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LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 16.12.2010, 4 Sa 209/10

   
Schlagworte: Urlaubsanspruch, Abgeltung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 4 Sa 209/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.12.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 14.04.2010, 4 Ca 268a/10
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

Ak­ten­zei­chen: 4 Sa 209/10
ö. D. 4 Ca 268 a/10 ArbG Kiel
(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!) 

Verkündet am 16.12.2010
gez. …
als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le 

 

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

 

In dem Rechts­streit  

 

pp.
 

hat die 4. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 16.12.2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt … als Vor­sit­zen­den und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter … als Bei­sit­zer und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter … als Bei­sit­zer  

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für Recht er­kannt:
 


Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Kiel vom 14.04.2010 – ö.D. 4 Ca 268 a/10 – teil­wei­se ab­geändert:  

Der be­klag­te Bund wird ver­ur­teilt, an den Kläger 10.659,01 EUR brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz der EZB seit 15.02.2010 zu zah­len.  

Im Übri­gen wird die Kla­ge zurück­ge­wie­sen.  

Der be­klag­te Bund trägt die Kos­ten des Rechts­streits. 

Im Übri­gen wird die Be­ru­fung zurück­ge­wie­sen.  

Die Re­vi­si­on wird für den be­klag­ten Bund zu­ge­las­sen.
 

 

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung
 

Ge­gen die­ses Ur­teil kann durch Ein­rei­chung ei­ner Re­vi­si­ons­schrift bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt in 99084 Er­furt, Hu­go-Preuß-Platz 1, Te­le­fax: (0361) 26 36 - 20 00 Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.  

Die Re­vi­si­ons­schrift muss  

bin­nen ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen sein.  

Der Re­vi­si­onskläger muss die Re­vi­si­on be­gründen. Die Re­vi­si­ons­be­gründung ist, so­fern sie nicht be­reits in der Re­vi­si­ons­schrift ent­hal­ten ist, in ei­nem Schrift­satz bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­zu­rei­chen. Die Frist für die Re­vi­si­ons­be­gründung beträgt  

zwei Mo­na­te.

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Die Fris­ten für die Ein­le­gung und die Be­gründung der Re­vi­si­on be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung

Die Re­vi­si­ons­schrift muss das Ur­teil be­zeich­nen, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird, und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­de.  

Die Re­vi­si­on und Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.  

An sei­ne Stel­le kann auch ein Ver­tre­ter ei­nes Ver­ban­des (Ge­werk­schaf­ten, Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gun­gen) oder ei­nes Spit­zen­ver­ban­des (Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände) tre­ten, so­fern er kraft Sat­zung oder Voll­macht zur Ver­tre­tung be­fugt und die Par­tei Mit­glied des Ver­ban­des oder Spit­zen­ver­ban­des ist. An die Stel­le der vor­ge­nann­ten Ver­tre­ter können auch An­ge­stell­te ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner die­ser Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, tre­ten, so­fern die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung der Ver­bands­mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und der Ver­band für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet. Ist die Par­tei Mit­glied ei­nes Ver­ban­des oder Spit­zen­ver­ban­des, kann sie sich auch durch ei­nen Ver­tre­ter ei­nes an­de­ren Ver­ban­des oder An­ge­stell­ten ei­ner der oben ge­nann­ten ju­ris­ti­schen Per­so­nen mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung ver­tre­ten las­sen. Die Per­so­nen, die für die­se Or­ga­ni­sa­tio­nen han­deln, müssen über die Befähi­gung zum Rich­ter­amt verfügen.  

Der Re­vi­si­ons­schrift soll ei­ne Aus­fer­ti­gung oder be­glau­big­te Ab­schrift des an­ge­foch­te­nen Ur­teils bei­gefügt wer­den.  

Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments genügt, wenn es für die Be­ar­bei­tung durch das Ge­richt ge­eig­net ist. Schriftsätze können da­zu über ei­ne ge­si­cher­te Ver­bin­dung in den elek­tro­ni­schen Ge­richts­brief­kas­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts ein­ge­legt wer­den. Die er­for­der­li­che Zu­gangs- und Über­tra­gungs­soft­ware kann li­zenz­kos­ten­frei über die In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts (www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de) her­un­ter­ge­la­den wer­den. Das Do­ku­ment ist mit ei­ner qua­li­fi­zier­ten Si­gna­tur nach dem Si­gna­tur­ge­setz zu ver­se­hen. Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts (s.o.) so­wie un­ter www.egvp.de.

(Rechts­mit­tel­schrif­ten, Rechts­mit­tel­be­gründungs­schrif­ten und wech­sel­sei­ti­ge Schriftsätze im Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt sind in sie­ben­fa­cher - für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ei­ne wei­te­re - Aus­fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.)  

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Ab­gel­tung des ge­setz­li­chen Jah­res­ur­lau­bes für die Jah­re 2005 bis 2008 und des an­tei­li­gen ta­rif­li­chen Jah­res­ur­lau­bes und des Zu­satz­ur­lau­bes nach § 125 SGB IX für die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2009. Während der ge­sam­ten Zeit er­hielt der Kläger ei­ne vol­le Er­werbs­min­de­rungs­ren­te.  

Der Kläger trat im Ju­ni 1980 als Funk­elek­tro­ni­ker in die Diens­te des be­klag­ten Bun­des ein und ar­bei­te­te im M… K… . Auf sein Ar­beits­verhält­nis fan­den die Be­stim­mun­gen des TVöD An­wen­dung. Der Kläger war ein­ge­glie­dert in die Ent­gelt­grup­pe 8, Stu-fe 6 TVöD. Der Kläger er­krank­te im Jah­re 2004 und wur­de im April 2004 we­gen ei­nes Tu­mors ope­riert. Im Zu­ge die­ser Ope­ra­ti­on wur­de bei ihm ei­ne Krebs­er­kran­kung fest­ge­stellt. Der Kläger war in­fol­ge­des­sen seit April 2004 ar­beits­unfähig er­krankt. Im März 2005 stell­te er ei­nen An­trag auf Ren­te we­gen Er­werbs­min­de­rung. Die­sem An­trag gab der Ver­si­che­rungs­träger rück­wir­kend zum 01.11.2004 statt. Dem Kläger wur­de des­halb für die Zeit vom 01.11.2004 bis zum 31.10.2007 so­wie in der Zeit vom 01.11.2007 bis 31.07.2009 je­weils ei­ne be­fris­te­te Ren­te we­gen vol­ler Er­werbs­min­de­rung be­wil­ligt.  

