt. In­so­weit kommt es nicht auf die nor­ma­ti­ve Wir­kung von Ta­rif­verträgen an. Wel­che Rechts­wir­kung Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ih­ren Verträgen bei­le­gen, ändert dar­an nichts (s. nur Löwisch/Rieb­le TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1185, zur Nicht­an­wen­dung der AGB-Kon­trol­le bei schuld­recht­li­chen Ver­ein­ba­run­gen über In­hal­te, die auch ta­rif­ver­trag­lich re­gel­bar wären; eben­so JKOS/Krau­se Ta­rif­ver­trags­recht 2. Aufl. § 4 Rn. 162).

dd) Da­her un­ter­liegt ein Ko­ali­ti­ons­ver­trag zwi­schen ei­nem Ar­beit­ge­ber und ei­ner Ge­werk­schaft, in dem zu­guns­ten Drit­ter, zB der Ge­werk­schafts­mit­glie­der, ein Leis­tungs­an­spruch be­gründet wird, nicht dem ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz (eben­so Löwisch/Rieb­le TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1193).



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II. Un­ter Berück­sich­ti­gung der vor­ste­hen­den Grundsätze ist ein auf den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz gestütz­ter An­spruch des Klägers nicht ge­ge­ben. Da­bei kann zu des­sen Guns­ten un­ter­stellt wer­den, dass die von ihm als begüns­tig­te Grup­pe an­ge­se­he­nen Mit­glie­der der IG Me­tall ei­nen Rechts­an­spruch auf die von ihm be­gehr­te Leis­tung ha­ben; oh­ne ei­nen sol­chen wäre sei­ne Kla­ge schon des­halb un­be­gründet. Selbst wenn die in der IG Me­tall or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer der Be­klag­ten ei­nen An­spruch auf Zah­lung der be­gehr­ten Er­ho­lungs­bei­hil­fe iSd. § 40 Abs. 2 Nr. 3 EStG nach Maßga­be der Bei­tritts­ver­ein­ba­rung auch ge­gen die Be­klag­te hätten, weil die­se mit dem Saar­ver­ein durch die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung ei­nen Ver­trag zu ih­ren Guns­ten iSd. §§ 328 ff. BGB ge­schlos­sen ha­ben soll­te, er­gibt sich für den Kläger hier­aus kein Zah­lungs­an­spruch. Die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung un­ter­liegt als Teil ei­ner um­fas­sen­den zwi­schen ta­riffähi­gen Ver­trags­part­nern ge­schlos­se­nen (Sa­nie­rungs-)Ver­ein­ba­rung nicht dem ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz. Da­bei spielt es auch kei­ne Rol­le, dass die er­for­der­li­chen Gel­der für die Er­ho­lungs­bei­hil­fe nicht di­rekt an die Ge­werk­schaft oder de­ren Mit­glie­der, son­dern an ei­ne an­de­re Zahl­stel­le ge­leis­tet wur­den, die dann ih­rer­seits die Er­ho­lungs­bei­hil­fen an Ge­werk­schafts­mit­glie­der aus­ge­kehrt hat. Der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz fin­det auch in­so­weit kei­nen An­knüpfungs­punkt (Löwisch/Rieb­le TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1194).


1. Als An­spruchs­grund­la­ge für die bei der Be­klag­ten beschäftig­ten Mit­glie­der der IG Me­tall kommt aus­sch­ließlich die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung zum Saar­ver­ein in Be­tracht. Da­von geht auch der Kläger aus, der ei­ne an­de­re Rechts­grund­la­ge nicht nennt.

2. Die schuld­recht­li­che Bei­tritts­ver­ein­ba­rung ist Teil der zwi­schen der Be­klag­ten und der IG Me­tall ge­schlos­se­nen Sa­nie­rungs­ver­ein­ba­run­gen. Sie dien­te der recht­lich ver­bind­li­chen Um­set­zung der im „Mas­ter Agree­ment“ und im „Si­de Let­ter“ vor­ge­se­he­nen Maßnah­men, um den an­ge­streb­ten Sa­nie­rungs­er­folg im Un­ter­neh­men der Be­klag­ten her­bei­zuführen.
 


