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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 20.11.2011, 7 Sa 1318/11

   
Schlagworte: CGZP, Equal pay, Ausschlussfrist
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 7 Sa 1318/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.11.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt (Oder), Urteil vom 09.06.2011, 3 Ca 422/11
Nachfolgend Bundesarbeitgsericht, Urteil vom 13.03.2013, 5 AZR 954/11
   

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 7. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Sep­tem­ber 2011
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt R. als Vor­sit­zen­de
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Frau O. und Herr Sch.
für Recht er­kannt:

I. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt (Oder) vom 09. Ju­ni 2011 - 3 Ca 422/11 - wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

II. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten – so­weit für das Be­ru­fungs­ver­fah­ren re­le­vant - über Vergütungs­ansprüche aus ei­nem be­en­de­ten Ar­beits­verhält­nis für den Zeit­raum vom 15. Ju­ni 2009 bis zum 30. Ju­ni 2010.

Die Kläge­rin war auf der Grund­la­ge ei­nes schrift­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges vom 30. April 2009 (Bl. 11-14 d.A.) nebst Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 6. April 2010 (Bl. 15 d.A.) bei der Be­klag­ten in der Zeit vom 4. Mai 2009 bis zum 30. Ju­ni 2010 als Leih­ar­beit­neh­me­rin für Mon­ta­ge­ar­bei­ten mit ei­ner re­gelmäßigen Ar­beits­zeit von 35 St­un­den zu ei­nem Brut­to­stun­den­lohn von zunächst 6,00 EUR, ab 1. Ju­li 2009 von 6,15 EUR beschäftigt. Außer­dem er­hielt die Kläge­rin 2009 Fahrt­kos­ten und 2010 vermögens­wirk­sa­me Leis­tun­gen. Für die Beträge im Ein­zel­nen wird auf die der Kläge­rin er­teil­ten Ab­rech­nun­gen (Bl. 19 – 33 d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Der Ar­beits­ver­trag vom 30. April 2009 nahm in sei­nem § 1 die Re­ge­lun­gen der zwi­schen dem Ar­beit­ge­ber­ver­band Mit­telständi­scher Per­so­nal­dienst­leis­ter (AMP) und der Ta­rif­ge­mein­schaft Christ­li­che Ge­werk­schaf­ten Zeit­ar­beit und PSA (CG­ZP) ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge, be­ste­hend aus Man­tel-, Ent­gelt­rah­men-, Ent­gelt- und Beschäfti­gungs­si­che­rungs­ta­rif­verträge so­wie et­wai­ge ergänzen­de oder er­set­zen­de Ta­rif­verträge in ih­rer je­weils gülti­gen Fas­sung in Be­zug. Wei­ter­hin enthält der Ar­beits­ver­trag un­ter § 14 die Ver­ein­ba­rung ein­zel­ver­trag­li­cher Aus­schluss­fris­ten. Es heißt dort:

Die Par­tei­en ver­ein­ba­ren hier­mit aus­drück­lich ein­zel­ver­trag­lich un­abhängig von der Gel­tung ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges und der ein­zel­ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges im Rah­men die­ses Ar­beits­verhält­nis­ses fol­gen­des:

Ansprüche der Ver­trags­par­tei­en aus dem Ar­beits­verhält­nis und sol­che, die mit dem Ar­beits­verhält­nis in Ver­bin­dung ste­hen, sind aus­ge­schlos­sen, wenn sie nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach Fällig­keit ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den. Satz 1 gilt nicht für Ansprüche, die auf ei­ne un­er­laub­te Hand­lung gestützt wer­den.

Lehnt die an­de­re Ver­trags­par­tei die Erfüllung des An­spruchs schrift­lich ab oder erklärt sie sich nicht in­ner­halb von ei­nem Mo­nat nach der Gel­tend­ma­chung des An­spruchs, so verfällt die­ser, wenn er nicht in­ner­halb ei­ner Frist von drei Mo­na­ten nach Ab­leh­nung oder Frist­ab­lauf ge­richt­lich gel­tend ge­macht wird.

Mit Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 6. April 2010 änder­ten die Par­tei­en rück­wir­kend ab dem 1. Ja­nu­ar 2010 u.a. die ta­rif­li­che Be­zug­nah­me­klau­sel wie folgt ab:

§ 1 Ta­rif­li­che Be­stim­mun­gen

Die Rech­te und Pflich­ten die­ses Ar­beits­ver­tra­ges be­stim­men sich nach den zwi­schen dem Ar­beit­ge­ber­ver­band Mit­telständi­scher Per­so­nal­dienst­leis­ter e.V. (AMP) und der Ta­rif­ge­mein­schaft Christ­li­cher Ge­werk­schaf­ten Zeit­ar­beit und PSA (CG­ZP), der Christ­li­chen Ge­werk­schaft Me­tall (CGM), der DHV- die Be­rufs­ge­werk­schaft e.V. (DHV), dem Beschäftig­ten­ver­band In­dus­trie, Ge­wer­be, Dienst­leis­tung (BGID), dem Ar­beit­neh­mer­ver­band land- und ernährungs­wirt­schaft­li­cher Be­ru­fe (ALEB) so­wie med­so­net. Die Ge­sund­heits­ge­werk­schaft (med­so­net) ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträgen, der­zeit be­ste­hend aus Man­tel-, Ent­gelt­rah­men-, Ent­gelt- und Beschäfti­gungs­si­che­rungs­ta­rif­verträgen so­wie et­wai­gen ergänzen­den oder er­set­zen­den Ta­rif­verträgen, in ih­rer je­weils gülti­gen Fas­sung. Dies gilt auch, wenn der Mit­ar­bei­ter nicht Mit­glied ei­ner der in Satz 1 ge­nann­ten Ge­werk­schaf­ten oder der Ta­rif­ge­mein­schaft ist.“

Die Kläge­rin war während ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses bei der Fir­ma B. SE & Co.KG Ber­lin ein­ge­setzt, die sie mit Ar­beits­ver­trag vom 25. Mai 2010 (Bl. 15 – 18 d.A.) zum 1. Ju­li 2010 ein­stell­te und dort mit den glei­chen Ar­bei­ten zu ei­nem Brut­to­mo­nats­ver­dienst von 1.948,00 EUR un­ter An­wen­dung der Ta­rif­verträge der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie in Ber­lin und Bran­den­burg be­auf­trag­te.

Nach­dem das Bun­des­ar­beits­ge­richt mit Be­schluss vom 14.12.2010 – 1 ABR 19/10 (NZA 2011, 289 ff.) ent­schie­den hat, dass die CG­ZP we­der als Ein­zel­ge­werk­schaft noch als Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on ta­riffähig ist, hat die Kläge­rin mit der vor­lie­gen­den, beim Ar­beits­ge­richt Frank­furt (Oder) am 8. März 2011 ein­ge­gan­ge­nen und der Be­klag­ten am 11. März 2011 zu­ge­stell­ten Kla­ge die Dif­fe­renz zwi­schen der ihr von der Be­klag­ten ge­zahl­ten Vergütung zu der ihr bei dem Ent­lei­her zu­ste­hen­den Vergütung für die Mo­na­te Mai 2009 bis Ju­ni 2010 in Höhe von ins­ge­samt 16.285,05 EUR brut­to gel­tend ge­macht. We­gen der Be­rech­nung im Ein­zel­nen wird auf die Kla­ge­schrift Bl. 8-10 d.A. Be­zug ge­nom­men.

