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BAG, Ur­teil vom 15.10.2011, 9 AZR 348/10

   
Schlagworte: Pflegezeit
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 348/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 15.10.2011
   
Leitsätze:

1. § 3 PflegeZG räumt dem Beschäftigten ein einseitiges Gestaltungs-recht ein. Durch die Erklärung, Pflegezeit in Anspruch zu nehmen, treten unmittelbar die gesetzlichen Rechtsfolgen der Pflegezeit ein, ohne dass es noch eines weiteren Handelns des Arbeitgebers bedürfte.

2. § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG eröffnet dem Arbeitnehmer nur die Möglichkeit, durch einmalige Erklärung bis zu sechs Monate lang Pflegezeit in Anspruch zu nehmen. Hat der Arbeitnehmer die Pflegezeit durch Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber in Anspruch genommen, ist er gehindert, von seinem Recht erneut Gebrauch zu machen, sofern sich die Pflegezeit auf denselben Angehörigen bezieht (einmaliges Gestaltungsrecht).
3. Es bleibt offen, ob es mit § 3 Abs. 1 PflegeZG vereinbar ist, dass der Arbeitnehmer die Pflegezeit im Wege einer einmaligen Erklärung auf mehrere getrennte Zeitabschnitte verteilt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stuttgart Kammern Ludwigsburg, Urteil vom 24.9.2009 - 12 Ca 1792/09
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 31.3.2010 - 20 Sa 87/09
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


9 AZR 348/10
20 Sa 87/09
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
15. No­vem­ber 2011

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 15. No­vem­ber 2011 durch den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge-
 


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richt Krasshöfer als Vor­sit­zen­den, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Suckow und Klo­se so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Jun­ger­mann und Dr. Leit­ner für Recht er­kannt:


Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg vom 31. März 2010 - 20 Sa 87/09 - wird zurück­ge­wie­sen.

Der Kläger hat die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob der An­spruch des Klägers auf bis zu sechs Mo­na­te Pfle­ge­zeit gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG durch die ein­ma­li­ge In­an­spruch­nah­me ei­ner verkürz­ten Pfle­ge­zeit erfüllt ist.


Zwi­schen den Par­tei­en be­steht seit dem 1. April 1986 ein Ar­beits­verhält­nis. Die Be­klag­te, die re­gelmäßig mehr als 15 Mit­ar­bei­ter beschäftigt, setzt den Kläger als Be­triebs­mit­tel­kon­struk­teur ein.


Die Mut­ter des Klägers, Frau N, ist pfle­ge­bedürf­tig. Mit Schrei­ben vom 24. März 2005 stuf­te sie die Bar­mer Er­satz­kas­se mit Wir­kung zum 1. Fe­bru­ar 2005 in die Pfle­ge­stu­fe I ein.


Un­ter dem 12. Fe­bru­ar 2009 teil­te der Kläger der Be­klag­ten mit, er wer­de im Zeit­raum vom 15. bis zum 19. Ju­ni 2009 sei­ne Mut­ter un­ter In­an­spruch­nah­me ei­ner Pfle­ge­zeit nach den §§ 3 und 4 Pfle­geZG pfle­gen.


Mit Schrei­ben vom 9. Ju­ni 2009 zeig­te der Kläger der Be­klag­ten an, er be­an­spru­che fer­ner am 28. und am 29. De­zem­ber 2009 Pfle­ge­zeit. Dem wi­der­sprach die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 29. Ju­ni 2009.
 


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Un­ter dem 4. De­zem­ber 2009 in­for­mier­te der Kläger die Be­klag­te darüber, sei­ne Mut­ter auch im Zeit­raum vom 27. bis zum 31. De­zem­ber 2010 zu pfle­gen.


Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das Pfle­geZG be­rech­ti­ge Ar­beit­neh­mer, die ih­nen nach § 3 Pfle­geZG zu­ste­hen­de Pfle­ge­zeit mehr­mals in nicht zu­sam­menhängen­den Zeit­ab­schnit­ten bis zu ei­ner Ge­samt­dau­er von sechs Mo­na­ten in An­spruch zu neh­men. Sinn und Zweck des Pfle­geZG sei es, die Pfle­ge­ver­si­che­rung auf die Bedürf­nis­se und Wünsche der Pfle­ge­bedürf­ti­gen so­wie ih­rer An­gehöri­ger aus­zu­rich­ten und die Pfle­ge­kas­sen durch ei­ne Stärkung der häus­li­chen Pfle­ge fi­nan­zi­ell zu ent­las­ten. Die­sem Re­ge­lungs­ziel tra­ge al­lein ei­ne wei­te Aus­le­gung des § 3 Pfle­geZG Rech­nung. Während § 2 Pfle­geZG „akut auf­tre­ten­de“ Pfle­ge­zei­ten re­ge­le, ha­be § 3 Pfle­geZG „ge­plan­te“ Pfle­ge­zei­ten zum Ge­gen­stand, oh­ne Vor­ga­ben zur zeit­li­chen La­ge oder zur An­zahl der Zeit­ab­schnit­te zu ent­hal­ten.


