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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/060

Be­för­de­rung auf Pro­be

Kei­ne vor­läu­fi­ge Be­för­de­rung auf­grund ei­ner Pro­be­zeit­klau­sel: Lan­des­ar­beits­ge­richt Mün­chen, Ur­teil vom 17.12.2009, 3 Sa 644/09
Stempelabdruck auf Papier WIDERRUFEN, Holzstempel We­der Fleisch noch Fisch: Vor­ge­setz­ter "auf Pro­be""

26.03.2010. Wer neu ein­ge­stellt wird, kann bei Ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit in­ner­halb von zwei Wo­chen ge­kün­digt wer­den (§ 622 Abs. 3 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch).

Ei­ne "Be­för­de­rung auf Pro­be" gibt es da­ge­gen nicht. Der Ver­such, ei­ne wirk­sa­me Klau­sel in den Ar­beits­ver­trag auf­zu­neh­men, die si­cher­stel­len soll, dass die Be­för­de­rung im ers­ten hal­ben Jahr un­pro­ble­ma­tisch rück­gän­gig ge­macht wer­den kann, miss­glückt des­halb oft­mals.

Dies zeigt auch die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Mün­chen: LAG Mün­chen, Ur­teil vom 17.12.2009, 3 Sa 644/09.

Beförde­rung auf Pro­be

Wird ein Ar­beit­neh­mer ein­ge­stellt, sind bei­de Ver­trags­par­tei­en oft dar­an in­ter­es­siert, zunächst „er­geb­nis­of­fen“ her­aus­zu­fin­den, ob der Ar­beit­neh­mer der Tätig­keit ge­wach­sen ist, ob sie ihm liegt und ob Ar­beit­neh­mer, Ar­beit­ge­ber und die übri­gen Beschäftig­ten „zu­ein­an­der pas­sen“.

Das Ge­setz eröff­net da­her die Möglich­keit, im Rah­men ei­nes „nor­ma­len“ bzw. un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses ei­ne Pro­be­zeit bis zur Dau­er von sechs Mo­na­ten zu ver­ein­ba­ren. Während ei­ner sol­chen Pro­be­zeit ist die Kündi­gungs­frist für bei­de Ver­trags­par­tei­en auf zwei Wo­chen verkürzt, § 622 Abs. 3 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB).

Der Verkürzung der Kündi­gungs­frist in­fol­ge ei­ner Pro­be­zeit ent­spricht, dass gemäß § 1 Abs. 1 Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) Ar­beit­neh­mer während der ers­ten sechs Mo­na­te ih­rer Beschäfti­gung kei­nen all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schutz ge­nießen. Während ei­ner sechs­mo­na­ti­gen Pro­be­zeit kann der Ar­beit­ge­ber da­her mit verkürz­ter Frist kündi­gen und braucht hierfür kei­nen Kündi­gungs­grund im Sin­ne von § 1 KSchG.

Eben­so wie bei ei­ner Neu­ein­stel­lung be­steht das Bedürf­nis nach ei­ner Er­pro­bung, wenn ein Ar­beit­neh­mer befördert wer­den soll. Da­her wer­den Beförde­run­gen oft in der ei­nen oder an­de­ren Wei­se „auf Pro­be“ ver­ein­bart. In die­sem Fall dient die „Pro­be­zeit“ da­zu, den Ar­beit­neh­mer un­kom­pli­ziert und mit kur­zer Frist wie­der auf sei­ne al­te Stel­le zu ver­set­zen, wenn er sich in sei­nem neu­en Auf­ga­ben­be­reich nicht bewähren soll­te.

Ar­beits­recht­lich ist ei­ne „Beförde­rung auf Pro­be“ al­ler­dings schwer um­zu­set­zen. Der Ar­beit­ge­ber kann auf­grund des be­reits seit länge­rem be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses we­der Kündi­gungs­fris­ten verkürzen noch ist ei­ne Ände­rungskündi­gung nach ein­mal er­folg­ter Beförde­rung und da­mit ein­her­ge­hen­der Ver­tragsände­rung möglich, oh­ne dass dafür ein Grund im Sin­ne des § 1 Abs. 2 bzw. des § 2 KSchG ge­ge­ben wäre.

Vor die­sem recht­li­chen Hin­ter­grund wer­den in der Pra­xis ver­schie­de­ne We­ge ein­ge­schla­gen, wenn es dar­um geht, ei­ne „Beförde­rung auf Pro­be“ recht­lich um­zu­set­zen.