Die Kläge­rin hat ih­re Kla­ge da­mit be­gründet, aus der vom Bun­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stell­ten Ta­rif­unfähig­keit der CG­ZP fol­ge die Nich­tig­keit der in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge. Oh­ne Ver­ein­ba­rung ei­nes wirk­sa­men Ta­rif­ver­tra­ges ha­be sie An­spruch auf die im Ent­lei­her­be­trieb ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mern ge­zahl­te Vergütung. Die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts be­tref­fe auch die Ta­riffähig­keit der CG­ZP für die Ver­gan­gen­heit. Ei­ner er­neu­ten Ent­schei­dung über die Ta­riffähig­keit der CG­ZP für ei­nen frühe­ren Zeit­raum bedürfe es nicht. Auf Ver­trau­ens­schutz könne sich die Be­klag­te nicht be­ru­fen. Die Ver­wei­sung im Ände­rungs­ver­trag sei eben­falls un­wirk­sam. Ih­re Ansprüche sei­en nicht ver­fal­len. Es wäre ihr nicht zu­mut­bar ge­we­sen, ih­re Ansprüche vor der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts gel­tend zu ma­chen.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

1. Die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie ei­nen Be­trag in Höhe von 16.285,05 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Kla­ge­zu­stel­lung zu zah­len.

2. hilfs­wei­se, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ei­nen Be­trag von 27.272,00 Eu­ro brut­to abzüglich dar­auf durch die Be­klag­te ge­leis­te­te Zah­lun­gen in Höhe von 14.750,33 Eu­ro net­to nebst Zin­sen von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Kla­ge­zu­stel­lung zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ha­be kei­ne Aus­wir­kun­gen auf den hier strei­ti­gen Zeit­raum. Sie ent­fal­te kei­ne Rück­wir­kun­gen, son­dern sei al­lein ge­gen­warts­be­zo­gen. Die im Ände­rungs­ver­trag ver­ein­bar­te Be­zug­nah­me sei wirk­sam. Je­den­falls aber ge­nieße sie Ver­trau­ens­schutz. Außer­dem sei­en Ansprüche der Kläge­rin auf­grund der ver­ein­bar­ten Aus­schluss­fris­ten ver­fal­len. Je­den­falls aber müsse sich die Kläge­rin die ge­zahl­ten Fahrt­kos­ten und vermögens­wirk­sa­men Leis­tun­gen auf ih­ren An­spruch an­rech­nen las­sen.

Das Ar­beits­ge­richt Frank­furt (Oder) hat mit Ur­teil vom 9. Ju­ni 2011, auf des­sen Tat­be­stand we­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens der Par­tei­en Be­zug ge­nom­men wird, die Be­klag­te ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 14.809,29 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 11.03.2011 zu zah­len, im Übri­gen die Kla­ge ab­ge­wie­sen und der Be­klag­ten 91 %, der Kläge­rin 9% der Kos­ten auf­er­legt. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, die Kläge­rin ha­be ei­nen An­spruch aus §§ 9 Zif­fer 2, 10 Abs. 4 AÜG auf die Dif­fe­renz zwi­schen dem von der Be­klag­ten ge­zahl­ten St­un­den­lohn und ei­nem St­un­den­lohn in Höhe von 12,84 EUR auf der Ba­sis der sich aus den Ab­rech­nun­gen er­ge­ben­den St­un­den. Die im Ver­trag vom 30. April 2009 ver­ein­bar­ten Ta­rif­verträge sei­en un­wirk­sam, weil der CG­ZP die Ta­riffähig­keit ge­fehlt ha­be, wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt dies in sei­ner Ent­schei­dung schon fest­ge­stellt ha­be. Die­se Ent­schei­dung ent­fal­te Wir­kun­gen auch für die Ver­gan­gen­heit, ins­be­son­de­re dann, wenn sich – wie hier – kei­ne Umstände er­ge­ben würde, die die Ta­riffähig­keit ent­ge­gen der ge­richt­li­chen Ent­schei­dung bestäti­gen würde. Außer­dem ha­be das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung in­zi­dent auch die Sat­zung von 2005 über­prüft, so dass für die Ta­riffähig­keit der CG­ZP ab 2005 nichts an­de­res gel­ten könne. Je­den­falls aber wir­ke der vom BAG ent­schie­de­ne Fest­stel­lungs­an­trag auf den Zeit­punkt der An­trags­stel­lung beim Ar­beits­ge­richt, al­so auf Herbst 2008 zurück. Ei­ner Aus­set­zung des Ver­fah­rens bedürfe es da­her nicht. Für die Zeit ab dem 1. Ja­nu­ar 2010 sei­en Ta­rif­verträge nicht wirk­sam ver­ein­bart wor­den. Die Be­zug­nah­me auf die von der CG­ZP und fünf Ein­zel­ge­werk­schaf­ten ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge hal­te ei­ner In­halts­kon­trol­le nicht stand. Für die Kläge­rin sei nicht er­kenn­bar, wel­che ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen für sie gel­ten würden. Auf Ver­trau­ens­schutz könne sich die Be­klag­te nicht be­ru­fen. Die Ansprüche sei­en nicht ver­fal­len, da un­ter Berück­sich­ti­gung der Re­ge­lun­gen im Verjährungs­recht die Aus­schluss­fris­ten frühes­tens mit der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts be­gin­nen würden. Der Höhe nach sei­en nur die Brut­to­zah­lun­gen zu ver­glei­chen. Die Kläge­rin müsse sich die von der Be­klag­ten ge­zahl­ten Fahrt­kos­ten nicht an­rech­nen las­sen. Dies sei­en Sach­leis­tun­gen, die un­abhängig von der Zahl der ge­leis­te­ten St­un­den und der Dau­er der tägli­chen Ar­beits­zeit an­fal­len würden. Al­ler­dings könne die Kläge­rin für die Zeit vom 4.5.2009 bis zum 14.6.2009 kei­ne Ansprüche gel­tend ma­chen, da die Be­klag­te mit der vor Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses ar­beits­lo­sen Kläge­rin nach § 9 Nr 2 AÜG für 6 Wo­chen ein ge­rin­ge­res Ar­beits­ent­gelt ha­be ver­ein­ba­ren dürfen. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten der Ent­schei­dung wird auf das an­ge­foch­te­ne Ur­teil Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses der Be­klag­ten am 21. Ju­ni 21011 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich ih­re Be­ru­fung, die sie mit ei­nem beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 23.06.2011 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz ein­ge­legt und mit ei­nem beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 11.08.2011 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet hat.

Die Be­klag­te wen­det sich mit Rechts­ausführun­gen ge­gen die ar­beits­ge­richt­li­che Ent­schei­dung.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt (Oder) vom 09.06.2011 3 Ca 422/11 – ab­zuändern und die Kla­ge ins­ge­samt ab­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin ver­tei­digt das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil mit Rechts­ausführun­gen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des zweit­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf die zwi­schen ih­nen ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie auf das Vor­brin­gen in den münd­li­chen Ver­hand­lungs­ter­mi­nen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung der Be­klag­ten ist von ihr frist­gemäß und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG).

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist da­her zulässig.

2. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat in der Sa­che kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat mit zu­tref­fen­der Be­gründung die Be­klag­te ver­ur­teilt, an die Kläge­rin rest­li­ches Ar­beits­ent­gelt für die Zeit vom 15.06.2009 bis zum 30.06.2010 in Höhe von 14.809,29 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen zu zah­len. Der An­spruch der Kläge­rin er­gibt sich aus § 10 Abs. 4 AÜG. Die ar­beits­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen zur Ab­wei­chung von den im Be­trieb des Ent­lei­hers gel­ten­den we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen er­weist sich als un­wirk­sam. Ansprüche der Kläge­rin sind auch nicht auf­grund ta­rif­li­cher oder ver­trag­li­cher Aus­schluss­fris­ten ver­fal­len.

2.1 Nach § 9 Nr. 2 AÜG ist der Ver­lei­her grundsätz­lich ver­pflich­tet mit sei­nem Ar­beit­neh­mer die we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen ein­sch­ließlich des Ar­beits­ent­gelts zu ver­ein­ba­ren, die für ei­nen ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer im Ent­lei­her­be­trieb gel­ten. Al­ler­dings kann ein Ta­rif­ver­trag ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen vor­se­hen. Im Gel­tungs­be­reich ei­nes sol­chen Ta­rif­ver­tra­ges können nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer die An­wen­dung der ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen ver­ein­ba­ren (§ 9 Nr. 2 a.E. AÜG). Im Fal­le der Un­wirk­sam­keit der Ver­ein­ba­rung mit dem Ver­lei­her nach § 9 Nr. 2 AÜG kann der Leih­ar­beit­neh­mer von sei­nem Ar­beit­ge­ber die Gewährung der im Be­trieb des Ent­lei­hers für ei­nen ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer des Ent­lei­hers gel­ten­den we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen ein­sch­ließlich des Ar­beits­ent­gelts ver­lan­gen (§ 10 Abs. 4 AÜG).

2.2 Auch im vor­lie­gen­den Fall ha­ben die Par­tei­en in ih­ren Ar­beits­verträgen die Gel­tung von Ta­rif­verträgen ver­ein­bart, die ein nied­ri­ge­res Ar­beits­ent­gelt vor­sa­hen, als ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer beim Ent­lei­her er­ziel­ten. Es ist zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig, dass die Kläge­rin beim Ent­lei­her ei­nen St­un­den­lohn von 12,84 € er­zielt hätte. Die Ver­ein­ba­rung die­ser Ta­rif­verträge er­weist sich in­des als un­wirk­sam. Für die Zeit bis zum 31.12.2009 konn­ten die Ver­trags­par­tei­en nicht vom equal-pay-Ge­bot ab­wei­chen, weil der ver­ein­bar­te Ta­rif­ver­trag nich­tig ist. Für die Zeit ab dem 01.01.2010 ist die ver­trag­li­che Be­zug­nah­me un­wirk­sam, so dass auch in­so­weit ei­ne Ab­wei­chung nicht in Be­tracht kam.

2.2.1 Für die Zeit vom 15. Ju­ni 2009 bis zum 31.12.2009 ist die Ver­ein­ba­rung ei­nes nied­ri­ge­ren Ent­gelts als es ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mern im Ent­lei­her­be­trieb ge­zahlt wird durch den in Be­zug ge­nom­me­nen Ent­gelt­ta­rif­ver­trag vom 9.7.2008 ab­ge­schlos­sen zwi­schen der Ta­rif­ge­mein­schaft Christ­li­che Ge­werk­schaf­ten Zeit­ar­beit und PSA (im fol­gen­den CG­ZP) und dem Ar­beit­ge­ber­ver­band Mit­telständi­scher Per­so­nal­dienst­leis­ter (APM), der in der maßgeb­li­chen Ent­gelt­grup­pe bis zum 1.Ju­li 2009 ei­nen St­un­den­lohn von 6,00 € und da­nach von 6,15 € vor­sieht, schon des­halb un­wirk­sam, weil die CG­ZP zum da­ma­li­gen Zeit­punkt nicht ta­riffähig war. Die CG­ZP ist kei­ne ta­riffähi­ge Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung iSd. § 2 Abs. 1 TVG und auch kei­ne ta­riffähi­ge Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on (BAG vom 14.12.2010 – 1 ABR 19/10 - AP Nr 6 zu § 2 TVG Ta­riffähig­keit).

Ei­ner Aus­set­zung des Rechts­streits nach § 97 Abs. 5 ArbGG bis zu ei­ner Er­le­di­gung des Be­schluss­ver­fah­rens über die Ta­riffähig­keit der CG­ZP bei Ab­schluss des Ent­gelt­ta­rif­ver­tra­ges am 9.7.2008 be­durf­te es nicht. Auch wenn das Bun­des­ar­beits­ge­richt mit sei­ner Ent­schei­dung vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10 – NZA 2011, 289) ei­ne rechts­kräfti­ge Ent­schei­dung über die feh­len­de Ta­riffähig­keit der CG­ZP nur ge­gen­warts­be­zo­gen ge­trof­fen hat, mit der Fol­ge, dass die Fra­ge der Ta­riffähig­keit im Jahr 2008, dem Jahr, in dem der maßgeb­li­che Ta­rif­ver­trag ab­ge­schlos­sen wur­de, von der Rechts­kraft der Ent­schei­dung nicht er­fasst wird, folgt dar­aus in Übe­rein­stim­mung mit dem LAG Hamm (Ur­teil v. 30.6.2011 8 Sa 387/11 – veröffent­licht in ju­ris) kei­ne Not­wen­dig­keit zur Aus­set­zung des vor­lie­gen­den Rechts­streits. Wur­de die Ta­rif­unfähig­keit nämlich be­reits ein­mal fest­ge­stellt, be­darf es auch dann kei­ner Aus­set­zung des Rechts­streits, wenn kei­ne An­halts­punk­te dafür vor­lie­gen, dass die Ta­riffähig­keit vor­her be­stan­den ha­ben könn­te (BAG v. 15.11.2006 – 10 AZR 665/05 - AP Nr 34 zu § 4 TVG Ta­rif­kon­kur­renz; Brors in Ju­ris­PR-ArbR 18/2011 Anm. 1). Sol­che An­halts­pun­ke la­gen hier un­ter Berück­sich­ti­gung der Be­gründung der feh­len­den Ta­riffähig­keit der CG­ZP in den vor­an­ge­gan­ge­nen Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts und des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg nicht vor. Viel­mehr folgt aus den Gründen der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, nach wel­chen die feh­len­de Ta­riffähig­keit der CG­ZP auf ent­spre­chen­den Sat­zungsmängeln be­ruht, zwei­fels­frei, dass sämt­li­che im zeit­li­chen Gel­tungs­be­reich der für un­wirk­sam er­ach­te­ten Ver­bands­sat­zung ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge un­wirk­sam sind und dies­bezüglich kei­ne Un­si­cher­heit be­steht, wel­che An­lass zur Durchführung ei­nes ei­genständi­gen Ver­fah­rens gemäß § 97 ArbGG für je­den ein­zel­nen Ta­rif­ver­trag bie­tet. Die im Tat­be­stand der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zi­tier­ten, für die Ta­riffähig­keit maßgeb­li­chen Pas­sa­gen der Sat­zung der CG­ZP vom 05.12.2005 sind durch die nach­fol­gen­den Sat­zungsände­run­gen un­berührt ge­blie­ben. We­der wur­de der Kreis der Mit­glie­der der CG­ZP an­ders be­stimmt, noch der fach­li­che Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich der CG­ZP verändert. Die­ser er­streck­te sich nach bei­den Fas­sun­gen auf den ge­sam­ten Be­reich der ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­merüber­las­sung, nicht aber auf den Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich ih­rer Mit­glie­der (BAG v. 14.12.2010 – 1 ABR 19/10 a.a.O.Rz. 110; LAG Ber­lin-Bran­den­burg v. 7.12.2009 – 23 TaBV 1016/09 LA­GE § 2 TVG Nr 8). Dem­ent­spre­chend be­zie­hen sich die tra­gen­den Erwägun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts, mit wel­chen die feh­len­de Ge­werk­schafts­ei­gen­schaft der CG­ZP und ih­re man­geln­de Ta­riffähig­keit be­gründet wor­den sind, in in­halt­li­cher und zeit­li­cher Hin­sicht auf die Rechts­la­ge, wie sie seit dem 05.12.2005 be­stan­den hat (LAG Hamm v. 30.06.2011 – 8 Sa 387/11 a.a.O.). In­so­fern be­ste­hen nicht nur kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass die Ta­riffähig­keit zu ei­nem frühe­ren Zeit­punkt be­stan­den ha­ben könn­te, son­dern es steht im Ge­gen­teil fest, dass die CG­ZP bei Ab­schluss des Ta­rif­ver­tra­ges nicht ta­riffähig war. Ei­ner Aus­set­zung des Rechts­streits be­darf es dann nicht mehr.