Der Kläger hat vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­letzt be­an­tragt, 


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihn im Zeit­raum vom 27. bis ein­sch­ließlich 31. De­zem­ber 2010 vollständig von der Ar­beits­leis­tung frei­zu­stel­len,

hilfs­wei­se,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihn im Zeit­raum vom 27. bis ein­sch­ließlich 31. De­zem­ber 2010 nach Maßga­be von § 3 Pfle­geZG vollständig von der Ar­beits­leis­tung frei­zu­stel­len,

höchst hilfs­wei­se

fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ihn im Zeit­raum vom 28. bis zum 29. De­zem­ber 2009 vollständig nach Maßga­be von § 3 Pfle­geZG von der Ar­beits­leis­tung frei­zu­stel­len hat­te.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie ist der An­sicht, § 3 Pfle­geZG räume dem Ar­beit­neh­mer le­dig­lich das Recht auf ei­ne ein­ma­li­ge un­un­ter­bro­che­ne Pfle­ge­zeit ein.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen und die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen. Ab­wei­chend von den Anträgen, die er in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem
 


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Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­stellt hat, hat der Kläger in der Re­vi­si­ons­ver­hand­lung be­an­tragt

fest­zu­stel­len, dass ihm zur Pfle­ge sei­ner Mut­ter noch ei­ne Pfle­ge­zeit gemäß §§ 3 und 4 Pfle­geZG von bis zu sechs Mo­na­ten abzüglich ei­ner Wo­che zu­steht.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on ist oh­ne Er­folg. 


I. Ge­gen­stand der re­vi­si­ons­recht­li­chen Be­ur­tei­lung ist der Fest­stel­lungs­an­trag, den der Kläger in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat ge­stellt hat. Die von dem Kläger in der Re­vi­si­ons­in­stanz erklärte Kla­geände­rung ist zulässig.


1. Vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Kläger be­an­tragt, ihn im Zeit­raum vom 27. bis ein­sch­ließlich 31. De­zem­ber 2010 vollständig von der Ar­beits­leis­tung frei­zu­stel­len, hilfs­wei­se, ihn im Zeit­raum vom 27. bis ein­sch­ließlich 31. De­zem­ber 2010 nach Maßga­be von § 3 Pfle­geZG vollständig von der Ar­beits­leis­tung frei­zu­stel­len, höchst hilfs­wei­se fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ihn im Zeit­raum vom 28. bis zum 29. De­zem­ber 2009 vollständig nach Maßga­be von § 3 Pfle­geZG von der Ar­beits­leis­tung frei­zu­stel­len hat­te. Die­se Anträge hat der Kläger in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat nicht auf­recht­er­hal­ten. Er hat zu­letzt le­dig­lich die Fest­stel­lung be­gehrt, dass ihm zur Pfle­ge sei­ner Mut­ter noch ei­ne Pfle­ge­zeit gemäß §§ 3 und 4 Pfle­geZG von bis zu sechs Mo­na­ten abzüglich ei­ner Wo­che zu­steht.


2. Nach § 559 Abs. 1 ZPO sind Kla­geände­run­gen und -er­wei­te­run­gen in der Re­vi­si­ons­in­stanz grundsätz­lich nicht zulässig (vgl. BAG 23. Fe­bru­ar 2010 - 9 AZR 52/09 - Rn. 35, AP BUrlG § 11 Nr. 67). Der Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung in zwei­ter In­stanz bil­det nicht nur bezüglich des tatsächli­chen Vor­brin­gens, son­dern auch bezüglich der Anträge der Par­tei­en die Ent­schei­dungs­grund­la­ge für das Re­vi­si­ons­ge­richt (BAG 20. Ja­nu­ar 2010 - 5 AZR
 