Das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis ruh­te auf­grund der an­zu­wen­den­den Vor­schrift des § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD-AT. Mit Be­scheid vom 16.03.2009 be­wil­lig­te die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Nord dem Kläger die gewähr­te Ver­si­cher­ten­ren­te als Dau­er­ren­te wei­ter. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en en­de­te des­halb gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 TVöD-AT mit Ab­lauf des 31.03.2009.  

Der Kläger be­gehrt die Ab­gel­tung des ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laubs in Höhe von 20 Ur­laubs­ta­gen für die Jah­re 2005 bis ein­sch­ließlich 2008, wei­ter­hin für das Ur­laubs­jahr 2009 an­tei­lig die Ab­gel­tung des ta­rif­li­chen Ur­laubs und des Zu­satz­ur­laubs für Schwer­be­hin­der­te in Höhe von ins­ge­samt 12 Ur­laubs­ta­gen. Der Kläger mach­te die­se For­de­run­gen mit Schrei­ben vom 05.05.2009 er­folg­los gel­tend. Die dar­auf ge­rich­te­te streit­ge­genständ­li­che Kla­ge wur­de dem be­klag­ten Bund am 15.02.2010 zu­ge­stellt.  

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ihm ste­he ent­spre­chend der Recht­spre­chung des EuGH und des BAG ein An­spruch auf Ab­gel­tung des ge­setz­li­chen Ur- 

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laubs zu. Für die­sen ge­setz­li­chen An­spruch könn­ten die Nor­men des TVöD kei­nen Ru­hen­stat­be­stand re­geln be­zie­hungs­wei­se sei­nen ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruch aus­sch­ließen. Auf­grund sei­ner Er­kran­kung ha­be er den ge­setz­li­chen Er­ho­lungs­ur­laub nicht neh­men können, der ab­zu­gel­ten sei.  

Der Kläger hat be­an­tragt,  

den be­klag­ten Bund zu ver­ur­tei­len, an ihn 11.402,66 EUR brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz der EZB seit 15.02.2010 zu zah­len.  

Der be­klag­te Bund hat be­an­tragt,  

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.
 

Der be­klag­te Bund hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, auf der Grund­la­ge der ta­rif­li­chen Vor­schrif­ten sei kein Ur­laub ab­zu­gel­ten. Für die Zeit des Be­zugs der be­fris­te­ten Er­werbs­min­de­rungs­ren­te ha­be das Ar­beits­verhält­nis auf­grund der ta­rif­li­chen Vor­schrift ge­ruht und sich wei­ter­hin nach § 26 Abs. 2 c TVöD-AT der Er­ho­lungs­ur­laub für je­den vol­len Ka­len­der­mo­nat um 1/12 re­du­ziert, wes­halb ein Ur­laubs­an­spruch nicht ent­stan­den sei. Die Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­ho­fes und das über­neh­men­de Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts sei­en nicht da­hin aus­zu­le­gen, dass der An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub auch während des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses, ins­be­son­de­re we­gen des Be­zugs ei­ner Zeit­ren­te, ent­ste­he.  

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en in der ers­ten In­stanz wird Be­zug ge­nom­men auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils mit sei­nen dor­ti­gen Ver­wei­sun­gen.  

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­gründung im We­sent­li­chen aus­geführt, bei Gewährung von Er­ho­lungs­ur­laub han­de­le es sich um die Erfüllung ei­ner Haupt­leis­tungs­pflicht aus dem Ar­beits­verhält­nis. Be­stand­teil der Vergütungs­pflicht sei auch die Gewährung des Er­ho­lungs­ur­laubs mit der Fort­zah­lung des Ar­beits­ent­gelts. Durch den Vergütungs­cha­rak­ter, den der EuGH dem Ur­laubs­an­spruch  

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zu­er­ken­ne, wer­de die­ser zu ei­ner Pflicht im Ge­gen­sei­tig­keits­verhält­nis. Da die Haupt­leis­tungs­pflicht aber im ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis sus­pen­diert wer­de, sei auch der Ur­laub nicht ab­zu­gel­ten. We­gen der wei­te­ren Be­gründung des Ar­beits­ge­richts wird auf den In­halt der Ent­schei­dungs­gründe Be­zug ge­nom­men.  

Der Kläger hat ge­gen das ihm am 05.05.2010 zu­ge­stell­te Ur­teil am 19.05.2010 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 05.07.2010 be­gründet.

Der Kläger be­haup­tet: Er wäre auch während des streit­ge­genständ­li­chen Zeit­rau­mes ar­beits­unfähig er­krankt ge­we­sen, wenn ihm nicht die be­fris­te­te vol­le Er­werbs­min­de­rungs­ren­te zu­ge­spro­chen wor­den wäre. Die­se sei ihm nicht we­gen der Ver­schlos­sen­heit des Ar­beits­mark­tes im Zu­sam­men­hang mit sei­nem Be­rufs­schutz gewährt wor­den, son­dern sie ha­be be­ruht auf me­di­zi­ni­schen Gründen. Dass er kei­ne ent­spre­chen­den Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gun­gen vor­ge­legt ha­be, sei dem Um­stand ge­schul­det, dass die­se sei­tens des be­han­deln­den Arz­tes le­dig­lich für den Fall der Fort­zah­lung von Ar­beits­ent­gelt im Krank­heits­fall oder bei ent­spre­chen­den ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen oder als so­ge­nann­ter Zahl­schein für die Gewährung von Kran­ken­geld er­stellt wer­den. Er sei je­den­falls auch im streit­be­fan­ge­nen Zeit­raum ar­beits­unfähig er­krankt ge­we­sen (Be­weis: Zeug­nis Dr. H.B…). 

