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ArbG Stutt­gart, Ur­teil vom 12.08.2014, 5 Ca 751/14

   
Schlagworte: Werkvertrag, Scheinwerkvertrag, Arbeitnehmerüberlassung
   
Gericht: Arbeitsgericht Stuttgart
Aktenzeichen: 5 Ca 751/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.08.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Stutt­gart
Ak­ten­zei­chen: 5 Ca 751/14

 

1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

2. Die Kläge­rin trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

3. Der Streit­wert wird auf 7.290,52 € fest­ge­setzt.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses und die Beschäfti­gung der Kläge­rin.

Die am 00. 00 1972 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te und zwei Kin­dern un­ter­halts­ver­pflich­te­te Kläge­rin war auf der Grund­la­ge des An­stel­lungs­ver­trags vom 4. Fe­bru­ar 2004 (Bl. 7 bis 12 d. A.) seit 9. Fe­bru­ar 2004 als CAD-Kon­struk­teu­rin bei der I. GmbH, die aus­weis­lich der Er­laub­nis vom 22. April 1998 (Bl. 305 d. A.) seit dem 9. Mai 1995 über ei­ne Er­laub­nis zur ge­werbsmäßigen Ar­beit­neh­merüber­las­sung verfügt, beschäftigt. Sie wur­de von An­be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses an bei der Be­klag­ten, ei­ner Au­to­mo­bil­her­stel­le­rin, mit der die I. GmbH ei­nen Werk­ver­trag über die Er­brin­gung von CAD-Kon­struk­ti­ons­leis­tun­gen ab­ge­schlos­sen hat­te (vgl. die Ver­trags­un­ter­la­gen Bl. 270 bis 304 d. A.), in de­ren Werk in S.-U. im Be­reich „Tech­ni­scher An­wen­dungs­sup­port“ ein­ge­setzt. Für die Ab­wick­lung des Werk­ver­trags wa­ren als An­sprech­part­ner sei­tens der I. GmbH Frau C., sei­tens der Be­klag­ten bis März 2013 Herr T. und an­sch­ließend Herr F. ein­ge­setzt. Ab 2011 um­fass­ten die von der I. GmbH zu er­brin­gen­den Kon­struk­ti­ons­leis­tun­gen die Ad­Blue-Tank-Kon­struk­tio­nen für die Lkw-Ent­wick­lung, Ab­tei­lung TP/ESW.

Die Kläge­rin war auf Grund ei­ner Ver­tragsände­rung vom 19. De­zem­ber 2011 (Bl. 13 d. A.) an vier Ta­gen pro Wo­che 20 St­un­den in der Ab­tei­lung TP/ESW der Be­klag­ten ein­ge­setzt und er­ziel­te ei­nen durch­schnitt­li­chen Brut­to­mo­nats­ver­dienst von 1.822,63 €. Der Werk­ver­trag der Be­klag­ten mit der I. GmbH en­de­te zum 31. De­zem­ber 2013. Die­se kündig­te das mit der Kläge­rin ab­ge­schlos­se­ne Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 29. Ok­to­ber 2013 (Bl. 15 d. A.) un­ter Be­ru­fung auf be­triebs­be­ding­te Gründe zum 31. Ja­nu­ar 2014. Über die hier­ge­gen von der Kläge­rin er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge ist noch nicht ent­schie­den wor­den.

Die Kläge­rin trägt vor: Der Be­trieb der I. GmbH sei voll­umfäng­lich auf die Be­klag­te über­ge­gan­gen. Die Be­triebsstätte, in der die Kläge­rin ge­ar­bei­tet ha­be, die Ein­rich­tun­gen und das sons­ti­ge Per­so­nal des Teams mit Aus­nah­me des eben­falls bei der I. GmbH beschäftig­ten Kol­le­gen der Kläge­rin, Herrn P., sei­en noch vor­han­den. Die Iden­tität der wirt­schaft­li­chen Ein­heit sei ge­wahrt, Verände­run­gen der be­trieb­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on sei­en nicht er­folgt. Der Teil­be­trieb, in dem die Kläge­rin tätig war, wer­de auf Grund Rechts­geschäfts, nämlich der Ab­wick­lung des aus­lau­fen­den Werk­ver­trags, von der Be­klag­ten oh­ne Un­ter­bre­chung fort­geführt. Al­le von der Kläge­rin aus­geführ­ten Auf­ga­ben würden wei­ter­hin im Be­trieb der Be­klag­ten er­le­digt.