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99/09 - Rn. 11, AP BGB § 611 Abhängig­keit Nr. 119 = EzA BGB 2002 § 611 Ar­beit­neh­mer­be­griff Nr. 16). An­tragsände­run­gen können aber aus pro­zessöko­no­mi­schen Gründen zu­ge­las­sen wer­den, wenn der neue Sach­an­trag sich auf den in der Be­ru­fungs­in­stanz fest­ge­stell­ten Sach­ver­halt und auf den un­strei­ti­gen Par­tei­vor­trag stützt (vgl. BAG 8. De­zem­ber 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 57, AP Tz­B­fG § 14 Nr. 77 = EzA BGB 2002 § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 10). Ein sol­cher Aus­nah­me­fall, der aus Gründen der Pro­zessöko­no­mie ei­ne Be­fas­sung mit den geänder­ten Anträgen recht­fer­tigt, liegt im Streit­fall vor. Die Kla­geände­rung in der Re­vi­si­ons­in­stanz stützt der Kläger auf den in der Be­ru­fungs­in­stanz fest­ge­stell­ten Sach­ver­halt, nämlich die Pfle­ge­bedürf­tig­keit sei­ner Mut­ter. In der Se­nats­ver­hand­lung ha­ben die Par­tei­en übe­rein­stim­mend erklärt, die Pfle­ge­bedürf­tig­keit der Mut­ter des Klägers be­ste­he fort.


II. Der Kla­ge­an­trag ist als Fest­stel­lungs­an­trag zulässig. 


1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Kla­ge auf Fest­stel­lung des Be­ste­hens oder Nicht­be­ste­hens ei­nes Rechts­verhält­nis­ses er­ho­ben wer­den, wenn der Kläger ein recht­li­ches In­ter­es­se dar­an hat, dass das Rechts­verhält­nis durch rich­ter­li­che Ent­schei­dung als­bald fest­ge­stellt wird.

2. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen im Streit­fall vor. 


a) Der Kläger be­gehrt die Fest­stel­lung ei­nes Rechts­verhält­nis­ses. 


aa) Zwar können nach § 256 Abs. 1 ZPO nur Rechts­verhält­nis­se Ge­gen­stand ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge sein, nicht bloße Ele­men­te oder Vor­fra­gen ei­nes Rechts­verhält­nis­ses. Ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge muss sich je­doch nicht not­wen­dig auf das Rechts­verhält­nis als Gan­zes er­stre­cken. Sie kann sich auch auf ein­zel­ne Be­zie­hun­gen oder Fol­gen aus ei­nem Rechts­verhält­nis, auf be­stimm­te Ansprüche oder Ver­pflich­tun­gen oder auf den Um­fang ei­ner Leis­tungs­pflicht be­schränken (BAG 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 557/06 - Rn. 14, AP BGB § 611 Mob­bing Nr. 4).

bb) Der Kläger be­gehrt die Fest­stel­lung, dass ihm zur Pfle­ge sei­ner Mut­ter ei­ne rest­li­che Pfle­ge­zeit gemäß §§ 3 und 4 Pfle­geZG zu­steht, ob­wohl er im
 


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Zeit­raum vom 15. bis zum 19. Ju­ni 2009 be­reits Pfle­ge­zeit in An­spruch ge­nom­men hat. Streit­ge­gen­stand ist da­mit das Be­ste­hen oder Nicht­be­ste­hen der Rechts­po­si­ti­on, die § 3 Abs. 1 Pfle­geZG dem Kläger einräumt. Die Fest­stel­lungs­kla­ge be­zieht sich da­mit auf ei­ne Fol­ge des zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses (vgl. zu ei­nem Zurück­be­hal­tungs­recht: BAG 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 557/06 - Rn. 14, AP BGB § 611 Mob­bing Nr. 4).


b) Der Kläger hat ein recht­li­ches In­ter­es­se dar­an, ge­richt­lich fest­stel­len zu las­sen, ob ihm wei­ter­hin Pfle­ge­zeit zu­steht (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die Be­klag­te hat das Recht des Klägers, er­neut Pfle­ge­zeit zu neh­men, un­ter Hin­weis auf § 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG in Ab­re­de stellt.

c) Der grundsätz­lich gel­ten­de Vor­rang der Leis­tungs­kla­ge (vgl. BAG 11. De­zem­ber 2001 - 9 AZR 435/00 - zu I der Gründe, EzA ZPO § 256 Nr. 59) steht der Zulässig­keit des Fest­stel­lungs­an­trags nicht ent­ge­gen.


aa) Ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge ist zulässig, wenn mit ihr ei­ne sach­ge­rech­te, ein­fa­che Er­le­di­gung der auf­ge­tre­te­nen Streit­punk­te zu er­rei­chen ist und pro­zess­wirt­schaft­li­che Über­le­gun­gen ge­gen ei­nen Zwang zur Leis­tungs­kla­ge spre­chen (vgl. BAG 16. De­zem­ber 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 19, BA­GE 129, 72).

bb) Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind im Streit­fall erfüllt. 


