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Ar­beit­ge­richt Ham­burg, Ur­teil vom 31.05.2012, 22 Ca 27/12

   
Schlagworte: Kettenbefristung, Befristung: Kettenbefristung, Befristung: Missbrauch, Befristung: Verlängerung, Befristung: Anschlussverbot
   
Gericht: Arbeitgericht Hamburg
Aktenzeichen: 22 Ca 27/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 31.05.2012
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Ham­burg

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

Geschäfts­zei­chen:
22 Ca 27/12

Verkündet am:
31. Mai 2012

A.
Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In dem Rechts­streit

B. Sch.

- Kläger -

ge­gen

Freie und Han­se­stadt Ham­burg

- Be­klag­te -
 

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er­kennt das Ar­beits­ge­richt Ham­burg, 22. Kam­mer,

auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 31. Mai 2012

durch die Rich­te­rin Frau Jäger als Vor­sit­zen­de

die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Frau R.

die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Frau B.

für Recht:

 

Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Rechts­streits trägt der Kläger.

Der Streit­wert wird fest­ge­setzt auf 6.212,07 Eu­ro.

Die Be­ru­fung wird nicht ge­son­dert zu­ge­las­sen.

 

Jäger

R.

B.

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner Be­fris­tung.

Der 1959 ge­bo­re­ne Kläger war vom 01. Ok­to­ber 2008 bis 31. De­zem­ber 2010 be­fris­tet bei der Bun­des­agen­tur für Ar­beit als Fachas­sis­tent In­te­gra­ti­ons­maßnah­men im Be­reich SGB II beschäftigt. Mit Ab­lauf die­ser Be­fris­tung ver­zich­te­te der Kläger auf die Er­he­bung ei­ner Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge, da ihm ein wei­te­rer be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag mit der im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren Be­klag­ten an­ge­bo­ten wur­de.

Mit Ver­trag vom 29. No­vem­ber 2010 wur­de er so­dann er­neut be­fris­tet bei der jet­zi­gen Be­klag­ten für den Zeit­raum 01. Ja­nu­ar 2011 bis 31. De­zem­ber 2011 an­ge­stellt und un­verändert im team.ar­beit.ham­burg als Fachas­sis­tent In­te­gra­ti­ons­maßnah­men ein­ge­setzt. Sei­ne durch­schnitt­li­che Brut­to­mo­nats­vergütung be­trug 2.070,69 Eu­ro.

Auf den Ar­beits­ver­trag fin­det der Ta­rif­ver­trag für den öffent­li­chen Dienst der Länder (TV-L) An­wen­dung.

Un­ter § 1 des Ar­beits­ver­trags vom 25. No­vem­ber 1010 heißt es zum Be­fris­tungs­grund:

„Der Ar­beit­neh­mer wird ab 01.01.2011 gemäß § 30 des Ta­rif­ver­tra­ges für den öffent­li­chen Dienst der Länder (TV-L) in Ver­bin­dung mit dem Ge­setz über Teil­zeit­ar­beit und be­fris­te­te Ar­beits­verträge vom 21. De­zem­ber 2000 in der je­weils gel­ten­den Fas­sung aus fol­gen­dem Grund:

Die Fi­nan­zie­rung er­folgt über­wie­gend aus Bun­des­mit­tel und ist nur für den Zeit­raum der Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­si­chert.

[…] als Teil­zeit­beschäftig­ter be­fris­tet ein­ge­stellt. […] Das Ar­beits­verhält­nis ist be­fris­tet bis zum 31.12.2011.“

Für die wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Ar­beits­ver­trags wird auf die An­la­ge K4 (Bl. 8 d.A.) Be­zug ge­nom­men.

En­de des Jah­res 2011 wur­den bei der Be­klag­ten 59 un­be­fris­te­te freie Stel­len aus­ge­schrie­ben, auf die sich der Kläger be­warb. Hierfür for­der­te er ei­ne An­lass­be­ur­tei­lung von der Be­klag­ten, wor­auf die­se ihm ei­nen Ent­wurf zu­kom­men

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ließ. Da der Kläger mit dem Ent­wurf nicht ein­ver­stan­den war, er­hielt er auf Nach­fra­ge im Fol­gen­den ei­ne we­sent­lich güns­ti­ge­re Be­ur­tei­lung.