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Al­ler­dings sei be­reits zu­vor ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen der Kläge­rin und der Be­klag­ten zu­stan­de ge­kom­men, da die Kläge­rin be­reits von An­fang an im Rah­men ei­nes so­ge­nann­ten Werk­ver­tra­ges von der I. GmbH der Be­klag­ten als CAD-Kon­struk­teu­rin über­las­sen wor­den sei. Bei der Ver­ein­ba­rung zwi­schen der Be­klag­ten und der I. GmbH hand­le es sich um ei­nen Schein­werk­ver­trag und in Wirk­lich­keit um nicht ge­neh­mig­te und den An­for­de­run­gen des § 12 AÜG nicht ent­spre­chen­de Ar­beit­neh­merüber­las­sung. Von ih­rer Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung ha­be die I. GmbH im kon­kre­ten Fall kei­nen Ge­brauch ge­macht. Der sich über fast 10 Jah­re er­stre­cken­de Ein­satz der Kläge­rin im Be­trieb der Be­klag­ten sei auch nicht mehr als vorüber­ge­hen­de Über­las­sung im Sin­ne des § 1 AÜG an­zu­se­hen. Die Kläge­rin sei vollständig in das über­wie­gend aus Ar­beit­neh­mern der Be­klag­ten be­ste­hen­de Team in­te­griert ge­we­sen. Sie ha­be im lau­fen­den Geschäft den An­wei­sun­gen der in der Hier­ar­chie der Be­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on über­ge­ord­ne­ten Mit­ar­bei­tern der Be­klag­ten un­ter­le­gen. Ar­beits­an­wei­sun­gen ha­be sie stets über E-Mail von ver­schie­de­nen Mit­ar­bei­tern der Be­klag­ten (s. Bl. 52 bis 228 d. A.) und persönlich (vgl. Bl. 229 bis 240 d. A.) er­hal­ten, je­doch zu kei­nem Zeit­punkt durch die I. GmbH. Ab­stim­mungs­gespräche hätten grundsätz­lich mit Herrn G., dem für die Ent­wick­lung und Be­treu­ung des Pro­jek­tis „Ad­Blue-Tank-25 Li­ter“ zuständi­gen In­ge­nieur, statt­ge­fun­den, der ihr Vor­ge­setz­ter und An­sprech­part­ner ge­we­sen sei. Sie ha­be mit den zuständi­gen Stel­len der Be­klag­ten ih­re Ur­laubs­pla­nung ab­ge­stimmt, während die I. GmbH vom gewähr­ten Ur­laub nur nach­richt­lich Kennt­nis er­hal­ten ha­be, um die­se In­for­ma­ti­on in den Vergütungs­ab­rech­nun­gen der Kläge­rin ver­wer­ten zu können. In glei­cher Wei­se ha­be sie sich im Fal­le der Ar­beits­unfähig­keit zunächst bei der Be­klag­ten krank ge­mel­det; die I. GmbH ha­be schließlich nach­richt­lich zum Zwe­cke der Lohn­ab­rech­nung eben­falls Kennt­nis er­hal­ten.

Die Kläge­rin be­an­tragt:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass zwi­schen den Par­tei­en ein Ar­beits­verhält­nis be­steht.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, die Kläge­rin als CAD-Kon­struk­teu­rin ent­spre­chend ih­rer bis­he­ri­gen Tätig­keit in der Lkw-Ent­wick­lung, Tech­ni­scher An­wen­dungs­sup­port, Ab­tei­lung TP/ESW zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

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Sie trägt vor: Ein Be­triebsüber­gang ha­be nicht statt­ge­fun­den. Die Kläge­rin ha­be nicht sub­stan­zi­iert zu den ein­zel­nen Vor­aus­set­zun­gen nach § 613 a BGB vor­ge­tra­gen.

