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LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ur­teil vom 19.03.2014, 3 Sa 128/13

   
Schlagworte: Sozialauswahl, Änderungskündigung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Aktenzeichen: 3 Sa 128/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 19.03.2014
   
Leitsätze: Ist die Weiterbeschäftigung einer Arbeitnehmerin zu geänderten Bedingungen möglich, so hat der Arbeitgeber vor Ausspruch einer betriebsbedingten Beendigungskündigung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zuvor eine Änderungskündigung auszusprechen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die betroffene Arbeitnehmerin zuvor ein Angebot zur Vertragsänderung abgelehnt hat.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stralsund, Urteil vom 26.02.2013, 1 Ca 361/12
   

Te­nor

1. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Stral­sund vom 26.02.2013 – 1 Ca 361/12 wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Stral­sund vom 25.02.2013 – 1 Ca 361/12 – wird zurück­ge­wie­sen.

3. Die Par­tei­en tra­gen die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens je zur Hälf­te.

4. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten im Be­ru­fungs­rechts­zug um die Rechts­wirk­sam­keit ei­ner be­triebs­be­ding­ten Be­en­di­gungskündi­gung so­wie um Zah­lungs­ansprüche aus von der Kläge­rin be­haup­te­ten Mehr­ar­beits­stun­den.

Die Kläge­rin ist seit dem 04.08.2009 bei der Be­klag­ten, wel­che Sa­nitätshäuser be­treibt, bei ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 30 St­un­den und ei­ner Fünf-Ta­ge-Wo­che und ei­ner mo­nat­li­chen Brut­to­vergütung von 1.400,00 Eu­ro beschäftigt. Sie ist am 17.03.1975 ge­bo­ren und ver­hei­ra­tet so­wie zwei Kin­dern zum Un­ter­halt ver­pflich­tet. Der Ge­gen­stand der ar­beits­ver­trag­lich ge­schul­de­ten Tätig­kei­ten ist in § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges (Blatt 12 Band I der Ak­te) fest­ge­legt.

Mit Schrei­ben vom 30.08.2012 – der Kläge­rin zu­ge­gan­gen am 31.08.2012 – kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis mit der Kläge­rin aus be­triebs­be­ding­ten Gründen zum 30.09.2012 (Blatt 18 Band I der Ak­te).

Ge­gen die­se Kündi­gung rich­tet sich die am 19.09.2012 bei dem Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge, mit wel­cher die Kläge­rin außer­dem die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Zah­lung wei­te­rer Vergütung we­gen be­haup­te­ter Über­stun­den­leis­tun­gen be­gehrt.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des erst­in­stanz­li­chen Vor­tra­ges wird auf den ausführ­li­chen Tat­be­stand der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung Be­zug ge­nom­men.

Mit Ur­teil vom 26. Fe­bru­ar 2013 hat das Ar­beits­ge­richt Stral­sund der Kündi­gungs­schutz­kla­ge statt­ge­ge­ben und die Zah­lungs­kla­ge der Kläge­rin ab­ge­wie­sen. Die be­triebs­be­ding­te Kündi­gung sei im ge­ge­be­nen An­wen­dungs­be­reich des § 1 KSchG be­reits des­halb rechts­un­wirk­sam, weil nach dem Vor­trag der Be­klag­ten nicht er­kenn­bar sei, wes­halb die be­haup­te­te un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung zum Weg­fall des Ar­beits­plat­zes der Kläge­rin geführt ha­ben sol­le. Die Kündi­gung sei auch gemäß § 1 Abs. 3 KSchG rechts­un­wirk­sam, weil die Be­klag­te trotz ent­spre­chen­der Rüge der Kläge­rin die So­zi­al­da­ten der als ver­gleich­bar be­nann­ten Ar­beit­neh­mer nicht vor­ge­tra­gen ha­be. Darüber hin­aus ver­s­toße die Kündi­gung ge­gen das Über­maßver­bot, denn die Be­klag­te sei ver­pflich­tet ge­we­sen, ge­genüber der Kläge­rin ei­ne Ände­rungskündi­gung aus­zu­spre­chen. Da­ge­gen ste­he der Kläge­rin ein An­spruch auf Zah­lung wei­te­rer Vergütung für die von ihr gel­tend ge­mach­ten Über­stun­den nicht zu. Der Vor­trag der Kläge­rin sei in­so­weit un­schlüssig. So sei es der Kläge­rin be­reits nicht ge­lun­gen, sub­stan­ti­iert vor­zu­tra­gen, wann sie wel­che Mehr­ar­beits­stun­den im Ein­zel­nen er­bracht ha­be.

