HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/184

Gel­dent­schä­di­gung we­gen aus­län­der­feind­li­cher Pa­ro­len

Kei­ne Gel­dent­schä­di­gung we­gen aus­län­der­feind­li­cher Pa­ro­len wenn Ar­beit­ge­ber kei­ne Kennt­nis von der Si­tua­ti­on hat: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 24.09.2009, 8 AZR 705/08
Haf­ten Ar­beit­ge­ber für Toi­let­ten­schmie­re­rei­en?

08.10.2009. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung klar­ge­stellt, dass ein An­spruch auf Gel­dent­schä­di­gung ge­mäß den Vor­schrif­ten des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG) we­gen ei­ner aus­län­der­feind­li­chen "Be­läs­ti­gung" nur bei sys­te­ma­tisch ver­üb­ter Dis­kri­mi­nie­rung be­steht.

Da­bei ging es um die Fra­ge, ob bzw. un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen aus­län­der­feind­li­che Toi­let­ten­schmie­re­rei­en als Be­läs­ti­gung an­zu­se­hen sind.

Des Wei­te­ren ging es dar­um, wann der rich­ti­ge Zeit­punkt für die Gel­tend­ma­chung ei­ner Ent­schä­di­gungs­zah­lung ist: BAG, Ur­teil vom 24.09.2009, 8 AZR 705/08.

Scha­dens­er­satz bei Dis­kri­mi­nie­rung: Haf­tung des Ar­beit­ge­bers

Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) dient dem Schutz der Ar­beit­neh­mer vor Dis­kri­mi­nie­run­gen. Da­zu zählt der Ge­setz­ge­ber auch „Belästi­gun­gen“, wenn sie auf­grund be­stimm­ter Merk­ma­le wie et­wa Al­ter, Her­kunft, Re­li­gi­on oder Ge­schlecht er­fol­gen (§ 1 AGG).

Die An­for­de­run­gen, die an ei­ne „Belästi­gung“ ge­stellt wer­den, sind nach der Ge­set­zes­fas­sung hoch. Er­for­der­lich ist gemäß § 3 Abs. 3 AGG ei­ne sys­te­ma­ti­sche An­fein­dung am Ar­beits­platz, die be­zweckt oder be­wirkt, dass die Würde der be­tref­fen­den Per­son ver­letzt wird und ein von Einschüchte­run­gen, An­fein­dun­gen, Er­nied­ri­gun­gen, Entwürdi­gun­gen oder Be­lei­di­gun­gen ge­kenn­zeich­ne­tes Um­feld ge­schaf­fen wird.

Sind die­se Vor­aus­set­zun­gen erfüllt, kann der be­trof­fe­ne bzw. dis­kri­mi­nier­te Ar­beit­neh­mer gemäß § 15 Abs.2 AGG ei­ne Gel­dentschädi­gung, al­so ei­ne Art „Schmer­zens­geld“, vom Ar­beit­ge­ber ver­lan­gen, wenn er oder ei­ne von ihm ein­ge­setz­te Führungs­kraft den Dis­kri­mi­nie­run­gen ta­ten­los zu­schaut. Ty­pi­scher­wei­se sind dies Fälle, in de­nen der Ar­beit­ge­ber ge­gen wie­der­hol­te An­fein­dun­gen nicht vor­geht. Ein­ma­li­ge Vorfälle über­schrei­ten die Gren­ze ei­ner Belästi­gung im Sin­ne des AGG nämlich nicht.

Frag­lich ist, wie ein­ma­li­ge, aber an­dau­ern­de Vorfälle (Dau­er­tat­bestände) zu be­han­deln sind und wann ein „ta­ten­lo­ses Zu­schau­en“ des Ar­beit­ge­bers ge­ge­ben ist. Mit die­sen Fra­gen be­fasst sich ein ak­tu­el­les Ur­teil des BAG vom 24.09.2009, 8 AZR 705/08, das der­zeit nur in Form ei­ner Pres­se­mel­dung vor­liegt (BAG-Pres­se­mit­tei­lung 97/09).

Scha­den­er­satz we­gen ausländer­feind­li­cher Be­schrif­tung in der Toi­let­te

Im Wa­ren­la­ger des be­klag­ten Ar­beit­neh­mers hat­ten Un­be­kann­te ein Ha­ken­kreuz und ras­sis­ti­sche Pa­ro­len an die Wand ge­schmiert, u.a. „Scheiß Ausländer, ihr Hu­rensöhne, Ausländer raus, ihr Ka­na­ken“. Vier türkischstämmi­ge Ar­beit­neh­mer fühl­ten sich da­von dis­kri­mi­niert und sa­hen hier­in ei­ne „Belästi­gung“ auf­grund ih­rer Her­kunft im Sin­ne des AGG.

Nach ih­ren An­ga­ben wur­de der Nie­der­las­sungs­lei­ter im Sep­tem­ber 2006 von den Pa­ro­len in­for­miert, un­ter­nahm je­doch nichts da­ge­gen, da „die Leu­te eben so den­ken würden“. Der Ar­beit­ge­ber meint da­ge­gen, er ha­be erst im März 2007 von den Schmie­re­rei­en er­fah­ren, die er An­fang April 2007 be­sei­ti­gen ließ.

Mit­te April 2007 ver­lang­ten die vier Ar­beit­neh­mer auf­grund der Vorfälle schrift­lich ei­ne Gel­dentschädi­gung von ih­rem Ar­beit­ge­ber. Da die­ser nicht zahl­te, ver­klag­ten sie ihn auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung in Höhe von 10.000 EUR pro Kopf.

So­wohl das Ar­beits­ge­richt Es­sen als auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Düssel­dorf (Ur­teil vom 18.06.2009, 7 Sa 383/08) wie­sen die Kla­ge ab.

