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Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 08.03.2010, 16 Sa 1280/09

   
Schlagworte: Kündigung, Schichtdienst
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 16 Sa 1280/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 08.03.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Gießen, Urteil vom 21.04.2009, 5 Ca 496/08
   

Te­nor:

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Gießen vom 21. April 2009 – 5 Ca 496/08 – wird zurück­ge­wie­sen.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Gießen vom 21. April 2009 – 5 Ca 496/08 – wird mit der Maßga­be zurück­ge­wie­sen, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en auch nicht durch die hilfs­wei­se or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 23. De­zem­ber 2008 auf­gelöst wor­den ist.

Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens ha­ben die Kläge­rin zu ei­nem Fünf­tel und die Be­klag­te zu vier Fünf­tel zu tra­gen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen, hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung so­wie ei­ner or­dent­li­chen Ände­rungskündi­gung und die Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin.

Die am XX.XX.19XX ge­bo­re­ne, ei­nem Kind zum Un­ter­halt ver­pflich­te­te Kläge­rin, ist seit 1. Ok­to­ber 1997 bei der Be­klag­ten, die re­gelmäßig mehr als 10 Ar­beit­neh­mer beschäftigt und bei der kein Be­triebs­rat ge­bil­det ist, zu ei­ner Brut­to­mo­nats­vergütung von zu­letzt 2333,33 € als Kran­ken­pfle­ge­hel­fe­rin tätig.

Der schrift­li­che Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en, we­gen des­sen In­halt im Übri­gen auf Blatt 64 und 65 der Ak­ten ver­wie­sen wird, enthält un­ter § 4 fol­gen­de Re­ge­lung:

"An Sonn- und Fei­er­ta­gen ist im Wech­sel Dienst­pflicht, in der übri­gen Wo­chen­ar­beits­zeit fällt Früh- und Spätschicht an. Frau A ver­pflich­tet sich bei Be­darf auch im Nacht­dienst zu ar­bei­ten."

Seit 1999 wur­de die Kläge­rin aus­sch­ließlich im Nacht­dienst ein­ge­setzt. An­fang No­vem­ber 2008 teil­te die Be­klag­te der Kläge­rin mit, dass sie künf­tig im Tagdienst ar­bei­ten sol­le. Un­ter Be­zug­nah­me auf den Be­treu­ungs­be­darf ih­res Kin­des lehn­te die Kläge­rin dies durch Schrei­ben Ih­res Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 17. No­vem­ber 2008 ab. Un­ge­ach­tet des­sen teil­te die Be­klag­te ihr un­ter dem 19. No­vem­ber 2008 mit, dass sie auf­grund des Di­rek­ti­ons­rechts künf­tig im Tagdienst ein­ge­setzt wird. Seit dem 3. De­zem­ber 2008 ist die Kläge­rin ar­beits­unfähig krank. Mit Schrei­ben vom 10. De­zem­ber 2008 wies die Be­klag­te die Kläge­rin an, am 25. De­zem­ber 2008 pünkt­lich zum Dienst­an­tritt im Frühdiens­tes zu er­schei­nen. Ge­gen die­se Maßnah­me wand­te sich die Kläge­rin mit ei­ner am 18. De­zem­ber 2008 beim Arb­Ger ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge, die dort un­ter dem Ak­ten­zei­chen 5 Ca 477/08 geführt wur­de und beim Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richt un­ter dem Ak­ten­zei­chen 16 Sa 1282/09 anhängig ist.

Un­ter dem 10. De­zem­ber 2008 erklärte die Be­klag­te ge­genüber der Kläge­rin ei­ne or­dent­li­che Ände­rungskündi­gung zum 30. April 2009, wo­nach sie künf­tig im Früh-, Spät- und Wo­chen­end­dienst mit 40 St­un­den wöchent­lich zu ei­ner Grund­vergütung von 1564 € zuzüglich Zu­schlägen tätig sein soll (Blatt 4,5 der Ak­ten). Die­ses Ände­rungs­an­ge­bot nahm die Kläge­rin nicht un­ter dem Vor­be­halt des § 2 Kündi­gungs­schutz­ge­setz an, son­dern er­hob mit ei­nem am 30. De­zem­ber 2008 beim Arb­Ger ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Kündi­gungs­schutz­kla­ge. Fer­ner wen­det sich die Kläge­rin ge­gen ei­ne frist­lo­se, hilfs­wei­se frist­gemäße Kündi­gung zum 30. April 2009 (Blatt 6 der Ak­ten). Sch­ließlich be­gehrt die Kläge­rin für den Fall des Ob­sie­gens mit den Fest­stel­lungs­anträgen ih­re Wei­ter­beschäfti­gung bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung im Nacht­dienst als Kran­ken­pfle­ge­rin.