War die CG­ZP aber bei Ab­schluss des Ta­rif­ver­tra­ges nicht ta­riffähig, ist der Ta­rif­ver­trag auf den im Ar­beits­ver­trag vom 30. April 2009 Be­zug ge­nom­men wur­de, un­wirk­sam. Ein un­wirk­sa­mer Ta­rif­ver­trag kann nicht zu ei­ner Ab­wei­chung vom ge­setz­li­chen An­spruch auf „equal pay“ führen.
Auf Ver­trau­ens­schutz kann sich die Be­klag­te nicht be­ru­fen. Der gu­te Glau­be auf die Ta­riffähig­keit ei­ner Ver­ei­ni­gung wird nicht geschützt (BAG v. 15.11.2006 – 10 AZR 665/05 – AP Nr. 34 zu § 4 TVG Ta­rif­kon­kur­renz). Die Be­klag­te konn­te bei Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges vom 30.04.2009 auch schon des­halb nicht in die Wirk­sam­keit des Ta­rif­ver­tra­ges ver­trau­en, weil zu die­sem Zeit­punkt das Ar­beits­ge­richt Ber­lin (Be­schluss vom 01.04.2009 – 35 BV 17008/08) die Ta­riffähig­keit der CG­ZP ver­neint hat. Die Re­ge­lun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges zur ein­zel­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist zei­gen zu­dem deut­lich, dass der Be­klag­ten die Pro­ble­ma­tik die­ser Ta­rif­verträge bei Ab­schluss des Ver­tra­ges be­kannt war.

2.2.2 Mit der Ände­rung des Ar­beits­ver­tra­ges mit Wir­kung vom 1.1.2010 ha­ben die Par­tei­en eben­falls kei­ne wirk­sa­me Ver­ein­ba­rung über die Gel­tung ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges ge­schlos­sen. Die ar­beits­ver­trag­li­che Be­zug­nah­me auf die mit dem Ar­beit­ge­ber­ver­band APM ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge er­weist sich we­gen feh­len­der Trans­pa­renz als un­wirk­sam (§307 BGB).

2.2.2.1 Die Be­zug­nah­me­klau­sel in § 1 des Ände­rungs­ver­tra­ges vom 6. April 2010 ist ei­ne für ei­ne Viel­zahl von Verträgen vor­for­mu­lier­te Ver­trags­be­din­gung, die die Be­klag­te der Kläge­rin bei Ver­trags­schluss stell­te. Sie ist da­mit ei­ne All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung i.S. von § 305 BGB. Dies hat das Ar­beits­ge­richt be­reits so sei­ner Ent­schei­dung zu­grun­de ge­legt, oh­ne dass dies von der Be­klag­ten im Be­ru­fungs­ver­fah­ren an­ge­grif­fen wor­den wäre. Als all­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung un­ter­liegt sie gemäß § 307 Abs. 2 i.V.m § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB je­den­falls ei­ner Kon­trol­le an­hand des Trans­pa­renz­ge­bots, auch wenn die Be­zug­nah­me auf ei­nen Ta­rif­ver­trag, mit dem von dem ge­setz­lich nor­mier­ten equal pay An­spruch ab­ge­wi­chen wird, nicht der vol­len In­halts­kon­trol­le nach § 307 BGB un­ter­wor­fen würde.

2.2.2.2 Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Be­stim­mun­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen un­wirk­sam, wenn sie den Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders ent­ge­gen dem Ge­bot von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen. Die­se un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung kann sich dar­aus er­ge­ben, dass die Be­din­gung nicht klar und verständ­lich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das Trans­pa­renz­ge­bot schließt das Be­stimmt­heits­ge­bot ein. Da­nach müssen die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und Rechts­fol­gen so ge­nau be­schrie­ben wer­den, dass für den Ver­wen­der kei­ne un­ge­recht­fer­tig­ten Be­ur­tei­lungs­spielräume ent­ste­hen. Sinn des Trans­pa­renz­ge­bots ist es, der Ge­fahr vor­zu­beu­gen, dass der Ver­trags­part­ner des Klau­sel­ver­wen­ders von der Durch­set­zung be­ste­hen­der Rech­te ab­ge­hal­ten wird (vgl. BAG v. 01.09.2010 – 5 AZR 517/09 – NZA 2011, 575 f.; BAG v. 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – NZA 2009, 538 ff.; v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07 – NZA-RR 2010, 7 ff.). Al­ler­dings ist nicht schon die Ver­wei­sung auf die Vor­schrif­ten ei­nes Ge­set­zes oder ei­nes an­de­ren Re­ge­lungs­wer­kes für sich ge­nom­men in­trans­pa­rent. Auch ist ei­ne Re­ge­lung nicht be­reits des­halb un­verständ­lich, weil sie dy­na­misch aus­ge­stal­tet ist. Dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me­klau­seln ent­spre­chen ei­ner übli­chen Re­ge­lungs­tech­nik und die­nen den In­ter­es­sen bei­der Par­tei­en. Es ist aus­rei­chend, wenn die im Zeit­punkt der je­wei­li­gen An­wen­dun­gen in Be­zug ge­nom­me­nen Re­ge­lun­gen be­stimm­bar sind (BAG v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07 – a.a.O.) Ber­gen je­doch un­klar ab­ge­fass­te All­ge­mei­ner Ver­trags­be­din­gun­gen die Ge­fahr in sich, dass der Ar­beit­neh­mer sei­ne Rech­te nicht wahr­nimmt, liegt ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung iSv. § 307 Abs. 1 BGB vor (BAG v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07 – a.a.O.; BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06 – BA­GE 122, 12 ff.).

