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LAG Köln, Ur­teil vom 14.02.2014, 9 Sa 546/13

   
Schlagworte: Befristung: Sachgrund, Befristung des Arbeitsvertrags, Befristungskontrolle
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 9 Sa 546/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 14.02.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 25.04.2013, 4 Ca 7166/12
   

Te­nor

I. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Köln vom 25.04.2013 – 4 Ca 7166/12 - wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

II. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner Be­fris­tung.

Die Be­klag­te ver­treibt u. a. Mo­de­schmuck, den sie hauptsächlich aus A be­zieht.

Die Kläge­rin war auf der Grund­la­ge ei­nes schrift­li­chen Ver­tra­ges vom 07.05.2009 (Bl. 4-9 der Ak­te) für die Be­klag­te seit dem 15.06.2009 als Heim­ar­bei­te­rin (Kon­fek­ti­onärin) tätig. Auf­ga­be der Kläge­rin war es, die an­ge­lie­fer­ten Pro­duk­te nach­zu­be­ar­bei­ten und Feh­ler aus­zu­mer­zen.

Un­ter § 10 des Ver­tra­ges heißt es u.a.:

„Der Ar­beits­ver­trag wird auf die Dau­er von ei­nem Jahr, mit­hin bis zum 14.06.2010 be­fris­tet, gemäß § 14 Abs. 2 Tz­B­fG ab­ge­schlos­sen.“

Durch Ergänzungs­ver­trag vom 12.03.2010 (Bl. 10 der Ak­te) wur­de die Dau­er des Ver­tra­ges bis zum 14.06.2011 verlängert.

Un­ter dem 30.08.2011 schlos­sen die Par­tei­en ei­nen An­stel­lungs­ver­trag. (Bl. 11 des 18 der Ak­te). In der Präam­bel zu die­sem Ver­trag heißt es:

„Die Ver­trags­par­tei­en ver­ein­ba­ren ein­ver­nehm­lich, dass der be­ste­hen­de Heim­ar­beits­ver­trag vom 07.05.2009 durch die­sen Ar­beits­ver­trag mit Wir­kung zum 01.09.2010 vollständig er­setzt wird.“

Gemäß § 1 des An­stel­lungs­ver­tra­ges war die Kläge­rin als Team Mem­ber Ope­ra­ti­ve Post Pro­ces­sing tätig. Un­strei­tig hat die Kläge­rin in dem Ar­beits­verhält­nis die von ihr bis da­hin in Heim­ar­beit aus­geführ­te Tätig­keit im Be­trieb der Be­klag­ten fort­ge­setzt. Nach § 2 war der Ar­beits­ver­trag un­ter Be­ru­fung auf § 14 Abs. 2 Tz­B­fG für die Zeit bis zum 31.08.2011 be­fris­tet.

Durch Ergänzungs­ver­trag zum An­stel­lungs­ver­trag vom 12.05.2011 (Bl. 19 der Ak­te) verlänger­ten die Par­tei­en den An­stel­lungs­ver­trag un­ter Be­ru­fung auf § 14 Abs. 2 Tz­B­fG um ein wei­te­res Jahr bis zum 31.08.2012.

Mit Schrei­ben vom 16.07.2012 (Bl. 20 der Ak­te) teil­te die Be­klag­te der Kläge­rin mit, dass sie ihr kei­ne Über­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Heim­ar­beits­verhält­nis zu­si­chern könne.

Mit ih­rer am 14.09.2012 bei dem Ar­beits­ge­richt Köln ein­ge­reich­ten Kla­ge macht die Kläge­rin die Un­wirk­sam­keit der Be­fris­tung und das un­be­fris­te­te Fort­be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses gel­tend.

Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass die Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­gen das An­schluss­ver­bot des § 14 Abs. 2 S. 2 Tz­B­fG ver­s­toße, da das Heim­ar­beits­verhält­nis als schädli­ches Vor­ar­beits­verhält­nis an­zu­se­hen sei.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass die Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen den Par­tei­en un­wirk­sam ist, son­dern dass das Ar­beits­verhält­nis über den 31.08.2012 hin­aus un­be­fris­tet fort­be­steht.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie ist der Rechts­an­sicht der Kläge­rin ent­ge­gen ge­tre­ten.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge mit Ur­teil vom 20.04.2013 ab­ge­wie­sen und zur Be­gründung aus­geführt, dass das vor­an­ge­gan­ge­ne Heim­ar­beits­verhält­nis nicht als Vor­ar­beits­verhält­nis im Sin­ne des § 14 Abs. 2 S. 2 Tz­B­fG an­zu­se­hen sei. Der Ge­set­zes­zweck des An­schluss­ver­bots in § 14 Abs. 2 S. 2 Tz­B­fG, die Ver­hin­de­rung von Be­fris­tungs­ket­ten oder Ket­ten­verträgen, er­for­de­re es nicht, Heim­ar­beits­verhält­nis­se mit Ar­beits­verhält­nis­sen gleich­zu­set­zen.