(1) Das Recht ei­nes Ar­beit­neh­mers, ei­nen na­hen Fa­mi­li­en­an­gehöri­gen in häus­li­cher Um­ge­bung zu pfle­gen, ist kein An­spruch des Ar­beit­neh­mers iSd. § 194 BGB, zu des­sen ge­richt­li­cher Durch­set­zung ei­ne Leis­tungs­kla­ge ge­eig­net wäre. § 3 Pfle­geZG räumt dem Beschäftig­ten ein ein­sei­ti­ges Ge­stal­tungs­recht ein (ErfK/Gall­ner 11. Aufl. § 3 Pfle­geZG Rn. 4; Fröhlich Ar­bRB 2008, 84, 86; Jous­sen NZA 2009, 69, 71; Schwerd­le ZTR 2007, 655, 659; aA Preis/Neh­ring NZA 2008, 729, 734). Durch die Erklärung, Pfle­ge­zeit in An­spruch zu neh­men, tre­ten un­mit­tel­bar die ge­setz­li­chen Rechts­fol­gen der Pfle­ge­zeit ein, oh­ne dass es noch ei­nes wei­te­ren Han­delns des Ar­beit­ge­bers bedürf­te (in die­sem Sin­ne: Jous­sen NZA 2009, 69, 71). Der Ar­beit­neh­mer schul­det während der in An-


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spruch ge­nom­me­nen Pfle­ge­zeit kei­ne Ar­beits­leis­tung mehr (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG). Ähn­lich hat der Se­nat in der Ver­gan­gen­heit die Rechts­la­ge im Fall der El­tern­zeit be­ur­teilt. Der Se­nat hat an­ge­nom­men, die In­an­spruch­nah­me des Rechts auf El­tern­zeit sei von ei­ner Zu­stim­mung des Ar­beit­ge­bers un­abhängig. Sie führe auf­grund des dem Ar­beit­neh­mer ein­geräum­ten Ge­stal­tungs­rechts un­mit­tel­bar zum Ru­hen der sich aus dem Ar­beits­ver­trag er­ge­ben­den wech­sel­sei­ti­gen Haupt­pflich­ten (BAG 19. April 2005 - 9 AZR 233/04 - Rn. 25, BA­GE 114, 206). Die­se Rechts­fol­ge tre­te ein, oh­ne dass es ei­ner Zu­stim­mung sei­tens des Ar­beit­ge­bers bedürfe (BAG 27. April 2004 - 9 AZR 21/04 - Rn. 29, BA­GE 110, 224). Ins­be­son­de­re sei ein auf die Ände­rung des Ar­beits­ver­trags ge­rich­te­ter An­trag des Ar­beit­neh­mers iSv. § 145 BGB, den der Ar­beit­ge­ber an­neh­men oder ab­leh­nen könne, ent­behr­lich (BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 278/05 - Rn. 18, AP BErzGG § 15 Nr. 47). Die­sel­ben Erwägun­gen tref­fen auf die Pfle­ge­zeit iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG zu. Aus­weis­lich der Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en woll­te der Ge­setz­ge­ber die Re­ge­lung der Pfle­ge­zeit und der Pfle­ge­teil­zeit an den Be­stim­mun­gen über die El­tern­zeit in § 15 f. BEEG ori­en­tie­ren (vgl. BT-Drucks. 16/7439 S. 91). So­weit nach dem Wort­laut des § 3 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG der Beschäftig­te „von der Ar­beits­leis­tung vollständig oder teil­wei­se frei­zu­stel­len“ ist, han­delt es sich um ei­ne re­dak­tio­nel­le Un­ge­nau­ig­keit des Ge­setz­ge­bers. Ei­ner Frei­stel­lungs­erklärung des Ar­beit­ge­bers be­darf es nach der Ge­set­zes­be­gründung ge­ra­de nicht.

(2) Nach die­sen Grundsätzen ist ei­ne Leis­tungs­kla­ge zur Si­che­rung des An­spruchs auf Pfle­ge­zeit aus­ge­schlos­sen. Der Ar­beit­neh­mer kann al­len­falls nach er­folg­ter In­an­spruch­nah­me be­an­tra­gen fest­zu­stel­len, dass während des in An­spruch ge­nom­me­nen Zeit­raums kei­ne Ar­beits­pflicht be­stand. Vor­lie­gend strei­ten die Par­tei­en darüber, ob dem Kläger wei­ter­hin Zeit zur Pfle­ge sei­ner Mut­ter zu­steht, ob­wohl er im Zeit­raum vom 15. bis zum 19. Ju­ni 2009 be­reits Pfle­ge­zeit in An­spruch nahm. Hier­zu kommt nur die Fest­stel­lungs­kla­ge in Be­tracht.

