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ArbG Trier, Ur­teil vom 03.06.2015, 5 Ca 1259/14

   
Schlagworte: Arbeitsplatz, Krankheit
   
Gericht: Arbeitsgericht Trier
Aktenzeichen: 5 Ca 1259/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 03.06.2015
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ak­ten­zei­chen:
5 Ca 1259/14  

Verkündet am:
03.06.2015

Jus­tiz­beschäftig­te

als Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

AR­BEITS­GERICHT

TRIER

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

A., A-Straße, A-Stadt

- Kläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te/r: Rechts­anwälte B., B-Straße, B-Stadt

ge­gen

C., „ , C-Straße, A-Stadt

- Be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te/r: D., B-Stadt e.V, D-Straße, B-Stadt

hat die 5. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Trier auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 3. Ju­ni 2015 durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt E als Vor­sit­zen­den und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter F und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin G als Bei­sit­zer für Recht er­kannt:

 

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1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.
2. Die Kos­ten des Rechts­streits trägt der Kläger.
3. Der Streit­wert wird auf 20.193,04 € fest­ge­setzt.
4. Die Be­ru­fung wird nicht ge­son­dert zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um An­nah­me­ver­zugs­lohn­ansprüche.

Der Kläger ist bei der Be­klag­ten seit dem 09.01.1995 als Rei­fen­prüfer/Wech­sel­ar­bei­ter im Drei­schicht­be­trieb beschäftigt. Er ist mit ei­nem GdB von 50 % schwer­be­hin­dert und be­zog zu­letzt ein Brut­to­mo­nats­ge­halt von 3.125,00 EUR. Nach­dem er im Au­gust 2012 ar­beits­unfähig er­krankt war, wur­de auf der Grund­la­ge ei­nes bei­ge­brach­ten At­tests vom 21.01.2013, wel­ches ihm be­schei­nigt, kei­ne Nacht­schicht ausüben zu können und schwe­res He­ben und Tra­gen so­wie sta­ti­sche Be­las­tung mei­den zu sol­len, ein Wie­der­ein­glie­de­rungs­plan er­stellt. Die­ser sah ab 29.04.2013 für je­weils zwei Wo­chen ei­ne zweistündi­ge, dann ei­ne vierstündi­ge und ab 27.05.2013 ei­ne sechsstündi­ge tägli­che Ar­beitstätig­keit vor. Am 24.05.2013 wur­de der Plan geändert und die Pha­se der vierstündi­gen Wie­der­ein­glie­de­rung bis 09.06.2013 verlängert. Am 07.06.2013 er­folg­te ei­ne wei­te­re Verlänge­rung der Vier­stun­den­pha­se bis 12.07.2013; dies lehn­te die Be­klag­te ab, erklärte sich aber be­reit, bis zum Er­geb­nis wei­te­rer Be­ra­tungs­gespräche die Vier­stun­den­pha­se fort­zuführen. Am 13.06.2013 wur­de die Vier­stun­den­pha­se ein­ver­nehm­lich bis 23.06.2013 verlängert. Als am 24.06.2013 ei­ne noch­ma­li­ge Verlänge­rung bis zum 07.07. er­fol­gen soll­te und die Ärz­te des Klägers die­sem eben­so wie in sämt­li­chen vor­an­ge­gan­ge­nen Wie­der­ein­glie­de­rungs­plänen be­schei­nig­ten, die Wie­der­her­stel­lung sei­ner vol­len Ar­beitsfähig­keit sei "zur Zeit nicht ab­seh­bar", lehn­te die Be­klag­te ei­ne wei­te­re Wie­der­ein­glie­de­rung ab, wie es des­sen Kran­ken­kas­se vor­ge­schla­gen hat­te. Sie sag­te zu, ei­nen an­der­wei­ti­gen Ar­beits­platz für ihn zu su­chen, so­bald die Er­geb­nis­se sei­ner kar­dio­lo­gi­schen Un­ter­su­chung vom

 

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16.07.2013 vorlägen. In ei­nem Gespräch vom 23.07.2013 be­nann­te der Kläger in­des kei­nen Ar­beits­platz, auf dem er sich ei­ne wei­te­re Ar­beits­leis­tung vor­stel­len könne.