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a) Das „Mas­ter Agree­ment“ sah ei­ne Rei­he von Maßnah­men vor, die ua. zu er­heb­li­chen Ein­spa­run­gen von Per­so­nal­kos­ten führen soll­ten. Die­ses Ziel war nur zu er­rei­chen, wenn im Rah­men ei­ner „kon­zer­tier­ten Ak­ti­on“ al­le dar­an Be­tei­lig­ten, vor­ran­gig die Be­klag­te und die IG Me­tall, sich auf ko­or­di­nier­te Maßnah­men verständi­gen würden. Hier­zu gehörte ua., dass die ta­rif­lich vor­ge­se­he­nen Ein­mal­zah­lun­gen für den Zeit­raum vom 1. Mai 2010 bis zum 31. März 2011 ent­fal­len soll­ten (Ab­schnitt IV B 1 „Mas­ter Agree­ment“).


b) Da­bei stand die be­reits im „Mas­ter Agree­ment“ ent­hal­te­ne all­ge­mei­ne Zu­sa­ge der IG Me­tall (wie al­le wei­te­ren Zu­sa­gen im Ab­schnitt IV A und B „Mas­ter Agree­ment“) un­ter der „auf­schie­ben­den Be­din­gung, dass die Par­tei­en Ver­ein­ba­run­gen zu den Punk­ten - Ge­winn­be­tei­li­gung - Si­cher­hei­ten - Ta­rif­ver­trag En­gi­nee­ring - bis zum 1.9.2010 ab­sch­ließen“ (Ab­schnitt II „Mas­ter Agree­ment“). Zu­dem hat­ten die IG Me­tall und die Be­klag­te in dem „Si­de Let­ter“, die „un­ter B ge­nann­te Zu­sa­ge zur Ein­mal­zah­lung ... un­ter die auf­schie­ben­de Be­din­gung“ ge­stellt, dass „die IG-Me­tall und das Ma­nage­ment ei­ne Ver­ein­ba­rung zum Punkt ‚Bes­ser­stel­lung für IG-Me­tall Mit­glie­der‘ bis zum 1.9.2010 ab­sch­ließen.“


c) Die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung der Be­klag­ten mit dem Saar­ver­ein dien­te der „Erfüllung und Kon­kre­ti­sie­rung“ der im „Si­de Let­ter“ ver­ein­bar­ten „Bes­ser­stel­lung der IG-Me­tall Mit­glie­der“. Sie ist ei­ne Um­set­zungs­maßnah­me der ta­rif­li­chen und schuld­recht­li­chen Ge­samt­ver­ein­ba­rung zur Sa­nie­rung der Be­klag­ten und Be­stand­teil der von der Be­klag­ten zu­ge­si­cher­ten „Ge­gen­leis­tung“ für die Zu­stim­mung der IG Me­tall zu den er­for­der­li­chen Ta­rif­verträgen. Da­von ist das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu Recht aus­ge­gan­gen. Auch zwi­schen den Par­tei­en be­steht hierüber dem Grun­de nach kein Streit.


aa) Aus dem „Si­de Let­ter“ er­gibt sich, dass die IG Me­tall auf ei­ner vor dem Ab­schluss der Sa­nie­rungs­ta­rif­verträge ge­re­gel­ten „Bes­ser­stel­lung“ ih­rer Mit­glie­der be­stan­den hat. Die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung als un­mit­tel­ba­re kon­kre­ti­sie­ren­de Re­ge­lung ei­ner sol­chen „Bes­ser­stel­lung“ steht dem­gemäß in ei­nem kau­sa­len Zu­sam­men­hang mit der Be­reit­schaft der IG Me­tall zum Ab­schluss der er­for­der­li­chen Sa­nie­rungs­ver­ein­ba­run­gen.
 


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bb) Durch die Auf­nah­me der auf­schie­ben­den Be­din­gung in Nr. 6 der Bei­tritts­ver­ein­ba­rung, nach der die­se erst mit dem Wirk­sam­wer­den der Sa­nie­rungs­ver­ein­ba­run­gen in Kraft tre­ten soll­te, ist auch ei­ne un­mit­tel­ba­re recht­li­che Ver­bin­dung mit dem Ab­schluss der Sa­nie­rungs­ta­rif­verträge und da­mit der Um­set­zung des „Mas­ter Agree­ments“ her­ge­stellt. Die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung ist da­mit erst nach Ab­schluss der Sa­nie­rungs­ver­ein­ba­run­gen mit der IG Me­tall am 1. Sep­tem­ber 2010 wirk­sam ge­wor­den.


cc) Die IG Me­tall hat den Ab­schluss der Bei­tritts­ver­ein­ba­rung auch er­kenn­bar als recht­li­che Kon­kre­ti­sie­rung und „Erfüllung“ der For­de­rung nach ei­ner Bes­ser­stel­lung ih­rer Mit­glie­der ak­zep­tiert und dann oh­ne wei­te­re Vor­be­hal­te dem Sa­nie­rungs­pa­ket nach­fol­gend am 1. Sep­tem­ber 2010 zu­ge­stimmt.