2.2.2.3 Ge­mes­sen an die­sen Grundsätzen hält die hier zu prüfen­de ar­beits­ver­trag­li­che Be­zug­nah­me­klau­sel der ein­ge­schränk­ten In­halts­kon­trol­le an­hand des Trans­pa­renz­ge­bots nicht stand. Die von der Be­klag­ten ver­wen­de­te Be­zug­nah­me­klau­sel ist un­klar und un­be­stimmt und be­nach­tei­ligt da­durch die Kläge­rin in un­an­ge­mes­se­ner Wei­se.

2.2.2.3.1 Mit der nach Satz­bau und Zei­chen­set­zung missglück­ten Be­zug­nah­me­klau­sel in § 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 6.4.2010 hat die Be­klag­te die An­wen­dung meh­re­rer Ta­rif­verträge gleich­zei­tig ver­ein­bart. Die Be­zug­nah­me­klau­sel ver­weist nicht nur auf ein Ta­rif­werk, son­dern auf ins­ge­samt sechs Man­tel-, Ent­gelt­rah­men- und Ent­gelt­ta­rif­verträge, ab­ge­schlos­sen zwi­schen dem Ar­beit­ge­ber­ver­band Mit­telständi­scher Per­so­nal­dienst­leis­ter e.V. auf der ei­nen Sei­te und der CG­ZP, der CGM, der DHV, dem BIGD, dem ALEB so­wie der med­so­net je­weils auf der an­de­ren Sei­te. Auch wenn die­se Ta­rif­verträge in ei­nem Ver­trags­text zu­sam­men­ge­fasst sind, macht die Präam­bel deut­lich, dass es sich bei dem Man­tel­ta­rif­ver­trag, dem Ent­gelt­rah­men­ta­rif­ver­trag, dem Ent­gelt­ta­rif­verträgen Ost und West, dem Man­tel­ta­rif­ver­trag für Aus­zu­bil­den­de so­wie dem Beschäfti­gungs­si­che­rungs­ta­rif­ver­trag um „ei­nen mehr­glied­ri­gen Ta­rif­ver­trag im en­ge­ren Sinn“ han­deln soll. Bei ei­nem sol­chen mehr­glied­ri­gen Ta­rif­ver­trag wer­den meh­re­re selbstständi­ge Ta­rif­verträge nur in ei­ner Ur­kun­de zu­sam­men­ge­fasst (BAG v. 8.11.2006 – 4 AZR 590/05 – NZA 2007 576). Ge­gen­stand der ar­beits­ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me­klau­sel sind da­mit die ver­schie­de­nen Ta­rif­verträge zwi­schen dem AMP auf der ei­nen Sei­te und den be­nann­ten Ta­rif­ver­trags­part­nern auf der an­de­ren Sei­te.

2.2.2.3.2 Der Ar­beits­ver­trag enthält kei­ne Re­ge­lung da­zu, wel­che der mögli­chen ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen An­wen­dung fin­den soll. Dies wäre hier aber er­for­der­lich ge­we­sen. Die ver­schie­de­nen in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge können un­abhängig von­ein­an­der zu un­ter­schied­li­chen Zeit­punk­ten gekündigt, neu ab­ge­schlos­sen oder an­de­ren Re­ge­lun­gen zugäng­lich sein. Die­se sich dann mögli­cher­wei­se wi­der­spre­chen­de Ta­rif­verträge fänden un­ge­ach­tet des­sen al­le auf­grund der dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me­klau­sel auf das Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung, oh­ne dass sich im Kon­flikt­fall be­stim­men ließe, wel­cher Ta­rif­ver­trag der maßgeb­li­che sein sol­le. Mit der Be­zug­nah­me auf die ver­schie­de­nen Ta­rif­verträge soll aber der ge­setz­lich ge­re­gel­te An­spruch auf glei­ches Ar­beits­ent­gelt, wie es im Ent­lei­her­be­trieb ge­zahlt wird, aus­ge­schlos­sen wer­den. Dies setzt ei­ne kla­re und be­stimm­te Fest­le­gung der an­wend­ba­ren Ta­rif­verträge, durch die vom ge­setz­li­chen An­spruch ab­ge­wi­chen wer­den soll und de­ren Wirk­sam­keit ggf. über­prüft wer­den muss, vor­aus. In­so­weit un­ter­schei­det sich die vor­lie­gen­de Be­zug­nah­me­klau­sel nach ih­rem Ziel auch von z.B. übli­chen Be­zug­nah­me­klau­seln auf den BAT bzw. den TVöD. Ei­ne Fest­le­gung nach dem Gel­tungs­be­reich ist nicht möglich, da der Gel­tungs­be­reich der ver­schie­de­nen in ei­ner Ur­kun­de zu­sam­men­ge­fass­ten Ta­rif­verträge iden­tisch ist. Auch lässt sich der maßgeb­li­che Ta­rif­ver­trag nicht nach Sinn und Zweck der Be­zug­nah­me­klau­sel be­stim­men. Für die Kläge­rin ist da­mit nicht vor­her­seh­bar, wel­che ta­rif­li­che Re­ge­lung maßge­bend für ihr Ar­beits­verhält­nis sein soll. Ei­ne sol­che Re­ge­lung er­weist sich als in­trans­pa­rent (so zu ei­ner iden­ti­schen Klau­sel ArbG Lübeck v. 15.3.2011 – 3 Ca 3147/10 – in ju­ris; zum Ände­rungs­an­ge­bot BAG v. 15.01.2009 – 2 AZR 641/07 – ZTR 2009, 445). Dass die sich dar­aus er­ge­ben­de Un­klar­heit über die be­ste­hen­den Ansprüche de­ren Gel­tend­ma­chung er­schwert, liegt auf der Hand.

2.2.2.3.3 Die Klau­sel ist auch nicht et­wa zwi­schen Be­zug­nah­me und dy­na­mi­scher Be­zug­nah­me im Rah­men des sog. „blue-pen­cil-test“ teil­bar. Zwar würde die ver­blei­ben­de Re­ge­lung auch oh­ne die dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me verständ­lich blei­ben und dann ei­ne Ver­wei­sung auf 6 gleich­lau­ten­de Ta­rif­verträge be­inhal­ten. Dies hilft hier in­des nicht wei­ter, da mit ei­ner rein sta­ti­schen Be­zug­nah­me auf ei­nen Ent­gelt­ta­rif­ver­trag der ge­setz­li­che An­spruch des Leih­ar­beit­neh­mers auf „equal pay“ nicht ab­be­dun­gen wer­den könn­te. § 9 Nr. 2 AÜG sieht hier nämlich vor, dass im Gel­tungs­be­reich, d. h. auch im zeit­li­chen Gel­tungs­be­reich, die An­wen­dung ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen zur Ab­wei­chung ver­ein­bart wer­den kann. Der Ge­setz­ge­ber woll­te er­kenn­bar nicht noch zusätz­lich die Möglich­keit schaf­fen, durch die Ver­ein­ba­rung al­ter Ta­rif­verträge das Lohn­ni­veau der Leih­ar­beit­neh­mer wei­ter­ge­hend ab­zu­sen­ken.