Am 25. No­vem­ber 2011 wur­de mit dem Kläger ein Aus­wahl­gespräch durch­geführt. Bei die­sem Gespräch lag der Be­klag­ten nur die frühe­re, schlech­te­re Be­wer­tung des Klägers vor.

Der Kläger ist der Auf­fas­sung, die Be­fris­tung sei un­wirk­sam. Der Be­fris­tungs­grund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 Tz­B­fG sei nicht ein­schlägig, da die Stel­le des Klägers dau­er­haft be­ste­he und ei­ne Haus­halts­mit­tel­be­fris­tung nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nur dann möglich sei, wenn die Haus­halts­mit­tel für ei­ne nur vorüber­ge­hend an­fal­len­de Tätig­keit be­reit­ge­stellt würden. Ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung gemäß § 14 Abs. 2 Tz­B­fG sei nicht zulässig, da es sich da­bei um ei­ne rechts­miss­bräuch­li­che Um­ge­hung des § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG han­de­le. Sch­ließlich deu­te ei­ni­ges dar­auf hin, dass der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag mit der Be­klag­ten nur des­halb ge­schlos­sen wur­de, weil es der Bun­des­agen­tur für Ar­beit nach der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zur Haus­halts­mit­tel­be­fris­tung ver­wehrt ge­we­sen sei, wei­ter be­fris­te­te Verträge mit dem Kläger ab­zu­sch­ließen. Mit dem An­ge­bot des er­neu­ten Ar­beits­ver­tra­ges ha­be der Kläger zu­dem da­von ab­ge­hal­ten wer­den sol­len, ei­ne Ent­fris­tungs­kla­ge ge­gen die Bun­des­agen­tur für Ar­beit an­zu­stren­gen.

Sch­ließlich ist der Kläger der Auf­fas­sung, sein An­spruch auf un­be­fris­te­te Wei­ter­beschäfti­gung fol­ge auch aus dem Rechts­ge­dan­ken der Be­din­gungs­ver­ei­te­lung. Er be­haup­tet, dass er auf ei­ne der 59 frei­en Stel­len ein­ge­stellt wor­den wäre, wenn die güns­ti­ge­re An­lass­be­ur­tei­lung bei dem Aus­wahl­gespräch vor­ge­le­gen hätte.

Der Kläger hat mit Kla­ge vom 20. Ja­nu­ar 2012, der Be­klag­ten zu­ge­stellt am 27. Ja­nu­ar 2012, Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge am Ar­beits­ge­richt Ham­burg er­ho­ben.

 

Der Kläger be­an­tragt,

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fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en über den 31.12.2011 hin­aus als un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis fort­be­steht.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie ist der Auf­fas­sung, die Be­fris­tung sei be­reits des­halb wirk­sam, weil es ei­nes Sach­grun­des nicht be­durft ha­be. Das Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten ha­be we­ni­ger als zwei Jah­re be­stan­den, so dass ei­ne Be­fris­tung auch gemäß § 14 Abs. 2 Tz­B­fG möglich sei. Die Vor­beschäfti­gung bei der Bun­des­agen­tur für Ar­beit sei nicht auf die Beschäfti­gungs­zeit an­zu­rech­nen, da es sich nicht um den­sel­ben Ver­trags­ar­beit­ge­ber han­de­le und die naht­lo­se be­fris­te­te Wei­ter­beschäfti­gung sich auch nicht als rechts­miss­bräuch­lich dar­stel­le. Zu­dem sei aber auch der Sach­grund der Haus­halts­mit­tel­be­fris­tung ge­ge­ben, da das Ge­samt­bud­get im Rah­men der Ko­fi­nan­zie­rung schwan­ke.