Der Kläger meint, § 26 Abs. 2 c TVöD-AT könne sich al­len­falls auf den ta­rif­li­chen Ur­laub aus­wir­ken, nicht aber auf sei­nen ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub. Dies er­ge­be sich aus § 13 Abs. 1 BUrlG. Es lie­ge kei­ne ge­setz­li­che Re­ge­lung vor, die es zu­las­se, den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub für den Zeit­raum des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses we­gen des Be­zugs ei­ner be­fris­te­ten Er­werbs­min­de­rungs­ren­te zu re­du­zie­ren. Bei der Pflicht des Ar­beit­ge­bers zur Ur­laubs­gewährung han­de­le es sich auch nicht um ei­ne Haupt­pflicht aus dem Ar­beits­verhält­nis. Der Ur­laubs­an­spruch ste­he nicht im Ge­gen­sei­tig­keits­verhält­nis, ei­ne Min­dest­ar­beits­leis­tung sei da­her nicht er­for­der­lich. Sein An­spruch wer­de auch nicht aus­ge­schlos­sen auf­grund der Tat­sa­che, dass er ei­ne be­fris­te­te Er­werbs­unfähig­keits­ren­te be­zie­he. Hin­zu­wei­sen sei auch auf die Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­ho­fes, wo­nach die Ent­ste­hung des An­spruchs auf den Min­des­t­ur­laub nicht von ir­gend­ei­ner Vor­aus­set­zung abhängig ge­macht wer­den könne. Sein An­spruch sei auch nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG ver­fal­len. Zwar  

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ha­be sich der Eu­ropäische Ge­richts­hof bis­her aus­drück­lich nur mit dem Fall der Dau­er­ar­beits­unfähig­keit be­fasst. Zwi­schen die­ser und dem mehrjähri­gen Be­zug ei­ner Er­werbs­unfähig­keits­ren­te be­ste­he je­doch kein Un­ter­schied. Der EuGH wei­se aus­drück­lich dar­auf hin, dass der Ver­fall des Ur­laubs­an­spruchs nur dann ein­tre­ten könne, wenn das Fern­blei­ben von der Ar­beit in den Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Ar­beit­neh­mers fal­le, weil er die Möglich­keit ge­habt ha­be, der Ar­beit nach­zu­ge­hen und sich von die­ser zum Zwe­cke der Ur­laubs­erfüllung frei­stel­len zu las­sen. Dies sei aber im Fal­le des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses we­gen des Be­zugs ei­ner Er­werbs­min­de­rungs­ren­te auf Zeit ge­ra­de nicht der Fall. Sch­ließlich sei­en die Ansprüche auch nicht ver­fal­len, denn Fällig­keit sei frühes­tens zum 31.03.2009 ein­ge­tre­ten.  

 

Der Kläger be­an­tragt,  

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Kiel vom 14.04.2010 – ö.D. 4 Ca 268 a/10 - ab­zuändern und den be­klag­ten Bund zu ver­ur­tei­len, an ihn EUR 11.402,66 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Klag­zu­stel­lung zu zah­len.  

Der be­klag­te Bund be­an­tragt, 

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.  

Der be­klag­te Bund ver­tei­digt die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung und be­strei­tet, dass der Kläger im streit­be­fan­ge­nen Zeit­raum ar­beits­unfähig er­krankt war. Er­werbs­min­de­rung und Ar­beits­unfähig­keit hätten un­ter­schied­li­che Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen. Im Übri­gen – so meint der be­klag­te Bund - sei­en während des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses we­gen des Be­zugs der be­fris­te­ten Er­werbs­unfähig­keits­ren­te Ur­laubs­ansprüche des Klägers über­haupt nicht ent­stan­den. Zwar hin­gen nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts die Ent­ste­hung und der Be­stand des Ur­laubs­an­spru­ches nur vom Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses ab, nicht je­doch von ei­ner im Ur­laubs­jahr er­brach­ten Ar­beits­leis­tung. Da­mit sei je­doch noch kei­ne Aus­sa- 

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ge darüber ge­trof­fen, ob Ur­laubs­ansprüche auch bei ei­nem ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis ent­ste­hen könn­ten. 

Die Recht­spre­chung ha­be sich durch­weg be­fasst mit den Fällen lang­fris­ti­ger Er­kran­kung der Ar­beit­neh­mer, sie las­se sich des­halb nicht oh­ne Frik­ti­on auf das ru­hen­de Ar­beits­verhält­nis über­tra­gen. Denn im Hin­blick auf den Ur­laubs­an­spruch bestünden maßgeb­li­che recht­li­che Un­ter­schie­de zwi­schen dem Krank­heits- und dem Ru­hen­stat­be­stand. Sei der Ar­beit­neh­mer ar­beits­unfähig er­krankt, so wer­de das Ar­beits­verhält­nis da­von nicht berührt. Die krank­heits­be­ding­te Ar­beits­unfähig­keit führe le­dig­lich zu ei­ner Leis­tungsstörung. Der In­halt des Ar­beits­verhält­nis­ses wer­de da­bei nicht verändert. Sei die Ar­beitsfähig­keit wie­der her­ge­stellt, sei auch die Ar­beits­leis­tung zu er­brin­gen. Dies recht­fer­ti­ge es, dem nicht im ar­beits­ver­trag­li­chen Sy­nal­lag­ma ste­hen­den Ur­laubs­an­spruch auch für die Zeit der Leis­tungsstörung auf­recht­zu­er­hal­ten. Bei ei­nem ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis da­ge­gen wer­de das Ar­beits­verhält­nis um­ge­stal­tet, die ar­beits­ver­trag­li­chen Haupt­leis­tungs­pflich­ten ent­fie­len. Das Ar­beits­verhält­nis be­ste­he sei­nem recht­li­chen Wan­del nach le­dig­lich un­ter Auf­recht­er­hal­tung der Ne­ben­pflich­ten. Die­se Um­ge­stal­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses er­fol­ge – außer im Fall des Wehr- oder Zi­vil­diens­tes – stets auf Ver­an­las­sung des Ar­beit­neh­mers. So lie­ge es auch hier, denn der Kläger ha­be mit dem An­trag auf Er­werbs­min­de­rungs­ren­te die Ur­sa­che für das späte­re Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­setzt. Die­ser we­sent­li­che Un­ter­schied zei­ge, dass der vom Bun­des­ar­beits­ge­richt ent­wi­ckel­te Grund­satz „Ent­ste­hung und Be­stand des Ur­laubs­an­spruchs sind von der Ar­beits­leis­tung un­abhängig“ sich auf die aus dem Ar­beits­ver­trag an sich ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung be­zie­he. Im Um­kehr­schluss fol­ge dar­aus, dass Ur­laubs­ansprüche dann nicht ent­ste­hen könn­ten, wenn kei­ne Ar­beits­leis­tung ge­schul­det und er­bracht wur­de, wie im Fall des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses. In­so­weit ge­be es auch kei­ne ent­ge­gen­ste­hen­den eu­ro­pa­recht­li­chen Im­pli­ka­tio­nen. Dass der Min­des­t­ur­laub nach Ar­ti­kel 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88/EG auch im Fall des ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses zu gewähr­leis­ten sei, las­se sich der Richt­li­nie ge­ra­de nicht ent­neh­men. Auch der Schultz-Hoff-Ent­schei­dung las­se sich nichts an­de­res ent­neh­men. Sie be­fas­se sich mit dem Fall der Ar­beits­unfähig­keit. Die dor­ti­gen Grundsätze sei­en auf den Fall des Be­zugs ei­ner Er­werbs­unfähig­keits­ren­te auf Zeit nicht zu über­tra­gen. Im Übri­gen er­he­be sie je­den­falls die Ein­re­de der Verjährung für et­wai­ge Ur­laubs­ansprüche des Klägers für die Jah­re 2005 und 2006. Ge­setz­li­che  

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Min­des­t­ur­laubs­ansprüche verjähr­ten nach ih­rer Auf­fas­sung bin­nen drei Jah­ren nach En­de des Ur­laubs­jah­res.  