Zwi­schen ihr und der Kläge­rin hätten zu kei­nem Zeit­punkt ver­trag­li­che Be­zie­hun­gen be­stan­den. Der Kläge­rin und Herrn P. sei ein klar ab­ge­trenn­ter und als Fremd­fir­men­ar­beits­platz aus­ge­wie­se­ner Ar­beits­platz in der Ab­tei­lung TP/ESW zu­ge­wie­sen ge­we­sen. Es hand­le sich um ein Großraumbüro, in dem die Ar­beitsplätze der Kläge­rin und ih­res Kol­le­gen ab­ge­trennt und ei­gens ge­kenn­zeich­net ge­we­sen sei­en. Bei al­len von der Kläge­rin vor­ge­leg­ten E-Mails hand­le es sich um Kon­kre­ti­sie­run­gen der zu er­brin­gen­den Werkleis­tun­gen, für die die Kläge­rin als Erfüllungs­ge­hil­fin von der I. GmbH bei der Be­klag­ten ein­ge­setzt wor­den sei. Wel­che Tei­le wie kon­stru­iert und ge­zeich­net wer­den müssen und wel­che Er­for­der­nis­se hier­bei be­ach­tet wer­den sol­len, könne na­tur­gemäß zum Zeit­punkt des Ab­schlus­ses des Werk­ver­tra­ges noch nicht fest­ste­hen und bedürfe da­her zwin­gend ei­ner wei­te­ren Kon­kre­ti­sie­rung. Die Kläge­rin sei zu kei­nem Zeit­punkt in die Or­ga­ni­sa­ti­on der Be­klag­ten ein­ge­glie­dert ge­we­sen. Auch ei­ne - nicht vor­lie­gen­de - Ein­glie­de­rung der Kläge­rin in den Be­trieb der Be­klag­ten hätte nur zur Fol­ge, dass das zwi­schen den Be­klag­ten und der I. GmbH be­ste­hen­de Ver­trags­verhält­nis nicht als Werk­ver­trag, son­dern als Ar­beit­neh­merüber­las­sung zu qua­li­fi­zie­ren wäre. § 10 Abs. 1 AÜG fin­gie­re nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts das Zu­stan­de­kom­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses aus­sch­ließlich bei feh­len­der Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­er­laub­nis des Ver­lei­hers. Al­le an­de­ren Verstöße ge­gen das AÜG führ­ten nicht zur Un­wirk­sam­keit des Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen Leih­ar­beit­neh­mer und Ver­lei­her. Die vom Ge­setz­ge­ber ge­trof­fe­ne Ent­schei­dung dürfe auch nicht über § 242 BGB um­gan­gen wer­den.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen und die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten vom 14. März 2014 und 12. Au­gust 2014 ver­wie­sen.

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Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Kla­ge ist un­be­gründet.

A.

Die Kla­ge ist zulässig. Dies gilt auch für An­trag Zif­fer 1. Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kann ein Ar­beit­neh­mer mit der all­ge­mei­nen Fest­stel­lungs­kla­ge das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zu ei­nem ver­meint­li­chen Ent­lei­her auf Grund­la­ge der Vor­schrif­ten des Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ge­set­zes gel­tend ma­chen. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se ist ge­ge­ben, weil die Par­tei­en über das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses und da­mit über ein ge­genwärti­ges Rechts­verhält­nis strei­ten (LAG Ba­den-Würt­tem­berg 1. Au­gust 2013 - 2 Sa 6/13 - NZA 2013, 1017).

B.

Die Kla­ge ist aber un­be­gründet.

I.

Zwi­schen der Kläge­rin und der Be­klag­ten ist kein Ar­beits­verhält­nis be­gründet wor­den.

1. Die Kläge­rin hat nicht sub­stan­zi­iert dar­ge­legt, dass die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Be­triebsüber­gangs nach § 613 a BGB vor­lie­gen. Es fehlt schon an der Dar­le­gung ei­nes Rechts­geschäfts. Die Ab­wick­lung ei­nes aus­lau­fen­den Werk­ver­trags stellt ein sol­ches nicht dar. Der Über­gang von Be­triebs­mit­teln ist nicht er­sicht­lich, im Ge­gen­teil trägt die Kläge­rin selbst vor, dass sie an Ar­beits­platz­rech­nern der Be­klag­ten ein­ge­setzt wor­den sei. Auch der Über­gang von Per­so­nal ist nicht dar­ge­legt. We­der die Kläge­rin noch Herr P. wer­den von der Be­klag­ten wei­ter beschäftigt.