Ge­gen die­se am 07.05.2013 zu­ge­gan­ge­ne Ent­schei­dung rich­tet sich die am 06.06.2013 bei dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Meck­len­burg-Vor­pom­mern ein­ge­gan­ge­ne Be­ru­fung der Be­klag­ten nebst – nach ent­spre­chen­der ge­richt­li­cher Frist­verlänge­rung – der am 08.08.2013 ein­ge­gan­ge­nen Be­ru­fungs­be­gründung.

Ge­gen das eben­falls am 07.05.2013 zu­ge­stell­te Ur­teil des Ar­beits­ge­rich­tes Stral­sund vom 26.02.2013 rich­tet sich fer­ner die am 8. Ju­li 2013 ein­ge­gan­ge­ne Be­ru­fung nebst Be­gründung der Kläge­rin.

Die Be­klag­te ist der Auf­fas­sung, dass die Kla­ge zwar mit zu­tref­fen­den Ar­gu­men­ten hin­sicht­lich der gel­tend ge­mach­ten Über­stun­den­vergütung ab­ge­wie­sen wor­den sei, das erst­in­stanz­li­che Ge­richt je­doch in Ver­ken­nung der Rechts­la­ge der Kündi­gungs­schutz­kla­ge statt­ge­ge­ben ha­be.