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en in der Be­ru­fung wird Be­zug ge­nom­men auf den In­halt der dort ge­wech­sel­ten Schriftsätze.  

 

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung des Klägers ist zulässig. Sie ist statt­haft und frist- und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den. In der Sa­che hat sie ganz über­wie­gend Er­folg. Ab­zu­wei­sen ist die Kla­ge nur in­so­weit, als der Kläger an­tei­lig für das Jahr 2009 über den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub und den ge­setz­li­chen Zu­satz­ur­laub für schwer­be­hin­der­te Men­schen hin­aus auch noch den ta­rif­li­chen Ur­laub gel­tend macht. Der Kläger hat ge­gen den be­klag­ten Bund An­spruch auf Ab­gel­tung sei­nes ge­setz­li­chen Jah­res­ur­laubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Hin­zu kommt an­tei­lig für das Jahr 2009 noch der Zu­satz­ur­laub gemäß § 125 SGB IX. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts und des be­klag­ten Bun­des sind in der Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2009 trotz des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses we­gen des Be­zugs der be­fris­te­ten Er­werbs­min­de­rungs­ren­te die ge­setz­li­chen Ur­laubs­ansprüche ent­stan­den. Dem steht nicht die Vor­schrift des § 26 Abs. 2 c TVöD-AT ent­ge­gen. Trotz der An­ord­nung des ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses sind die ge­setz­li­chen Ur­laubs­ansprüche ent­stan­den. Sie sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG ver­fal­len. Dies er­gibt sich aus der An­wen­dung der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs zum eu­ro­pa­recht­li­chen Verständ­nis die­ser Vor­schrift. Sch­ließlich sind die Ansprüche auch nicht verjährt.

Da­zu im Ein­zel­nen:  

1. Der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch des Klägers gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG ist für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.03.2009 je­weils jähr­lich ent­stan­den. Die Vor­schrift des § 26 Abs. 2 c TVöD-AT wirkt sich nur auf den wei­ter­ge­hen­den ta­rif­li­chen Ur­laubs­an­spruch aus.  

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a. Der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch ent­stand für den streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum auch trotz des in § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD an­ge­ord­ne­ten Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses für den Zeit­raum des Be­zugs der be­fris­te­ten Er­werbs­min­de­rungs­ren­te. Der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch wäre al­len­falls nur dann auf der Grund­la­ge na­tio­na­len Rechts nicht ent­stan­den, wenn es ei­ne ge­setz­li­che Vor­schrift ge­ge­ben hätte, die ähn­lich wie § 4 Abs. 1 Arb­PlSchG oder § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG an­ord­nen würde, dass für den Zeit­raum des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses we­gen des Be­zugs ei­ner be­fris­te­ten Er­werbs­min­de­rungs­ren­te der Ar­beit­ge­ber den Er­ho­lungs­ur­laub für je­den vol­len Ka­len­der­mo­nat um 1/12 kürzen kann. An ei­ner sol­chen ge­setz­li­chen Vor­schrift fehlt es je­doch.  

b. Vor­der­gründig er­weist sich die Ar­gu­men­ta­ti­on des be­klag­ten Bun­des, während des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses könne ein Er­ho­lungs­ur­laubs­an­spruch nicht ent­ste­hen, als durch­aus nach­voll­zieh­bar. Man könn­te nämlich ar­gu­men­tie­ren, der Ur­laub sei ge­rich­tet auf die Frei­stel­lung von der Haupt­leis­tungs­pflicht – Ar­beits­leis­tung – bei Fort­zah­lung des Ar­beits­ent­gelts. Wenn aber die Haupt­leis­tungs­pflicht ruht, dann – so könn­te wei­ter ar­gu­men­tiert wer­den – könn­te auch von vorn­her­ein durch Ur­laubs­gewährung kei­ne Be­frei­ung von der Haupt­leis­tungs­pflicht ein­tre­ten. Mit an­de­ren Wor­ten: Selbst wenn der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer Er­ho­lungs­ur­laub in der Zeit des ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses gewähren woll­te, wäre er dar­an ge­hin­dert – so ließe sich schluss­fol­gern – dem Ar­beit­neh­mer den Ur­laub zu gewähren, weil es ihm – Ar­beit­ge­ber – unmöglich wäre, den Ar­beit­neh­mer über­haupt von der Ar­beits- leis­tung durch Gewährung von Ur­laub zu be­frei­en, weil be­reits auf­grund des ru­hen- den Ar­beits­verhält­nis­ses ein an­de­rer Be­frei­ungs­tat­be­stand vor­liegt.  

c. Letzt­lich über­zeugt ei­ne sol­che Ar­gu­men­ta­ti­on je­doch nicht und sie steht auch nicht im Ein­klang mit der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts.  

Der 8. Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts hat be­reits mit Ur­teil vom 30.07.1986 (8 AZR 475/84 – zi­tiert nach ju­ris, Rn. 25, 26) ent­schie­den, es sei nicht der Auf­fas­sung zu fol­gen, wo­nach ein Ur­laubs­an­spruch nicht ent­ste­hen könne für den Zeit­raum, für den die ge­setz­li­chen Rech­te und Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis ru­hen. Zwar be­zog sich die dor­ti­ge Ent­schei­dung nicht auf ei­nen Zeit­raum, für den ein Ar­beit­neh­mer ei- 

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ne Er­werbs­min­de­rungs­ren­te be­zog. Er be­zog sich auch nicht auf ei­nen ganzjähri­gen Zeit­raum des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses, son­dern nur auf zwei Mo­na­te, in de­nen der dor­ti­ge Kläger sei­ne Wehr­pflicht in der Türkei ab­leis­te­te. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt weist al­ler­dings in der dor­ti­gen Ent­schei­dung be­reits grundsätz­lich (Rn. 34, zi­tiert nach ju­ris) dar­auf hin, dass es sei­ner­zeit der Einführung der Re­ge­lung in § 8 d MuSchG und in § 4 Abs. 1 Satz 1 Arb­PlSchG nicht be­durft hätte, wenn be­reits al­lein der Tat­be­stand des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­ne Min­de­rung des Ur­laubs-an­spru­ches be­gründen würde.  