dd) Selbst der Kläger hat sich auf die­sen Zu­sam­men­hang be­ru­fen. Er hat dar­auf ver­wie­sen, die IG Me­tall ha­be ih­re Mit­wir­kung bei der Ver­ein­ba­rung ei­nes Sa­nie­rungs­ta­rif­ver­trags mit der Zah­lung des Ver­eins­bei­trags für Er­ho­lungs­zwe­cke ih­rer Mit­glie­der ver­knüpft. Den wei­te­ren hier­zu er­brach­ten de­tail­lier­te­ren Vor­trag der Be­klag­ten, wo­nach die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung zwi­schen ihr und den Ver­tre­tern der IG Me­tall ver­han­delt wor­den sei, hat der Kläger nicht be­strit­ten.

d) Auf­grund die­ser tatsächli­chen und recht­li­chen Ver­knüpfung han­delt es sich bei der Bei­tritts­ver­ein­ba­rung um ei­ne Um­set­zung der ta­rif­li­chen und an­de­ren schuld­recht­li­chen Ver­ein­ba­run­gen des im „Mas­ter Agree­ment“ ua. zwi­schen der Be­klag­ten und der IG Me­tall ver­ein­bar­ten „Ge­samt­sa­nie­rungs­pa­kets“. Da­bei ist un­be­acht­lich, dass die wei­te­re Durchführung, wie et­wa die Ein­hal­tung der dar­in ge­re­gel­ten Ver­pflich­tun­gen durch den Saar­ver­ein, oh­ne recht­lich not­wen­di­ge Be­tei­li­gung der IG Me­tall als Or­ga­ni­sa­ti­on er­folgt ist.

3. Die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung als sol­che ist nicht un­wirk­sam. Sie verstößt nicht ge­gen höher­ran­gi­ges Recht.

a) So­weit sich ei­ne Par­tei in ei­nem Ver­trag zu ei­nem ver­bots­wid­ri­gen Ver­hal­ten ver­pflich­tet, ist die Ver­ein­ba­rung nich­tig. Dies gilt zB für ei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, Ver­ein­ba­run­gen mit sei­nen Ar­beit­neh­mern ab­zu­sch­lie-

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ßen, die ih­rer­seits nich­tig oder un­wirk­sam wären, weil sie auf ei­ne Straf­tat ab­zie­len, bspw. ei­ne Steu­er­hin­ter­zie­hung oder ei­ne Vor­ent­hal­tung von So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträgen (Löwisch/Rieb­le TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1174).


b) Die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung ist nicht dar­auf ge­rich­tet, ei­nen „un­er­laub­ten“ Er­folg her­bei­zuführen. Die Gewährung von Er­ho­lungs­bei­hil­fen iSd. § 40 Abs. 2 Nr. 3 EStG ein­sch­ließlich ih­rer steu­er­recht­li­chen Be­hand­lung ist ge­setz­lich ge­re­gelt. So­weit der Kläger die Auf­fas­sung ver­tritt, es han­de­le sich um ei­ne Kon­struk­ti­on zur Steu­er­hin­ter­zie­hung, gibt es hierfür kei­ne An­halts­punk­te. Es ist des­halb un­er­heb­lich, dass ihm dies zu­dem auch nicht zu dem be­gehr­ten An­spruch ver­hel­fen würde.


c) Mögli­che Ab­wei­chun­gen von der dem Grun­de nach in der Bei­tritts­ver­ein­ba­rung iVm. § 40 Abs. 2 EStG vor­ge­se­he­nen Staf­fe­lung der Beträge nach Fa­mi­li­en­stand und Kin­der­zahl bei der kon­kre­ten Um­set­zung durch den Saar­ver­ein, führen nicht zu de­ren Un­wirk­sam­keit. Sie stel­len al­len­falls ei­ne ab­re­de-wid­ri­ge Ver­wen­dung der Gel­der durch den Saar­ver­ein dar, las­sen sich aber nicht auf die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung selbst und da­mit auf ei­ne Wil­lens­erklärung der Be­klag­ten zurückführen.