Die Be­klag­te ha­be auf Grund ei­ner ent­spre­chen­den un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung die An­zahl der be­trie­be­nen Sa­nitätsh­aus­fi­lia­len von sie­ben auf zwei re­du­ziert und sich in die­sem Zu­sam­men­hang ent­schie­den, für den Be­reich Ein­kauf/Ab­rech­nung mit zu­vor 2,5 Ar­beits­kraft­an­tei­len le­dig­lich noch ei­ne ge­mein­sa­me Voll­zeit­stel­le vor­zu­hal­ten. Letz­te­re Ent­schei­dung sei auch zah­lenmäßig hin­ter­legt. Die Ver­rin­ge­rung der An­zahl der be­trie­be­nen Sa­nitätsh­aus­fi­lia­len ent­spre­che ei­ner Re­du­zie­rung des Kun­den­vo­lu­mens um zir­ka 72 Pro­zent. Auch da­mit sei rech­ne­risch un­mit­tel­bar nach­voll­zieh­bar, dass sich der Be­darf an Mit­ar­bei­tern im Be­reich Ein­kauf/Ab­rech­nung von 2,5 Ar­beits­kraft­an­tei­len auf ei­ne Voll­zeit­stel­le re­du­ziert ha­be. So­wohl die ge­trof­fe­ne und um­ge­setz­te un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung, als auch in der Fol­ge der Weg­fall des Ar­beits­plat­zes der Kläge­rin sei­en mit­hin nach­voll­zieh­bar dar­ge­legt wor­den. Die Rechts­wirk­sam­keit der Kündi­gung schei­te­re auch nicht an ei­ner feh­ler­haf­ten So­zi­al­aus­wahl. Die von der Kläge­rin be­nann­te Mit­ar­bei­te­rin Z. (künf­tig Z.) (ge­bo­ren am 30.01.1987, beschäftigt seit dem 01.01.2012, kei­ne Kin­der, nicht ver­hei­ra­tet) sei nicht ver­gleich­bar. Die Mit­ar­bei­te­rin Z. sei in der La­ge, ne­ben dem Be­reich Ab­rech­nung auch den Be­reich Ein­kauf zu bewälti­gen. Dies sei bei der Kläge­rin nicht der Fall. Die Be­klag­te ha­be kei­ner­lei Kennt­nis­se darüber, ob die Kläge­rin über­haupt im Be­reich des Ein­kaufs tätig sein könne, da sie von Be­ginn an aus­sch­ließlich in der Ab­rech­nung tätig ge­we­sen sei. Das An­ge­bot zur Über­nah­me des Be­rei­ches Ein­kauf ha­be sie anläss­lich ei­nes Gespräches En­de des Jah­res 2011 ab­ge­lehnt. Auch im un­mit­tel­ba­ren Vor­feld der aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung ha­be die Kläge­rin noch­mals das An­ge­bot der Be­klag­ten zur Auf­ga­benüber­nah­me des Be­rei­ches Ein­kau­fes ge­gen ei­ne Erhöhung der Ar­beits­zeit von 30 St­un­den auf 40 St­un­den ab­ge­lehnt. Ein­zig die Mit­ar­bei­te­rin Z. sei mit­hin in der La­ge ge­we­sen, den An­for­de­run­gen des Ar­beits­plat­zes Ein­kauf/Ab­rech­nung ge­recht zu wer­den. Aus den be­nann­ten Gründen könne die Be­klag­te eben­falls nicht auf die Not­wen­dig­keit ei­ner Ände­rungskündi­gung als mil­de­res Mit­tel ver­wie­sen wer­den. Der in Fra­ge kom­men­de Ar­beits­platz sei mit Frau Z. be­setzt ge­we­sen. Außer­dem be­ste­he kei­ne Ver­pflich­tung, ei­nem Mit­ar­bei­ter ei­nen Ar­beits­platz im Rah­men ei­ner Ände­rungskündi­gung an­zu­bie­ten, für den der Mit­ar­bei­ter fach­lich nicht ge­eig­net sei.

Die Be­klag­te be­an­tragt:

Das Ur­teil des Ar­beits­ge­rich­tes Stral­sund vom 26.02.2013, Ak­ten­zei­chen 1 Ca 361/12 – wird im Te­nor in Zif­fer 1 und 2 ab­geändert und die Kla­ge auch dies­bezüglich ab­ge­wie­sen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin ist der An­sicht, das Schrift­for­mer­for­der­nis gemäß § 623 BGB sei hin­sicht­lich der im Streit be­find­li­chen Kündi­gung nicht ein­ge­hal­ten wor­den, da es sich um ei­ne ein­ge­scann­te Un­ter­schrift han­de­le. Das Ar­beits­ge­richt Stral­sund ha­be im Übri­gen mit zu­tref­fen­den Erwägun­gen der Kündi­gungs­schutz­kla­ge statt­ge­ge­ben. Ein Gespräch zum En­de des Jah­res 2011, in dem die Kläge­rin ab­ge­lehnt ha­ben soll, den Be­reich Ein­kauf mit zu be­treu­en so­wie ih­re Ar­beits­zeit von 30 auf 40 St­un­den zu erhöhen, ha­be es so nicht ge­ge­ben. Kor­rekt sei, dass der Kläge­rin oh­ne ein Gespräch im Som­mer 2011 durch Frau K. ein neu­er Ver­trag bzw. ei­ne Ver­tragsände­rung vor­ge­legt wor­den sei, mit dem In­halt 40 St­un­den die Wo­che bei glei­cher Vergütung zu ar­bei­ten. Die Ver­tragsände­rung ha­be die Kläge­rin auf Grund der zu leis­ten­den wöchent­li­chen Ar­beits­zeit so­wie der gleich­blei­ben­den Vergütung bei ei­ner 30-St­un­den-Wo­che nicht un­ter­zeich­net.

