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ARBEITSRECHT AKTUELL // 07/08

Bun­des­ar­beits­ge­richt be­schränkt An­nah­me­ver­zugs­lohn.

Nach ei­ner Kün­di­gung muss der Ar­beit­neh­mer al­le zu­mut­ba­ren Ar­bei­ten an­neh­men, will er sei­nen Ver­zugs­lohn­an­spruch nicht ge­fähr­den: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 07.02.2007 - 5 AZR 422/06
Hunderteuroscheine Nach ei­ner Kün­di­gung zu Hau­se blei­ben und auf die Un­wirk­sam­keit der Kün­di­gung spe­ku­lie­ren?

06.05.2007. Nach ei­ner Kün­di­gung und nach Ab­lauf der vom Ar­beit­ge­ber ge­währ­ten Kün­di­gungs­frist be­fin­det sich der Ar­beit­ge­ber im An­nah­me­ver­zug, falls die Kün­di­gung un­wirk­sam oder die Frist zu kurz be­rech­net war.

Denn ei­gent­lich müss­te der Ar­beit­ge­ber die Ar­beits­leis­tung ent­ge­gen­neh­men und den Lohn zah­len, was er aber nicht macht, da er der (un­rich­ti­gen) Mei­nung ist, der Ar­beit­neh­mer sei be­reits "drau­ßen".

In ei­ner sol­chen La­ge wird der Lohn­an­spruch des Ar­beit­neh­mers ge­setz­lich auf­recht er­hal­ten, doch schreibt das Ge­setz dem Ar­beit­neh­mer vor, zu­mut­ba­re Mög­lich­kei­ten ei­nes Zwi­schen­ver­diens­tes nicht un­ge­nutzt aus­zu­las­sen.

In ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) klar­ge­stellt, dass auch ei­ne von sei­nem Wei­sungs­recht nicht ge­deck­te Ar­beit gleich­wohl als Zwi­schen­ver­dienst­mög­lich­keit zu­mut­bar sein kann, was dann den An­nah­me­ver­zugs­lohn min­dert: BAG, Ur­teil vom 07.02.2007, 5 AZR 422/06.

Zu­mut­ba­rer Zwi­schen­job beim bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber, auch zu ei­nem ge­rin­ge­ren Ver­dienst?

Strei­ten Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer über die Wirk­sam­keit ei­ner Kündi­gung und stellt sich später her­aus, dass der Ar­beit­neh­mer im Recht, d.h. die Kündi­gung un­wirk­sam war, dann hat das zur Fol­ge, dass der Ar­beit­ge­ber den Lohn für die Zeit nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist na­ch­en­trich­ten muss.

Denn während die­ser Zeit be­stand ja das Ar­beits­verhält­nis wei­ter fort, nur dass der Ar­beit­ge­ber in der fal­schen An­nah­me ei­ner wirk­sa­men Kündi­gung die Ent­ge­gen­nah­me der Ar­beits­leis­tung und die Lohn­zah­lung ver­wei­ger­te. Man spricht hier von An­nah­me­ver­zug des Ar­beit­ge­bers, und während des An­nah­me­ver­zugs muss er den Lohn fort­ent­rich­ten. Das er­gibt sich aus § 615 Satz 1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB).

Auf den An­nah­me­ver­zugs­lohn muss sich der Ar­beit­neh­mer aber an­rech­nen las­sen, was er in der Zwi­schen­zeit ver­dient hat, d.h. ins­be­son­de­re Ar­beits­lo­sen­geld und/oder Lohn aus ei­nem neu­en Ar­beits­verhält­nis. Dies folgt aus § 615 Satz 2 BGB bzw. aus dem mehr oder we­ni­ger in­halts­glei­chen § 11 Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KSchG).

Die ge­setz­li­che Kürzung des An­nahm­ver­zugs­lohn tritt aber auch dann ein, wenn der Ar­beit­neh­mer die Er­zie­lung ei­nes zu­mut­ba­ren Zwi­schen­ver­diens­tes "böswil­lig un­ter­las­sen" hat.

Frag­lich ist, ob ein sol­ches böswil­li­ges Un­ter­las­sen ei­nes zu­mut­ba­ren Zwi­schen­ver­diens­tes auch dann vor­liegt, wenn der bis­he­ri­ge Ar­beit­ge­ber dem gekündig­ten Ar­beit­neh­mer ei­ne an­de­re als die ver­trag­lich ge­schul­de­te Ar­beit an­bie­tet, mögli­cher­wei­se auch für ei­nen ge­rin­ge­ren Lohn.

Der Fall des BAG: Gekündig­ter Kraft­fah­rer soll während der Kündi­gungs­frist La­ger­ar­bei­ten ver­rich­ten

Der Ar­beit­ge­ber sprach dem als Kraft­fah­rer an­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mer am 29.04.2004 ei­ne frist­ge­rech­te Ände­rungskündi­gung zum 30.11.2004 aus. Das Ände­rungs­an­ge­bot be­stand in ei­ner wei­te­ren Beschäfti­gung zum glei­chen Lohn, aber mit geänder­tem Ar­beits­in­halt: Künf­tig soll­te der Ar­beit­neh­mer nicht mehr als Kraft­fah­rer, son­dern im "Rest­holz­be­reich" tätig sein.