 

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die als Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge nach § 17 Satz 1 Tz­B­fG zulässi­ge Kla­ge ist un­be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en en­de­te auf Grund des Ab­laufs der Be­fris­tung zum 31. De­zem­ber 2011.

1.

Die Be­fris­tung gilt nicht schon als wirk­sam nach § 17 Satz 2 Tz­B­fG i. V. m. § 7 Hs. 1 KSchG. Die dreiwöchi­ge Kla­ge­frist nach § 17 Satz 1 Tz­B­fG wur­de ein­ge­hal­ten.

2.

Die Be­fris­tung ist gemäß § 14 Abs. 2 Tz­B­fG oh­ne Sach­grund wirk­sam.

a.

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Wird im Ar­beits­ver­trag ein Sach­grund für die Be­fris­tung an­ge­ge­ben, er­weist sich die­ser aber als nicht tragfähig, ist der Ar­beit­ge­ber grundsätz­lich nicht dar­an ge­hin­dert, die Be­fris­tung auf ei­nen an­de­ren Sach­grund oder auf § 14 Abs. 2 Tz­B­fG zu stützen (Ar­nold/Gräfl/Im­ping, Tz­B­fG, 1. Auf­la­ge 2007, § 14 Tz­B­fG Rn. 26 m.w.Nachw.).

Die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en können aus­drück­lich oder kon­klu­dent ver­ein­ba­ren, dass die Be­fris­tung nur auf ei­nen be­stimm­ten Sach­grund gestützt und an­de­re Recht­fer­ti­gungs­gründe für die Be­fris­tung aus­ge­schlos­sen sein sol­len. Ein sol­cher Aus­schluss kann auch dann an­ge­nom­men wer­den, wenn ein ein­schlägi­ger Ta­rif­ver­trag ein Zi­tier­ge­bot des ein­schlägi­gen Sach­grun­des for­dert (BAG, Ur­teil vom 29.06.2011 – 7 AZR 774/09 – NZA 2011, 2484). Ein kon­klu­den­ter Aus­schluss der sach­grund­lo­sen Be­fris­tungsmöglich­keit kommt dann in Be­tracht, wenn der Ar­beit­neh­mer die Erklärung des Ar­beit­ge­bers so ver­ste­hen darf, dass die Be­fris­tung aus­sch­ließlich auf ei­nen be­stimm­ten Sach­grund gestützt und von des­sen Be­ste­hen abhängen soll (Ar­nold/Gräfl/Im­ping, Tz­B­fG, 1. Auf­la­ge 2007, § 14 Tz­B­fG Rn. 28). Da­zu reicht al­lein die An­ga­be ei­nes Sach­grun­des für die Be­fris­tung im Ar­beits­ver­trag nicht aus (BAG, Ur­teil vom 29.06.2011 – 7 AZR 774/09 – NZA 2011, 2484; Ar­nold/Gräfl/Im­ping, Tz­B­fG, 1. Auf­la­ge 2007, § 14 Tz­B­fG Rn. 28 m.w.Nachw.).

So verhält es sich hier. Der Be­klag­ten ist es nicht ver­wehrt, sich trotz der An­ga­be des Sach­grun­des der Haus­halts­mit­tel­be­fris­tung im Ar­beits­ver­trag vom 29. No­vem­ber 2010 auf die Möglich­keit der sach­grund­lo­sen Be­fris­tung gemäß § 14 Abs. 2 Tz­B­fG zu be­ru­fen. Es gibt kei­ne wei­te­ren An­halts­punk­te dafür, dass die Be­fris­tung mit die­sem Sach­grund „ste­hen und fal­len“ soll. Auch der zwi­schen den Par­tei­en gel­ten­de Ta­rif­ver­trag (TV-L) enthält (ins­be­son­de­re in § 30 TV-L) kein Zi­tier­ge­bot des Sach­grun­des im Sin­ne der oben zi­tier­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, der zu ei­ner an­de­ren Be­wer­tung führen würde.