2.2.2.3.4 Die Be­zug­nah­me auf 6 gleich­lau­ten­de Ta­rif­verträge be­nach­tei­ligt die Kläge­rin aber auch des­halb in be­son­de­rer Wei­se, weil die Be­klag­te nach der Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg vom 7.12.2009 über die feh­len­de Ta­riffähig­keit der CG­ZP al­lein ihr Ri­si­ko hin­sicht­lich ei­ner Be­zug­nah­me von un­wirk­sa­men Ta­rif­verträgen mi­ni­mie­ren woll­te (ArbG Lübeck v. 15.3.2011 – 3 Ca 3147/10 – in ju­ris). Der mit der CG­ZP ab­ge­schlos­se­ne Ta­rif­ver­trag er­weist sich schon man­gels de­ren Ta­riffähig­keit als un­wirk­sam. Dies er­gibt sich aus der Rechts­kraft des Be­schluss­ver­fah­rens, die auch bei ei­ner ge­gen­warts­be­zo­ge­nen An­trag­stel­lung je­den­falls für die Zeit ab Verkündung der Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts wirkt. Un­ge­ach­tet des­sen hat die Be­klag­te zur Ab­wei­chung vom equal pay Ge­bot die­sen Ta­rif­ver­trag so­wie zusätz­lich wei­te­re 5 Ta­rif­verträge mit un­ter­schied­li­chen Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ver­ein­bart, um so mögli­cher­wei­se zu ei­nem wirk­sa­men Ta­rif­ver­trag zu ge­lan­gen. Dem­ge­genüber müss­te die Kläge­rin das Prüfver­fah­ren gemäß § 97 Abs. 1 ArbGG ge­gen meh­re­re Ta­rif­ver­trags­par­tei­en gleich­zei­tig führen. Dass dies von der Gel­tend­ma­chung be­rech­tig­ter Ansprüche abhält und die­se er­schwert, liegt eben­falls auf der Hand (Ar­beits­ge­richt Lübeck v. 15.3.2011 – 3 Ca 3147/10 – a.a.O.).

2.2.2.3.5 Auf die Fra­ge, ob das in Be­zug ge­nom­me­ne Ta­rif­werk auch des­halb nicht wirk­sam den An­spruch der Kläge­rin auf „Equal-pay“ ab­be­din­gen konn­te, weil es we­gen Über­schrei­tung der sat­zungs­gemäßen Zuständig­keit der auf Ar­beit­neh­mer­sei­te auf­tre­ten­den Par­tei­en nich­tig wäre (so Ar­beits­ge­richt Her­ford 04.05.2011 - 2 Ca 144/11 – in ju­ris), kam es nicht mehr an.

2.2.3 Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge in zu­tref­fen­der Höhe statt­ge­ge­ben. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten wa­ren we­der die der Kläge­rin ge­zahl­ten Fahrt­kos­ten noch die vermögens­wirk­sa­men Leis­tun­gen auf ih­ren An­spruch nach § 10 Abs. 4 AÜG an­zu­rech­nen. Nach § 10 Abs. 4 AÜG kann der Leih­ar­beit­neh­mer vom Ver­lei­her das für ei­nen ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer des Ent­lei­hers gel­ten­de Ar­beits­ent­gelt ver­lan­gen. Dies ist bei der Kläge­rin ein Brut­to­mo­nats­lohn von 1.984,00 €, was ei­nem Brut­to­stun­den­lohn von 12,84 € ent­spricht. Für die Erfüllung die­ses An­spruchs kann sich die Be­klag­te auf den der Kläge­rin ge­zahl­ten St­un­den­lohn in Höhe von 6,00 € für die Mo­na­te Mai und Ju­ni 2009 so­wie von 6,15 € für die Zeit da­nach be­ru­fen. Dem­ge­genüber stellt die Zah­lung von Fahrt­kos­ten und vermögens­wirk­sa­men Leis­tun­gen kei­ne Erfüllung des An­spruchs nach § 10 Abs. 4 AÜG dar. Bei den Fahrt­kos­ten han­delt sich um ei­nen mit dem „equal pay An­spruch“ nicht ver­gleich­ba­ren Auf­wen­dungs­er­satz nach § 670 BGB. Fahrt­kos­ten wer­den un­abhängig von den ge­leis­te­ten St­un­den und der Dau­er der Ar­beits­zeit für ent­stan­de­ne Auf­wen­dun­gen ge­zahlt. Für sie wer­den So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge nicht ge­zahlt, mit der Fol­ge, dass sie auch auf So­zi­al­leis­tun­gen kei­nen Ein­fluss ha­ben. Die vermögens­wirk­sa­men Leis­tun­gen sind steu­er­begüns­tig­te zusätz­li­che Leis­tun­gen zu­guns­ten ei­nes vom Ar­beit­neh­mer ab­ge­schlos­se­nen Ver­trags. Auch hier fal­len So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge nicht an. Bei­de Leis­tun­gen sind nicht de­ckungs­gleich zum Ar­beits­ent­gelt und können da­mit auch nicht auf das ei­nem ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer ge­zahl­te Ar­beits­ent­gelt an­ge­rech­net wer­den. Die Be­rech­nung des Kla­ge­be­tra­ges im Übri­gen ist zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig und wur­de von der Be­klag­ten im Be­ru­fungs­ver­fah­ren nicht wei­ter an­ge­grif­fen.

2.3 Die Ansprüche der Kläge­rin sind nicht ver­fal­len. Die Kläge­rin hat ih­re Ansprüche recht­zei­tig in­ner­halb der ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist gel­tend ge­macht.

2.3.1 Die ta­rif­li­chen Aus­schluss­fris­ten fin­den schon des­halb kei­ne An­wen­dung, weil der mit Ar­beits­ver­trag vom 30.04.2009 in Be­zug ge­nom­me­ne Ta­rif­ver­trag und die nach­fol­gen­de Be­zug­nah­me­klau­sel we­gen Ver­s­toßes ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot un­wirk­sam sind. Auf die obi­gen Ausführun­gen wird Be­zug ge­nom­men. Die Un­wirk­sam­keit der Re­ge­lun­gen schlägt auf die ta­rif­li­chen Aus­schluss­fris­ten durch.

Aber auch wenn die ta­rif­li­chen Aus­schluss­fris­ten als All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen Be­stand­teil des Ar­beits­ver­tra­ges würden, wäre die dort ent­hal­te­ne Re­ge­lung un­wirk­sam (vgl. un­ten 2.3.2.1) bzw. hätte die Kläge­rin ih­re Ansprüche recht­zei­tig gel­tend ge­macht, da der Be­griff der Fällig­keit dann nicht an­ders aus­zu­le­gen wäre als bei den ver­trag­li­chen Aus­schluss­fris­ten (vgl. un­ten die Ausführun­gen zu 2.3.2.2).

2.3.2 Die Ansprüche der Kläge­rin sind nicht auf­grund der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten zwei­stu­fi­gen Aus­schluss­frist ver­fal­len. Zum ei­nen er­weist sich die­se Klau­sel eben­falls als in­trans­pa­rent und da­mit un­wirk­sam. Zum an­de­ren hat die Kläge­rin auch bei An­wen­dung der Aus­schluss­frist ih­re Ansprüche recht­zei­tig mit ih­rer Kla­ge gel­tend ge­macht. Das Ar­beits­ge­richt ist hier zu Recht da­von aus­ge­gan­gen, dass die Aus­schluss­frist frühes­tens mit der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 14.12.2010 zu lau­fen be­ginnt. Erst von die­sem Zeit­punkt an kann von der Kläge­rin zur Ver­mei­dung des Rechts­ver­lus­tes auf Grund der Ver­fall­frist er­war­tet wer­den, dass sie ih­re Ansprüche gel­tend macht.