Nach­dem er sich in der Fol­ge­zeit bei der Be­klag­ten nicht mehr mel­de­te, kam es am 29.10.2013 zu ei­nem wei­te­ren Gespräch, in des­sen Rah­men er mit­teil­te, vor ei­ner er­neu­ten Wie­der­ein­glie­de­rung das Er­geb­nis ei­ner Blut­druck­un­ter­su­chung im De­zem­ber 2013 ab­war­ten zu wol­len. Da­nach mel­de­te er sich bei der Be­klag­ten erst wie­der am 07.02.2014 und erklärte, die Kran­ken­kas­se ha­be ihn aus­ge­steu­ert und er wol­le nun­mehr wie­der beschäftigt wer­den. Gleich­zei­tig räum­te er ein, wei­ter­hin un­ter ge­sund­heit­li­chen Ein­schränkun­gen zu lei­den. Die Be­klag­te bat ihn noch am sel­ben Tag, sei­ne Be­fund­be­rich­te ih­rem Be­triebs­arzt zu über­sen­den, um sei­ne Ar­beitsfähig­keit über­prüfen und ei­nen ge­eig­ne­ten Ar­beits­platz für ihn fin­den zu können. Der Kläger for­der­te dar­auf­hin über sei­ne zwi­schen­zeit­lich be­auf­trag­te an­walt­li­che Ver­tre­tung mit Schrei­ben vom 17.05.2014 die Zah­lung von An­nah­me-ver­zugs­lohn seit 07.02.2014. Auf ei­ne Auf­for­de­rung der Be­klag­ten, sich von ih­rem Be­triebs­arzt un­ter­su­chen zu las­sen, er­schien er zwar am 06.06.2014 im Be­trieb, lehn­te ei­ne Un­ter­su­chung al­ler­dings ab und über­reich­te le­dig­lich ei­ne Be­schei­ni­gung sei­ner Kar­dio­lo­gin vom 13.03.2014, die ihm be­schei­nig­te, Nacht­schicht und ech­te Drei­wech­sel­schicht nicht mehr, son­dern nur noch leich­te bis kurz­fris­tig mit­tel­schwe­re körper­li­che Ar­bei­ten mit ge­re­gel­ten Ar­beits­zei­ten am Ta­ge ausüben zu können. Dar­auf­hin prüfte die Be­klag­te ei­nen ent­spre­chen­den lei­dens­ge­rech­ten Ar­beits­platz und for­der­te den Kläger mit Schrei­ben vom 11.06.2014 auf, ab 16.06. sei­ne Ar­beit in der Heiz­ab­tei­lung auf­zu­neh­men. Dies lehn­te die Pro­zess­ver­tre­te­rin des Klägers mit Schrei­ben vom 13.06.2014 ab mit dem Hin­weis, der Kläger be­fin­de sich in Ur­laub und könne erst ab 30.06. wie­der er­schei­nen. Dar­auf­hin for­der­te ihn die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 23.06. auf, sei­ne Tätig­keit ab 01.07.2014 wie­der auf­zu­neh­men. Der Kläger er­schien am 01.07. auch in der Heiz­ab­tei­lung, klag­te je­doch nach ei­ner hal­ben St­un­de über Kopf­schmer­zen und ver­ließ den Raum. Ar­beitstätig­kei­ten hat­te er nicht aus­geübt. Mit Schrei­ben vom 01.07.2014 rügte er den Ar­beits­platz in der Heiz­ab­tei­lung als ge­sund­heitsschädlich und droh­te die

 

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Ausübung ei­nes Zurück­be­hal­tungs­rechts an für den Fall, dass die Be­klag­te den ihm zu­ste­hen­den An­nah­me­ver­zugs­lohn nicht bis 04.07.2014 zah­le. Die­ser For­de­rung kam die Be­klag­te nicht nach, son­dern for­der­te den Kläger mit Schrei­ben vom 11.08.2014 auf, ab 18.08.2014 ei­ne Tätig­keit an der Pkw-Apex-Ma­schi­ne auf­zu­neh­men, bei der es sich um den Ar­beits­platz mit der ge­rings­ten körper­li­chen Be­las­tung hand­le. Ei­ne Re­ak­ti­on hier­auf sei­tens des Klägers er­folg­te nicht.