III. Die Kla­ge ist nicht be­gründet. 



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1. Der Kläger hat zur Pfle­ge sei­ner Mut­ter kei­nen An­spruch mehr auf Pfle­ge­zeit gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG.

a) Da­nach sind Beschäftig­te von der Ar­beits­leis­tung vollständig oder teil­wei­se frei­zu­stel­len, wenn sie ei­nen pfle­ge­bedürf­ti­gen na­hen An­gehöri­gen in häus­li­cher Um­ge­bung pfle­gen. Die Pfle­ge­zeit nach § 3 Pfle­geZG beträgt für je­den pfle­ge­bedürf­ti­gen na­hen An­gehöri­gen höchs­tens sechs Mo­na­te (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG).


b) Die all­ge­mei­nen Vor­aus­set­zun­gen für die In­an­spruch­nah­me von Pfle­ge­zeit lie­gen vor. Zwi­schen den Par­tei­en be­steht ein Ar­beits­verhält­nis (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Pfle­geZG). Die Be­klag­te beschäftigt re­gelmäßig mehr als 15 Ar­beit­neh­mer (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Pfle­geZG). Sch­ließlich ist die Mut­ter des Klägers ei­ne na­he An­gehöri­ge (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 Pfle­geZG) und pfle­ge­bedürf­tig (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Pfle­geZG).

c) Der Kläger hat das ein­ma­li­ge Ge­stal­tungs­recht, das ihm § 3 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG einräumt, durch die Mit­tei­lung an die Be­klag­te, Pfle­ge­zeit im Zeit­raum vom 15. bis zum 19. Ju­ni 2009 zu neh­men, aus­geübt. Sein An­spruch auf Pfle­ge­zeit zur Pfle­ge sei­ner Mut­ter ist da­mit ver­braucht. § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG eröff­net Ar­beit­neh­mern die Möglich­keit, sich bis zu sechs Mo­na­te lang der Pfle­ge ei­nes na­hen An­gehöri­gen zu wid­men. Das Pfle­geZG er­laubt es ei­nem Ar­beit­neh­mer nicht, Pfle­ge­zeit für ein und den­sel­ben na­hen An­gehöri­gen mehr­fach in An­spruch zu neh­men (mehr­fa­ches Ge­stal­tungs­recht). Hat der Ar­beit­neh­mer die Pfle­ge­zeit durch Erklärung ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber in An­spruch ge­nom­men, ist sein An­spruch er­lo­schen, so­fern sich die Pfle­ge­zeit auf den­sel­ben An­gehöri­gen be­zieht (ein­ma­li­ges Ge­stal­tungs­recht). Das gilt auch dann, wenn die in An­spruch ge­nom­me­ne Pfle­ge­zeit kürzer als sechs Mo­na­te ist. Dies er­gibt die Aus­le­gung der maßgeb­li­chen Vor­schrif­ten. Der Se­nat braucht im Streit­fall nicht darüber zu be­fin­den, ob es mit § 3 Abs. 1 Pfle­geZG ver­ein­bar ist, dass der Ar­beit­neh­mer die Pfle­ge­zeit im We­ge ei­ner ein­ma­li­gen Erklärung auf meh­re­re ge­trenn­te Zeit­ab­schnit­te ver­teilt, und ob die zeit­li­che Höchst­be­schränkung des Pfle­ge­zeit­an­spruchs nur für das­sel­be Ar­beits­verhält­nis gilt.
 


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aa) Der ein­fach-ge­setz­li­chen Aus­le­gung ist der Wort­laut der Vor­schrift, der sys­te­ma­ti­sche Ge­samt­zu­sam­men­hang, die Ent­ste­hungs­ge­schich­te und der Zweck, so­weit er im Ge­setz er­kenn­bar Aus­druck ge­fun­den hat, zu­grun­de zu le­gen (vgl. BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 219/07 - Rn. 20, BA­GE 126, 352).


bb) Der Wort­laut des § 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG („die Pfle­ge­zeit“) deu­tet auf ein ein­ma­li­ges Ge­stal­tungs­recht hin, das nicht meh­re­re Teil­rech­te um­fasst (so zu ei­ner „ein­heit­li­chen Frei­stel­lung“: ErfK/Gall­ner § 4 Pfle­geZG Rn. 1). Der Wort­laut ist aber - so­viel ist der Re­vi­si­on zu­zu­ge­ste­hen - nicht ein­deu­tig (vgl. Preis/Neh­ring NZA 2008, 729, 734).


cc) Die An­nah­me ei­nes nur ein­ma­li­gen Ge­stal­tungs­rechts wird durch den Re­ge­lungs­zu­sam­men­hang, in den die Vor­schrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG ein­ge­bun­den ist, gestützt (vgl. hier­zu ErfK/Gall­ner § 4 Pfle­geZG Rn. 1).