2. Zwi­schen den Par­tei­en ist auch kein Ar­beits­verhält­nis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG zu­stan­de ge­kom­men.

a) Zwi­schen der Be­klag­ten und der I. GmbH ha­ben werk­ver­trag­li­che Be­zie­hun­gen be­stan­den, wie sich so­wohl aus dem In­halt der ab­ge­schlos­se­nen Verträge als auch aus de­ren tatsäch­li­cher Hand­ha­bung er­gibt.

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aa) Ei­ne Über­las­sung zur Ar­beits­leis­tung im Sin­ne des § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG liegt vor, wenn ei­nem Ent­lei­her Ar­beits­kräfte zur Verfügung ge­stellt wer­den, die in des­sen Be­trieb ein­ge­glie­dert sind und ih­re Ar­beit al­lein nach Wei­sun­gen des Ent­lei­hers und in des­sen In­ter­es­se ausführen. Not­wen­di­ger In­halt ei­nes Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ver­tra­ges ist die Ver­pflich­tung des Ver­lei­hers ge­genüber dem Ent­lei­her, die­sem zur Förde­rung von des­sen Be­triebs­zwe­cken Ar­beit­neh­mer zur Verfügung zu stel­len. Die Ver­trags­pflicht des Ver­lei­hers ge­genüber dem Ent­lei­her en­det, wenn er den Ar­beit­neh­mer aus­gewählt und ihn dem Ent­lei­her zur Verfügung ge­stellt hat. Da­bei un­terfällt nicht je­der in die­sem Sin­ne dritt­be­zo­ge­ne Ar­beits­ein­satz dem AÜG. Ar­beit­neh­merüber­las­sung ist viel­mehr durch ei­ne spe­zi­fi­sche Aus­ge­stal­tung der Ver­trags­be­zie­hun­gen zwi­schen Ver­lei­her und Ent­lei­her ei­ner­seits und zwi­schen Ver­lei­her und Ar­beit­neh­mer an­de­rer­seits so­wie durch das Feh­len ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Be­zie­hung zwi­schen Ar­beit­neh­mer und Ent­lei­her ge­kenn­zeich­net. Von der Ar­beit­neh­merüber­las­sung zu un­ter­schei­den ist die Tätig­keit ei­nes Ar­beit­neh­mers bei ei­nem Drit­ten auf­grund ei­nes Werk­ver­trags. In die­sen Fällen wird der Un­ter­neh­mer für ei­nen an­de­ren tätig. Er or­ga­ni­siert die zur Er­rei­chung ei­nes wirt­schaft­li­chen Er­folgs not­wen­di­gen Hand­lun­gen nach ei­ge­nen be­trieb­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und bleibt für die Her­stel­lung des ge­schul­de­ten Werks ge­genüber dem Drit­t­un­ter­neh­men ver­ant­wort­lich. Die zur Ausführung des Werk­ver­trags ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer un­ter­lie­gen den Wei­sun­gen des Un­ter­neh­mers und sind des­sen Erfüllungs­ge­hil­fen. Der Werk­be­stel­ler kann je­doch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB er­gibt, dem Werk­un­ter­neh­mer selbst oder des­sen Erfüllungs­ge­hil­fen An­wei­sun­gen für die Ausführung des Werks er­tei­len. Sol­che Werk­verträge wer­den vom Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ge­setz nicht er­fasst. Über die recht­li­che Ein­ord­nung des Ver­tra­ges zwi­schen dem Drit­ten und dem Ar­beit­ge­ber ent­schei­det der Geschäfts­in­halt und nicht die von den Par­tei­en gewünsch­te Rechts­fol­ge oder ei­ne Be­zeich­nung, die dem tatsächli­chen Geschäfts­in­halt nicht ent­spricht. Die Ver­trags­sch­ließen­den können das Ein­grei­fen zwin­gen­der Schutz­vor­schrif­ten des AÜG nicht da­durch ver­mei­den, dass sie ei­nen vom Geschäfts­in­halt ab­wei­chen­den Ver­trags­typ wählen. Der Geschäfts­in­halt kann sich so­wohl aus den aus­drück­li­chen Ver­ein­ba­run­gen der Ver­trags­par­tei­en als auch aus der prak­ti­schen Durchführung des Ver­trags er­ge­ben. Wi­der­spre­chen sich bei­de, so ist die tatsächli­che Durchführung des Ver­trags maßge­bend, weil sich aus der prak­ti­schen Hand­ha­bung der Ver­trags­be­zie­hun­gen am ehes­ten