In ei­ner wei­te­ren Ent­schei­dung des 8. Se­nats vom 26.05.1988 (8 AZR 774/85, zi­tiert nach ju­ris, Rn. 20, 21) hat der er­ken­nen­de Se­nat aus­geführt, dass we­der Er­werbs­unfähig­keit noch Ar­beits­unfähig­keit ei­nes Ar­beit­neh­mers für das Ent­ste­hen und das Be­ste­hen ur­laubs­recht­li­cher Ansprüche von Be­deu­tung sei­en. Zwar un­ter­schei­det sich der dor­ti­ge Sach­ver­halt von dem hier zu be­ur­tei­len­den in der Wei­se, dass es dort an ei­ner ta­rif­li­chen Re­ge­lung fehl­te, die das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses für den Fall des Be­zugs der Er­werbs­unfähig­keits­ren­te an­ord­net. Deut­lich ge­macht hat aber das Bun­des­ar­beits­ge­richt in die­ser Ent­schei­dung, dass die Er­werbs­unfähig­keit der Erfüll­bar­keit des An­spruchs auf Ur­laub oder Ur­laubs­ab­gel­tung nicht un­be­dingt ent­ge­gen­ste­he.  

Jüngst hat der 9. Se­nat mit Ur­teil vom 15.12.2009 (9 AZR 795/08, zi­tiert nach ju­ris, Rn. 24 – 29) ent­schie­den, dass das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses während der Teil­nah­me an Wehrübun­gen – der Zeit­raum der Wehrübun­gen er­reich­te nicht ei­nen vol­len Ka­len­der­mo­nat – nicht auf­grund all­ge­mei­ner Be­stim­mun­gen da­zu führe, dass der Jah­res­ur­laub zeit­an­tei­lig ent­fal­le.  

Nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist da­her nicht er­kenn­bar, dass das Ge­richt die Auf­fas­sung ver­tritt, al­lein we­gen des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses könne ein Ur­laubs­an­spruch nicht ge­ne­riert wer­den.  

d. Nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer ist dar­an auch hier auf­grund der bis­he­ri­gen na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten fest­zu­hal­ten. Hin­zu­wei­sen ist in­so­weit zunächst auf § 1 und § 4 BUrlG. Da­nach gibt es für das Ent­ste­hen des Ur­laubsan-  

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spru­ches nur zwei Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen. Nämlich ers­tens den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses und zwei­tens den Ab­lauf der War­te­frist. Die Tat­sa­che, dass der Kläger wie­der­um während des Ru­hens sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses kei­ne Ar­beits­leis­tung er­bracht hat, wirkt sich eben­so we­nig auf die Ent­ste­hung des Ur­laubsan-spru­ches aus wie bei ei­nem Ar­beit­neh­mer, der auf­grund dau­ern­der Ar­beits­unfähig­keit die Ar­beits­lei­tung nicht er­brach­te. Das Ge­setz kennt in­so­weit ne­ben den An­for­de­run­gen in § 1 und § 4 BUrlG kei­ne wei­te­ren Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen für das Ent­ste­hen des Ur­laubs­an­spru­ches.  

Hin­zu kommt, dass beim ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis le­dig­lich die wech­sel­sei­ti­gen Haupt­leis­tungs­pflich­ten ent­fal­len, al­so die Pflicht zur Ar­beits­leis­tung und die zur Vergütung der­sel­ben. Die­se bei­den Pflich­ten al­lein ste­hen im Sy­nal­lag­ma. Die Pflicht des Ar­beit­ge­bers zur Ur­laubs­gewährung ist da­ge­gen kei­ne Haupt­pflicht, weil ihr kei­ne ent­spre­chen­de Ge­gen­leis­tungs­pflicht des Ar­beit­neh­mers ent­spricht. Sie ist zwar auf die Ar­beits­pflicht als Haupt­pflicht des Ar­beit­neh­mers be­zo­gen, aber nicht in der Wei­se, dass bei Leis­tungsstörun­gen wie et­wa Nich­terfüllung der Vergütung oder der Ar­beits­pflicht Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­rech­te aus­gelöst wer­den, son­dern sie ist aus­sch­ließlich dar­auf ge­rich­tet, die Ar­beits­pflicht für die Dau­er des dem Ar­beit­neh­mer zu­ste­hen­den Ur­laubs zu be­sei­ti­gen. Sie ist ei­ne auf Ge­setz be­ru­hen­de Ne­ben­pflicht des Ar­beit­ge­bers aus dem Ar­beits­verhält­nis. Die­se Ne­ben­pflicht wird durch das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht tan­giert.  

Et­was an­de­res würde nur dann gel­ten, wenn es ei­ne na­tio­na­le Vor­schrift gäbe, die an­ord­nen würde, dass für den Fall des Be­zugs ei­ner be­fris­te­ten Er­werbs­min­de­rungs­ren­te der Ar­beit­ge­ber be­rech­tigt ist, den Ur­laubs­an­spruch ent­spre­chend zu kürzen. Al­lein die Exis­tenz der Vor­schrif­ten des § 4 Abs. 1 Satz 1 Arb­PlSchG und des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG be­le­gen, dass grundsätz­lich der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber da­von aus­geht, dass auch im ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis ge­setz­li­che Ur­laubs­ansprüche ent­ste­hen. Denn an­de­ren­falls wären die bei­den zi­tier­ten Vor­schrif­ten überflüssig. Zu­dem spre­chen so­wohl § 4 Abs. 1 Satz 1 Arb­PlSchG als auch § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG im Wort­laut da­von, dass der Ar­beit­ge­ber be­rech­tigt sei, den Ur­laub je­weils um 1/12 für je­den vol­len Ka­len­der­mo­nat zu kürzen. Wenn et­was gekürzt wird, dann be­deu­tet es, dass es zunächst ent­stan­den sein muss. Auch der Wort­laut die­ser bei­den  