Hin­sicht­lich der von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­ten Über­stun­den­vergütung ha­be das erst­in­stanz­li­che Ge­richt ver­kannt, dass die not­wen­di­gen Tat­sa­chen für ei­ne Gel­tend­ma­chung von Über­stun­den sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­gen wor­den sei­en. Die von der Kläge­rin geführ­ten Ar­beits­zeit­nach­wei­se sei­en von der Be­klag­ten ein­geführt und auf Ver­lan­gen und An­wei­sung der Geschäftsführung durch die Kläge­rin ge­fer­tigt wor­den. Der Vor­trag der Be­klag­ten, wo­nach die geführ­ten Ar­beits­zeit­nach­wei­se le­dig­lich als An­we­sen­heits­nach­weis ge­dient hätten, sei un­rich­tig und wer­de be­strit­ten. Die Be­klag­te ha­be durch die Auf­for­de­rung zur Auf­zeich­nung der Ar­beits­stun­den so­wie der durch­geführ­ten Ab­zeich­nung durch die Chef­se­kretärin je­weils zum En­de ei­ner Wo­che die streit­ge­genständ­li­chen Über­stun­den zu­min­dest kon­klu­dent an­ge­ord­net. Je­den­falls ha­be der Geschäftsführer der Be­klag­ten die­se bil­li­gend in Kauf ge­nom­men. Selbst wenn man nicht von ei­ner An­ord­nung oder Bil­li­gung der Über­stun­den aus­ge­hen wol­le, so ha­be die Be­klag­te vor­lie­gend je­den­falls die gel­tend ge­mach­ten Über­stun­den ge­dul­det. Ei­ne an­spruchs­be­gründen­de Dul­dung der Mehr­ar­beit sei ge­ge­ben, wenn Mehr- bzw. Über­stun­den tatsächlich ge­leis­tet wor­den sei­en und der Ar­beit­ge­ber von ih­rer Leis­tung Kennt­nis ge­habt und die­se zu­ge­las­sen ha­be. Die­se Vor­aus­set­zun­gen ha­be die Kläge­rin dar­ge­legt. Es sei der Be­klag­ten be­kannt ge­we­sen, dass die Kläge­rin re­gelmäßig be­reits um 07:00 Uhr die Ar­beit auf­ge­nom­men ha­be. Die Ori­gi­na­le der Ar­beits­zeit­nach­wei­se be­wah­re der Geschäftsführer der Be­klag­ten auf, so dass er von den je­wei­li­gen er­brach­ten Ar­beits­leis­tun­gen Kennt­nis ge­habt ha­be. Je­den­falls sei dem Geschäftsführer der Be­klag­ten die ent­spre­chen­de Kennt­nis der Se­kretärin der Geschäfts­lei­tung zu­zu­rech­nen. Die­ser Um­stand fol­ge be­reits aus dem §§ 54, 56 HGB. Auch sei der Kläge­rin nach den an­er­kann­ten Grundsätzen der An­scheins- und Dul­dungs­voll­macht die Über­stun­den­vergütung zu gewähren. Auf Grund der Frei­stel­lung sei­en von den 436 Über­stun­den 48 St­un­den in Ab­zug zu brin­gen, so dass sich un­ter Berück­sich­ti­gung ei­nes St­un­den­sat­zes von 10,73 Eu­ro brut­to ein Vergütungs­an­spruch in Höhe von 4.163,24 Eu­ro brut­to er­rech­ne.

Die Kläge­rin be­an­tragt in­so­weit:

1.

Das Ur­teil des Ar­beits­ge­rich­tes Stral­sund vom 26.02.2013 – Ak­ten­zei­chen 1 Ca 361/12 – der Kläge­rin zu­ge­stellt am 07.05.2013 wird teil­wei­se ab­geändert.