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Rück­schlüsse dar­auf zie­hen las­sen, von wel­chen Rech­ten und Pflich­ten die Ver­trags­par­tei­en aus­ge­gan­gen sind, was sie al­so wirk­lich ge­wollt ha­ben. Der so er­mit­tel­te wirk­li­che Wil­le der Ver­trags­par­tei­en be­stimmt den Geschäfts­in­halt und da­mit den Ver­trags­typ. Ein­zel­ne Vorgänge der Ver­trags­ab­wick­lung sind zur Fest­stel­lung ei­nes vom Ver­trags­wort­laut ab­wei­chen­den Geschäfts­in­halts nur ge­eig­net, wenn es sich da­bei nicht um un­ty­pi­sche Ein­z­elfälle, son­dern um bei­spiel­haf­te Er­schei­nungs­for­men ei­ner durch­ge­hend geübten Ver­trags­pra­xis han­delt (BAG 18. Ja­nu­ar 2012 - 7 AZR 723/10 - AP AÜG § 9 Nr. 10 = EzA AÜG § 1 Nr. 14).

bb) Aus­ge­hend von die­sen Grundsätzen ist die Kläge­rin bei der Be­klag­ten nicht im We­ge der Ar­beit­neh­merüber­las­sung tätig ge­wor­den.

Die ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen ge­ben kei­ne An­halts­punk­te dafür her, dass die I. GmbH und die Be­klag­te kei­ne werk­ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen be­gründen woll­ten. Ins­be­son­de­re ist nir­gends vor­ge­se­hen, dass die I. GmbH ihr zu­kom­men­de ar­beits­ver­trag­li­che Wei­sungs­rech­te auf die Be­klag­te überträgt.

Auch die tatsächli­che Hand­ha­bung der Ver­ein­ba­rung lässt nicht auf ei­ne Ar­beit­neh­merüber­las­sung schließen.

So­weit die Kläge­rin E-Mails vor­ge­legt hat, die teil­wei­se An­wei­sun­gen von Ar­beit­neh­mern der Be­klag­ten da­zu ent­hal­ten, wie sie ge­wis­se Auf­ga­ben er­le­di­gen soll, so sind die­se als pro­jekt­be­zo­ge­ne An­wei­sun­gen im Sin­ne des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB zu qua­li­fi­zie­ren. Die Be­klag­te weist zu Recht dar­auf hin, dass im zu­grun­de­lie­gen­den Werk­ver­trag nicht von vorn­her­ein je­des De­tail des zu er­stel­len­den Wer­kes ge­re­gelt wer­den konn­te. Die Kläge­rin war ja ge­ra­de bei der Ent­wick­lung ei­nes neu­es Lkw-Tanks tätig.

Es ist auch nicht er­sicht­lich, dass die Kläge­rin in zeit­li­cher Hin­sicht in den Be­trieb der Be­klag­ten ein­ge­glie­dert ge­we­sen wäre. Sie hat nicht be­haup­tet, dass sie hin­sicht­lich Ar­beits­be­ginn und -en­de oder La­ge der Pau­se an Vor­ga­ben der Be­klag­ten ge­bun­den ge­we­sen wäre. Aus den vor­ge­le­gen Mails er­gibt sich, dass die Kläge­rin bei­spiels­wei­se hin­sicht­lich des von ihr ge­plan­ten Ar­beits­en­des nur ei­ne ent­spre­chen­de In­for­ma­ti­on an die Be­klag­te sand­te, aber nicht auf ei­ne Ge­neh­mi­gung oder ähn­li­ches an­ge­wie­sen war (vgl. z. B.