Der Kläger be­haup­tet, mit Ein­schränkun­gen ar­beitsfähig zu sein. Die Be­klag­te ha­be ihn gleich­wohl am 07.02.2014 nach Hau­se ge­schickt und sei da­mit in An­nah­me­ver­zug ge­ra­ten. Sie ha­be ihm ent­ge­gen ih­rer Fürsor­ge­pflicht auch an­ge­sichts sei­ner Schwer­be­hin­de­rung kei­nen lei­dens­ge­rech­ten Ar­beits­platz an­ge­bo­ten. Ins­be­son­de­re der Ar­beits­platz in der Heiz­ab­tei­lung sei für ihn le­bens­gefähr­lich ge­we­sen, da er ho­hen Tem­pe­ra­tu­ren und Dämp­fen aus­ge­setzt ge­we­sen sei. Die­ses Ver­hal­ten der Be­klag­ten tra­ge straf­recht­li­chen Cha­rak­ter, da ihr sei­ne Herz­er­kran­kung be­kannt ge­we­sen sei. Die Wie­der­ein­glie­de­rung ha­be die Be­klag­te nicht ab­ge­bro­chen, weil ihr die Vier­stun­den­pha­se zu lan­ge ge­dau­ert ha­be, son­dern weil sie ihn nicht in Nacht­schicht ha­be ein­set­zen können. Dies wie­ge um­so schwe­rer, als es in der Prüf- und Kon­troll­ab­tei­lung zwei wei­te­re schwer­be­hin­der­te Ar­beit­neh­mer ge­be, die auch kei­ne Nacht­schicht leis­ten müss­ten. Das Ar­beits­platz­an­ge­bot vom 11.08,2014 ha­be er nicht an­neh­men müssen, da er zu die­sem Zeit­punkt be­reits sein Zurück­be­hal­tungs­recht aus­geübt ha­be vor dem Hin­ter­grund, dass die Be­klag­te ihm sei­nen ge­for­der­ten An­nah­me­ver­zugs­lohn eben­so we­nig ge­zahlt ha­be wie die Ur­laubs­ab­gel­tung, die auf­grund sei­ner Er­kran­kung in den Jah­ren 2012 und 2013 er­heb­lich sein dürf­te. Hilfs­wei­se stütze er sei­ne Zah­lungs­for­de­rung auf ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und 5 SGB IX i.V.m. § 823 Abs. 2 so­wie § 280 Abs. 1 BGB, da die Be­klag­te ihm kei­nen lei­dens­ge­rech­ten Ar­beits­platz zur Verfügung ge­stellt oder sei­nen Ar­beits­platz be­hin­der­ten­ge­recht aus­ge­stal­tet ha­be, et­wa durch die Zur­verfügung­stel­lung tech­ni­scher Hil­fen beim Dre­hen und Wen­den der Rei­fen.

 

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Der Kläger be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn ei­nen Brut­to­lohn in Höhe von ins­ge­samt 19.843,04 EUR nebst Zin­sen in Höhe von 5 %-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz der EZB aus ei­nem Be­trag in Höhe von 2.834,72 EUR seit dem 01.03.2014, aus ei­nem Be­trag in Höhe von 2.834,72 EUR seit dem 01.04.2014, aus ei­nem Be­trag in Höhe von 2.834,72 EUR seit dem 01.05.2011, aus ei­nem Be­trag in Höhe von 2.834,72 EUR seit dem 01.06.2014, aus ei­nem Be­trag in Höhe von 2.834,72 EUR seit dem 01.07.2014, aus ei­nem Be­trag in Höhe von 2.834,72 EUR seit dem 01.08.2014, so­wie aus ei­nem Be­trag in Höhe von 2.834,72 EUR seit dem 01.09.2014 zu zah­len;

