19.08.2005. Immer mehr Arbeitnehmer nutzen das Internet vom Arbeitsplatz aus auch zu privaten Zwecken. Arbeitgeber drücken in den meisten Fällen ein Auge zu, da die Vorteile der betrieblichen Internetnutzung auch bei kleineren "Privatausflügen" der Arbeitnehmer ins World Wide Web deutlich überwiegen.
Daher kommen immer öfter Fälle vor die Arbeitsgerichte, in denen über die Wirksamkeit - meist fristloser - verhaltensbedingter Kündigungen wegen einer angeblich generell verbotenen und/oder zu zeitintensiven Internetnutzung gestritten wird.
Ob eine Nutzung des Internets in einem zeitlich erheblichen Umfang unter Abruf von Seiten mit pornographischen Inhalten eine fristlose Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen rechtfertigt, hatte vor kurzem das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden: BAG, Urteil vom 07.07.2005, 2 AZR 581/04 .
Das private Surfen am Arbeitsplatz führt zu ähnlichen rechtlichen Fragen wie die vor vielen Jahren von den Arbeitsgerichten entschiedenen Fällen privater Nutzung des Telefons während der Arbeitszeit.
Im Allgemeinen gilt hier: Der Arbeitgeber muss die private Nutzung von Diensttelefonen und/oder von Internetzugängen während der Arbeitszeit ausdrücklich verbieten und etwaige Verstöße gegen ein solches Verbot ggf. sogar zusätzlich abmahnen, da eine (fristlose) Kündigung als Reaktion auf Privattelefonate und/oder privates Surfen ansonsten "unverhältnismäßig" wäre.
Eine Ausnahme von dieser Regel gilt allerdings für Fälle, in denen
für den Arbeitnehmer ohne weiters klar sein muss, dass eine Internetnutzung einen gravierenden Vertragsverstoß darstellt. Fraglich ist dabei immer wieder, ob ein solcher (Ausnahme-)Fall vorliegt oder nicht.
Im Einzelfall stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob der Arbeitgeber die rechtliche Möglichkeit hat, einem Arbeitnehmer auch ohne ein allgemeines Verbot privater Internetnutzung und ohne diesbezügliche Abmahnungen wegen zu lange dauernder privater Internetnutzung und/oder wegen der Begleitumstände einer solchen Internetnutzung (fristlos) aus verhaltensbedingten Gründen zu kündigen.
Der Kläger arbeitete seit 1985 als Schichtführer mit Aufsichtsfunktionen bei dem beklagten Arbeitgeber, der eine Chemische Fabrik betreibt. Der Kläger arbeitete in Wechselschicht mit einer Pausenzeit von einer Stunde je 12-Stunden-Schicht.
Im Jahre 2002 schaltete der Beklagte den Zugang zum Internet für den Betrieb frei. Aufgrund eines erheblichen Anstiegs der Internetkosten stellte der werkseigene Ermittlungsdienst fest, dass von September bis November 2002 von den Schichtführerzimmern aus regelmäßig auf Internetseiten mit pornographischem Inhalt zugegriffen worden war.
Der Beklagte warf dem Kläger eine private Nutzung des Internets in dem genannten Zeitraum von insgesamt 18 Stunden vor, wobei nach seinen Ermittlungen 5 Stunden für ein Surfen auf pornographische Seiten entfielen.
Mit Schreiben vom 20.12.2002 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.03.2003. Im dem daraufhin angestrengten Kündigungsschutzprozess gab der Kläger Zugriffe auf das Internet - auch während der Arbeitszeit - zu, wobei er zu seiner Entlastung anführte, dass er das Internet höchstens für ca. 5 bis 5,5 Stunden privat genutzt habe. Davon wiederum habe er allenfalls 55 bis 70 Minuten Seiten mit pornographischem Inhalt aufgerufen.
Außerdem gab der Kläger an, er habe von dem Verbot der Beklagten, auf Internetseiten mit pornographischem Inhalt zuzugreifen sowie von entsprechenden Warnhinweisen, die automatisch bei Aufrufen bestimmter Webseiten in der EDV des Beklagten erscheinen, keine Kenntnis gehabt.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG) gaben der Klage statt, d.h. sie erklärten die Kündigung des Arbeitgebers für unwirksam.
Die Revision des Arbeitgebers hatte Erfolg, d.h. das BAG gab - anders als die Vorinstanzen - dem Arbeitgeber recht.
Dabei hob das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des LAG auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das LAG. Das LAG hat aufgrund dieser Zurückverweisung aufzuklären,
Bei dieser Gelegenheit gab das BAG dem LAG "mit auf den Weg", dass je nach dem Gewicht der vom LAG aufzulärenden Pflichtverletzungen zu prüfen sei, ob vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich war und ob unter Berücksichtigung der langen Dauer des Arbeitsverhältnisses und des möglicherweise nicht klaren Verbots der privaten Internetnutzung eine Kündigung unverhältnismäßig war.
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts verletzt der Arbeitnehmer mit einer zeitlich sehr intensiven Privatnutzung des Internets während der Arbeitszeit seine arbeitsvertraglichen Pflichten auch dann, wenn der Arbeitgeber die Privatnutzung nicht ausdrücklich verboten hat.
Das soll beispielsweise auch dann gelten, wenn der Arbeitnehmer auf Internetseiten mit pornographischem Inhalt zugreift. Diese Pflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses sein. Ob die Kündigung in einem solchen Fall im Ergebnis wirksam ist, ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts auf Grund einer Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls festzustellen.
Im vorliegenden Fall hatte der gekündigte Arbeitnehmer vor dem Bundesarbeitsgericht wohl deshalb keinen Erfolg, weil er als Schichtführer eine gesteigerte Verantwortung für die von ihm zu beaufsichtigenden Kontrollapparate hatte.
Die Tatsache, dass der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit stundenlang dem Arbeitgeber die vertraglich geschuldete Aufmerksamkeit vorenthielt und statt Kontrollapparate Webseiten betrachtete, wog aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts anscheinend schwer genug, um eine fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung für möglich zu halten.
Mit dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht allerdings den Arbeitgebern keinen Freibrief dafür erteilt, privates Internetsurfen generell ohne vorherige Abmahnung mit einer verhaltensbedingten (fristlosen) Kündigung zu ahnden. Im allgemeinen sind vielmehr nach wie vor ein ausdrückliches Verbot der Internetnutzung und/oder eine Abmahnung erforderlich.
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