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Bl. 91 der Ak­te: „Ich muss heu­te um 14.15 Uhr ge­hen“). Glei­ches gilt hin­sicht­lich der Ur­laubs­nah­me und des Ver­hal­tens bei Krank­mel­dun­gen. Die Kläge­rin hat Mit­ar­bei­tern der Be­klag­ten le­dig­lich mit­ge­teilt, wann sie Ur­laub hat­te (vgl. z. B. Bl. 179 und 201 der Ak­te). Ei­ne ent­spre­chen­de Ge­neh­mi­gung sei­tens der Be­klag­ten war nicht er­for­der­lich. Auch ei­ne Ver­pflich­tung zur An­zei­ge ih­rer Ar­beits­unfähig­keit bei der Be­klag­ten hat die Kläge­rin nicht be­haup­tet. Dass sie sich tatsächlich bei der Be­klag­ten ar­beits­unfähig ge­mel­det hat, ist schon des­halb im hier vor­lie­gen­den Zu­sam­men­hang recht­lich un­er­heb­lich, weil sie nicht be­haup­tet, dass die für die Ver­trags­durchführung ver­ant­wort­li­chen Per­so­nen hier­von Kennt­nis hat­ten. Des­halb ist auch un­er­heb­lich, dass sie sich nach Er­le­di­gung ei­ner Teil­auf­ga­be an Fach­ver­tre­ter der Be­klag­ten ge­wandt und an­ge­zeigt hat, für neue Auf­ga­ben zur Verfügung zu ste­hen.

Auch die ge­le­gent­li­che Teil­nah­me an in­ter­nen Be­spre­chun­gen der Be­klag­ten stellt kein In­diz für ei­ne Ar­beit­neh­merüber­las­sung dar. Das Er­for­der­nis der Teil­nah­me an Ar­beits­be­spre­chun­gen lässt nicht den Schluss auf ei­ne ar­beits­recht­li­che Wei­sungs­un­ter­wor­fen­heit zu (BAG 15. April 2014 - 3 AZR 395/11 - ju­ris).

Die Kläge­rin war zwar im „Who is Who“ der Be­klag­ten ein­ge­tra­gen, je­doch deut­lich als Fremd­fir­men­mit­ar­bei­te­rin ge­kenn­zeich­net. Auch der Werks­aus­weis der Kläge­rin war als Aus­weis ei­ner Fremd­fir­men­mit­ar­bei­te­rin ge­kenn­zeich­net und in ei­ner an­de­ren Far­be als die Werks­aus­wei­se der ei­ge­nen Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten ge­hal­ten. Auch hier­aus las­sen sich so­mit kei­ne An­halts­punk­te für die be­haup­te­te Ein­glie­de­rung in den Be­trieb der Be­klag­ten ab­lei­ten.

b) Selbst wenn der zwi­schen der I. GmbH und der Be­klag­ten ge­schlos­se­ne Ver­trag ent­ge­gen der hier ver­tre­te­nen Auf­fas­sung als Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ver­trag zu qua­li­fi­zie­ren wäre, würde dies nicht zu der von der Kläge­rin gewünsch­ten Rechts­fol­ge der Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen den Par­tei­en führen. Die I. GmbH ist seit 1995 im Be­sitz ei­ner Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung, was ei­ne An­wen­dung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG iVm. § 9 AÜG aus­sch­ließt. Un­er­heb­lich wäre, ob bei der Kläge­rin ei­ne nicht vorüber­ge­hen­de Über­las­sung im Sin­ne des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG an­zu­neh­men wäre. Mit der Strei­chung des § 13 AÜG in der bis zum 31. März 1997 gel­ten­den