2. die Be­klag­te wei­ter­hin zu ver­ur­tei­len, an ihn ei­ne ord­nungs­gemäße Lohn­ab­rech­nung für die Mo­na­te Fe­bru­ar bis Au­gust 2014 zu er­tei­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie be­haup­tet, der Kläger sei nach wie vor ar­beits­unfähig und der me­di­zi­ni­sche Stand der­sel­be wie sei­ner­zeit bei Ab­bruch der Wie­der­ein­glie­de­rung, wo ihm ei­ne Wie­der­her­stel­lung sei­ner Ar­beitsfähig­keit als zur Zeit nicht ab­seh­bar at­tes­tiert wor­den sei. Was sich hier­an zwi­schen­zeit­lich geändert ha­ben sol­le, ha­be der Kläger nicht vor­ge­tra­gen. Er ha­be trotz mehr­fa­cher Auf­for­de­rung kei­ne Be­fund­be­rich­te sei­ner Ärz­te an ih­ren Be­triebs­arzt wei­ter­ge­lei­tet und auch kei­nen Ar­beits­platz be­nannt, auf dem er sich ei­ne Tätig­keit vor­stel­len könn­te. In der Heiz­ab­tei­lung sei er we­der Hit­ze noch Dämp­fen aus­ge­setzt ge­we­sen, son­dern le­dig­lich Gerüchen von vul­ka­ni­sier­ten Rei­fen, was aber kei­ne Ge­sund­heits­gefähr­dung mit sich ge­bracht ha­be. Im Übri­gen ha­be er selbst dem Me­di­zi­ni­schen Dienst sei­ner Kran­ken­kas­se im Jahr 2013 erklärt, sei­ne Tätig­keit sei ihm zu an­stren­gend und er kön-

 

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ne nicht mehr als vier St­un­den ar­bei­ten. Zu Nacht­schich­ten sei er gar nicht ein­ge­teilt ge­we­sen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den In­halt der Ge­richts­ak­ten ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

A.

Die Kla­ge ist zulässig, aber nicht be­gründet.

1. Die Be­klag­te ist nicht in An­nah­me­ver­zug ge­ra­ten.

a) Gemäß § 297 BGB kommt der Gläubi­ger nicht in Ver­zug, wenn der Schuld­ner zur Zeit des An­ge­bots außer Stan­de ist, die ihm ob­lie­gen­de Leis­tung zu be­wir­ken. Da­von kann hier aus­ge­gan­gen wer­den, Ge­gen­tei­li­ges hat der Kläger nicht sub­stan­ti­iert dar­ge­legt. Die sei­ner­zei­ti­ge Wie­der­ein­glie­de­rung wur­de nach dem de­tail­liert dar­ge­leg­ten und nach­voll­zieh­ba­ren Vor­trag der Be­klag­ten ab­ge­bro­chen, da die Vier­stun­den­pha­se trotz ent­ge­gen­ste­hen­der Pla­nung im­mer wie­der verlängert wur­de und die Be­klag­te dies schließlich nicht wei­ter hin­neh­men woll­te. Der vom Kläger er­ho­be­ne Vor­wurf, der Ab­bruch be­ru­he al­lein dar­auf, dass er kei­ne Nacht­schich­ten ha­be leis­ten wol­len, ist be­reits auf­grund der vor­lie­gen­den Un­ter­la­gen nicht nach­voll­zieh­bar. Dort ist in je­dem Wie­der­ein­glie­de­rungs­plan auf­geführt, dass er Frühschicht bzw. zwei Schich­ten, aber kei­ne Nacht­schicht zu leis­ten ha­be. Sämt­li­che Pläne wur­den von der Be­klag­ten ge­gen­ge­zeich­net. Im Schrei­ben ih­res Be­triebs­arz­tes wur­de zwar ei­ne Ein­tei­lung zu zwei Nacht­schich­ten für den 04. und 05.09.2013 an­ge­regt, al­ler­dings aus­drück­lich ver­bun­den mit dem Vor­schlag, der Kläger möge dies zeit­nah auf die me­di­zi­ni­sche Zu­mut­bar­keit bei sei­ner Ärz­tin über­prüfen las­sen. Dass hier­mit ei­ne Ein­tei­lung in die Nacht­schicht für Ju­ni, Ju­li