Die Kläge­rin hat be­haup­tet, 1999 sei münd­lich ver­ein­bart wor­den, dass sie nur noch im Nacht­dienst ein­ge­setzt wer­de. Sie hat die An­sicht ver­tre­ten, ei­ne Beschäfti­gung im Tagdienst sei nicht vom Di­rek­ti­ons­recht der Be­klag­ten um­fasst. Je­den­falls ha­be sich ih­re Tätig­keit auf­grund der aus­sch­ließli­chen Beschäfti­gung im Nacht­dienst hier­auf kon­kre­ti­siert. Hin­sicht­lich der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung hat die Kläge­rin die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die von der Be­klag­ten an­geführ­ten Kündi­gungs­gründe (Schla­fen im Nacht­dienst) stünden al­len­falls ei­ner künf­ti­gen Beschäfti­gung im Nacht­dienst nicht je­doch im Tagdienst ent­ge­gen, wes­halb im Hin­blick auf das Ul­ti­ma ra­tio Prin­zip ei­ne Ände­rungskündi­gung in Be­tracht zu zie­hen ge­we­sen wäre.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die un­ter dem Da­tum des 10. De­zem­ber 2008 aus­ge­spro­che­ne or­dent­li­che Kündi­gung nicht auf­gelöst wor­den ist,
fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die un­ter dem Da­tum des 23. De­zem­ber 2008 aus­ge­spro­che­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung nicht auf­gelöst wor­den ist,
fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis auch nicht durch an­de­re Be­en­di­gungs­tat­bestände en­det, son­dern zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen fort­be­steht,
für den Fall des Ob­sie­gens mit den Fest­stel­lungs­anträgen die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin
bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über die Fest­stel­lungs­anträge im Nacht­dienst als Kran­ken­pfle­ge­rin wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat die An­sicht ver­tre­ten, sie sei auf­grund des Di­rek­ti­ons­rechts be­rech­tigt, der Kläge­rin ei­ne Tätig­keit im Tagdienst zu­zu­wei­sen. We­gen der Ver­schlech­te­rung des Krank­heits­bil­des der Pa­ti­en­ten ha­be die Be­klag­te die Dau­er­nacht­wa­chen ab­ge­schafft und set­ze nachts nur noch ex­ami­nier­tes Per­so­nal ein. Da­her könne die Kläge­rin im Nacht­dienst nicht mehr beschäftigt wer­den. Die Ände­rungskündi­gung sei nur vor­sorg­lich er­folgt. Zur Recht­fer­ti­gung der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung be­haup­tet die Be­klag­te, die Kläge­rin ha­be während Ih­res Nacht­diens­tes re­gelmäßig den Ton der Pa­ti­en­ten­klin­gel aus­ge­schal­tet und sich, oh­ne sich um die Pa­ti­en­ten zu kümmern, schla­fen ge­legt. Dies ha­be die Geschäfts­lei­tung der Be­klag­ten erst am 23. De­zem­ber 2008 durch ei­ne schrift­li­che In­for­ma­ti­on der Pfle­ge­dienst­lei­tung (Blatt 60 bis 63 der Ak­ten) er­fah­ren. Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag sei be­reits Ge­gen­stand des ge­son­der­ten Ver­fah­rens vor dem Arb­Ger, Ak­ten­zei­chen 5 Ca 477/08.

Mit Ur­teil vom 21. April 2009, das der Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten am 10. Ju­li 2009 zu­ge­stellt wur­de, hat das Arb­Ger fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en we­der durch die frist­lo­se Kündi­gung der Be­klag­ten vom 23. De­zem­ber 2008 noch durch die or­dent­li­che Kündi­gung vom 10. De­zem­ber 2008 auf­gelöst wor­den ist und die Kla­ge im übri­gen ab­ge­wie­sen. Hier­ge­gen ha­ben bei­de Par­tei­en Be­ru­fung ein­ge­legt.