Da der Ar­beit­neh­mer be­reits zum Zeit­punkt der Kündi­gung kei­nen LKW mehr hat­te, auf dem er den Ar­beit­neh­mer hätte beschäfti­gen können, wies er ihn be­reits vor Ab­lauf der Kündi­gungs­frist an, die neue Ar­beit auf­zu­neh­men. Dies ver­wei­ger­te der Kläger und bot wei­ter­hin sei­ne Ar­beits­leis­tung als Kraft­fah­rer an.

In der wei­te­ren Fol­ge klag­te er sei­nen An­nahm­ver­zugs­lohn ein, den der be­klag­te Ar­beit­ge­ber mit der Be­gründung ver­wei­ger­te, er ha­be dem Kläger ei­nen eben­so gut be­zahl­ten Zwi­schen­ver­dienst im "Rest­holz­be­reich" an­ge­bo­ten. Die­se Ar­beit sei zwar viel­leicht nicht ver­trags­gemäß, aber für den Kläger zu­mut­bar ge­we­sen. Ar­beits­ge­richt und Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) ga­ben der Kla­ge statt.

Da­bei mein­te das Hes­si­sche LAG, die Un­zu­mut­bar­keit der vom Ar­beit­ge­ber an­ge­bo­te­nen Ar­beit er­ge­be sich be­reits dar­aus, dass der Ar­beit­ge­ber un­ter Über­schrei­tung des Di­rek­ti­ons­rechts ei­ne an­de­re Ar­beit zu­ge­wie­sen ha­be. Dem Ar­beit­neh­mer sei­en nur sol­che Ar­bei­ten zu­mut­bar, die sich im Rah­men des Ar­beits­ver­trags bzw. des Di­rek­ti­ons­rechts be­weg­ten. Die Zu­wei­sung der Auf­ga­ben im Rest­holz­be­reich sei nicht durch das Di­rek­ti­ons­recht ge­deckt ge­we­sen.

BAG: Zu­mut­ba­re Ar­bei­ten während des An­nah­me­ver­zugs sind im­mer außer­halb des ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Auf­ga­ben­be­reichs

Das BAG hob die Ent­schei­dung des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts auf und ver­wies die Sa­che zurück, da­mit die Zu­mut­bar­keit der Ar­beit auf­geklärt wer­den könn­te.

Da­bei stellt das BAG zu­recht klar, dass der Be­gründungs­an­satz des Hes­si­schen LAG un­zu­tref­fend war, da das An­ge­bot ei­ner ver­trags­gemäßen Ar­beit ja be­reits die An­nah­me­ver­zugs­la­ge be­en­det hätte, so dass sich in ei­nem sol­chen Fall die Fra­ge nach der Zu­mut­bar­keit ei­ner an­der­wei­ti­gen Ar­beit gar nicht mehr stel­len würde.

In die­sem Zu­sam­men­hang dis­tan­ziert sich das BAG von ei­ner Ent­schei­dung aus dem Jah­re 1980 (BAG, Ur­teil vom 03.12.1980, 5 AZR 477/78). In die­ser Ent­schei­dung hat­te das BAG aus­geführt, ein Ar­beit­neh­mer un­ter­las­se nicht böswil­lig die an­der­wei­ti­ge Ver­wen­dung sei­ner Ar­beits­kraft, wenn er es ab­leh­ne, ei­ne vom Ar­beit­ge­ber un­ter Über­schrei­tung der Gren­zen des Di­rek­ti­ons­rechts zu­ge­wie­se­ne Tätig­keit zu ver­rich­ten.

Ob es dem Ar­beit­neh­mer im vor­lie­gen­den Fall zu­mut­bar war, die nicht ver­trags­gemäße Ar­beit zu ver­rich­ten, woll­te das Bun­des­ar­beits­ge­richt nicht selbst ent­schei­den, da hier al­le Umstände des Ein­zel­falls maßgeb­lich sei­en. Die­se hat­te das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt näher auf­zuklären.

Fa­zit: Die­se Ent­schei­dung schwächt die Ver­hand­lungs­po­si­ti­on des Ar­beit­neh­mers beim Streit um die Fol­gen ei­ner vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung. Das kommt vor al­lem in Fällen zum Tra­gen, in de­nen ei­ne (Ände­rungs-)Kündi­gung zwar "of­fi­zi­ell" un­ter Be­ach­tung der Kündi­gungs­fris­ten aus­ge­spro­chen wird, dem Ar­beit­neh­mer aber gleich­wohl per so­fort geänder­te Ar­bei­ten ab­ver­langt bzw. "an­ge­bo­ten" wer­den.

Von der for­ma­len Ver­trags­wid­rig­keit ei­ner sol­chen Ar­beits­zu­wei­sung kann sich der gekündig­te Ar­beit­neh­mer künf­tig nichts mehr kau­fen, da er bei Ver­wei­ge­rung ver­trags­wid­ri­ger Ar­beit den Ver­lust sei­nes An­nah­me­ver­zugs­lohns ris­kiert. In sol­chen Fällen wird man da­her künf­tig sorgfältig prüfen müssen, ob ei­ne - natürlich un­ter Vor­be­halt er­fol­gen­de - Auf­nah­me der an­der­wei­ti­gen Tätig­keit nicht vor­sichts­hal­ber an­zu­ra­ten ist.

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Letzte Überarbeitung: 20. Dezember 2017

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