 

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oder Au­gust ver­bun­den ge­we­sen wäre, ist nicht er­sicht­lich. Es ist auch nach­voll­zieh­bar, dass die Be­klag­te, nach­dem der Kläger zunächst ab 27.05.2013 wie­der mit 6 St­un­den täglich ein­ge­glie­dert wer­den soll­te, dies dann ver­scho­ben wur­de auf den 10.06., dies dann er­neut ver­scho­ben wur­de auf den 24.06 und auch die­ser Ter­min ein wei­te­res Mal auf den 08.07. ver­scho­ben wer­den soll­te, schließlich ei­ne wei­te­re Wie­der­ein­glie­de­rung ab­lehn­te, zu­mal in sämt­li­chen Wie­der­ein­glie­de­rungs­plänen aus­drück­lich ei­ne Un­ab­seh­bar­keit der Wie­der­her­stel­lung der vol­len Ar­beitsfähig­keit at­tes­tiert wur­de. Da­mit war der Kläger sei­ner­zeit un­strei­tig ar­beits­unfähig. Dass sich dar­an in der Zwi­schen­zeit bis zu sei­nem erst­ma­li­gen An­ge­bot sei­ner Ar­beits­leis­tung am 07.02.2014 ir­gend­et­was geändert hätte, hat er auch auf Nach­fra­ge im Kam­mer­ter­min zwar be­haup­tet, aber kei­nen kon­kre­ten Sach­vor­trag hier­zu hal­ten können, der ei­ner Über­prüfung zugäng­lich ge­we­sen wäre. Viel­mehr hat er un­strei­tig bei sei­nem An­ge­bot am 07.02.2014 ein­geräumt, wei­ter­hin ge­sund­heit­li­chen Be­schränkun­gen zu un­ter­lie­gen. Sei­ne ärzt­li­che Be­schei­ni­gung vom 13.03.2014 weist die glei­chen ge­sund­heit­li­chen Ein­schränkun­gen auf wie das sei­ner­zei­ti­ge At­test vom 21.01.2013, was of­fen­sicht­lich kei­ne Ar­beitsfähig­keit des Klägers be­gründe­te, da die­ser noch ein hal­bes Jahr später sei­ne Wie­der­ein­glie­de­rung ab­bre­chen muss­te. Da­her kann von der neu­er­li­chen Be­schei­ni­gung vom 13.03.2014 auch nicht auf ei­ne zwi­schen­zeit­lich ein­ge­tre­te­ne Ar­beitsfähig­keit ge­schlos­sen wer­den. Da­mit durf­te die Be­klag­te da­von aus­ge­hen, dass der Kläger wei­ter­hin ar­beits­unfähig war.

Darüber hin­aus hat er auch kei­nen Ar­beits­platz be­nannt, auf dem er sich ei­ne Tätig­keit vor­stel­len könn­te. Sch­ließlich er­gibt sich ent­ge­gen sei­nem Vor­trag aus der so­zi­al­me­di­zi­ni­schen Stel­lung­nah­me der Bun­des­agen­tur für Ar­beit (An­la­ge K 9 zum Schrift­satz vom 20.02.2015, BI. 71 d. A.) auch kei­ne wie­der her­ge­stell­te Ar­beitsfähig­keit. Da­nach ist er zwar voll­schich­tig ein­setz­bar für ge­le­gent­lich mit­tel­schwe­re Ar­bei­ten. Im be­schrie­be­nen ne­ga­ti­ven Leis­tungs­bild wird in­des auf­geführt, dass er we­der Tätig­kei­ten mit erhöhter Stress­be­las­tung noch Ar­bei­ten un­ter erhöhtem Zeit­druck noch Ar­bei­ten in Zwangs­hal­tun­gen noch ar­beits­me­di­zi­nisch de­fi­nier­te Hit­ze­ar­beit noch Tätig­keit in Nacht­schicht oder Wech­sel­schicht ausüben