Die Kläge­rin be­strei­tet, dass die Be­klag­te auf­grund ei­ner Ver­schlech­te­rung des Krank­heits­bil­des der Pa­ti­en­ten ver­bun­den mit ei­nem erhöhten Pfle­ge­be­darf die Dau­er­nacht­wa­chen ab­ge­schafft hat und die Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dung ge­trof­fen hat nachts nur noch ex­ami­nier­tes Per­so­nal ein­zu­set­zen. Un­strei­tig wer­den seit Ju­ni 2009 während der Som­mer­mo­na­te wie­der Kran­ken­pfle­ge­hel­fe­rin­nen im Nacht­dienst ein­ge­setzt. Dar­aus er­ge­be sich, dass je­den­falls kei­ne dau­er­haf­te Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dung vor­lie­ge. Selbst wenn der Kläge­rin im Rah­men des Di­rek­ti­ons­rechts ei­ne Tätig­keit in der Tag­schicht zu­ge­wie­sen wer­den könne, ent­spre­che dies nicht bil­li­gem Er­mes­sen. Die Be­klag­te ha­be nicht vor­ge­tra­gen, war­um ein Ein­satz ex­ami­nier­ten Per­so­nals not­wen­dig sei. Je­den­falls müsse ihr im Hin­blick auf die Be­treu­ung ih­res min­derjähri­gen Kin­des ei­ne lan­ge Über­g­angs­zeit ein­geräumt wer­den.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Gießen vom 21. April 2009 -5 Ca 496/08- teil­wei­se ab­zuändern und die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über die Fest­stel­lungs­anträge im Nacht­dienst als Kran­ken­pfle­ge­hel­fe­rin wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­zu­wei­sen
und
das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Gießen vom 21. April 2009-5 Ca 496/08-ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Das Arb­Ger sei feh­ler­haft da­von aus­ge­gan­gen, dass die Be­klag­te die Kündi­gungs­erklärungs­frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht ein­ge­hal­ten ha­be. Die Ent­schei­dung ste­he in Wi­der­spruch zur Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 23. Ok­to­ber 2008-2 AZR 388/07 . Die frist­lo­se Kündi­gung sei nach § 626 Abs. 1 BGB wirk­sam, weil die Kläge­rin ih­re Pflich­ten im Nacht­dienst gröblich ver­letzt ha­be, in­dem sie re­gelmäßig den Ton der Pa­ti­en­ten Klin­gel aus­ge­schal­tet und sich schla­fen ge­legt ha­be. Je­den­falls en­de das Ar­beits­verhält­nis auf­grund der hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung. Die Ände­rungskündi­gung sei un­ter den Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Be­en­di­gungskündi­gung zu über­prüfen, weil die Kläge­rin sie nicht un­ter Vor­be­halt an­ge­nom­men ha­be.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des bei­der­sei­ti­gen Par­tei­vor­brin­gens wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie die Sit­zungs­pro­to­kol­le Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die Be­ru­fun­gen sind statt­haft, § 8 Abs. 2 ArbGG , § 511 Abs. 1 ZPO , § 64 Abs. 2 b und c Ar­beits­ge­richts­ge­setz . Sie sind auch form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, § 66 Abs. 1 ArbGG , § 519 , § 520 ZPO und da­mit ins­ge­samt zulässig.

II.

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist nicht be­gründet. Der An­trag, die Kläge­rin bis zur rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über die Fest­stel­lungs­anträge im Nacht­dienst als Kran­ken­pfle­ge­hel­fe­rin wei­ter­zu­beschäfti­gen, ist un­zulässig, § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO . Die Kläge­rin hat be­reits in dem Ver­fah­ren vor dem Arb­Ger Gießen -5 Ca 477/08- be­an­tragt, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin über dem 24. De­zem­ber 2008 hin­aus im Nacht­dienst als Kran­ken­pfle­ge­rin zu beschäfti­gen. Die­ser Kla­ge­an­trag wur­de der Be­klag­ten am 23. De­zem­ber 2008 zu­ge­stellt. Er war da­mit rechtshängig, be­vor die Kläge­rin im vor­lie­gen­den Rechts­streit mit Schrift­satz vom 30. De­zem­ber 2008, zu­ge­stellt am 5. Ja­nu­ar 2009, für den Fall des Ob­sie­gens mit den Fest­stel­lungs­anträgen be­an­trag­te, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über die Fest­stel­lungs­anträge im Nacht­dienst als Kran­ken­pfle­ge­rin wei­ter­zu­beschäfti­gen. Die­se Anträge sind in­halts­gleich, da je­weils die Beschäfti­gung im Nacht­dienst als Kran­ken­pfle­ge­rin gel­tend ge­macht wird. Ein Un­ter­schied be­steht le­dig­lich dar­in, dass in der am 18. De­zem­ber 2008 er­ho­be­nen Kla­ge die Beschäfti­gung ab 24. De­zem­ber 2008 be­gehrt wird, während im vor­lie­gen­den Rechts­streit die Beschäfti­gung nur hilfs­wei­se für den Fall des Ob­sie­gens mit dem Fest­stel­lungs­an­trag gel­tend ge­macht wird. Der zu­letzt ge­stell­te An­trag ist da­her voll umfäng­lich in dem zu­erst ge­stell­ten An­trag ent­hal­ten.