In Be­tracht kommt die Ver­ein­ba­rung ei­nes Wi­der­rufs­vor­be­hal­tes, der es dem Ar­beit­ge­ber ermögli­chen soll, die ver­ein­bar­te Beförde­rung in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten Zeit zu wi­der­ru­fen. Nach­tei­lig an die­sem Weg ist aus Ar­beit­ge­ber­sicht, dass die Wi­der­rufs­gründe in dem Wi­der­rufs­vor­be­halt klar be­nannt sein müssen, da an­sons­ten die Un­wirk­sam­keit des Wi­der­rufs­vor­be­halts droht, und dass im Fal­le ei­ner späte­ren Erklärung des Wi­der­rufs die im Vor­be­halt ge­nann­ten Gründe auch tatsächlich vor­lie­gen müssen (worüber man strei­ten kann).

Ei­ne an­de­re Möglich­keit, die von den Par­tei­en ge­woll­te „Beförde­rung auf Pro­be“ recht­lich ein­zu­fan­gen, be­steht dar­in, die Ände­rung der Ar­beits­auf­ga­ben und der Ge­halts­erhöhung von vorn­her­ein zu be­fris­ten. Ei­ne sol­che Be­fris­tung ein­zel­ner Ver­trags­be­stand­tei­le ist recht­lich zulässig und hat ge­genüber dem Wi­der­rufs­vor­be­halt den Vor­teil der Rechts­si­cher­heit, da ei­ne sol­che Teil­be­fris­tung in der Re­gel wirk­sam ist. Der Nach­teil ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung be­steht al­ler­dings dar­in, dass sie den von den Par­tei­en nicht ge­woll­ten „schlech­ten Fall“ (die Nicht-Bewährung) als Nor­mal­fall zu­grun­de­legt. Im bei­der­seits gewünsch­ten Fall der Bewährung ist da­her er­neut über den Ver­trag zu spre­chen.

Sch­ließlich könn­te man dar­an den­ken, die „Beförde­rung auf Pro­be“ eben­so wie ei­ne zu Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­trof­fe­ne Pro­be­zeit­ver­ein­ba­rung zu ge­stal­ten, d.h. dem Ar­beit­ge­ber ein Kündi­gungs­recht zu­zu­ge­ste­hen. Über ei­ne sol­che Ge­stal­tung hat­te vor kur­zem das Lan­des­ar­beits­ge­richt München zu ent­schei­den (Ur­teil vom 17.12.2009, 3 Sa 644/09).

Der Fall des Lan­des­ar­beits­ge­richts München: Klau­sel läßt "Pro­be­zeitkündi­gung" in den ers­ten sechs Mo­na­ten der Beförde­rung zu

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer war seit 2006 bei dem be­klag­ten Ar­beit­ge­ber als Flug­zeug­ab­fer­ti­ger beschäftigt. Im Ju­li 2008 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ei­ne Ver­tragsände­rung, der zu­fol­ge der Ar­beit­neh­mer zum bes­ser be­zahl­ten Leis­tungs­dis­po­nen­ten befördert wur­de, wo­bei an­sons­ten die bis­he­ri­gen Re­ge­lun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges wei­ter gel­ten soll­ten.

In der Ver­tragsände­rung wur­de zu­dem ei­ne „in­ter­ne Pro­be­zeit“ für die neue Stel­le ver­ein­bart. Während die­ser Pro­be­zeit soll­te der Ar­beit­ge­ber da­zu be­rech­tigt sein, den Ar­beit­neh­mer mit ei­ner Frist von zwei Wo­chen zu kündi­gen. Im Fal­le ei­ner sol­chen Kündi­gung soll­ten die zu­vor gel­ten­den al­ten Ar­beits­be­din­gun­gen wie­der auf­le­ben.

Im Fol­gen­den ar­bei­te­te der Ar­beit­neh­mer zunächst wie ver­ein­bart als Leis­tungs­dis­po­nent, doch erklärte der Ar­beit­ge­ber dann während der ver­ein­bar­ten Pro­be­zeit - oh­ne Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats - die Kündi­gung der Beförde­rung zum 23.01.2009, da er mit den Leis­tun­gen des Ar­beit­neh­mers auf der Beförde­rungs­stel­le un­zu­frie­den war. Den Be­triebs­rat hörte er nur zu der Ver­set­zung des Ar­beit­neh­mers an, die mit der Rück­kehr des Ar­beit­neh­mers auf sei­nen al­ten Ar­beits­platz ver­bun­den war.

Der Ar­beit­neh­mer zog dar­auf­hin vor das Ar­beits­ge­richt München und be­an­trag­te die Fest­stel­lung, dass die „Pro­be­zeitkündi­gung“ un­wirk­sam sei. Das Ar­beits­ge­richt gab ihm recht, weil es in der Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers ei­ne un­zulässi­ge Teilkündi­gung und ei­ne un­zulässi­ge Um­ge­hung der Kündi­gungs­schutz­be­stim­mun­gen sah (Ur­teil vom 29.06.2009, 4 Ca 1090/09).