(1) Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Pfle­geZG kann die für ei­nen kürze­ren Zeit­raum in An­spruch ge­nom­me­ne Pfle­ge­zeit bis zur Höchst­dau­er verlängert wer­den, wenn der Ar­beit­ge­ber zu­stimmt. Ei­nen zu­stim­mungs­frei­en An­spruch auf Verlänge­rung räumt das Ge­setz dem Ar­beit­neh­mer nur in den Fällen ein, in de­nen ein vor­ge­se­he­ner Wech­sel in der Per­son des Pfle­gen­den aus ei­nem wich­ti­gen Grund nicht er­fol­gen kann (§ 4 Abs. 1 Satz 3 Pfle­geZG). Ließe man die mehr­ma­li­ge In­an­spruch­nah­me der Pfle­ge­zeit zu, wie sie der Kläger be­gehrt, verlöre die Vor­schrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG ih­re prak­ti­sche Be­deu­tung. Denn der Ar­beit­neh­mer könn­te - ge­ge­be­nen­falls mit ei­nem zeit­li­chen Ab­stand von we­ni­gen Ta­gen - nach En­de der ei­nen Pfle­ge­zeit durch ein­sei­ti­ge Erklärung die nächs­te neh­men. Dies wi­der­spricht dem er­kenn­ba­ren Re­ge­lungs­an­lie­gen des Ge­set­zes, ei­ne Verlänge­rung nur un­ter den ein­schränken­den Vor­ga­ben des § 4 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Pfle­geZG zu­zu­las­sen.


(2) Das Er­for­der­nis ei­ner kohären­ten Ge­set­zes­aus­le­gung lie­fert ein wei­te­res Ar­gu­ment, das das hier ge­fun­de­ne Aus­le­gungs­er­geb­nis, zu dem auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­langt ist, stützt. Während § 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG die Vor­aus­set­zun­gen und Rechts­fol­gen ei­ner „lang­fris­ti­gen Pfle­ge­zeit“ be­stimmt, hat der Ge­setz­ge­ber in § 2 Abs. 1 Pfle­geZG die „kurz­zei­ti­ge Pfle­ge­zeit

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ab­sch­ließend ge­re­gelt (vgl. zu die­ser Zwei­tei­lung: BT-Drucks. 16/7439 S. 91 ff.). Nach die­ser Vor­schrift ha­ben Beschäftig­te das Recht, bis zu zehn Ar­beits­ta­ge der Ar­beit fern­zu­blei­ben, wenn dies er­for­der­lich ist, um für ei­nen pfle­ge­bedürf­ti­gen na­hen An­gehöri­gen in ei­ner akut auf­ge­tre­te­nen Pfle­ge­si­tua­ti­on ei­ne be­darfs­ge­rech­te Pfle­ge zu or­ga­ni­sie­ren oder ei­ne pfle­ge­ri­sche Ver­sor­gung in die­ser Zeit si­cher­zu­stel­len. Woll­te man dem Ar­beit­neh­mer das Recht einräum­en, durch zeit­lich auf­ein­an­der­fol­gen­de Erklärun­gen über die in § 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG ge­re­gel­te Pfle­ge­zeit zu verfügen, führ­te dies zu ei­ner sach­wid­ri­gen Über­schnei­dung der Vor­schrift mit der Re­ge­lung in § 2 Abs. 1 Pfle­geZG. Der Ar­beit­neh­mer könn­te, oh­ne an die stren­gen Vor­ga­ben des § 2 Pfle­geZG ge­bun­den zu sein, die Pflich­ten aus dem Ar­beits­ver­trag je­der­zeit durch ein­sei­ti­ge Erklärung zum Ru­hen brin­gen. Die zehntägi­ge Ankündi­gungs­frist, die der Ar­beit­neh­mer hier­bei gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Pfle­geZG zu be­ach­ten hätte, recht­fer­tigt es nicht, dem Ar­beit­neh­mer die Möglich­keit zu eröff­nen, die Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis oh­ne Rück­sicht auf den in § 2 Abs. 1 Pfle­geZG im Ein­zel­nen be­zeich­ne­ten Pfle­ge­grund zu sus­pen­die­ren.


