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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/084

Aus­kunfts­pflicht von Be­wer­bern über Straf­ta­ten

Ein­füh­rung des „Er­wei­ter­ten Füh­rungs­zeug­nis­ses“: Fünf­tes Ge­setz zur Än­de­rung des Bun­des­zen­tral­re­gis­ter­ge­set­zes vom 16.07.2009
JVA Wird im­mer wie­der zum "Zank­ap­fel": Das Fra­ge­recht des Ar­beit­ge­bers
03.05.2010. Ar­beit­ge­ber hat­ten zwar auch bis­her das Recht, Be­wer­ber auf ei­ne Stel­le im Kin­der- und Ju­gend­be­reich nach Ver­ur­tei­lun­gen we­gen Se­xu­al­de­lik­ten zu be­fra­gen und die Vor­la­ge ei­nes Füh­rungs­zeug­nis­ses zu ver­lan­gen. Bis auf ei­ni­ge schwe­re­re Se­xu­al­de­lik­te wur­den Erst­ver­ur­tei­lun­gen in die­sem Be­reich je­doch erst ab ei­ner be­stimm­ten Min­dest­stra­fe in das Füh­rungs­zeug­nis auf­ge­nom­men.

Dies ist durch die Ein­füh­rung ei­nes "Er­wei­ter­ten Füh­rungs­zeug­nis" ge­än­dert wor­den: Fünf­tes Ge­setz zur Än­de­rung des Bun­des­zen­tral­re­gis­ter­ge­set­zes vom 16.07.2009.

Straf­ta­ten und Führungs­zeug­nis

Der Aus­gang straf­recht­li­cher Er­mitt­lungs­ver­fah­ren wird von den Straf­ver­fol­gungs­behörden gemäß dem ers­ten Ab­schnitt des Bun­des­zen­tral­re­gis­ter­ge­set­zes im Bun­des­zen­tral­re­gis­ter ge­spei­chert, und zwar grundsätz­lich un­abhängig da­von, wie das Ver­fah­ren aus­geht, al­so ob es zu ei­ner Ver­ur­tei­lung, ei­nem Frei­spruch oder der Ein­stel­lung des Ver­fah­rens kommt. Al­ler­dings ist das Bun­des­zen­tral­re­gis­ter (bis auf we­ni­ge Aus­nah­men) auch nur zum in­ter­nen behörd­li­chen Ge­brauch ge­dacht, d.h. es wird nur von Po­li­zei, Staats­an­walt­schaft und Straf­ge­rich­ten ein­ge­se­hen.

Im übri­gen, al­so et­wa von öffent­li­chen Stel­len oder Pri­vat­per­so­nen, kann al­len­falls ein Führungs­zeug­nis ver­langt wer­den. Im Führungs­zeug­nis ste­hen ein­ge­stell­te Ver­fah­ren und Ver­fah­ren, die mit ei­nem Frei­spruch ge­en­det ha­ben, nicht drin. Erst­ver­ur­tei­lun­gen sind dort grundsätz­lich nur auf­geführt, wenn die Ver­ur­tei­lung zu mehr als 90 Ta­gessätzen oder mehr als drei Mo­na­ten Frei­heits­stra­fe er­folgt ist, al­so bei Ver­ur­tei­lun­gen, nach de­nen man als vor­be­straft gilt (§ 32 Bun­des­zen­tral­re­gis­ter­ge­setz – BZRG).

Nichts an­de­res galt bis­her bei Se­xu­al­de­lik­ten: Sie wa­ren zwar später als an­de­re Straf­ta­ten aus dem Führungs­zeug­nis zu löschen, je­doch auch Ver­ur­tei­lun­gen zu ei­nem Se­xu­al­de­likt in Höhe un­ter ei­ner Vor­stra­fe wur­den im Führungs­zeug­nis nicht auf­geführt. Aus­nah­men gal­ten bei Ver­ur­tei­lun­gen zu be­stimm­ten schwe­ren Se­xu­al­de­lik­ten, et­wa se­xu­el­lem Miss­brauch von Schutz­be­foh­le­nen (§ 174 Straf­ge­setz­buch) bzw. Ju­gend­li­chen (§ 182 Straf­ge­setz­buch), se­xu­el­ler Nöti­gung und Ver­ge­wal­ti­gung (§ 177 Straf­ge­setz­buch).