2.

und die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin ei­nen Be­trag in Höhe von 4.163,24 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen gülti­gen Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

3.

Die Be­ru­fungs­be­klag­te trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te trägt vor, die Kläge­rin ha­be ei­ne An­ord­nung der be­haup­te­ten Über­stun­den durch die Geschäfts­lei­tung nicht sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­gen. Dies gel­te eben­so für die An­zahl der be­haup­te­ten Über­stun­den selbst. Die­ser Um­stand fol­ge be­reits aus den ab­ge­reich­ten For­mu­la­ren, da die ent­spre­chen­den Spal­ten „IST Ar­beits­zeit“ und „Ge­samt +/-“ nicht aus­gefüllt wor­den sei­en. Da mit­hin ei­ne tatsächli­che Ab­leis­tung von Über­stun­den nicht dar­ge­legt wor­den sei, kom­me selbst­verständ­lich auch die von der Kläge­rin pro­ble­ma­ti­sier­te bil­li­gen­de In­k­auf­nah­me et­wai­ger Über­stun­den nicht in Be­tracht.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

So­wohl die Be­ru­fung der Kläge­rin, als auch die Be­ru­fung der Be­klag­ten sind zwar zulässig, je­doch je­weils nicht be­gründet. In Er­man­ge­lung ei­nes sub­stan­ti­ier­ten Tat­sa­chen­vor­tra­ges bleibt die Zah­lungs­kla­ge der Kläge­rin oh­ne Er­folg (I.). Da­ge­gen ist die streit­be­fan­ge­ne be­triebs­be­ding­te Be­en­di­gungskündi­gung vom 30.08.2012 rechts­un­wirk­sam (II.). In der Fol­ge ha­ben die Par­tei­en ge­mes­sen an dem wirt­schaft­li­chen Wert der je­wei­li­gen Kla­ge­anträge je zur Hälf­te die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens zu tra­gen, wo­bei Re­vi­si­ons­zu­las­sungs­gründe nicht ge­ge­ben sind (III.).

I.

Der von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­te Zah­lungs­an­spruch ist un­be­gründet.

Zur Be­gründung kann dies­bezüglich auf die tra­gen­den Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­grif­fe­nen Ur­teils Be­zug ge­nom­men wer­den (§ 69 Abs. 2 ArbGG) zu­mal in der Be­ru­fungs­in­stanz in­so­weit kei­ne neu­en ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Tat­sa­chen durch die Kläge­rin vor­ge­tra­gen wor­den sind. In der streit­be­fan­ge­nen Ent­schei­dung heißt u. a.:

„Darüber hin­aus steht der Kläge­rin der gel­tend ge­mach­te An­spruch be­reits des­halb nicht zu, weil sie nicht nur die Er­brin­gung der Über­stun­den im Hin­blick auf je­de ein­zel­ne St­un­de und ih­re zeit­li­che La­ge als sol­che hätte dar­le­gen und im Be­strei­tens­fall un­ter Be­weis stel­len müssen, son­dern auch, dass die­se an­ge­ord­net oder be­triebs­not­wen­dig oder ge­dul­det wor­den sei­en. Ein Vor­trag zur Be­triebs­not­wen­dig­keit fehlt in­so­weit gänz­lich, eben­so ein sol­cher zur An­ord­nung. Aus­rei­chend wäre zwar grundsätz­lich ei­ne Dul­dung, von der aus­zu­ge­hen ist, wenn ein Ar­beit­ge­ber über ei­nen ge­wis­sen Zeit­raum von der Ab­leis­tung von Über­stun­den Kennt­nis hat und die­se still­schwei­gend ent­ge­gen nimmt. Auch dann ist es al­ler­dings im Be­strei­tens­fall Sa­che des Ar­beit­neh­mers, vor­zu­tra­gen, wo­durch die­se Dul­dung er­folgt sei und dass der Ar­beit­ge­ber die­se St­un­den bil­li­gend in Kauf ge­nom­men ha­be. Auch dies hat die Kläge­rin nicht ver­mocht. Al­lein der Hin­weis dar­auf, der Se­kretärin sei­en die­se St­un­den be­kannt ge­we­sen, da sie die Ar­beits­zeit­lis­ten er­hal­ten und ge­gen­ge­zeich­net ha­be, reicht in­so­weit nicht aus. Zum Ei­nen er­ge­ben sich die von der Kläge­rin be­haup­te­ten Über­stun­den, wie dar­ge­legt, ge­ra­de nicht aus den Ar­beits­zeit­nach­wei­sen. Zum An­de­ren ver­mag die Kam­mer der Ar­gu­men­ta­ti­on der Kläge­rin nicht zu fol­gen, wo­nach ei­ne et­wai­ge vor­han­de­ne Kennt­nis der Se­kretärin der Be­klag­ten dem Geschäftsführer der Be­klag­ten zu­zu­rech­nen sei.“