2.3.2.1 Die ein­zel­ver­trag­li­che Aus­schluss­frist stellt ei­ne von Rechts­vor­schrif­ten ab­wei­chen­de oder die­se ergänzen­de Re­ge­lung iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Ge­setz­lich blei­ben Ansprüche - ab­ge­se­hen von ei­ner Ver­wir­kung (§ 242 BGB) - er­hal­ten und un­ter­lie­gen nur den Verjährungs­vor­schrif­ten. Die Klau­sel ent­spricht auch nicht ei­ner ta­rif­li­chen Be­stim­mung oder an­de­ren Norm iSd. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB, die auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en un­mit­tel­bar An­wen­dung fin­det.

Die Klau­sel ist in­trans­pa­rent, da der Ar­beits­ver­trag mit der Be­zug­nah­me auf ta­rif­li­che Be­stim­mun­gen in § 1 un­ter­schied­li­che Aus­schluss­fris­ten vor­sieht. Während der Ver­trag auf bei­den Stu­fen ei­ne Frist von drei Mo­na­ten vor­sieht, enthält der im Ver­trag vom 30.04.2009 in Be­zug ge­nom­me­ne Ta­rif­ver­trag in der ers­ten Stu­fe ei­ne Frist von nur zwei Mo­na­ten, das auf­grund der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 6.4.2010 in Be­zug ge­nom­me­ne Ta­rif­werk in der zwei­ten Stu­fe ei­ne Aus­schluss­frist von ei­nem Mo­nat. Die­ser Kon­flikt lässt sich nicht durch das Güns­tig­keits­prin­zip auflösen. Die Verlänge­rung von Aus­schluss­fris­ten ist nicht güns­ti­ger, da sie für bei­de Sei­ten wirkt und ei­ne Tren­nung für die Ansprüche der ei­nen Sei­te und die Ansprüche der an­de­ren Sei­te nicht vor­ge­nom­men wer­den kann (a.A. Säch­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt v. 23.08.2011 - 1 Sa 322/11 - ArbR 2011, 544). Wi­dersprüchli­che Aus­schluss­fris­ten be­nach­tei­li­gen die Kläge­rin aber un­an­ge­mes­sen, da sie in der Vor­stel­lung, die Aus­schluss­frist sei be­reits ab­ge­lau­fen, die Gel­tend­ma­chung von Ansprüchen un­ter­las­sen könn­te.

2.3.2.2 Un­ge­ach­tet des­sen hat die Kläge­rin mit ih­rer Kla­ge die Aus­schluss­frist ge­wahrt. Die Frist zur Gel­tend­ma­chung der Ansprüche im Sin­ne der ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist be­gann nämlich erst mit der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 14.12.2010. Dies er­gibt ei­ne Aus­le­gung des Be­griffs der „Fällig­keit“ im Sin­ne der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Aus­schluss­frist.

2.3.2.2.1 Ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten, die wie hier Be­stand­teil vom Ar­beit­ge­ber vor­ge­ge­be­ner all­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen sind, müssen sich mit ih­rem In­halt an § 307 BGB mes­sen las­sen. Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Be­stim­mun­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen un­wirk­sam, wenn sie den Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen. Ei­ne sol­che un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung ist im Zwei­fel an­zu­neh­men, wenn ei­ne Be­stim­mung mit we­sent­li­chen Grund­ge­dan­ken der ge­setz­li­chen Re­ge­lung, von der ab­ge­wi­chen wird, nicht zu ver­ein­ba­ren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Da Aus­schluss­fris­ten vom ge­setz­li­chen Verjährungs­recht ab­wei­chen, dürfen sie nach ih­rer Aus­ge­stal­tung nicht den we­sent­li­chen Grund­ge­dan­ken des Verjährungs­rechts wi­der­spre­chen, an­dern­falls sind sie un­wirk­sam (BAG v. 01.03.2005 – 5 AZR 511/05 - AP Nr 10 zu § 307 BGB; v.: 28.09.2005 5 AZR 52/05 BA­GE 116, 66-77). Das Verjährungs­recht ist Aus­druck des vom Ge­setz­ge­ber ver­folg­ten Ziels, Rechts­frie­den her­zu­stel­len. Es be­zweckt ei­nen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich zwi­schen dem Schutz des Schuld­ners vor ei­ner dro­hen­den Be­weis­not und mögli­chem Ver­lust von Re­gress­ansprüchen ge­gen Drit­te ei­ner­seits und der Not­wen­dig­keit, den Gläubi­ger vor ei­nem un­ge­recht­fer­tig­ten An­spruchs­ver­lust zu be­wah­ren, an­de­rer­seits. Die­se Über­le­gun­gen tref­fen eben­so auf den Re­ge­lungs­ge­gen­stand der Aus­schluss­fris­ten zu. Auch hier soll das im In­ter­es­se des Rechts­frie­dens und der Rechts­si­cher­heit an­zu­er­ken­nen­de Klar­stel­lungs­in­ter­es­se des Schuld­ners in Ein­klang ge­bracht wer­den mit dem be­rech­tig­ten An­lie­gen des Ver­trags­part­ners, vor ei­nem Tätig­wer­den die Sach- und Rechts­la­ge ab­sch­ließend prüfen zu können und nicht zu vor­ei­li­ger (förm­li­cher) Gel­tend­ma­chung ge­zwun­gen zu sein.

Maßgeb­li­cher Grund­ge­dan­ke des Verjährungs­rechts ist nach § 199 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass der Gläubi­ger von den den An­spruch be­gründen­den Umständen und der Per­son des Schuld­ners Kennt­nis er­langt oder oh­ne gro­be Fahrlässig­keit er­lan­gen müss­te. Die­sem Grund­ge­dan­ken wird bei Aus­schluss­fris­ten durch das Merk­mal der „Fällig­keit“ Rech­nung ge­tra­gen (BAG v. 01.03.2005 – 5 AZR 511/05 – a.a.O). Der Be­griff der Fällig­keit wird da­bei von den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen un­ter Ein­be­zie­hung des Kennt­nis­stan­des des Gläubi­gers und sub­jek­ti­ver Zu­rech­nungs­ge­sichts­punk­te in­ter­es­sen­ge­recht aus­ge­legt (vgl. BAG v. 09.02.2005 - 5 AZR 175/04 - AP BGB § 611 Lohnrück­zah­lung Nr. 12 mwN). Ein An­spruch ist re­gelmäßig erst dann im Sin­ne der Aus­schluss­frist fällig, wenn der Gläubi­ger ihn annähernd be­zif­fern kann (BAG v. 28. 09.2005 - 5 AZR 52/05 - NZA 2006, 149, 152). Dem Gläubi­ger muss die Gel­tend­ma­chung aber auch zu­mut­bar sein, was un­ter Umständen ei­ne rechts­kräfti­ge Ent­schei­dung über Vor­fra­gen vor­aus­set­zen kann (vgl. BAG vom 09.02.2005 – 5 AZR 175/04 – a.a.O.). Fällig­keit in die­sem Sin­ne liegt nicht vor, wenn es dem Gläubi­ger prak­tisch unmöglich ist, den An­spruch mit sei­nem Ent­ste­hen gel­tend zu ma­chen. Das ist ins­be­son­de­re der Fall, wenn die rechts­be­gründen­den Tat­sa­chen in der Sphäre des Schuld­ners lie­gen und der Gläubi­ger es nicht durch schuld­haf­tes Zögern versäumt hat, sich Kennt­nis von den Vor­aus­set­zun­gen zu ver­schaf­fen, die er für die Gel­tend­ma­chung benötigt (BAG v. 19. Fe­bru­ar 2004 - 6 AZR 664/02 - AP BAT-O § 70 Nr. 3). Im Rah­men des Verjährungs­rechts ist an­er­kannt, dass der Verjährungs­be­ginn auch we­gen Rechtsun­kennt­nis hin­aus­ge­scho­ben sein kann, wenn die Rechts­la­ge unüber­sicht­lich oder zwei­fel­haft ist, so dass sie selbst ein rechts­kun­di­ger Drit­ter nicht ein­zuschätzen ver­mag, weil es an der Zu­mut­bar­keit der Kla­ge­er­he­bung als überg­rei­fen­der Vor­aus­set­zung für den Verjährungs­be­ginn fehlt (BGH 25.2.1999 IX ZR 30/98 - NJW 1999, 2041-2043 mwN).