b.
Die Vor­aus­set­zun­gen der sach­grund­lo­sen Be­fris­tung gemäß § 14 Abs. 2 Tz­B­fG lie­gen vor. Die höchst­zulässi­ge Dau­er der Be­fris­tung von zwei Jah­ren gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG ist vor­lie­gend nicht über­schrit­ten, das Ar­beits­verhält­nis ist auch nicht mehr als drei­mal verlängert wor­den. Das hier im Streit ste­hen­de

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Ar­beits­verhält­nis be­stand vom 01. Ja­nu­ar 2011 bis zum 31. De­zem­ber 2011, mit­hin ein Ka­len­der­jahr.

Auch § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG steht ei­ner sach­grund­lo­sen Be­fris­tung nicht ent­ge­gen. Da­nach ist ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung auch dann nicht möglich, wenn mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber be­reits zu­vor ein Ar­beits­verhält­nis be­stan­den hat. Da­bei ist grundsätz­lich auf die­sel­be natürli­che oder ju­ris­ti­sche Per­son ab­zu­stel­len (vgl. Müller-Glöge in: ErfK, 11. Auf­la­ge 2011, § 14 Tz­B­fG Rn. 93). Auf den Beschäfti­gungs­be­trieb bzw. den Ar­beits­platz kommt es nicht an (BAG, Ur­teil vom 16. Ju­li 2008 – 7 AZR 278/07 – NJW 2009, 107; LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 30. No­vem­ber 2011 – 6 Sa 311/11, ju­ris). Vor­lie­gend han­delt es sich bei der Bun­des­agen­tur für Ar­beit und der im hie­si­gen Ver­fah­ren Be­klag­ten un­strei­tig um zwei ver­schie­de­ne ju­ris­ti­sche Per­so­nen.

c.

Die sach­grund­lo­se Be­fris­tung des Klägers für das Jahr 2011 bei der Be­klag­ten stellt sich nach Auf­fas­sung der Kam­mer auch nicht als rechts­miss­bräuch­lich dar.

Die Be­klag­te hat die vom Ge­setz­ge­ber eröff­ne­te Möglich­keit zum Ab­schluss von sach­grund­los be­fris­te­ten Verträgen nicht ent­ge­gen dem Grund­satz von Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) oder ent­ge­gen den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben um­gan­gen.

Ein Ver­trags­part­ner darf ei­ne an sich recht­lich mögli­che Ge­stal­tung nicht in ei­ner mit Treu und Glau­ben un­ver­ein­ba­ren Wei­se nur da­zu ver­wen­den, sich zum Nach­teil des an­de­ren Ver­trags­part­ners Vor­tei­le zu ver­schaf­fen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechts­in­sti­tuts nicht vor­ge­se­hen sind. Auch die Aus­nut­zung der durch das Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz vor­ge­se­he­nen Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten kann un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen rechts­miss­bräuch­lich sein, et­wa wenn meh­re­re recht­lich und tatsächlich ver­bun­de­ne Ver­trags­ar­beit­ge­ber in be­wuss­tem und ge­woll­tem Zu­sam­men­wir­ken auf­ein­an­der­fol­gen­de be­fris­te­te Ar­beits­verträge mit ei­nem Ar­beit­neh­mer aus­sch­ließlich des­halb schließen, um auf die­se Wei­se über die nach § 14 Abs. 2 Tz­B­fG vor­ge­se­he­nen Be­fris­tungsmöglich­kei­ten hin­aus sach­grund­lo­se Be­fris­tun­gen an­ein­an­der­rei­hen zu können (BAG, Ur­teil vom 09. März 2011 - 7 AZR 657/09 - ju­ris).

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Bei der Be­ur­tei­lung ei­nes et­wai­gen Rechts­miss­brauchs ha­ben die na­tio­na­len Ge­rich­te da­bei auch uni­ons­recht­li­che Vor­ga­ben, ins­be­son­de­re die der Richt­li­nie 1999/70/EG des Ra­tes vom 28.06.1999 (Be­fris­tungs­richt­li­nie) zu der EGB-UN­ICE-CEEP-Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge vom 18.03.1999 (Rah­men­ver­ein­ba­rung) zu be­ach­ten (BAG, Ur­teil vom 09. März 2011 - 7 AZR 657/09 - ju­ris).