Den vor­ste­hen­den Ausführun­gen schließt sich das er­ken­nen­de Ge­richt an. Le­dig­lich der Vollständig­keit hal­ber sei­en in die­sem Zu­sam­men­hang noch dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die An­ga­ben in den ab­ge­reich­ten Ar­beits­zeit­nach­wei­sen ent­we­der nicht aus­sa­ge­kräftig sind oder aber in sich wi­dersprüchlich sind. So ent­hal­ten die Nach­wei­se für das Jahr 2010 in den Spal­ten „+/-„ bzw. „Ge­samt +/-„ zwar teil­wei­se An­ga­ben, die je­doch mit den Ein­tra­gun­gen zum je­wei­li­gen Be­ginn und En­de der Ar­beits­zeit bzw. der Pau­sen­zeit nicht übe­rein­stim­men z. B. für Ju­ni 2010 [Blatt 44 Band I der Ak­te]. Teil­wei­se sind auch für das Jahr 2010 in den ent­spre­chen­den Spal­ten kei­ne An­ga­ben ein­ge­tra­gen wor­den. Letz­te­res gilt auch für die Jah­re 2011 und 2012 ab­ge­reich­ten Ar­beits­zeit­nach­wei­se. D. h., es sind zwar An­ga­ben für Be­ginn und En­de der Ar­beits­zeit so­wie zu den Pau­sen ein­ge­tra­gen wor­den, oh­ne dass je­doch in den ent­spre­chen­den Spal­ten Zei­ten für Mehr­ar­beit aus­ge­wie­sen wor­den sind. Wenn je­doch in dem ganz über­wie­gen­den Teil der Ar­beits­zeit­nach­wei­se eben ge­ra­de kei­ne ge­leis­te­te Mehr­ar­beit aus­ge­wie­sen ist, so ist nicht er­sicht­lich, wie dar­auf recht­lich ei­ne Dul­dung von Mehr­ar­beit im oben ge­nann­ten Sinn gestützt wer­den soll.

II.

Die streit­be­fan­ge­ne Kündi­gung vom 30.08.2012 ist gemäß § 1 KSchG - der nach dem un­strei­ti­gen Vor­trag der Par­tei­en auf das Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­det - rechts­un­wirk­sam.

Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist ei­ne or­dent­li­che be­triebs­be­ding­te Kündi­gung so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, wenn sie nicht durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se, die ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers in die­sem Be­trieb ent­ge­gen­ste­hen, be­dingt ist. Drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se im vor­ge­nann­ten Sin­ne sind dann zu be­ja­hen, wenn es dem Ar­beit­ge­ber nicht möglich ist, der bei Aus­spruch der Kündi­gung be­ste­hen­den La­ge durch an­de­re Maßnah­men tech­ni­scher, or­ga­ni­sa­to­ri­scher oder wirt­schaft­li­cher Art als durch ei­ne Be­en­di­gungskündi­gung zu ent­spre­chen. Das Merk­mal der Dring­lich­keit be­trieb­li­cher Er­for­der­nis­se kon­kre­ti­siert den Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit (ul­ti­ma-ra­tio-Prin­zip), aus dem sich er­gibt, dass der Ar­beit­ge­ber vor je­der or­dent­li­chen Be­en­di­gungskündi­gung von sich aus dem Ar­beit­neh­mer grundsätz­lich ei­ne Beschäfti­gung auf ei­nem ge­eig­ne­ten frei­en Ar­beits­platz auch zu geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen an­bie­ten muss (BAG vom 03.04.2008 – 2 AZR 500/06 – NZA 2008, Sei­te 812). Letz­te­re Ver­pflich­tung be­steht nach dem Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit auch dann, wenn hin­sicht­lich ei­ner in Aus­sicht ge­nom­me­nen Kündi­gung ei­ner Teil­zeit­kraft als Al­ter­na­tiv­ar­beits­platz nur ei­ne Voll­zeit­stel­le zur Verfügung steht bzw. im Fal­le ei­ner be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung ei­ner Voll­zeit­kraft als Va­ri­an­te nur ei­ne Teil­zeit­stel­le vor­han­den ist (BAG vom 21.04.2005 – 2 AZR 132/04 – BB 2005, Sei­te 2691; LAG Ber­lin vom 10.09.1996 – 12 Sa 66/96 – LA­GE § 2 KSchG 1969, Nr. 20). Sind mehr Ar­beit­neh­mer für ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung zu geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen ge­eig­net, als ent­spre­chen­de Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten zur Verfügung ste­hen, und will der Ar­beit­ge­ber vor Kündi­gungs­aus­spruch die frei­en Stel­len be­set­zen, so hat er im Rah­men die­ser Be­set­zung die ein­schlägi­gen so­zia­len Ge­sichts­punk­te gemäß § 315 BGB (BAG vom 15.12.1994 – 2 AZR 320/94 – NZA 1995, Sei­te 413) bzw. ana­log § 1 Abs. 3 KSchG (vgl. in­so­weit BAG vom 10.05.2007 – 2 AZR 626/05 – NZA 2007, Sei­te 1278) zu berück­sich­ti­gen.

Ge­mes­sen an den ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen hält die streit­be­fan­ge­ne Kündi­gung ei­ner ge­richt­li­chen Über­prüfung nicht stand.

Denn da­nach kann sich die Be­klag­te vor­lie­gend nicht dar­auf be­ru­fen, der ver­blie­be­ne bzw. neu ge­schaf­fe­ne Ar­beits­platz Ab­rech­nung/Ein­kauf sei durch die Mit­ar­bei­te­rin Z. be­setzt ge­we­sen. Viel­mehr kann sich die Kläge­rin auch im Fal­le der aus­sch­ließli­chen Berück­sich­ti­gung des Be­klag­ten­vor­tra­ges auf ei­ne un­zu­rei­chen­de Berück­sich­ti­gung so­zia­ler Ge­sichts­punk­te durch die Be­klag­te be­ru­fen. Die Kläge­rin verfügt über ei­ne länge­re Be­triebs­zu­gehörig­keit so­wie über ein höhe­res Le­bens­al­ter. Im Ge­gen­satz zur Mit­ar­bei­te­rin Z. ist die Kläge­rin ver­hei­ra­tet und ge­genüber zwei Kin­dern zum Un­ter­halt ver­pflich­tet, während die Mit­ar­bei­te­rin Z. über kei­ne Un­ter­halts­ver­pflich­tun­gen verfügt. Un­ter Berück­sich­ti­gung der be­nann­ten So­zi­al­da­ten ist die Mit­ar­bei­te­rin Z. oh­ne je­den Zwei­fel als we­ni­ger so­zi­al schutzwürdig im Ver­gleich zur Kläge­rin ein­zu­stu­fen.