Das LAG ver­trat die Auf­fas­sung, dass ei­ner­seits die Pa­ro­len auf zwei von fünf Her­ren­toi­let­ten nicht aus­reich­ten, um ei­ne „Belästi­gung“ dar­zu­stel­len, da dies mehr­fa­che sys­te­ma­tisch verübte und auf­ein­an­der auf­bau­en­de Hand­lun­gen vor­aus­set­ze. Außer­dem, so das LAG, hat­ten die Ar­beit­neh­mer den Ar­beit­ge­ber nicht recht­zei­tig schrift­lich auf­ge­for­dert, ih­nen ei­ne Entschädi­gung zu zah­len.

Denn § 15 Abs.4 AGG sieht dafür ei­ne Frist von zwei Mo­na­ten ab dem Vor­fall vor. Das LAG geht da­bei von der Dar­stel­lung der Ar­beit­neh­mer aus, dass der Ar­beit­ge­ber im Sep­tem­ber 2006 von den Vorfällen er­fah­ren und „ta­ten­los zu­ge­schaut“ hat­te. Da­nach hätte der Ar­beit­ge­ber zur Zah­lung ei­ner Entschädi­gung spätes­tens im No­vem­ber 2006 und nicht erst Mit­te März 2007 auf­ge­for­dert wer­den müssen.

BAG: Wer sich belästigt fühlt, muss so­fort et­was da­ge­gen tun

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ge­langt zum sel­ben Er­geb­nis wie die Vor­in­stan­zen, d.h. es lehnt ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch ab. So­weit der bis­her vor­lie­gen­den BAG-Pres­se­mit­tei­lung ent­nom­men wer­den kann, ähnelt auch die Be­gründung des BAG den Ur­teils­gründen der Vor­in­stan­zen.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ver­neint schon das Vor­lie­gen ei­ner „Belästi­gung“. Hier­bei ar­gu­men­tiert es aber nicht mit der An­zahl von Vorfällen. Viel­mehr liegt nach An­sicht des Bun­des­ar­beits­ge­richts nur dann ein feind­li­ches Um­feld vor, wenn der Ar­beit­ge­ber von Überg­rif­fen weiß und nichts da­ge­gen un­ter­nimmt. Das war aber zwi­schen den vier Ar­beit­neh­mern und dem Ar­beit­ge­ber ge­ra­de um­strit­ten. Letzt­lich konn­ten die vier kla­gen­den Ar­beit­neh­mer vor Ge­richt nicht be­wei­sen, dass ihr Vor­ge­setz­ter schon 2006 von den Vorfällen er­fah­ren hat­te und nichts un­ter­nahm.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt folgt dem Lan­des­ar­beits­ge­richt außer­dem dar­in, dass die vier Ar­beit­neh­mer den Ar­beit­ge­ber zu spät zur Zah­lung ei­ner Entschädi­gung auf­for­der­ten. In die­sem Punkt geht das BAG of­fen­bar von der Kennt­nis und In­ak­ti­vität des Ar­beit­ge­bers im Sep­tem­ber 2006 und so­mit dem Ver­fall der Ansprüche im No­vem­ber 2006 aus. Fa­zit: Bei dis­kri­mi­nie­ren­den Belästi­gun­gen im Sin­ne von § 3 Abs.3 AGG kommt es aus zwei Gründen ent­schei­dend auf den Zeit­punkt der Un­ter­rich­tung des Ar­beit­ge­bers bzw. des ihn re­präsen­tie­ren­den Vor­ge­setz­ten an:

Ers­tens zeich­net sich in der Recht­spre­chung die Ten­denz ab, dass für ei­ne Belästi­gung im Rechts­sin­ne er­for­der­li­che dis­kri­mi­nie­ren­de „Um­feld“ nur dann an­zu­neh­men, wenn auch der Ar­beit­ge­ber bzw. sei­ne Re­präsen­tan­ten dem Kes­sel­trei­ben ta­ten­los zu­se­hen, d.h. die Untätig­keit des Ar­beit­ge­bers in Kennt­nis der Si­tua­ti­on ist ele­men­ta­rer Be­stand­teil ei­ner sys­te­ma­ti­schen Dis­kri­mi­nie­rung bzw. „Belästi­gung“.

Und zwei­tens tickt ab dem Zeit­punkt der Un­ter­rich­tung des Ar­beit­ge­bers bzw. des Vor­ge­setz­ten durch den Be­trof­fe­nen die Uhr, d.h. es läuft die Aus­schluss­frist des § 15 Abs.4 AGG. Ab dem Zeit­punkt der Un­ter­rich­tung des Ar­beit­ge­bers durch den Be­trof­fe­nen hat die­ser nämlich Kennt­nis von sei­ner Be­nach­tei­li­gung (da ihm dann nämlich die be­wuss­te Untätig­keit des Ar­beit­ge­bers be­kannt ist).

Auch der Be­triebs­rat soll­te auf­grund sei­ner ihm von § 17 Abs.1 AGG zu­ge­wie­se­nen Ver­ant­wor­tung ausländer­feind­li­che Pa­ro­len um­ge­hend dem Ar­beit­ge­ber mel­den. Un­ter­nimmt die­ser nichts, kann dies da­zu führen, dass ei­ne Belästi­gung im Sin­ne von § 3 Abs.3 AGG vor­liegt. Der Be­triebs­rat kann da­her durch ei­ne ziel­ge­rich­te­te In­for­ma­ti­on des Ar­beit­ge­bers dar­an mit­wir­ken, dass die­ser „bösgläubig“ ge­macht wird und han­deln muss, will er der Pflicht zur Zah­lung ei­ner Gel­dentschädi­gung ent­ge­hen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de