Un­ter An­wen­dung die­ser Grundsätze hat sich die Be­klag­te nach Auf­fas­sung der Kam­mer durch den Ab­schluss des sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges mit dem Kläger kei­ne Vor­tei­le ver­schafft, die mit dem Zweck der Norm nicht mehr ver­ein­bar sind. Selbst wenn da­von aus­zu­ge­hen ist, der Ver­trag mit der Be­klag­ten sei nur we­gen des Ziels ab­ge­schlos­sen wor­den, dem Kläger wie­der im team.ar­beit.ham­burg mit dem­sel­ben Tätig­keits­be­reich zu be­trau­en, ist nicht hin­rei­chend er­sicht­lich, dass der Wech­sel des Ver­trags­ar­beit­ge­bers aus­sch­ließlich des­halb er­folg­te, um das Zu­vor­beschäfti­gungs­ver­bot des § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG zu um­ge­hen.

Die Bil­dung der AR­GE und des team.ar­beit.ham­burgs dien­te nicht da­zu, das Be­fris­tungs­recht zu um­ge­hen. Die Be­klag­te und die Bun­des­agen­tur für Ar­beit ha­ben die­se Ein­rich­tung nicht ge­gründet, um auf die­se Art und Wei­se die zeit­li­chen Höchst­gren­zen für ei­ne er­leich­ter­te Be­fris­tung aus­zu­deh­nen. Die Gründung der AR­GE be­ruht auf ei­ner ge­setz­li­chen Vor­ga­be, die ei­ne Be­tei­li­gung ver­schie­de­ner Recht­sträger vor­sieht. Die sich dar­aus er­ge­ben­den Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten im Hin­blick auf den Ab­schluss be­fris­te­ter Ar­beits­verträge hat die Be­klag­te im In­ter­es­se der Fle­xi­bi­lität ge­nutzt. Sie hat sich je­doch noch in­ner­halb des Norm­zwecks be­wegt (im Er­geb­nis so auch: LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ur­teil vom 12. Ok­to­ber 2011 – 2 Sa 91/11 – ju­ris; LAG Köln, Ur­teil vom 02. De­zem­ber 2011 – 10 Sa 1229/10, ju­ris).

Zwar lie­gen mit der Be­klag­ten und Bun­des­agen­tur für Ar­beit meh­re­re recht­lich und tatsächlich durch § 44 b SGB II ver­bun­de­ne Ar­beit­ge­ber vor. Auch spricht die Aus­ge­stal­tung und die Or­ga­ni­sa­ti­on der AR­GE durch die Träger gemäß § 44 b Abs. 2 SGB II für ein be­wuss­tes und ge­woll­tes Zu­sam­men­wir­ken bei der ge­genüber dem Kläger ge­trof­fe­nen Per­so­nal­ent­schei­dung. Je­doch lie­gen aus­rei­chen­de In­di­zi­en, die ge­gen ei­ne sol­che aus­sch­ließli­che Um­ge­hungs­ab­sicht spre­chen, vor. Für den Kläger war klar er­kenn­bar, dass ihm auf Ar­beit­ge­ber­sei­te ein an­de­rer Ver­trags­part­ner zu­ge­ord­net wur­de. Hin­zu kommt, dass es sich bei dem Tätig­keits­be­reich in­ner­halb