 

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könne, kei­ne Tätig­kei­ten un­ter Ein­fluss in­ha­la­ti­ver Be­las­tun­gen durch Rauch, Staub oder schädli­che Ga­se und Dämp­fe ver­langt wer­den soll­ten und ins­be­son­de­re sei­ne zu­letzt aus­geübte Tätig­keit in der Her­stel­lung von Rei­fen we­gen der an¬ge­ge­be­nen Ein­schränkun­gen nicht güns­tig sei. Dies zeigt ge­ra­de, dass der Kläger die Tätig­keit an sei­nem Ar­beits­platz nicht wei­ter ausüben soll­te und da­her in die­sem Sin­ne nicht ar­beitsfähig war. Ob sich der Kläger sub­jek­tiv wie­der für ar­beitsfähig hielt oder nicht, ins­be­son­de­re nach sei­ner Aus­steue­rung durch die Kran­ken­kas­se, ver­mag an der ob­jek­ti­ven Sach­la­ge nichts zu ändern (so aus­drück­lich LAG Rhein­land-Pfalz 16.02.2012 — 10 Sa 550/11).

b) Die Be­klag­te ist ih­rer Pflicht aus § 296 BGB, dem Kläger im Rah­men ih­res Di-rek­ti­ons­rechts ei­ne Ar­beitsmöglich­keit zu eröff­nen und die ent­spre­chen­den Ar­beits­mit­tel be­reit zu stel­len, auch nach­ge­kom­men. Wäre der Kläger ar­beitsfähig ge­we­sen, hätte er die Ar­beit an sei­nem al­ten Ar­beits­platz bzw. später an dem Ar­beits­platz in der Heiz­ab­tei­lung bzw. später an der Pkw-Apex-Ma­schi­ne oh­ne wei­te­res an­tre­ten können. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt weist in die­sem Rah­men aus­drück­lich dar­auf hin, dass sich aus § 296 BGB kei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers her­lei­ten lässt, an ei­ner lei­dens­ge­rech­ten Um­ge­stal­tung des Ar­beits­plat­zes mit­zu­wir­ken und so et­wai­gen Ansprüchen nach § 81 SGB IX nach­zu­kom­men (BAG 04.10.2005 NZA 2006, 442, 443; 19.05.2010 NZA 2010, 1119, 1120). Da der Ar­beit­ge­ber im Rah­men des An­nah­me­ver­zugs le­dig­lich das ver­schul­dens­un­abhängi­ge Ri­si­ko trägt, dem Ar­beit­neh­mer die Er­brin­gung der ver­trag­lich ge­schul­de­ten Ar­beits­leis­tung zu ermögli­chen, wird ein Vergütungs­an­spruch nach § 615 BGB nicht be­gründet, wenn der Ar­beit­neh­mer sich dar­auf be­ruft, ei­ne be­hin­de­rungs­ge­rech­te Beschäfti­gung sei dem Ar­beit­ge­ber möglich und zu­mut­bar (BAG 04.10.2005 NZA 2006, 442, 443 f.). Ob der Ar­beit­ge­ber ge­genüber schwer­be­hin­der­ten Ar­beit­neh­mern nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und 5 SGB IX, auf die der Kläger sich vor­lie­gend be­ruft, ver­pflich­tet ist, de­ren Ar­beits­platz so zu ge­stal­ten, dass ei­ne be­hin­de­rungs­ge­rech­te Beschäfti­gung möglich wird, ist da­her nicht für Ansprüche aus An­nah­me­ver­zug er­heb­lich, son­dern für die hier­von zu tren­nen­de Fra­ge, ob der Ar­beit­neh­mer we­gen vom Ar­beit­ge­ber un­ter­las­se­ner Zu­wei­sung

 

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ei­ner lei­dens­ge­rech­ten Ar­beit ei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz hat (BAG 04.10.2005 NZA 2006, 442, 443 f.; 19.05.2010 NZA 2010, 1119, 1120).

c) Ein An­nah­me­ver­zug der Be­klag­ten lag da­mit nicht vor, da sie dem Kläger ver­schie­de­ne vom Ar­beits­ver­trag bzw. ih­rem Di­rek­ti­ons­recht ge­deck­te Tätig­kei­ten an­ge­bo­ten hat.