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Vor­schrif­ten ist da­her ein ge­wich­ti­ger An­halts­punkt dafür, dass im na­tio­na­len Recht das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses grundsätz­lich dem Ent­ste­hen des ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spru­ches nicht ent­ge­gen­steht. Soll dies er­reicht wer­den, so be­darf es eben ei­ner ge­setz­li­chen na­tio­na­len Vor­schrift. Ob die­se im Übri­gen mit Eu­ro­pa­recht im Ein­klang ste­hen würde, kann hier da­hin­ge­stellt blei­ben, denn es fehlt be­reits für den Fall des Be­zugs ei­ner be­fris­te­ten Er­werbs­min­de­rungs­ren­te an ei­ner ent­spre­chen­den na­tio­na­len ge­setz­li­chen Vor­schrift, die ei­ne Kürzungs­be­fug­nis be­gründet.  

e. Im Übri­gen über­zeugt es auch nicht, da­nach zu dif­fe­ren­zie­ren, ob das Ar­beits­verhält­nis be­reits zu Be­ginn und während des ge­sam­ten Ka­len­der­jah­res oder erst später ruh­te (so aber LAG Düssel­dorf, Ur­teil vom 01.10.2010 – 9 Sa 1541/09 -, zi­tiert nach ju­ris, Rn. 49). Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf be­gründet die Dif­fe­ren­zie­rung mit dem Hin­weis dar­auf, dass nach Ab­lauf der War­te­zeit der vol­le Jah­res­ur­laub be­reits zu Be­ginn des Jah­res ent­ste­he, folg­lich die­ser Ur­laub dem Ar­beit­neh­mer nicht oh­ne aus­drück­li­che ge­setz­li­che Re­ge­lung gekürzt wer­den könne, wenn das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses erst im Lau­fe des Jah­res ein­tre­te. Dem ist nicht zu fol­gen. Zwar ist es rich­tig, dass sich das Bun­des­ar­beits­ge­richt bis­her noch nicht aus­drück­lich da­mit be­fasst hat, ob ein Ur­laubs­an­spruch auch dann ent­steht, wenn das Ar­beits­verhält­nis be­reits zu Be­ginn des Ur­laubs­jah­res und für das vol­le Ur­laubs­jahr ruht. Ei­nen Un­ter­schied macht dies je­doch nicht. Denn in­so­weit gilt wei­ter­hin, dass es nur bei ei­ner den § 4 Abs. 1 Satz 1 Arb­PlSchG oder § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG ent­spre­chen­den na­tio­na­len Re­ge­lung ge­recht­fer­tigt wäre, den Jah­res­ur­laub an­tei­lig für den Zeit­raum des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses zu kürzen. Zu­dem ist es nicht ein­sich­tig, al­lein auf den – häufig zufälli­gen – Zeit­punkt des Ein­tritts des Ru­hens ab­zu­stel­len. Soll es ei­nen Un­ter­schied in der Be­wer­tung ma­chen, ob das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses schon am 01. Ja­nu­ar vor­lag oder erst am 02. Ja­nu­ar ein­trat?  

Nach al­le­dem ist nicht be­reits aus all­ge­mei­nen Grundsätzen – weil im ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis die Haupt­leis­tungs­pflicht zur Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung nicht be­steht – das Ent­ste­hen des Ur­laubs­an­spru­ches für den Zeit­raum des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses we­gen Be­zug ei­ner be­fris­te­ten Er­werbs­min­de­rungs­ren­te zu ver­nei­nen.  

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2. Die Kürzungs­re­gel in § 26 Abs. 2 c TVöD-AT steht des­halb der Ab­gel­tung des ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spru­ches nicht ent­ge­gen. Nach die­ser ta­rif­li­chen Vor­schrift ver­min­dert sich die Dau­er des Er­ho­lungs­ur­lau­bes ein­sch­ließlich ei­nes et­wai­gen Zu­satz­ur­lau­bes für je­den vol­len Ka­len­der­mo­nat des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses um 1/12. Die­se Vor­schrift ist nur an­wend­bar auf den über den ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruch hin­aus­ge­hen­den ta­rif­li­chen Ur­laubs­an­spruch. Denn die Dau­er des ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laubs darf we­gen § 13 Abs. 1 BUrlG durch ei­ne ta­rif­li­che Kürzungs­re­ge­lung wie § 26 Abs. 2 TVöD nicht un­ter­schrit­ten wer­den. § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG re­gelt, dass von den Vor­schrif­ten des § 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG nicht durch Ta­rif­ver­trag ab­ge­wi­chen wer­den kann. Es be­darf viel­mehr ei­ner ge­setz­li­chen Re­ge­lung, die hier fehlt.  

3. Der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch des Klägers für die Jah­re 2005 bis 2008 ist auch nicht gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 BUrlG ver­fal­len. Nach die­ser Vor­schrift muss der Ur­laub im lau­fen­den Ka­len­der­jahr gewährt und ge­nom­men wer­den. Ei­ne Über­tra­gung des Ur­laubs auf das nächs­te Ka­len­der­jahr ist nur statt­haft, wenn drin­gen­de be­trieb­li­che oder in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen­de Gründe dies recht­fer­ti­gen. Nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ver­fiel da­her der Ur­laubs­an­spruch er­satz­los, wenn der Ar­beit­neh­mer bis zum 31.03. des Fol­ge­jah­res wei­ter­hin ar­beits­unfähig er­krankt war.  

a. Nach der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­ho­fes vom 20.01.2009 (Schultz-Hoff) ist Ar­ti­kel 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung je­doch da­hin aus­zu­le­gen, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, nach de­nen der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub bei Ab­lauf des Be­zug­zeit­rau­mes und/oder ei­nes im na­tio­na­len Recht fest­ge­leg­ten Über­tra­gungs­zeit­rau­mes auch dann er­lischt, wenn der Ar­beit­neh­mer während des ge­sam­ten Be­zug­zeit­rau­mes oder ei­nes Teils da­von krank ge­schrie­ben war und sei­ne Ar­beits­unfähig­keit bis zum En­de sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses fort­ge­dau­ert hat, wes­halb er sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht ausüben konn­te. In ei­nem sol­chen Fall ist bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung zu zah­len. Der Eu­ropäische Ge­richts­hof weist (zi­tiert nach ju­ris, Rn. 43) aber dar­auf hin, dass Ar­ti­kel 7 Abs. 1 der ge­nann­ten Richt­li­nie grundsätz­lich 

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ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung, die für die Ausübung des mit die­ser Richt­li­nie aus­drück­lich ver­lie­he­nen An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub Mo­da­litäten vor­sieht, die so­gar den Ver­lust die­ses An­spruchs am En­de des Be­zugs­zeit­rau­mes oder des Über­tra­gungs­zeit­rau­mes be­inhal­ten, nicht ent­ge­gen­steht, so­fern die Vor­aus­set­zung erfüllt wird, dass der Ar­beit­neh­mer, des­sen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub er­lo­schen ist, tatsächlich die Möglich­keit hat­te, den ihm mit der Richt­li­nie ver­lie­he­nen An­spruch aus­zuüben.  