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der AR­GE nicht um ei­nen ei­ge­nen Beschäfti­gungs­be­reich der Be­klag­ten han­delt, son­dern die­se le­dig­lich ne­ben der Bun­des­agen­tur für Ar­beit als Träger der AR­GE be­tei­ligt ist. Mit der wei­te­ren be­fris­te­ten An­stel­lung des Klägers soll­te da­her kein ei­ge­ner Beschäfti­gungs­be­darf der Be­klag­ten ge­deckt wer­den wie et­wa bei dem Ein­satz von be­fris­tet wei­ter­beschäftig­ten Leih­ar­beit­neh­mern beim Beschäfti­gungs­ar­beits­ge­ber. Da­her ist vor­lie­gend schon un­ter die­sem Ge­sichts­punkt nicht von der Kon­stel­la­ti­on aus­zu­ge­hen, in der der bis­he­ri­ge Ar­beit­ge­ber trotz be­ste­hen­den ei­ge­nen Beschäfti­gungs­be­darfs sich ei­nes Drit­ten be­dient, um das An­schluss­be­fris­tungs­ver­bot nach § 14 Abs. 2 Tz­B­fG zu um­ge­hen (im Er­geb­nis so auch: LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ur­teil vom 12. Ok­to­ber 2011 – 2 Sa 91/11 – ju­ris; LAG Köln, Ur­teil vom 02. De­zem­ber 2011 – 10 Sa 1229/10, ju­ris).

Der Ge­setz­ge­ber hat die zulässi­ge Be­fris­tungshöchst­dau­er nicht in der Per­son des Ar­beit­neh­mers, son­dern in der Per­son des Ar­beit­ge­bers be­grenzt. Der Ar­beit­neh­mer hat kei­nen An­spruch dar­auf, nach ei­ner ge­wis­sen Beschäfti­gungs­zeit in be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­sen nun­mehr un­be­fris­tet beschäftigt zu wer­den. Er muss da­mit rech­nen, dass sich nach ei­ner bis zu zweijähri­gen be­fris­te­ten Beschäfti­gung oh­ne Sach­grund ei­ne wei­te­re sach­grund­lo­se Be­fris­tung bei ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber oder ei­ne Be­fris­tung mit Sach­grund bei dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber an­sch­ließt (LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ur­teil vom 12. Ok­to­ber 2011 – 2 Sa 91/11 – ju­ris).

Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht aus den Vor­ga­ben des EuGH in dem vom Kläger zi­tier­ten Ur­teil in Sa­chen Kücük (EuGH, Ur­teil vom 26. Ja­nu­ar 2012 – Rs. C-586/10 – NZA 2012, 135). Da­nach gibt der EuGH den zuständi­gen Stel­len der Mit­glied­staa­ten auf, ei­ne Miss­brauchs­kon­trol­le durch­zuführen und „stets al­le Umstände des Ein­zel­falls zu prüfen und da­bei na­ment­lich die Zahl der mit der­sel­ben Per­son oder zur Ver­rich­tung der glei­chen Ar­beit ge­schlos­se­nen auf­ein­an­der­fol­gen­den be­fris­te­ten Verträge zu berück­sich­ti­gen, um aus­zu­sch­ließen, dass Ar­beit­ge­ber miss­bräuch­lich auf be­fris­te­te Ar­beits­verträge oder -verhält­nis­se zurück­grei­fen, mögen die­se auch au­gen­schein­lich zur De­ckung ei­nes Ver­tre­tungs­be­darfs ge­schlos­sen wor­den sein“ (EuGH, Ur­teil vom 26. Ja­nu­ar 2012 – Rs. C-586/10 Rn. 40 – NZA 2012, 135 ).

Wie oben dar­ge­legt, be­ste­hen vor­lie­gend be­son­de­re Umstände des Ein­zel­falls, die für die Kam­mer dar­auf hin­deu­ten, dass die hier gewähl­te er­neu­te Be­fris­tung ge­ra­de

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nicht mit dem Zweck er­folg­te, sich miss­bräuch­lich ei­ne wei­ter­ge­hen­de Be­fris­tungsmöglich­keit zu schaf­fen.

d.

Da die Be­fris­tung, wie oben dar­ge­legt, gemäß § 14 Abs. 2 Tz­B­fG sach­grund­los wirk­sam ist, kann da­hin­ste­hen, ob der im Ar­beits­ver­trag an­ge­ge­be­ne Be­fris­tungs­grund des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Tz­B­fG vor­lie­gend Be­stand ge­habt hätte.

e.