Die Be­klag­te kann sich dies­bezüglich nicht auf ei­ne man­geln­de Ver­gleich­bar­keit der Ar­beit­neh­me­rin Z. be­ru­fen. Es sind kei­ner­lei ob­jek­ti­ve An­halts­punk­te er­sicht­lich, wes­halb die Kläge­rin nicht hätte in der La­ge sein sol­len, den Be­reich Ein­kauf eben­falls zu be­ar­bei­ten. Dies­bezüglich ist zu berück­sich­ti­gen, dass be­reits nach der Auf­ga­ben­auf­lis­tung in § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges zu den Tätig­kei­ten der Kläge­rin fol­gen­der Auf­ga­ben­be­reich gehört:

„Er­ar­bei­tung von Be­stel­lun­gen ge­genüber von Lie­fe­ran­ten, un­ter Be­ach­tung des Wirt­schaft­lich­keits­ge­bo­tes und vor­han­de­ner Wa­ren­bestände“

Der ent­spre­chen­de Vor­trag der Be­klag­ten reicht auch des­halb zur Be­ja­hung ei­ner man­geln­den Ver­gleich­bar­keit nicht aus, weil sie selbst vorträgt, der Kläge­rin En­de des Jah­res 2011 und noch­mals vor Aus­spruch der Kündi­gung den Ar­beits­be­reich Ab­rech­nung/Ein­kauf an­ge­bo­ten zu ha­ben. Zu die­sen Zeit­punk­ten ist die Be­klag­te da­mit of­fen­sicht­lich selbst da­von aus­ge­gan­gen, dass die Kläge­rin in der La­ge ist, den Ar­beits­be­reich Ein­kauf bewälti­gen zu können.

Auch die Be­haup­tung der Be­klag­ten, die Kläge­rin ha­be die­se ent­spre­chen­den Ände­rungs­an­ge­bo­te je­weils ab­ge­lehnt, kann nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ge­wer­tet wer­den. Denn auch in die­sem Fall ist der Ar­beit­ge­ber grundsätz­lich ver­pflich­tet, vor Aus­spruch ei­ner Be­en­di­gungskündi­gung ei­ne Ände­rungskündi­gung aus­zu­spre­chen (BAG vom 21.04.2005 – 2 AZR 132/04 – BB 2005, Sei­te 2691). Dies gilt aus­nahms­wei­se le­dig­lich dann nicht, wenn der Ar­beit­neh­mer das An­ge­bot zu­vor vor­be­halt­los und endgültig ab­ge­lehnt hat, al­so un­miss­verständ­lich zu er­ken­nen ge­ge­ben hat, dass er un­ter kei­nen Umständen be­reit ist, zu den geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen zu ar­bei­ten, wo­bei dem Ar­beit­ge­ber auch dies­bezüglich die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für ei­ne sol­che de­fi­ni­ti­ve und endgülti­ge Ab­leh­nung trifft (BAG vom 21.04.2005, a. a. O.).

Für ei­ne der­ar­ti­ge Schluss­fol­ge­rung fehlt es vor­lie­gend je­doch an ent­spre­chen­dem Tat­sa­chen­vor­trag durch die Be­klag­te. Zur wei­te­ren Be­gründung kann zu­dem auf die Ausführun­gen in der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung auf Sei­te 9 Be­zug ge­nom­men wer­den.

Nach al­le­dem ist wie er­kannt zu ent­schei­den.

III.

Da bei­de Par­tei­en ge­mes­sen an den wirt­schaft­li­chen Wert in dem Be­ru­fungs­ver­fah­ren zu glei­chen Tei­len un­ter­le­gen sind, ha­ben sie je zur Hälf­te die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens zu tra­gen.

Re­vi­si­ons­zu­las­sungs­gründe sind nicht er­sicht­lich.

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