Das Ur­teil ist der Kläge­rin am 19.06.2013 zu­ge­stellt wor­den. Ih­re hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung ist nebst Be­gründung am 18.07.2013 bei dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen.

Die Kläge­rin ver­tieft ih­ren erst­in­stanz­li­chen Sach­vor­trag und ver­tritt die Auf­fas­sung, dass ein Heim­ar­beit­neh­mer eben­so wie ein Ar­beit­neh­mer schutz­bedürf­tig sei.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

un­ter Auf­he­bung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils fest­zu­stel­len, dass die Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen den Par­tei­en un­wirk­sam ist, so dass das Ar­beits­er­geb­nis über den ei­nen 30.08.2012 hin­aus un­be­fris­tet fort­be­steht.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­weist zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen auf ih­ren erst­in­stanz­li­chen Vor­trag.

We­gen der nähe­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf den münd­lich vor­ge­tra­ge­nen In­halt der Ak­te Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Der form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­ten und ins­ge­samt zulässi­gen Be­ru­fung der Kläge­rin bleibt der Er­folg in der Sa­che ver­sagt. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en hat auf­grund der ver­ein­bar­ten Be­fris­tung mit dem 31.08.2012 sein En­de ge­fun­den.

1.) Denn nach § 14 Abs. 2 S. 1 Tz­B­fG ist die ka­len­dermäßige Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges oh­ne Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des ist bis zur Dau­er von zwei Jah­ren zulässig und kann bis zu der Ge­samt­dau­er von zwei Jah­ren drei­ma­lig verlängert wer­den. Al­ler­dings ist ei­ne sol­che sach­grund­lo­se Be­fris­tung gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 Tz­B­fG nicht zulässig, wenn mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber be­reits zu­vor ein be­fris­te­tes oder un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis be­stan­den hat.

2.) Ein sol­cher Fall liegt hier je­doch nicht vor, da es sich bei dem Heim­ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht um ein Ar­beits­verhält­nis im Sin­ne des § 14 Abs. 2 S. 2 Tz­B­fG ge­han­delt hat. Als Heim­ar­bei­ter gilt nach § 2 Abs. 1 Heim­ar­beits­ge­setz, wer in selbst gewähl­ter Ar­beitsstätte (ei­ge­ne Woh­nung oder selbst gewähl­te Be­triebsstätte) al­lein oder mit sei­nen Fa­mi­li­en­an­gehöri­gen im Auf­trag von Ge­wer­be­trei­ben­den oder Zwi­schen­meis­tern er­werbsmäßig ar­bei­tet, je­doch die Ver­wer­tung der Ar­beits­er­geb­nis­se un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar den Auf­trag ge­ben­den Ge­wer­be­trei­ben­den überlässt. Heim­ar­bei­ter sind als so­ge­nann­te ar­beit­neh­merähn­li­che Per­so­nen we­gen ih­rer wirt­schaft­li­chen Abhängig­keit und be­son­de­ren Schutz­bedürf­tig­keit teil­wei­se den Ar­beit­neh­mern ge­setz­lich gleich­ge­stellt, et­wa bei der Fei­er­tags­lohn­zah­lung, beim Mut­ter­schutz für weib­li­che in Heim­ar­beit Beschäftig­te beim An­spruch auf El­tern­zeit und Er­zie­hungs­geld, beim Mut­ter­schutz für weib­li­che in Heim­ar­beit Beschäftig­te (vgl. die Aufzählung bei Kütt­ner/Röller, Per­so­nal­buch, 20. Auf­la­ge 2013, Heim­ar­beit, Rz. 27). Der Heim­ar­bei­ter ist gleich­wohl kein Ar­beit­neh­mer, da er ei­ne persönli­che Selbständig­keit in der Art und Wei­se der Ar­beits­er­le­di­gung, der Ar­beits­leis­tung und der Nut­zung der Ar­beits­zeit hat, wie sie bei dem in den Be­trieb und sei­ne Ord­nung ein­ge­glie­der­ten Ar­beit­neh­mern nicht vor­han­den ist (Schmidt/Ko­ber­ski/Tie­mann/Wa­scher, Heim­ar­beits­ge­setz, 4. Aufl. 1998, § 2, Rz. 7). So war dies auch im Fall der Kläge­rin. Dar­an ändert nichts, dass im Heim­ar­beits­ver­trag teil­wei­se von ei­nem Ar­beits­verhält­nis die Re­de ist. Selbst der Um­stand, dass § 10 des Heim­ar­beits­ver­tra­ges auf § 14 Abs. 2 Tz­B­fG ver­weist, be­deu­tet an­ge­sichts des im Übri­gen nach den Be­stim­mun­gen für die Heim­ar­beit aus­ge­stal­te­ten Ver­tra­ges nicht, dass der Ver­trag und sei­ne Durchführung tatsächlich als Ar­beits­verhält­nis zu wer­ten wäre oder dass die Par­tei­en die Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ge­wollt hätten.