Was hat das Führungs­zeug­nis mit der Aus­kunfts­pflicht bei Be­wer­bun­gen zu tun?

Beim Ein­stel­lungs­gespräch müssen Be­wer­ber nur zulässi­ge Fra­gen des Ar­beit­ge­bers wahr­heits­gemäß be­ant­wor­ten. Bei un­zulässi­gen Fra­gen steht ih­nen ein „Recht zur Lüge“ zu.

Die Fra­ge nach Straf­ta­ten ist nicht grundsätz­lich un­zulässig. Der Ar­beit­ge­ber darf nach Straf­ta­ten fra­gen, die für die Stel­le, auf die sich der Be­wer­ber be­wirbt, von Be­deu­tung sind und der Be­wer­ber muss dar­auf wahr­heits­gemäß ant­wor­ten.

Da­nach ist et­wa die Fra­ge des Ar­beit­ge­bers an ei­nen Be­wer­ber, der sich als Kas­sie­rer be­wirbt, nach Ver­ur­tei­lun­gen we­gen Dieb­stahls, Un­ter­schla­gung oder Be­trug zulässig, ver­schwei­gen dürf­te der Be­wer­ber aber ei­ne Ver­ur­tei­lung we­gen Wi­der­stands ge­gen die Staats­ge­walt. Bei Tätig­kei­ten, bei de­nen der Be­wer­ber Kon­takt zu Kin­dern und Ju­gend­li­chen hat, ist die Fra­ge nach Stra­fen we­gen Se­xu­al­de­lik­ten und Körper­ver­let­zungs­de­lik­ten zulässig.

Da­bei gilt je­doch ei­ne Ein­schränkung: Ver­ur­tei­lun­gen, die nicht im Führungs­zeug­nis ste­hen, muss der Ar­beit­neh­mer auch nicht an­ge­ge­ben, d.h. grundsätz­lich müssen nur Vor­stra­fen an­ge­ge­ben wer­den. Ei­ne Ver­ur­tei­lung we­gen Dieb­stahls zu 30 Ta­gessätzen darf al­so auch der an­ge­hen­de Kas­sie­rer ver­schwei­gen.

Die Vor­la­ge ei­nes Führungs­zeug­nis­ses darf der Ar­beit­ge­ber nor­ma­ler­wei­se bei der Be­wer­bung nicht ver­lan­gen. Denn dort sind schließlich al­le Vor­stra­fen auf­geführt, al­so auch die­je­ni­gen, die für die Tätig­keit kei­ne Be­deu­tung ha­ben. Der Ar­beit­ge­ber würde al­so, wenn er von dem Be­wer­ber auf ei­ne Tätig­keit als Kas­sie­rer ein Führungs­zeug­nis ver­lan­gen dürf­te, auch von der für die Tätig­keit ir­re­le­van­ten Vor­stra­fe we­gen Wi­der­stands ge­gen die Staats­ge­walt er­fah­ren.

Die­se Ein­schränkung soll ver­hin­dern, dass je­de Ver­ur­tei­lung zu er­heb­li­chen Schwie­rig­kei­ten bei der Ar­beits­su­che führt.

Ein Führungs­zeug­nis dürfen Ar­beit­ge­ber des­we­gen nur bei „si­cher­heits­re­le­van­ten“ Tätig­kei­ten ver­lan­gen, et­wa bei Tätig­kei­ten im Si­cher­heits­be­reich von Flughäfen oder bei der Be­wa­chung von gefähr­de­ten Ein­rich­tun­gen oder Geld­trans­por­ten, aber auch bei Tätig­kei­ten in "sen­si­blen Be­rei­chen", et­wa bei Tätig­kei­ten im Kin­der­gar­ten. Behörden dürfen bei der Ein­stel­lung von Be­am­ten in der Re­gel eben­falls ein Führungs­zeug­nis ver­lan­gen.