d) Die Tat­sa­che, dass die Ge­werk­schaft IG Me­tall für den Ab­schluss der Sa­nie­rungs­ta­rif­verträge ei­ne „Bes­ser­stel­lung“ ih­rer Mit­glie­der an an­de­rer Stel­le ver­langt hat, ist nicht zu be­an­stan­den. Die IG Me­tall kann als Ta­rif­ver­trags­par­tei frei ent­schei­den, zu wel­chen Be­din­gun­gen sie Ta­rif­verträge ab­sch­ließt (vgl. da­zu BAG 25. Sep­tem­ber 2013 - 4 AZR 173/12 - Rn. 23; 9. De­zem­ber 2009 - 4 AZR 190/08 - Rn. 51). Dies be­zieht sich so­wohl auf die im Ta­rif­ver­trag selbst ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen als auch auf da­mit in Zu­sam­men­hang ste­hen­de wei­te­re Ver­ein­ba­run­gen. All dies ist grund­recht­lich geschützt, ins­be­son­de­re durch die ver­fas­sungs­recht­lich ga­ran­tier­te Ko­ali­ti­ons­frei­heit (vgl. da­zu nur Fran­zen RdA 2006, 1, 8). Die Ver­ein­ba­rung von Ar­beits­be­din­gun­gen für die Mit­glie­der ei­ner Ko­ali­ti­on ist auch oh­ne Wei­te­res möglich, wenn sie ei­nen wei­te­ren Um­set­zungs­akt durch Ver­ein­ba­rung mit ei­nem Drit­ten vor­aus­setzt (zB im Be­reich der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung) und nicht un­mit­tel­bar und zwin­gend iSv. § 4 Abs. 1 TVG für die Mit­glie­der der Ko­ali­ti­on gel­ten (s. oben zu I 3 b bb).
 


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4. Wei­te­re Un­wirk­sam­keits­gründe, ins­be­son­de­re sol­che, die zu­gleich im We­ge der An­wen­dung des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes ggf. zu ei­nem „Ver­schaf­fungs­an­spruch“ des Klägers ge­gen die Be­klag­te hin­sicht­lich der Gewährung von Er­ho­lungs­bei­hil­fen führen würden, sind nicht er­sicht­lich. Ins­be­son­de­re die Rüge der Re­vi­si­on, bei der Ver­ein­ba­rung zwi­schen der IG Me­tall und der Be­klag­ten über die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung (s. oben) sei die er­for­der­li­che Schrift­form nicht ein­ge­hal­ten, ist un­er­heb­lich. Selbst wenn man zu­guns­ten des Klägers un­ter­stellt, die Ab­re­de zwi­schen der Be­klag­ten und der IG Me­tall, wo­nach durch die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung die ge­for­der­te „Bes­ser­stel­lung“ um­ge­setzt wer­de, un­ter­lie­ge dem Schrift­form­zwang des § 1 Abs. 2 TVG und die­ser sei nicht ge­wahrt, er­gibt sich dar­aus noch kein An­spruch des Klägers. Der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz fin­det vor­lie­gend auch dann kei­ne An­wen­dung, wenn die Be­klag­te den Bei­tritt zum Saar­ver­ein und die Erfüllung der dar­in ver­ein­bar­ten Leis­tung auf der Grund­la­ge ei­ner le­dig­lich ver­meint­lich wirk-sa­men Ab­re­de im Rah­men ei­nes „Sa­nie­rungs­pa­kets“ mit der IG Me­tall er­bracht hätte. Dass die Be­klag­te in­so­weit in po­si­ti­ver Kennt­nis ei­ner mögli­chen (Form-)Un­wirk­sam­keit der ent­spre­chen­den Ei­ni­gung die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen und die Leis­tung er­bracht hat, be­haup­tet selbst der Kläger nicht. Die Be­klag­te hat sich dem­ge­genüber stets dar­auf be­ru­fen, dass sie die im „Si­de Let­ter“ for­mu­lier­te „Bes­ser­stel­lung“ von IG Me­tall-Mit­glie­dern er­brin­gen woll­te, um die exis­ten­zi­ell not­wen­di­ge Ge­samt­sa­nie­rung des Un­ter­neh­mens durchführen zu können. Die­se Auf­fas­sung fin­det ih­ren Aus­druck auch in der von der Be­klag­ten selbst her­bei­geführ­ten un­mit­tel­ba­ren recht­li­chen Abhängig­keit der Bei­tritts­ver­ein­ba­rung von dem Ab­schluss des ge­sam­ten „Sa­nie­rungs­pa­kets“ durch die in Nr. 6 der Bei­tritts­ver­ein­ba­rung ge­re­gel­te auf­schie­ben­de Be­din­gung. Erst durch die Un­ter­zeich­nung der ent­spre­chen­den Ver­ein­ba­run­gen am 1. Sep­tem­ber 2010 wur­de die Bei­tritts­ver­ein­ba­rung über­haupt wirk­sam.
 


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III. Die Kos­ten sei­ner er­folg­lo­sen Re­vi­si­on hat der Kläger zu tra­gen (§ 97 Abs. 1 ZPO).


Ey­lert 

Tre­ber 

Creutz­feldt

H. Klotz 

Ed­da Re­de­ker

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