dd) In die­sel­be Rich­tung weist die his­to­ri­sche Aus­le­gung der Vor­schrif­ten. Den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en ist zu ent­neh­men, dass der Ge­setz­ge­ber die Re­ge­lung der Pfle­ge­zeit und der Pfle­ge­teil­zeit an die Be­stim­mun­gen über die El­tern­zeit in § 15 f. BEEG an­leh­nen woll­te (vgl. BT-Drucks. 16/7439 S. 91). Nach § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG kann der Be­rech­tig­te die Verlänge­rung der El­tern­zeit ver­lan­gen, wenn „ein vor­ge­se­he­ner Wech­sel in der An­spruchs­be­rech­ti­gung aus ei­nem wich­ti­gen Grund nicht er­fol­gen kann“. Das Pfle­geZG enthält in sei­nem § 4 Abs. 1 Satz 3 die Par­al­lel­vor­schrift, der zu­fol­ge ei­ne Verlänge­rung der Pfle­ge­zeit bis zur Höchst­dau­er ver­langt wer­den kann, wenn „ein vor­ge­se­he­ner Wech­sel in der Per­son des Pfle­gen­den aus ei­nem wich­ti­gen Grund nicht er­fol­gen kann“. Die Vor­schrift des § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG, die für die Re­ge­lung des § 4 Abs. 1 Satz 3 Pfle­geZG als Vor­bild dien­te, wird in der Ge­set­zes­be­gründung der Bun­des­re­gie­rung aus­drück­lich erwähnt (BT-Drucks. 16/7439 S. 92). Während je­doch § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG die Auf­tei­lung der El­tern­zeit auf zwei - und bei Zu­stim­mung des Ar­beit­ge­bers auf darüber hin­aus­ge­hen­de - Zeit­ab­schnit­te vor­sieht, fehlt ei­ne ent­spre­chen­de Vor­schrift im Pfle­geZG. Wenn der
 


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Ge­setz­ge­ber aber bei der Re­ge­lung der Pfle­ge­zeit An­lei­hen bei der El­tern­zeit nahm, spricht al­les dafür, dass er die Vor­schrift über die Auf­tei­lung der Pfle­ge-zeit in das Pfle­geZG über­nom­men hätte, wenn er ei­nen ent­spre­chen­den Re­ge­lungs­wil­len ge­habt hätte (vgl. ErfK/Gall­ner § 4 Pfle­geZG Rn. 1; Preis/Neh­ring NZA 2008, 729, 734).


ee) Sch­ließlich beugt ei­ne re­strik­ti­ve Aus­le­gung von § 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG der Ge­fahr vor, dass die Pfle­ge­zeit durch ei­ne Viel­zahl von Zeit­ab­schnit­ten ato­mi­siert wird. Denn das Ge­setz be­grenzt - an­ders als die für die El­tern­zeit gel­ten­de Vor­schrift des § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG - die An­zahl der Zeit­ab­schnit­te nicht. Woll­te man dem Ar­beit­neh­mer das Recht einräum­en, den ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Zeit­raum von bis zu sechs Mo­na­ten durch auf­ein­an­der­fol­gen­de Erklärun­gen nach Be­lie­ben zu stückeln, stell­te man das Pfle­gein­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers oh­ne hin­rei­chen­den Grund über das be­rech­tig­te In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an ei­ner ge­ord­ne­ten Per­so­nal­pla­nung.


ff) Der Ein­wand des Klägers, das Pfle­geZG be­zwe­cke die „op­ti­ma­le Ent­las­tung der Pfle­ge­kas­sen durch größtmögli­che Fle­xi­bi­lität“, recht­fer­tigt es nicht, zu­guns­ten der Re­vi­si­on zu ent­schei­den.


(1) Der Ge­setz­ge­ber hat sein Re­ge­lungs­an­lie­gen in § 1 Pfle­geZG for­mu­liert. Da­nach ist es das Ziel des Ge­set­zes, Beschäftig­ten die Möglich­keit zu eröff­nen, pfle­ge­bedürf­ti­ge na­he An­gehöri­ge in häus­li­cher Um­ge­bung zu pfle­gen und da­mit die Ver­ein­bar­keit von Be­ruf und fa­mi­liärer Pfle­ge zu ver­bes­sern. In der Ge­set­zes­be­gründung heißt es da­zu: „Es gilt, die Pfle­ge­ver­si­che­rung noch bes­ser auf die Bedürf­nis­se und Wünsche der Pfle­ge­bedürf­ti­gen so­wie ih­rer An­gehöri­gen aus­zu­rich­ten. Da­her wer­den struk­tu­rel­le Ände­run­gen in der Pfle­ge­ver­si­che­rung vor­ge­nom­men, die dem Grund­satz ‚am­bu­lant vor sta­ti­onär’ stärker als bis­her Rech­nung tra­gen“ (BT-Drucks. 16/7439 S. 1).