2. Auch ein Scha­dens­er­satz­an­spruch in An­leh­nung auf die vo­ri­gen Ausführun­gen steht dem Kläger vor­lie­gend nicht zu. Zwar kommt ein sol­cher grundsätz­lich in Be­tracht, wenn der Ar­beit­ge­ber sei­ne Rück­sicht­nah­me- bzw. Fürsor­ge­pflicht, dem Ar­beit­neh­mer durch (Neu-)Ausübung des Di­rek­ti­ons­rechts ei­nen lei­dens­ge­rech­ten Ar­beits­platz zu­zu­wei­sen und ihm da­mit sei­ne Leis­tungs­er­brin­gung wie­der zu ermögli­chen, nicht nach­kommt (BAG 04.10.2005 NZA 2006, 442, 444; 19.05.2010 NZA 2010, 1119, 1121). Vor­aus­set­zung hierfür ist je­doch, dass der Ar­beit­ge­ber sei­ne Ver­pflich­tung nach § 81 Abs. 4 SGB IX schuld­haft ver­letzt (BAG 04.10.2005 NZA 2006, 442, 444). Ein sol­ches Ver­schul­den ver­moch­te die Kam­mer vor­lie­gend nicht zu er­ken­nen. Die Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zur Neu­be­stim­mung der Tätig­keit des Ar­beit­neh­mers setzt vor­aus, dass der Ar­beit­neh­mer nicht nur die Um­set­zung auf ei­nen lei­dens­ge­rech­ten Ar­beits­platz ver­langt, son­dern dem Ar­beit­ge­ber auch mit­teilt, wie er sich sei­ne wei­te­re, die auf­ge­tre­te­nen Leis­tungs­hin­der­nis­se ausräum­en­de Beschäfti­gung vor­stellt (BAG 19.05.2010 NZA 2010, 1119, 1121). Dar­an fehlt es hier. Der Kläger hat zwar ver­schie­de­ne ge­sund­heit­li­che Ein­schränkun­gen an­geführt, die bei der Zu­wei­sung ei­ner Tätig­keit zu be­ach­ten sei­en. Er hat aber nicht nur die dar­auf­hin vom Be­triebs­arzt der Be­klag­ten (auf Vor­schlag des Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­ters) an­ge­bo­te­ne Tätig­keit in der Heiz­ab­tei­lung ab­ge­lehnt, son­dern auch die nach dem un­strei­ti­gen Be­klag­ten­vor­trag mit der ge­rings­ten körper­li­chen Be­las­tung ver­bun­de­ne Tätig­keit an der Pkw-Apex-Ma­schi­ne. Da­bei hat er im Ge­gen­satz zum Ar­beits­platz in der Heiz­ab­tei­lung noch nicht ein­mal be­strit­ten, die Tätig­keit an der Apex-Ma­schi­ne ausüben zu können, son­dern die­ses An­ge­bot le­dig­lich mit der Be­gründung ab­ge­lehnt, er übe sein Zurück­be­hal­tungs­recht aus. Ein sol­ches stand ihm in­des nicht zu, da er es auf

 