III.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist nicht be­gründet.

1. Es kann da­hin­ste­hen, ob -wie das Arb­Ger an­ge­nom­men hat- die Kündi­gung nach § 626 Abs. 2 BGB un­wirk­sam ist.

Die frist­lo­se Kündi­gung ist be­reits des­halb un­wirk­sam, weil ein wich­ti­ger Grund nicht vor­liegt, § 626 Abs. 1 BGB . Ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung setzt nach § 626 Abs. 1 BGB vor­aus, dass die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses den Kündi­gen­den un­zu­mut­bar be­las­tet. Sie ist nur zulässig, wenn sie die un­aus­weich­lich letz­te Maßnah­me (Ul­ti­ma ra­tio) für den Kündi­gungs­be­rech­tig­ten ist. Es reicht nicht aus, wenn dem Ar­beit­ge­ber die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem bis­he­ri­gen In­halt zwar nicht mehr zu­zu­mu­ten ist, aber ei­ne Beschäfti­gung auf ei­nem frei­en Ar­beits­platz im Un­ter­neh­men zu an­de­ren Be­din­gun­gen für den Ar­beit­ge­ber trag­bar wäre (KR-Fi­scher­mei­er, 8. Aufl., § 626 BGB Rand­num­mer 251). Ei­ne an sich mögli­che Ver­set­zung ist al­ler­dings nur dann in Be­tracht zu zie­hen, wenn der Grund, der ei­ner Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem bis­he­ri­gen In­halt ent­ge­gen­steht, es nicht zu­gleich aus­sch­ließt, den Ar­beit­neh­mer auf ei­nem an­de­ren Ar­beits­platz oder zu an­de­ren Be­din­gun­gen wei­ter­zu­beschäfti­gen. Die an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gung muss dem Ar­beit­ge­ber nicht nur möglich, son­dern auch zu­mut­bar sein. Hier­bei ist in der Re­gel dar­auf ab­zu­stel­len, ob ein Kündi­gungs­grund ar­beits­platz­be­zo­gen ist. In die­sem Fall geht die mögli­che Ver­set­zung auf ei­nen frei­en Ar­beits­platz der Kündi­gung vor, wenn die be­gründe­te Aus­sicht be­steht, dass der Ar­beit­neh­mer un­ter den veränder­ten Verhält­nis­sen die An­for­de­run­gen ver­trags­gemäß erfüllen wird (KR-Fi­scher­mei­er, § 626 BGB Rand­num­mer 291). Bei ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen, die ar­beits­plat­z­un­abhängig sind, ist da­ge­gen ei­ne Ver­set­zung re­gelmäßig kein ge­eig­ne­tes Mit­tel im Verhält­nis zur Kündi­gung.