Da­ge­gen leg­te der Ar­beit­ge­ber Be­ru­fung bei dem LAG München ein.

Lan­des­ar­beits­ge­richt München: Klau­sel un­wirk­sam

Auch das LAG München gab dem Ar­beit­neh­mer recht und hielt die „Pro­be­zeitkündi­gung“ für un­wirk­sam. Es ver­pflich­te­te den Ar­beit­ge­ber da­her, den Ar­beit­neh­mer wei­ter­hin als Leis­tungs­dis­po­nen­ten ein­zu­set­zen.

Wie das Ar­beits­ge­richt sah das LAG in der „Pro­be­zeitkündi­gung“ ei­ne un­zulässi­ge Teilkündi­gung, weil sie durch die Ände­rung ein­zel­ner Ver­trags­be­stand­tei­le in das Gefüge des Ar­beits­ver­trags ein­greift. Ent­schei­dend war da­bei für das LAG, dass die Rückgängig­ma­chung der Beförde­rung nicht nur ei­ne Ne­ben­be­stim­mung des Ar­beits­ver­tra­ges be­traf, son­dern den Kern­be­reich des Ar­beits­verhält­nis­ses, da die zu er­brin­gen­de Tätig­keit bzw. die Haupt­pflicht des Ar­beit­neh­mers ein­sei­tig geändert wur­de.

Bei ei­ner der­art er­heb­li­chen Ver­tragsände­rung muss sich der Ar­beit­ge­ber, so das LAG, an die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Ände­rungskündi­gung nach § 2 KSchG hal­ten. Des­sen Vor­aus­set­zun­gen la­gen hier nicht vor. Da­her stell­te die ver­trag­lich ver­ein­bar­te „Pro­be­zeit­klau­sel“ nach Auf­fas­sung des Ge­richts ei­ne un­zulässi­ge Um­ge­hung der zwin­gen­den ge­setz­li­chen Kündi­gungs­schutz­vor­schrif­ten dar.

Auf die von der Recht­spre­chung auf­ge­stell­te Re­gel, dass der Wi­der­ruf von Ver­trags­be­stand­tei­len durch den Ar­beit­ge­ber nur dann un­zulässig in den Kern­be­reich des Ar­beits­verhält­nis­ses ein­greift, wenn sich die Vergütung des Ar­beit­neh­mers um mehr als 25 Pro­zent ver­min­dert, kam es da­her nach Auf­fas­sung des LAG im vor­lie­gen­den Fall nicht an.

Ergänzend stell­te das LAG klar, dass die „Pro­be­zeit­klau­sel“ auch des­halb un­wirk­sam war, weil sie als vom Ar­beit­ge­ber ge­stell­te All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung (AGB) nicht den An­for­de­run­gen der §§ 305 ff. BGB ent­sprach. In der hier ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung sah das Ge­richt ei­nen den Ar­beit­neh­mer un­zu­mut­bar be­las­ten­den Ände­rungs­vor­be­halt im Sin­ne von § 308 Nr.4 BGB.

We­sent­lich war hier für das Ge­richt, dass der Wi­der­ruf der Beförde­rung oh­ne kon­kre­te und für den Ar­beit­neh­mer er­kenn­ba­re Vor­aus­set­zun­gen möglich sein soll­te. Aus der Ver­ein­ba­rung ei­ner „in­ter­nen Pro­be­zeit“ las­se sich nur va­ge ent­neh­men, dass es auf die Leis­tung und even­tu­ell auf das Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers an­kom­men soll. Da­mit sind aber die Maßstäbe für die Be­ur­tei­lung der Leis­tun­gen des beförder­ten Ar­beit­neh­mers nicht ein­mal an­satz­wei­se er­kenn­bar. Der Ar­beit­neh­mer kann dem­zu­fol­ge, so das LAG, nicht er­ken­nen, un­ter wel­chen Umständen sei­ne Beförde­rung rückgängig ge­macht wer­den soll.

Fa­zit: Der hier gewähl­te Weg ei­ner Beförde­rung mit ein­sei­ti­gem Pro­be­zeitkündi­gungs­recht des Ar­beit­ge­bers ist nicht gang­bar. In Be­tracht kommt, wie oben erwähnt, nur der Wi­der­rufs­vor­be­halt oder ei­ne Be­fris­tung der Beförde­rung.

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Letzte Überarbeitung: 23. Januar 2014

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