Ins­be­son­de­re steht im vor­lie­gen­den Rechts­streit auch nicht der bis zum 31. De­zem­ber 2010 be­fris­te­te, mit der Bun­des­agen­tur für Ar­beit ge­schlos­se­ne Ar­beits­ver­trag zur Ent­schei­dung durch die Kam­mer. Ei­ne et­wai­ge Un­wirk­sam­keit des Be­fris­tungs­grun­des des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 Tz­B­fG hätte in­ner­halb der 3-Wo­chen-Frist des § 17 Tz­B­fG nach Aus­lauf der Be­fris­tung beim Ar­beits­ge­richt gel­tend ge­macht wer­den müssen. In­so­fern sich auch hier aus Ge­sichts­punk­ten von Treu und Glau­ben ge­ge­be­nen­falls et­was an­de­res er­ge­ben soll­te, ist die im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren Be­klag­te als von der Bun­des­agen­tur für Ar­beit als Ver­trags­par­tei ab­wei­chen­de ju­ris­ti­sche Per­son je­den­falls nicht pas­siv­le­gi­ti­miert.

3.

Der An­spruch des Klägers auf ei­ne un­be­fris­te­te Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bei der Be­klag­ten folgt auch nicht aus dem Ge­sichts­punkt der Be­din­gungs­ver­ei­te­lung gemäß § 162 BGB. Da­nach gilt ei­ne Be­din­gung dann als ein­ge­tre­ten, wenn de­ren Ein­tritt von der Par­tei, zu de­ren Nach­teil er ge­rei­chen würde, wi­der Treu und Glau­ben ver­hin­dert wird.

Der Kläger hat nach Auf­fas­sung der Kam­mer nicht aus­rei­chend dar­ge­legt, dass der Kläger un­ter Zu­grun­de­le­gung der bes­se­ren An­lass­be­ur­tei­lung tatsächlich auf ei­ne der 59 frei­en Stel­len ein­ge­stellt wor­den wäre.

§ 162 Abs. 1 BGB fin­giert ei­nen tatsächlich un­ter­blie­be­nen Be­din­gungs­ein­tritt, der treu­wid­rig ver­hin­dert wur­de. Ei­ne treu­wid­rig ver­ur­sach­te Ver­hin­de­rung ist dann wie

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ein Ein­tre­ten der Be­din­gung zu be­han­deln. Bei der Vor­schrift han­delt es sich nicht um ei­ne Stra­fe für treu­wid­ri­ges Ver­hal­ten, son­dern le­dig­lich um die Durch­set­zung des im be­ding­ten Geschäft aus­ge­drück­ten Re­ge­lungs­wil­lens der Par­tei­en (LAG Hamm, 24.11.2004 – 3 Sa 1325/04 – AuA 2005, 236). Dar­aus folgt, dass es im Rah­men des § 162 BGB nicht aus­reicht zu be­haup­ten, dass der Kläger auf­grund der bes­se­ren Be­ur­tei­lung ein­ge­stellt wor­den wäre. Der Kläger ist viel­mehr dar­le­gungs­be­las­tet für die Kau­sa­lität zwi­schen der bes­se­ren Be­ur­tei­lung und der Ein­stel­lung durch die Be­klag­te. Er hätte der Kam­mer folg­lich kon­kret dar­le­gen müssen, dass die dem Kläger zu­ge­sag­te bes­se­re Be­ur­tei­lung da­zu geführt hätte, dass er un­ter den bes­ten 59 Be­wer­bern an­ge­sie­delt ge­we­sen wäre und folg­lich – da die Be­klag­te als öffent­li­cher Ar­beit­ge­ber dem Prin­zip der Bes­ten­aus­le­se un­ter­liegt – zu ei­ner si­che­ren Ein­stel­lung des Klägers geführt hätte. In­so­fern dem Kläger hierfür die not­wen­di­gen Er­kennt­nis­se aus dem Be­reich der Be­klag­ten ge­fehlt hätten, et­wa die Be­ur­tei­lung der Mit­be­wer­ber, hätten die­se In­for­ma­tio­nen ge­ge­be­nen­falls mit­tels ei­nes Aus­kunfts­an­spruchs von der Be­klag­ten be­schafft wer­den können.