Die Be­klag­te stützt die frist­lo­se Kündi­gung dar­auf, dass die Kläge­rin re­gelmäßig während des Nacht­diens­tes die Pa­ti­en­ten­klin­gel aus­ge­schal­tet und ge­schla­fen ha­be. Hier­bei han­delt es sich um ei­ne sehr schwer wie­gen­de Ver­trags­ver­let­zung, die "an sich" ge­eig­net ist ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Gleich­wohl ist die­se Maßnah­me hier un­verhält­nismäßig, weil die Be­klag­te die Kläge­rin im Tagdienst beschäfti­gen kann und sie selbst da­von aus­geht, dass sich dort ein der­ar­ti­ges Fehl­ver­hal­ten nicht wie­der­ho­len wird. Dies er­gibt sich dar­aus, dass -wie der Kläger­ver­tre­ter im Schrift­satz vom 21. Ja­nu­ar 2009 (Blatt 32 der Ak­ten) un­wi­der­spro­chen vor­ge­tra­gen hat- die Geschäftsführe­rin der Be­klag­ten während der münd­li­chen Ver­hand­lung am 30. De­zem­ber 2008 -und da­mit in Kennt­nis der für die Recht­fer­ti­gung der frist­lo­sen Kündi­gung her­an­ge­zo­ge­nen Gründe- erklärt hat, dass sie be­reit ist, die Kläge­rin wei­ter­zu­beschäfti­gen, al­ler­dings nur im Tagdienst. In ih­rem Schrift­satz vom 20. Fe­bru­ar 2009 auf Sei­te 4 un­ten (Bl. 53 d.A.) führt die Be­klag­te aus, sie ha­be sich vor­ge­stellt, dass im Tagdienst kein Schla­fen der Kläge­rin während des Diens­tes möglich sei und im Tagdienst meh­re­re Schwes­tern auf ei­ner Sta­ti­on ein­ge­setzt sind, so­dass je­den­falls ei­ne Gefähr­dung von Pa­ti­en­ten aus­ge­schlos­sen ist. Dies zeigt, dass die Be­klag­te selbst da­von aus­geht, dass sich das Fehl­ver­hal­ten der Kläge­rin im Tagdienst nicht wie­der­ho­len wird. Hierfür spricht, dass die Kläge­rin sich tagsüber nicht al­lei­ne auf der Sta­ti­on aufhält, son­dern im Team mit wei­te­ren Kol­le­gen ar­bei­tet. Hin­zu kommt, dass übli­cher­wei­se der Ar­beits­an­fall tagsüber auf der Sta­ti­on deut­lich höher als nachts ist. Sch­ließlich steht zu er­war­ten, dass die Kläge­rin bei ei­ner Beschäfti­gung im Tagdienst während der Er­brin­gung ih­rer Ar­beits­leis­tung we­ni­ger müde sein wird, als bei ei­ner Beschäfti­gung im Nacht­dienst.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten ist es der Kläge­rin nicht ent­spre­chend § 242 BGB ver­wehrt, sich auf die mögli­che Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen zu be­ru­fen. Die von der Be­klag­ten her­an­ge­zo­ge­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ( BAG 21.4.2005 – 2 AZR 244/04 – AP Nr. 80 zu § 2 KSchG 1969) ist be­reits des­halb hier nicht ein­schlägig, weil für die Zu­wei­sung ei­ner Tätig­keit im Tagdienst kei­ne Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen er­for­der­lich war. Das Ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend fest­ge­stellt und die Be­klag­te hat hier­ge­gen auch kei­ne Ein­wen­dun­gen er­ho­ben, dass dies im Rah­men des Di­rek­ti­ons­rechts er­fol­gen konn­te. War die Be­klag­te da­mit be­rech­tigt, der Kläge­rin ein­sei­tig ei­ne Tätig­keit im Tagdienst zu­zu­wei­sen, was sie mit Schrei­ben vom 19. No­vem­ber 2008 auch ge­tan hat, kam es auf die Her­beiführung ei­nes Ein­verständ­nis­ses mit der Kläge­rin über die Ausübung die­ser Tätig­keit nicht an. Die Be­klag­te war ge­hal­ten ab­zu­war­ten, ob die Kläge­rin nach Wie­der­her­stel­lung ih­rer Ar­beitsfähig­keit die Tätig­keit im Tagdienst auf­nimmt. An­de­ren­falls wäre nach er­folg­ter Ab­mah­nung ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung möglich ge­we­sen ( BAG 6. Sep­tem­ber 2007 – 2 AZR 368/06 - BB 2008, 896).