Der 9. Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts (Ur­teil vom 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 -, DB 2009, S. 1018) hat die­se Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs über­nom­men und ge­ur­teilt, der An­spruch auf Ab­gel­tung des ge­setz­li­chen Voll- oder Teil­ur­laubs erlösche nicht, wenn der Ar­beit­neh­mer bis zum En­de des Ur­laubs­jah­res und/oder des Über­tra­gungs­zeit­rau­mes er­krankt und des­halb ar­beits­unfähig sei. § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG sei­en auch im Verhält­nis zu pri­va­ten Ar­beit­ge­bern nach den Vor­ga­ben des Ar­ti­kels 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG ge­mein­schafts­kon­form fort­zu­bil­den.  

Zu­tref­fend ist da­nach der Hin­weis des be­klag­ten Bun­des, dass sich so­wohl der Eu­ropäische Ge­richts­hof als auch das Bun­des­ar­beits­ge­richt nur be­fass­ten mit dem Fall der krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit.  

b. Nach Auf­fas­sung der Be­ru­fungs­kam­mer – die sich in­so­weit in Übe­rein­stim­mung mit der 11. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg (Ur­teil vom 29.04.2010 – 11 Sa 64/09 -) sieht, be­steht je­doch in­so­weit kein Un­ter­schied zwi­schen der Dau­er­ar­beits­unfähig­keit und dem mehrjähri­gen Be­zug ei­ner Er­werbs­unfähig­keits­ren­te. Denn der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs ist zu ent­neh­men, dass es für den Ver­fall des Min­des­t­ur­laubs ent­schei­dend dar­auf an­kommt, ob der Ar­beit­neh­mer tatsächlich die Möglich­keit hat­te, den ihm mit der Richt­li­nie ver­lie­he­nen An­spruch aus­zuüben. Nach der Auf­fas­sung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs kann ein Ver­fall des Ur­laubs­an­spruchs nur dann ein­tre­ten, wenn das Fern­blei­ben von der Ar­beit in den Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Ar­beit­neh­mers fällt, weil er grundsätz­lich die Möglich­keit hat­te, der Ar­beit nach­zu­ge­hen und von der Ar­beits­leis­tung zum Zwe­cke der Ur­laubs­erfüllung frei­ge­stellt zu wer­den.  

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Nach Auf­fas­sung der Be­ru­fungs­kam­mer gilt dies aber auch für den Fall des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses we­gen Be­zugs ei­ner Er­werbs­unfähig­keits­ren­te auf Zeit. Auch in die­sem Fall war der Ar­beit­neh­mer tatsächlich nicht in der La­ge, den ihm mit der Richt­li­nie ver­lie­he­nen An­spruch aus­zuüben. Dem kann nicht wi­der­spro­chen wer- den mit dem Hin­weis dar­auf, er selbst ha­be den An­trag auf Er­werbs­min­de­rungs­ren­te ge­stellt und da­mit die Ur­sa­che für das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­setzt, al­so wil­lens­ge­steu­ert ge­han­delt, folg­lich das Fern­blei­ben von der Ar­beit in sei­nem Ver­ant­wor­tungs­be­reich lie­ge.  


Da­ge­gen spricht, dass der Kläger im Jah­re 2004 we­gen ei­ner Krebs­er­kran­kung ar­beits­unfähig wur­de. In­fol­ge die­ser Krebs­er­kran­kung stell­te er so­dann im Frühjahr 2005 ei­nen An­trag auf Er­werbs­min­de­rungs­ren­te, dem rück­wir­kend für die Zeit ab 01.11.2004 statt­ge­ge­ben wur­de. Bei die­ser Sach­ver­halts­kon­stel­la­ti­on ist da­von aus­zu­ge­hen, dass der Kläger voll er­werbs­ge­min­dert nach § 43 Abs. 2 SGB XI war, weil er we­gen Krank­heit außer­stan­de war, un­ter den übli­chen Be­din­gun­gen des all­ge- mei­nen Ar­beits­mark­tes min­des­tens drei St­un­den täglich er­werbstätig zu sein. Da­mit ist – eben­so wie in dem vom Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg ent­schie­de­nen Fall – die Nähe der Dau­er­ar­beits­unfähig­keit zur Er­werbs­min­de­rung auf Zeit so evi­dent, dass das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses kau­sal der vor­he­ri­gen Ar­beits­unfähig­keit zu­zu­schrei­ben ist. Zu­tref­fend weist des­halb auch Fa­bi­an in sei­ner An­mer­kung zum Ur­teil des LAG Düssel­dorf vom 05.05.2010 – 7 Sa 1571/09 – im Ju­ris­pra­xis­re­port vom 10.11.2010 (zi­tiert nach ju­ris) dar­auf hin, dass es sehr zwei­fel­haft sei, ob an­ge­nom­men wer­den dürfe, die Ver­ein­ba­rung des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses we­gen be­fris­te­ter Er­werbs­min­de­rungs­ren­te be­ru­he an­ders als die krank­heits­be­ding­te Ar­beits­unfähig­keit auf ei­nem wil­lens­ge­steu­er­ten Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers. Er führt rich­tig da­zu aus, dass auch beim Be­zug ei­ner be­fris­te­ten Er­werbs­unfähig­keits­ren­te das Ar­beits­verhält­nis ru­he auf der Grund­la­ge von an­spruchs­be­gründen­den Vor­aus­set­zun­gen, die eben­so we­nig wil­lens­ge­steu­ert sei­en wie ei­ne krank­heits­be­ding­te Ar­beits­unfähig­keit.  

Der ge­setz­li­che Ur­laub des Klägers für die Zeit von 2005 bis zum 31.03.2009 ist des­halb nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG ver­fal­len. 

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4. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des be­klag­ten Bun­des steht dem An­spruch des Klägers auch nicht § 5 BUrlG ent­ge­gen. Das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses kann nicht der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nach § 5 BUrlG gleich­ge­stellt wer­den. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat schon in der Ent­schei­dung vom 30.07.1986 ( – 8 AZR 475/84 – zi­tiert nach ju­ris, Rn. 35) dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die An­wen­dung des § 5 BUrlG als Grund­la­ge ei­ner Kürzungs­be­fug­nis für den Ar­beit­ge­ber be­reits dar­an schei­ter­te, dass im Fal­le des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses der Ar­beit­neh­mer nicht aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­de, son­dern nur die Haupt­leis­tungs­pflich­ten sus­pen­diert wer­den.  

5. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der 9. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf (Ur­teil vom 01.10.2010 – 9 Sa 1541/09 -, zi­tiert nach ju­ris, Rn. 89) ist auch nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ur­laubs­ansprüche des Klägers während des Ru­hens­zeit­rau­mes nicht wert­hal­tig sind. In­so­weit liegt nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer ein Zir­kel­schluss vor. Zwar ist grundsätz­lich der An­satz rich­tig, dass der Ur­laubs­an­spruch ein auf die ver­ein­bar­te Ar­beits­zeit im Ur­laubs­jahr be­zo­ge­ner An­spruch ist. Die Höhe der Ur­laubs­vergütung hängt da­her vom Um­fang der Beschäfti­gung im je­wei­li­gen Ur­laubs­jahr ab. Al­ler­dings hat der Eu­ropäische Ge­richts­hof in sei­ner Ent­schei­dung vom 20.01.2009 (Schultz-Hoff) dar­auf hin­ge­wie­sen, für die Be­rech­nung der ent­spre­chen­den fi­nan­zi­el­len Vergütung sei das gewöhn­li­che Ar­beits­ent­gelt des Ar­beit­neh­mers, das während der den be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ent­spre­chen­den Ru­he­zeit wei­ter zu zah­len ist, maßge­bend. Dies führt nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer da­zu, dass zu be­ach­ten ist die Vergütung, die dem Kläger hätte ge­zahlt wer­den müssen, wenn das Ar­beits­verhält­nis nicht we­gen be­fris­te­ter Er­werbs­min­de­rung ge­ruht hätte, son­dern wenn er ge­ar­bei­tet hätte. Denn es wäre wi­dersprüchlich, ei­ner­seits dem Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­ne Re­le­vanz für das Ent­ste­hen des Ur­laubs­an­spru­ches bei­zu­mes­sen, an­de­rer­seits aber für die Höhe des Ur­laubs­an­spru­ches wie­der­um ab­zu­stel­len auf den Tat­be­stand des Ru­hens un­ter Hin­weis dar­auf, dass bei ei­nem Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­ne Vergütungs­pflicht nicht be­ste­he.  

6. Der An­spruch des Klägers ist auch nicht verjährt. Die er­ken­nen­de Kam­mer schließt sich in­so­weit der Auf­fas­sung der 7. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts  

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Düssel­dorf (Ur­teil vom 05.05.2010 – 7 Sa 1571/09 -, NZA-RR 1010/568) und der 11. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg (Ur­teil vom 29.04.2010 – 11 Sa 64/09 –, zi­tiert nach ju­ris, Rn. 49) an, wo­nach Be­ginn der Ver­fall­frist die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ist, weil zu die­sem Zeit­punkt der Ab­gel­tungs- und Vergütungs­an­spruch des Klägers ent­stan­den ist und zu­gleich fällig wur­de. Nicht ab­zu­stel­len ist für den Be­ginn der Verjährungs­frist auf das En­de des Ka­len­der­jah­res, denn zu die­sem Zeit­punkt war der An­spruch für den Kläger noch nicht fällig. Der Lauf der Verjährungs­frist kann nicht vor dem Ein­tritt der Fällig­keit be­gin­nen (Gaul/Bo­nan­ni, DB 2009, 1014, be­zo­gen auf den Fall der Ar­beits­unfähig­keit).  

Nach al­le­dem hat der Kläger An­spruch auf Ab­gel­tung sei­nes ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spru­ches für die Jah­re 2005 bis 2008. Für 2009 ist der ge­setz­li­che An­spruch we-gen der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31.03.2009 und der Zu­satz­ur­laub gemäß § 125 SGB IX je­doch zu kürzen. Es ver­blei­ben für das Jahr 2009 6 ab­zu­gel­ten­de Ta­ge (20 Ur­laubs­ta­ge zuzüglich 5 Ta­ge Zu­satz­ur­laub ./. 4). Bei ins­ge­samt 86 ab­zu­gel­ten­den Ta­gen er­gibt sich da­mit ei­ne For­de­rung in Höhe von ins­ge­samt 10.659,01 EUR brut­to (pro Tag 7,8 St­un­den x 15,89 EUR pro St­un­de).  

Ab­sch­ließend möch­te die Be­ru­fungs­kam­mer dar­auf hin­wei­sen, dass das hier ge­fun­de­ne Er­geb­nis nach ih­rer Auf­fas­sung rechts­po­li­tisch be­denk­lich sein könn­te. Zu­tref­fend weist Dörner im Er­fur­ter Kom­men­tar (10. Auf­la­ge, § 7 BUrlG, Rn. 39 o) dar­auf hin, dass ei­ne sol­che Lösung Miss­be­ha­gen ver­ur­sacht. Er lehnt es aber zu­tref­fend ab, un­ter Rück­griff auf § 242 BGB vor­zu­schla­gen, solch skur­ri­le Er­geb­nis­se zu ver­mei­den, die da­zu führen, dass Ur­laubs­ansprüche meh­re­rer Jah­re be­ste­hen. Es ist nicht die Auf­ga­be der Recht­spre­chung, sol­che Er­geb­nis­se zu ver­hin­dern. Viel­mehr ist der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber zunächst ge­for­dert – wenn dies ge­wollt ist – für den Fall des Be­zugs ei­ner be­fris­te­ten Er­werbs­min­de­rungs­ren­te ei­ne Kürzungs­be­fug­nis ge­setz­lich zu ver­an­kern, die je­ner des § 4 Abs. 1 Satz 1 Arb­PlSchG be­zie­hungs­wei­se § 17 Abs. 1 Satz BEEG ent­spricht. Die er­ken­nen­de Kam­mer sieht sich aber an­ge­sichts der bis­he­ri­gen na­tio­na­len Rechts­la­ge dar­an ge­hin­dert, mit der Ar­gu­men­ta­ti­on des be­klag­ten Bun­des be­reits das Ent­ste­hen des Ur­laubs­an­spru­ches für den Fall des Ru­hens des Ver­fah­rens zu ver­nei­nen. Mag der Ge­setz­ge­ber ei­ne ent­spre­chen­de Re­ge­lung tref­fen.  

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Die Re­vi­si­on wird we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung zu­ge­las­sen.  

 

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