28.04.2007. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom Dezember 2006 können sich Gewerkschaften bei Betriebsschließungen und Massenentlassungen einschalten und mit dem Arbeitgeber einen Firmentarifvertrag vereinbaren, der als sog. "Tarifsozialplan die Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer abmildert.
Dass in solchen Fällen zugleich auch eine Betriebsänderung vorliegt und dass daher neben der Gewerkschaft der Betriebsrat einen Sozialplan aushandeln kann, ändert nichts an der rechtlichen Zulässigkeit von tariflichen Regelungen (BAG, Urteil 06.12.2006, 4 AZR 798/05).
Jetzt hat das BAG in einer weiteren Entscheidung nachgelegt und klargestellt, dass die Gewerkschaft auch Streiks mit dem Ziel eines Tarifsozialplans führen kann: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.04.2007, 1 AZR 252/06.
Kommt es zu Betriebsschließungen oder zu Massenentlassungen, kann der Betriebsrat auf der Grundlage von § 111 und § 112 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) den Abschluss eines Sozialplans verlangen und ggf. unter Einschaltung der Einigungsstelle erzwingen.
Typische Gegenstände von Sozialplänen sind Ansprüche auf Abfindungen für Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz nicht erhalten werden kann, Umzugsbeihilfen für Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz nur bei einem Ortswechsel gerettet werden kann oder Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung.
In den letzten Jahren schalten sich bei größeren Betriebsschließungen zunehmend die Gewerkschaften ein und verhandeln neben dem Betriebsrat, in dem sie natürlich auch maßgeblich vertreten sind, über dieselben Regelungsgegenstände, über die Sozialplanverhandlungen geführt werden (könnten), allerdings mit dem Ziel, einen Tarifvertrag abzuschließen.
Die rechtliche Zulässigkeit solcher "Tarifsozialpläne" wird von der Arbeitgeberseite in Zweifel gezogen, unter anderem mit dem Argument, die Zulässigkeit von Tarifsozialplänen führe aufgrund der mit Tarifstreitigkeiten verbundenen Möglichkeit des Streiks zu einer stärkeren Beschränkung der unternehmerischen Freiheit als dies bei den ohne Streikdrohung zu verhandelnden eigentlichen Sozialplänen der Fall sei.
Die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit von Tarifsozialplänen hatte das Bundesarbeitsgericht bereits im Dezember 2006 (Urteil 06.12.2006, 4 AZR 798/05) im Sinne der Gewerkschaften entschieden. In der diesbezüglichen Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts heißt es:
"Die Tarifvertragsparteien sind frei, im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit einen Tarifvertrag zu vereinbaren, der die sozialen und wirtschaftlichen Folgen einer Betriebsteilschließung für die davon betroffenen Arbeitnehmer ausgleicht oder mildert. Hieran sind sie durch die etwa von Rechts wegen eröffnete Möglichkeit des Betriebsrats oder Personalrats und des Arbeitgebers, einen Sozialplan abzuschließen, nicht gehindert."
Nunmehr hatte das Bundesarbeitsgericht über die Anschlussfrage zu entscheiden, ob auch Streiks zum Zwecke der Erzwingung eines Tarifsozialplans rechtlich zulässig sind.
Der Streitfall: IG Metall berstreikt die Heidelberger Druckmaschinen AG, um einen Tarifsozialplan für 500 entlassene Arbeitnehmer zu erzwingen
Die Heidelberger Druckmaschinen AG (kurz: "Heidelberger Druck"), einer der führenden Hersteller von Druckmaschinen und damit ein Unternehmen der Metallindustrie, verhandelte mit dem Betriebsrat und der IG Metall von Ende 2002 bis Juni 2003 über den Abschluss eines Sozialplans bzw. über den Abschluss eines Tarifvertrags.
Beide Regelungen hatten einen geplanten Arbeitsplatzabbau im Umfang von über 500 Arbeitsplätzen zum Gegenstand. Nach Streiks im Kieler Werk der Heidelberger Druck kam es im Juni 2003 zu einer Einigung.
Allerdings mit einem juristischen Nachspiel: Der Arbeitgeberverband Nordmetall verklagte die IG Metall vor dem Arbeitsgericht Frankfurt und in der Berufungsinstanz vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht auf Unterlassung von Streikhandlungen zur Erzwingung eines Tarifsozialplans. Arbeitsgericht Frankfurt und Hessisches Landesarbeitsgericht (Urteil vom 02.02.2006, 9 Sa 915/05) wiesen die Klage ab.BAG:
Sind Tarifsozialpläne rechtlich zulässig, kann die Gewerkschaft auch dafür streiken
Das Bundesarbeitsgericht hat die Urteile der Vorinstanzen bestätigt.
Zur Begründung führt das BAG aus, dass das BetrVG die Regelungsbefugnis von Tarifvertragsparteien nicht einschränke. Typische Sozialplaninhalte sind daher zugleich auch tariflich regelbare Angelegenheiten, so das BAG.
Ist der Arbeitgeber(verband) zum Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrags nicht bereit, darf die Gewerkschaft streiken. Die Gewerkschaften können mit dem Streik auch sehr weitgehende Tarifforderungen verfolgen. Der Umfang einer Streikforderung, die auf ein tariflich regelbares Ziel gerichtet ist, unterliegt wegen der durch Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) gewährleisteten Koalitionsfreiheit und im Interesse der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie keiner gerichtlichen Kontrolle.
Fazit: Gewerkschaften dürfen bei Betriebsschließungen und bei Massenentlassungen Tarifsozialpläne fordern und sie dürfen dafür streiken. Nebenher kann der Betriebsrat einen Sozialplans verlangen und ggf. unter Einschaltung der Einigungsstelle erzwingen, denn in solchen Fällen liegt eine Betriebsänderung vor.
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Letzte Überarbeitung: 25. April 2015
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