3.) Das An­schluss­ver­bot des § 14 Abs. 2 S. 2 Tz­B­fG lässt sich auch sei­nem Sinn und Zweck nach nicht auf Heim­ar­beits­verhält­nis­se be­zie­hen. Für die Fra­ge, ob ein an­de­res Ver­trags­verhält­nis mit ei­nem Ar­beits­verhält­nis gleich­zu­set­zen ist, kommt es nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf den je­wei­li­gen Ge­set­zes­zweck an. Der Zweck des Vor­beschäfti­gungs­ver­bots in § 14 Abs. 2 S. 2 Tz­B­fG be­steht dar­in zu ver­hin­dern, dass die in § 14 Abs. 2 S. 1 Tz­B­fG eröff­ne­te Möglich­keit der sach­grund­lo­sen Be­fris­tung zu sog. Be­fris­tungs­ket­ten oder Ket­ten­verträgen miss­braucht wer­den kann, nicht aber dar­in, be­fris­te­te Ar­beits­verträge oder sach­grund­los be­fris­te­te Ar­beits­verträge zu ver­hin­dern (BAG, Ur­teil vom 21. Sep­tem­ber 2011 – 7 AZR 375/10 –, BA­GE 139, 213-225). Dies ent­spricht dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers, wie sich aus der Be­gründung zum Ge­setz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung zum Ge­setz über Teil­zeit­ar­beit und be­fris­te­te Ar­beits­verträge er­gibt (BR-Druck­sa­che 591/00 vom 28.09.2000, S. 32 und 33). Ei­ne ver­gleich­ba­re Ge­fahr sieht die Kam­mer im Verhält­nis zwi­schen Heim­ar­beits­ver­trag und Ar­beits­ver­trag nicht als ge­ge­ben an. Auch wenn die Kläge­rin als Ar­beit­neh­me­rin der Be­klag­ten die­sel­ben Tätig­kei­ten aus­geübt hat, bleibt doch der Un­ter­schied, dass sie als Heim­ar­bei­te­rin Frei­hei­ten nut­zen konn­te, die sie als in den Be­trieb der Be­klag­ten ein­ge­glie­der­te Mit­ar­bei­te­rin nicht hat­te. Die­se Auf­fas­sung wird gestützt durch § 620 BGB, der zwi­schen Dienst­verhält­nis­sen (Abs. 1 und 2) und Ar­beits­verträgen, für die das Tz­B­fG gilt (Abs. 3), un­ter­schei­det und so­mit für ein en­ges Verständ­nis des Ar­beits­verhält­nis­ses auch in § 14 Abs. 2 S. 2 Tz­B­fG spricht. Das Ver­trags­verhält­nis ei­ner Heim­ar­bei­te­rin ist da­mit eben­so we­nig als Vor­ar­beits­verhält­nis an­zu­se­hen wie das Dienst­verhält­nis ei­nes frei­en Mit­ar­bei­ters (da­zu Spo­ner/St­ein­herr, TVöD, § 14 Tz­B­fG, Rz. 174 zi­tiert nach ju­ris).

Die Kos­ten­ent­schei­dung er­gibt sich aus § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V. m. § 97 ZPO.

Die Kam­mer misst der Fra­ge, ob ein Heim­ar­beits­verhält­nis als Vor­ar­beits­verhält­nis i. S. d. § 14 Abs. 2 S. 2 Tz­B­fG an­zu­se­hen ist, grundsätz­li­che Be­deu­tung bei und hat des­halb gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen.

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