2. Das Ar­beits­verhält­nis en­de­te nicht durch die hilfs­wei­se or­dent­li­che Kündi­gung vom 23. De­zem­ber 2008 zum 30. April 2009. Das Ar­beits­ge­richt hat ver­se­hent­lich hierüber nicht ent­schie­den, ob­wohl die Kläge­rin auch die­se Kündi­gung an­ge­grif­fen hat. Zwar wird die­ser Be­en­di­gungs­tat­be­stand im An­trag der Kläge­rin nicht aus­drück­lich erwähnt. Der Kläger­ver­tre­ter hat in sei­nem Schrift­satz vom 8. Ok­to­ber 2009 (Blatt 127 der Ak­ten) je­doch aus­drück­lich erklärt, dass auch die vor­sorg­lich aus­ge­spro­che­ne or­dent­li­che Kündi­gung un­wirk­sam sei. Er hat da­mit die So­zi­al­wid­rig­keit in­ner­halb der verlänger­ten Frist des § 6 Kündi­gungs­schutz­ge­setz gel­tend ge­macht (vgl. KR-Fried­rich, 8. Aufl., § 6 KSchG Rand­num­mer 17).

Die hilfs­wei­se or­dent­li­che Kündi­gung ist nicht nach § 1 Abs. 2 KSchG aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen ge­recht­fer­tigt. Auch für die or­dent­li­che Kündi­gung gilt, dass ei­ne Beschäfti­gung auf ei­nem an­de­ren Ar­beits­platz dem Ar­beit­ge­ber dann zu­mut­bar ist, wenn ein frei­er Ar­beits­platz verfügbar ist, auf dem der Ar­beit­neh­mer die ver­lang­te Tätig­keit an­for­de­rungs­ge­recht ausführen kann und ob­jek­ti­ve An­halts­punk­te dafür be­ste­hen, dass der Ar­beit­neh­mer bei ei­nem Ein­satz auf die­sem Ar­beits­platz das be­an­stan­de­te Ver­hal­ten nicht fort­set­zen wird (KR-Grie­be­ling, § 1 KSchG Rn. 407). Dies ist -wie oben aus­geführt- in Be­zug auf ei­ne Beschäfti­gung der Kläge­rin im Tagdienst der Fall.

3. Die Ände­rungskündi­gung vom 10. De­zem­ber 2008 verstößt ge­gen den Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit und ist des­halb un­wirk­sam, § 2 Abs. 1 , § 1 Abs. 2 KSchG . Kann der Ar­beit­ge­ber die be­ab­sich­tig­te Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen im We­ge des Di­rek­ti­ons­rechts ein­sei­tig durch­set­zen, ist ei­ne mit dem­sel­ben Ziel aus­ge­spro­che­ne Ände­rungskündi­gung überflüssig und da­her un­verhält­nismäßig, wenn der Ar­beit­neh­mer ei­ner vor­he­ri­gen Ver­set­zung wi­der­spro­chen hat­te und auch das an­sch­ließen­de An­ge­bot zu geänder­ten Be­din­gun­gen wei­ter­zu­ar­bei­ten vor­be­halt­los ab­lehn­te. Dem Ar­beit­ge­ber ist es zu­zu­mu­ten, von sei­nem Di­rek­ti­ons­recht Ge­brauch zu ma­chen. Wei­gert sich der Ar­beit­neh­mer die Tätig­keit aus­zuüben, ist der Ar­beit­ge­ber man­gels An­nah­me­ver­zug nicht ver­pflich­tet, die Vergütung zu zah­len. Zu­dem kann der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer nach er­folg­ter Ab­mah­nung ver­hal­tens­be­dingt kündi­gen ( Bun­des­ar­beits­ge­richt 6. Sep­tem­ber 2007-2 AZR 368/06 - BB 2008, 896).

Das Arb­Ger hat in Er­geb­nis und Be­gründung zu­tref­fend er­kannt, dass die Be­klag­te be­reits auf­grund des Di­rek­ti­ons­rechts be­fugt war, der Kläge­rin ei­ne Tätig­keit im Tagdienst zu­zu­wei­sen. Die Be­ru­fungs­kam­mer schließt sich dem an und nimmt auf die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts in­so­weit voll umfäng­lich Be­zug. So­weit die Be­klag­te in ih­rer Be­ru­fungs­be­gründung rügt, das Arb­Ger ha­be ver­kannt, dass sich die Ände­rungskündi­gung in ei­ne Be­en­di­gungskündi­gung um­ge­wan­delt hat, trifft dies nicht zu. Die oben wie­der­ge­ge­be­ne Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts be­trifft ge­ra­de der­ar­ti­ge Fälle, in de­nen -wie hier- der Ar­beit­neh­mer das Ände­rungs­an­ge­bot vor­be­halt­los ab­lehn­te.

IV.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 Abs. 1 ZPO .

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