Die da­nach be­ste­hen­den Ein­schränkun­gen, von Ver­ur­tei­lun­gen der Be­wer­ber zu er­fah­ren, sind auf we­nig Verständ­nis im Be­reich der Se­xu­al­de­lik­te ges­toßen: Da bei Se­xu­al­straftäter, auch bei Ver­ur­tei­lun­gen zu ei­ner ge­rin­gen Stra­fe, von ei­ner er­heb­li­chen Rück­fall­ge­fahr aus­ge­gan­gen wird und außer­dem, für Tätig­kei­ten mit Kin­dern re­le­vant, Männer mit pädo­phi­len Nei­gun­gen oft ge­zielt nach Beschäfti­gun­gen mit Kon­takt zu Kin­dern und Ju­gend­li­chen su­chen, be­steht ein er­heb­li­ches In­ter­es­se dar­an, der­art ein­schlägig Be­straf­te nicht in Be­rei­chen ein­zu­stel­len, in de­nen sie Kon­takt zu Kin­dern und Ju­gend­li­chen ha­ben. Bis­her hat­ten Ar­beit­ge­ber aber kei­ne Möglich­keit, von ein­schlägi­gen Stra­fen (bis auf die aus­nahms­wei­se den­noch in das Führungs­zeug­nis auf­zu­neh­men­den Ta­ten) zu er­fah­ren, so­weit die­se sich „im un­te­ren Be­reich“ be­weg­ten und des­we­gen nicht im Führungs­zeug­nis er­schie­nen.

Er­wei­ter­tes Führungs­zeug­nis

Dies wur­de jetzt durch das Fünf­te Ge­setz zur Ände­rung des Bun­des­zen­tral­re­gis­ter­ge­set­zes vom 16.07.2009 geändert, das am 01.05.2010 in Kraft ge­tre­ten ist. Da­durch wird § 32 des Bun­des­zen­tral­re­gis­ter­ge­set­zes (BZRG), der re­gelt, wel­che Ver­ur­tei­lun­gen in das Führungs­zeug­nis auf­zu­neh­men sind, er­wei­tert: Al­le se­xu­al­straf­recht­li­chen Ver­ur­tei­lun­gen auch im nied­ri­gen Straf­be­reich sol­len künf­tig in ein so ge­nann­tes „Er­wei­ter­tes Führungs­zeug­nis“ auf­ge­nom­men wer­den, al­so z.B. auch Ver­ur­tei­lun­gen we­gen ex­hi­bi­tio­nis­ti­scher Hand­lun­gen (§ 183 Straf­ge­setz­buch) oder we­gen Be­sitz und Ver­brei­tung von Kin­der­por­no­gra­phie (§ 184b Straf­ge­setz­buch).

Das er­wei­ter­te Führungs­zeug­nis kann nach dem durch das Ge­setz neu ein­geführ­ten § 30a BZRG für al­le Tätig­kei­ten ver­langt wer­den kann, bei de­nen Ar­beit­neh­mer Kon­takt zu Kin­dern und Ju­gend­li­chen ha­ben: Et­wa Tätig­kei­ten in Schu­len und Kin­dergärten oder Tätig­kei­ten als Schul­bus­fah­rer oder Ba­de­meis­ter. Das sel­be soll bei eh­ren­amt­li­chen Tätig­kei­ten in die­sen Be­rei­chen gel­ten.

Fa­zit: Für Tätig­kei­ten, in de­nen Ar­beit­neh­mer Kon­takt zu Kin­dern oder Ju­gend­li­chen ha­ben, darf vom Ar­beit­ge­ber ein „er­wei­ter­tes Führungs­zeug­nis“ ver­langt wer­den. Vor­aus­sicht­lich wer­den die meis­ten Ar­beit­ge­ber hier­von Ge­brauch ma­chen. In Zu­kunft dürf­te des­halb na­he­zu aus­ge­schlos­sen sein, dass we­gen Se­xu­al­straf­ta­ten be­reits Be­straf­te für die­se Tätig­kei­ten ein­ge­stellt wer­den.

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Letzte Überarbeitung: 29. Juni 2019

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