II.

Der Kläger hat gem. §§ 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG als un­ter­le­ge­ne Par­tei die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Der gemäß § 61 ArbGG fest­ge­setz­te Wert des Streit­ge­gen­stan­des beträgt gem. §§ 42 Abs. 3 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG drei Brut­to­mo­nats­gehälter à 2.070,69 Eu­ro, ins­ge­samt da­mit 6.212,07 Eu­ro.

Gründe für ei­ne ge­son­der­te Zu­las­sung der Be­ru­fung gem. § 64 Abs. 3 ArbGG lie­gen nicht vor. Die Möglich­keit Be­ru­fung gemäß § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG ein­zu­le­gen, bleibt da­von un­berührt.

Jäger

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann der Kläger beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg Be­ru­fung ein­le­gen. Für die Be­klag­te ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

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Die Frist für die Ein­le­gung der Be­ru­fung beträgt ei­nen Mo­nat. Sie be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung. In­ner­halb die­ser Frist muss die Be­ru­fungs­schrift beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg ein­ge­gan­gen sein. Die Be­ru­fungs­schrift muss das Ur­teil be­zeich­nen, ge­gen das die Be­ru­fung ge­rich­tet wird, und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Be­ru­fung ein­ge­legt wer­de. Mit der Be­ru­fungs­schrift soll ei­ne Aus­fer­ti­gung oder be­glau­big­te Ab­schrift des an­ge­foch­te­nen Ur­teils vor­ge­legt wer­den.

Die Be­ru­fung ist zu be­gründen. Die Frist für die Be­gründung der Be­ru­fung beträgt zwei Mo­na­te. Sie be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung. In­ner­halb die­ser Frist muss die Be­ru­fungs­be­gründung beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg ein­ge­gan­gen sein. Die Be­ru­fungs­be­gründung muss die Erklärung ent­hal­ten, in­wie­weit das Ur­teil an­ge­foch­ten wird und wel­che Abände­run­gen des Ur­teils be­an­tragt wer­den (Be­ru­fungs­anträge) so­wie die be­stimm­te Be­zeich­nung der im Ein­zel­nen an­zuführen­den Gründe der An­fech­tung (Be­ru­fungs­gründe) und der neu­en Tat­sa­chen, Be­weis­mit­tel und Be­weis­ein­re­den. Die Be­gründungs­frist kann auf An­trag vom Vor­sit­zen­den des Lan­des­ar­beits­ge­richts ein­mal verlängert wer­den, wenn nach sei­ner frei­en Über­zeu­gung der Rechts­streit durch die Verlänge­rung nicht verzögert wird oder wenn die Par­tei er­heb­li­che Gründe dar­legt. Die­se Gründe sind glaub­haft zu ma­chen.

Die Be­ru­fungs­schrift und die Be­ru­fungs­be­gründung müssen un­ter­schrie­ben sein

a) von ei­nem Rechts­an­walt, der bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­sen ist, oder
b) von ei­ner Ge­werk­schaft, ei­ner Ver­ei­ni­gung von Ar­beit­ge­bern oder ei­nem Zu­sam­men­schluss sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der. Dies gilt ent­spre­chend für ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

An­schrift und Sitz des Be­ru­fungs­ge­richts lau­ten:

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg, Os­ter­bek­s­traße 96, 22083 Ham­burg

Jäger

Hin­weis: Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg bit­tet, ggf. die Be­ru­fungs­schrift, die Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift und sons­ti­ge wech­sel­sei­ti­ge Schriftsätze 5-fach ein­zu­rei­chen.


 

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