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ei­nen An­nah­me­ver­zug der Be­klag­ten nicht stützen konn­te. So­weit dies ver­meint­li­che Lohn­ansprüche an­geht, wird dies­bezüglich auf obi­ge Ausführun­gen ver­wie­sen. So­weit er sich in die­sem Rah­men auf ei­ne von der Be­klag­ten für die Jah­re 2012 und 2013 zu zah­len­de Ur­laubs­ab­gel­tung be­ru­fen will (Kla­ge­schrift S. 4 obe­res Drit­tel), schei­det auch dies aus, da im lau­fen­den Ar­beits­verhält­nis Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche nicht an­fal­len. Die Ausübung des Zurück­be­hal­tungs­rechts war da­mit rechts­wid­rig. Wenn der Kläger sich aber nicht da­zu äußert, wel­chen Ar­beits­platz er sich mit sei­nen ge­sund­heit­li­chen Ein­schränkun­gen vor­stel­len könn­te, ei­nen un­strei­tig nicht stark be­las­ten­den Ar­beits­platz oh­ne Grund ab­lehnt und am 06.06.2014 eben­falls un­strei­tig ei­ne Un­ter­su­chung durch den Be­triebs­arzt der Be­klag­ten ab­ge­lehnt hat, ist bei die­ser man­gel­haf­ten Mit­wir­kung nicht er­sicht­lich, dass die Be­klag­te ein Ver­schul­den im Sin­ne der An­for­de­run­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts träfe. Ih­re mehr­fa­che Rüge, er ha­be im­mer wie­der Arzt­ter­mi­ne ab­war­ten wol­len, die ent­spre­chen­den Be­fund­be­rich­te aber ih­rem Be­triebs­arzt nicht wei­ter­ge­lei­tet, hat der Kläger zwar be­strit­ten, aber kei­ne kon­kre­ten Un­ter­la­gen be­nannt, die er zu näher be­stimm­ten Zeit­punk­ten an die Be­klag­te oder den Be­triebs­arzt wei­ter­ge­reicht hätte.

Da­mit schei­det ein Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klägers aus.

3. Steht ihm da­mit kein Zah­lungs­an­spruch zu, entfällt auch sein gel­tend ge­mach­ter Ab­rech­nungs­an­spruch.

B.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 91 ZPO.

C.

Im Rah­men der Streit­wer­tent­schei­dung wur­den die Ab­rech­nun­gen mit 50,00 EUR pro Stück ver­an­schlagt.

 

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D.

Die Be­ru­fung war vor­lie­gend nicht ge­son­dert zu­zu­las­sen, da es hierfür an den Vo-raus­set­zun­gen des § 64 Abs. 3 ArbGG fehlt.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von dem Kläger

Be­ru­fung

ein­ge­legt wer­den.

Für die Be­klag­te ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Wird das Ur­teil nicht in dem Um­fang an­ge­foch­ten, in dem die Par­tei­en un­ter­le­gen sind, ist die Be­ru­fung nur zulässig,

a) wenn sie in dem Ur­teil des Ar­beits­ge­richts zu­ge­las­sen wor­den ist oder
b) wenn der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des 600,00 EUR über­steigt oder
c) in Rechts­strei­tig­kei­ten über das Be­ste­hen, das Nicht­be­ste­hen oder die Kündi­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses.

Die Be­ru­fung muss

in­ner­halb ei­ner Frist von ei­nem Mo­nat

schrift­lich beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Post­fach 30 30, 55020 E-Stadt, E-Straße, E-Stadt, ein­ge­legt wer­den.

Sie ist

in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

schrift­lich zu be­gründen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung die­ses Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach des­sen Verkündung.

 

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Die Be­ru­fungs­schrift und die Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

Sie können auch in Ver­fah­ren für de­ren Mit­glie­der von ei­nem Or­gan oder ei­nem mit der Pro­zess­ver­tre­tung be­auf­trag­ten Ver­tre­ter ei­ner Ge­werk­schaft, ei­ner Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung, ei­nes Zu­sam­men­schlus­ses oder ei­ner Rechts­schutz­or­ga­ni­sa­ti­on sol­cher Verbände nach nähe­rer Maßga­be des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG un­ter­zeich­net wer­den.

Rechts­anwälte oder ei­ne der vor­her be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen können sich selbst ver­tre­ten.

E

Hin­weis:
Von der Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift wer­den zwei zusätz­li­che Ab­schrif­ten zur
Un­ter­rich­tung der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter er­be­ten.

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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