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Fas­sung mit Wir­kung zum 1. April 1997 gab es kei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge mehr für das Ent­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Leih­ar­beit­neh­mer. Auch wenn in der Re­ge­lung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG mit Wir­kung zum 1. De­zem­ber 2011 ei­ne nicht mehr vorüber­ge­hen­de Ar­beit­neh­merüber­las­sung wie­der ver­bo­ten wur­de (BAG 10. Ju­li 2013 - 7 ABR 91/11 - AP AÜG § 1 Nr. 33 = EzA AÜG § 1 Nr. 17), so be­wirkt ei­ne nicht nur vorüber­ge­hen­de Über­las­sung des Leih­ar­beit­neh­mers an ei­nen Ent­lei­her nicht das Zu­stan­de­kom­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses (BAG 10. De­zem­ber 2013 - 9 AZR 51/13 - AP AÜG § 1 Nr. 34 = EzA AÜG § 1 Nr. 18; LAG Ber­lin-Bran­den­burg 17. De­zem­ber 2013 - 3 Sa 1092/13 - ju­ris). Die­se vom Bun­des­ar­beits­ge­richt bezüglich der nicht vorüber­ge­hen­den Ar­beit­neh­merüber­las­sung auf­ge­stell­ten Grundsätze gel­ten auch bei ver­deck­ter Ar­beit­neh­merüber­las­sung im Rah­men ei­nes Schein­werk­ver­tra­ges (Ar­beits­ge­richt Stutt­gart 8. April 2014 - 16 BV 121/13 - BB 2014, 1980; Ha­mann, ju­ris­PR-ArbR 22/2014 An­mer­kung 1). Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin ist es un­er­heb­lich, dass sie von der der I. GmbH er­teil­ten Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung kei­ne Kennt­nis hat­te und die­se bei Ab­schluss ih­rer Verträge mit der Be­klag­ten hier­von - so die Kläge­rin - „kei­nen Ge­brauch mach­te“. Das Zu­stan­de­kom­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses kraft Ge­set­zes greift in­ten­siv in die Ver­trags­frei­heit von Ent­lei­her und Leih­ar­beit­neh­mer ein. Die­ser Ein­griff kann nach der dem Ge­setz­ge­ber zu­kom­men­den Einschätzungs­präro­ga­ti­ve al­len­falls verhält­nismäßig sein, wenn sich ein Ar­beit­ge­ber un­ter Um­ge­hung der durch § 3 AÜG be­zweck­ten präven­ti­ven Se­riösitätskon­trol­le als Ver­lei­her betätigt. Da­von un­ter­schei­det sich die Si­tua­ti­on bei der Prak­ti­zie­rung ei­nes Schein­werk­ver­tra­ges, wenn der als Werk­un­ter­neh­mer auf­tre­ten­de Ver­lei­her über ei­ne Über­las­sungs­er­laub­nis verfügt. Da sich ein sol­cher Ver­lei­her der Se­riösitätskon­trol­le nicht ent­zo­gen hat, be­steht prin­zi­pi­ell kei­ne Ver­an­las­sung, ihn als un­zu­verlässig an­zu­se­hen. Da­mit entfällt die Grund­vor­aus­set­zung, um dem Ar­beits­verhält­nis mit ihm jeg­li­che Exis­tenz­be­rech­ti­gung ab­zu­spre­chen. Dem Schutz­in­ter­es­se der Ar­beit­neh­mer wird da­durch ent­spro­chen, dass sie von dem Ver­lei­her gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG die­je­ni­gen we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen ein­sch­ließlich des Ar­beits­ent­gelts be­an­spru­chen können, die ei­nem im Be­trieb des Auf­trag­ge­bers beschäftig­ten ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer gewährt wer­den (Ha­mann aaO).
 


II.

Da zwi­schen den Par­tei­en kei­ne Ar­beits­verhält­nis zu­stan­de ge­kom­men ist, kann die Kläge­rin von der Be­klag­te auch nicht ih­re Beschäfti­gung ver­lan­gen.

C

I.

Die Kos­ten­ent­schei­dung er­gibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

II.

Die Streit­wert­fest­set­zung er­folgt dem Grun­de nach gem. § 61 Abs. 1 ArbGG, der Höhe nach gem. § 42 Abs. 2 GKG. An­trag Ziff. 1 wur­de mit 3 Brut­to­mo­nats­ein­kom­men der Kläge­rin, An­trag Ziff. 2 mit ei­nem wei­te­ren Brut­to­mo­nats­ein­kom­men be­wer­tet.

III.

Die Statt­haf­tig­keit der Be­ru­fung folgt aus § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG.

 


 

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