(2) Das Ar­gu­ment der Re­vi­si­on, der Re­ge­lungs­zweck wer­de durch die Möglich­keit, ei­ne Pfle­ge­zeit auch nachträglich auf­zu­tei­len, stärker gefördert als bei ei­ner en­gen Aus­le­gung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG, über­sieht, dass das Ge­setz dem von ihm for­mu­lier­ten Ziel Gren­zen setzt. So hat der Ge­setz­ge­ber


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Be­trie­be, die 15 oder we­ni­ger Beschäftig­te zählen, von den Re­ge­lun­gen über die lang­fris­ti­ge Pfle­ge­zeit aus­ge­nom­men (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Pfle­geZG). Dem Wunsch des Ar­beit­neh­mers, während der Pfle­ge­zeit in Teil­zeit beschäftigt zu wer­den, kann der Ge­setz­ge­ber drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe ent­ge­gen­set­zen. Aus­weis­lich des Ge­set­zes­ent­wurfs der Bun­des­re­gie­rung sol­len die­se Vor­schrif­ten den Ar­beit­ge­ber vor Über­for­de­rung schützen (BT-Drucks. 16/7439 S. 92). Der Über­for­de­rungs­schutz ver­langt auch bei der Aus­le­gung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG Be­ach­tung. Der Ge­setz­ge­ber hat die In­ter­es­sen der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en durch die Schaf­fung ei­ner „Kurz­pfle­ge­zeit“ (§ 2 Abs. 1 Pfle­geZG) und ei­ner „Lang­pfle­ge­zeit“ (§ 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 4 Abs. 1 Satz 1 Pfle­geZG) zu ei­nem Aus­gleich ge­bracht. Letz­te­re gewährt dem Ar­beit­ge­ber Pla­nungs­si­cher­heit, es sei denn, die­se muss hin­ter den be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers an ei­ner „Kurz­pfle­ge­zeit“ zurück­tre­ten. Die­se lässt das Ge­setz al­ler­dings nur un­ter den ein­schränken­den Vor­aus­set­zun­gen des § 2 Abs. 1 Pfle­geZG zu.


2. Das Fest­stel­lungs­be­geh­ren, das der Kläger ver­folgt, fin­det auch in den Vor­schrif­ten des § 2 Pfle­geZG kei­ne Recht­fer­ti­gung.


a) Nach § 2 Abs. 1 Pfle­geZG ha­ben Beschäftig­te das Recht, bis zu zehn Ar­beits­ta­ge der Ar­beit fern­zu­blei­ben, wenn dies er­for­der­lich ist, um für ei­nen pfle­ge­bedürf­ti­gen na­hen An­gehöri­gen in ei­ner akut auf­ge­tre­te­nen Pfle­ge­si­tua­ti­on ei­ne be­darfs­ge­rech­te Pfle­ge zu or­ga­ni­sie­ren oder ei­ne pfle­ge­ri­sche Ver­sor­gung in die­ser Zeit si­cher­zu­stel­len.


b) Der Kläger hat die­se Vor­aus­set­zun­gen nicht vor­ge­tra­gen; im Übri­gen sind sie nicht er­sicht­lich. Der Um­stand, dass die Mut­ter des Klägers be­reits seit 2005 pfle­ge­bedürf­tig ist, deu­tet dar­auf hin, dass im Streit­fall ei­ne „akut auf­ge­tre­te­ne Pfle­ge­si­tua­ti­on“, wie sie das Ge­setz ver­langt, nicht vor­liegt. Denn „akut“ ist die Pfle­ge­si­tua­ti­on nur, wenn sie plötz­lich, al­so un­er­war­tet und un­ver­mit­telt auf­ge­tre­ten ist (Frei­hu­be/Sas­se DB 2008, 1320). Nur in die­sen Fällen be­steht für die na­hen An­gehöri­gen das recht­lich an­zu­er­ken­nen­de Bedürf­nis, ih­rer Tätig­keit fern­zu­blei­ben, oh­ne dies zu­vor dem Ar­beit­ge­ber an­zukündi­gen (Müller BB 2008, 1058, 1059). Ist die Per­son, die der Ar­beit­neh­mer pfle­gen will,
 


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be­reits pfle­ge­bedürf­tig und ändert sich die Pfle­ge­si­tua­ti­on nicht we­sent­lich, greift § 2 Abs. 1 Pfle­geZG nicht ein (vgl. Linck BB 2008, 2738, 2739).

IV. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten der er­folg­lo­sen Re­vi­si­on zu tra­gen.

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