2.3.2.2.2 Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze ist das Ar­beits­ge­richt zu Recht von ei­ner Fällig­keit der Ansprüche der Kläge­rin auf „equal pay“ im Sin­ne der Aus­schluss­frist erst mit der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts über die feh­len­de Ta­riffähig­keit der CG­ZP aus­ge­gan­gen. Erst zu die­sem Zeit­punkt hat die Kläge­rin po­si­ti­ve Kennt­nis von den an­spruchs­be­gründen­den Tat­sa­chen er­hal­ten, die ihr die Gel­tend­ma­chung ih­rer Ansprüche möglich und zu­mut­bar ma­chen. Die Ansprüche der Kläge­rin wa­ren abhängig von der Wirk­sam­keit des im Ar­beits­ver­trag in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­ver­tra­ges mit der CG­ZP. Die­se Fra­ge war zwin­gend nach den Re­ge­lun­gen in § 97 ArbGG in dem beim Ar­beits­ge­richt Ber­lin anhängi­gen Be­schluss­ver­fah­ren zu klären. Erst mit ei­nem rechts­kräfti­gen Ab­schluss die­ses Be­schluss­ver­fah­rens konn­te die Kläge­rin hin­rei­chend fest­stel­len, ob ihr die Ansprüche zu­stan­den oder nicht. Hin­zu kommt, dass es sich um ei­ne kom­pli­zier­te, um­strit­te­ne Rechts­fra­ge han­delt, die es der Kläge­rin in bei­den Ver­trags­ge­stal­tun­gen un­zu­mut­bar mach­te, zu­mal im be­ste­hen­den Rechts­verhält­nis, oh­ne Klärung der ent­schei­den­den Vor­fra­ge, die Ansprüche gel­tend zu ma­chen (Schüren Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ge­setz 4. Aufl. 2010 § 10 Rz. 257; Ar­beits­ge­richt Bre­men-Bre­mer­ha­ven v. 12.05.2011- 5 Ca 5129/10; a.A. Säch­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt v. 23.08.2011 - 1 Sa 322/11 - ArbR 2011, 544: ArbG Köln v. 07.09.2011 - 20 Ca 4254/11 in ju­ris). Die­se Un­si­cher­heit er­fass­te auch die ers­te Stu­fe der Aus­schluss­frist, da ei­ne Klärung oh­ne ge­richt­li­ches Ver­fah­ren of­fen­sicht­lich aus­sichts­los war. Dies zei­gen auch die beim Ar­beits­ge­richt Ber­lin und Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg zahl­rei­chen Kla­gen, bei de­nen es noch nach der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts um die Fra­gen der Aus­set­zung, der Wirk­sam­keit der Ta­rif­verträge und der Aus­schluss­fris­ten geht.

In­ter­es­sen der Be­klag­ten er­for­dern ei­nen frühe­ren Frist­be­ginn für bei­de Ver­trags­ge­stal­tun­gen nicht. Die Be­klag­te hat mit ih­ren Be­zug­nah­me­klau­seln auf Ta­rif­verträge der Kläge­rin ge­genüber ei­ne zulässi­ge Ab­wei­chung von dem ge­setz­lich ge­re­gel­ten equal-pay-An­spruch vor­ge­ge­ben. Ta­rif­verträgen wird im Rechts­ver­kehr ein großes Maß an Rich­tig­keits­gewähr ein­geräumt, wie die zahl­rei­chen ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen zu mögli­chen Ab­wei­chun­gen durch Ta­rif­verträge zei­gen. Un­si­cher­hei­ten und Zwei­fel, die zwi­schen den Par­tei­en ei­ne zügi­ge Klärung er­for­dert hätten, muss­ten bei die­ser Sach­la­ge zunächst nicht auf­kom­men. Die Be­klag­te, die sich nun mit die­sen Wir­kun­gen auf ei­nen sol­chen Ta­rif­ver­trag stützt, konn­te sich nicht vor der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts in be­rech­tig­ter Wei­se dar­auf ein­stel­len, die Kläge­rin wer­de – bei fest­ge­stell­ter Un­wirk­sam­keit der ta­rif­li­chen Re­ge­lung – kei­ne Ansprüche gel­tend ma­chen. Erst ein Nichts­tun der Kläge­rin nach der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts durf­te bei ihr die An­nah­me recht­fer­ti­gen, sie wer­de Ansprüchen nicht mehr aus­ge­setzt. Erst ab die­sem Zeit­punkt be­steht aber über­haupt ein im In­ter­es­se des Rechts­frie­dens und der Rechts­si­cher­heit an­zu­er­ken­nen­des Klar­stel­lungs­in­ter­es­se des Schuld­ners, dem Aus­schluss­fris­ten und Verjährung die­nen.

2.3.2.2.3 Das Ver­fah­ren nach § 97 Abs. 5 ArbGG steht ei­ner sol­chen Aus­le­gung der Aus­schluss­fris­ten nicht ent­ge­gen. Der Zeit­punkt der „Fällig­keit“ im Sin­ne von Aus­schluss­fris­ten kann vom Zeit­punkt der Ent­ste­hung und Ein­klag­bar­keit von Ansprüchen ab­wei­chen, wie die für die Aus­le­gung her­an­ge­zo­ge­nen Re­ge­lun­gen des Verjährungs­rechts zei­gen.

3. Aus die­sen Gründen war der Zah­lungs­an­spruch ein­sch­ließlich der Zin­sen– so­weit für das Be­ru­fungs­ver­fah­ren noch re­le­vant – ge­ge­ben. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten war zurück­zu­wei­sen, mit der Fol­ge, dass sie gemäß § 97 ZPO die Kos­ten ih­res er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels zu tra­gen hat.

4. Die Re­vi­si­on war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG im Hin­blick auf die Viel­zahl der Rechts­strei­tig­kei­ten und die un­ter­schied­li­chen Ent­schei­dun­gen in den maßgeb­li­chen Rechts­fra­gen zu­zu­las­sen.

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