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ARBEITSRECHT AKTUELL // 08/098

Neue Un­ter­rich­tungs­pflich­ten bei Un­ter­neh­mens­über­nah­men

Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter müs­sen künf­tig über Un­ter­neh­mens­käu­fer in­for­miert wer­den: Ge­setz zur Be­gren­zung der mit Fi­nanz­in­ves­ti­tio­nen ver­bun­de­nen Ri­si­ken (Ri­si­ko­be­gren­zungs­ge­setz), vom 18.08.2008, BGBl. I, S.1666
Sitzung des Betriebsrats, Betriebsratsversammlung Ver­än­de­run­gen bei den An­teils­eig­nern sind künf­tig ein The­ma für be­trieb­li­che Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tun­gen

22.09.2008. Das vor kur­zem be­schlos­se­ne "Ri­si­ko­be­gren­zungs­ge­setz" be­inhal­tet auch ei­ni­ge Än­de­run­gen im Be­reich der wirt­schaft­li­chen Mit­be­stim­mung.

Künf­tig ist der Wirt­schafts­aus­schuss über die Über­nah­me des Un­ter­neh­mens zu in­for­mie­ren, falls mit dem Kauf der "Er­werb der Kon­trol­le" ver­bun­den ist.

Das folgt aus ei­ner neu in das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) ein­ge­füg­ten Vor­schrift (§ 106 Abs.3 Nr.9a Be­trVG neue Fas­sung).

Die Ge­set­zes­än­de­rung ist Teil ei­nes um­fas­sen­de­ren Ver­suchs, die mit Fi­nanz­in­ves­ti­tio­nen ver­bun­de­nen Ri­si­ken zu be­gren­zen: Ge­setz zur Be­gren­zung der mit Fi­nanz­in­ves­ti­tio­nen ver­bun­de­nen Ri­si­ken (Ri­si­ko­be­gren­zungs­ge­setz), vom 18.08.2008, BGBl. I, S.1666.

Geht ein Be­trieb oder Be­triebs­teil auf ei­nen neu­en In­ha­ber über, rückt die­ser kraft Ge­set­zes in die Ar­beits­verhält­nis­se als neu­er Ar­beit­ge­ber ein (§ 613a Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch – BGB). Auf­grund des­sen be­steht die Pflicht zur vor­he­ri­gen Un­ter­rich­tung der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer (§ 613a Abs.5 BGB). Wird hin­ge­gen das Un­ter­neh­men, al­so zum Bei­spiel ei­ne den Be­trieb führen­de GmbH oder AG, an ei­nen neu­en In­ha­ber veräußert oder er­wirbt ein In­ves­tor Ge­sell­schafts­an­tei­le, ändert sich die Per­son des Ar­beit­ge­bers nicht: Ar­beit­ge­ber ist nach wie vor die­sel­be GmbH bzw. AG, nur dass die­se nun­mehr ei­nen neu­en (Mit-)Ei­gentümer hat.

Bei Un­ter­neh­mensüber­nah­men be­stand bis­lang nur dann die Pflicht zur In­for­ma­ti­on der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer bzw. ih­rer be­trieb­li­chen In­ter­es­sen­ver­tre­tung, wenn börsen­no­tier­te Un­ter­neh­men über­nom­men wer­den soll­ten: Gemäß §§ 10, 11 und 14 Abs.4 des Wert­pa­pie­rer­werbs- und Über­nah­me­ge­set­zes (WpÜG) hat der Bie­ter An­ge­bots­un­ter­la­gen zu er­stel­len und zu veröffent­li­chen. Dar­in hat er un­ter an­de­rem An­ga­ben über sei­ne Ab­sich­ten bezüglich der künf­ti­gen Geschäftstätig­keit des zu er­wer­ben­den Un­ter­neh­mens zu ma­chen. Die An­ge­bots­un­ter­la­gen wie­der­um sind dem Be­triebs­rat des zu kau­fen­den Un­ter­neh­mens von des­sen Vor­stand zu über­mit­teln (§ 14 Abs.4 WpÜG).

Da das WpÜG für mit­telständi­sche, nicht börsen­no­tier­te Un­ter­neh­men nicht gilt, hat­ten Be­triebs­rat und Wirt­schafts­aus­schuss bis­lang kein Recht zur In­for­ma­ti­on über ei­nen ge­plan­ten Kauf von An­tei­len an „ih­rem“ Un­ter­neh­men. Le­dig­lich der vollständi­ge Über­gang des ge­sam­ten Un­ter­neh­mens bzw. der Ver­kauf sämt­li­cher An­tei­le wa­ren dem Wirt­schafts­aus­schuss mit­zu­tei­len, da die­ser Vor­gang nach der Recht­spre­chung un­ter die Ge­ne­ral­klau­sel des § 106 Abs.3 Nr.10 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) fällt. Nach § 106 Abs.3 Nr.10 Be­trVG gehören zu den wirt­schaft­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten, über die der Wirt­schafts­aus­schuss un­ter Vor­la­ge der er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen zu in­for­mie­ren ist, „sons­ti­ge Vorgänge und Vor­ha­ben, wel­che die In­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer des Un­ter­neh­mens we­sent­lich berühren können“.

Mit dem Ziel, die Schlech­ter­stel­lung der Ar­beit­neh­mer nicht börsen­no­tier­ter Un­ter­neh­men ge­genüber börsen­no­tier­ten zu be­sei­ti­gen, hat der Ge­setz­ge­ber mit dem Ge­setz zur Be­gren­zung der mit Fi­nanz­in­ves­ti­tio­nen ver­bun­de­nen Ri­si­ken (Ri­si­ko­be­gren­zungs­ge­setz) neue Un­ter­rich­tungs­pflich­ten bei Un­ter­neh­mensüber­nah­men in das Be­trVG ein­gefügt: Gemäß der neu in § 106 Abs.3 Be­trVG ein­gefügten Nr.9a gehört nun­mehr auch „die Über­nah­me des Un­ter­neh­mens“ zu den in­for­ma­ti­ons­pflich­ti­gen wirt­schaft­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten, dies al­ler­dings nur dann, „wenn hier­mit der Er­werb der Kon­trol­le ver­bun­den ist“.

Steht ein sol­cher Kon­troll­er­werb ins Haus, ha­ben der „Un­ter­neh­mer“ im Sin­ne des § 106 Be­trVG bzw. die Lei­tungs­or­ga­ne des zu kau­fen­den (Ziel-)Un­ter­neh­mens den Wirt­schafts­aus­schuss nach dem eben­falls neu in § 106 Be­trVG ein­gefügten Abs.2 Satz 2 un­ter Vor­la­ge von Un­ter­la­gen (so­weit sol­che vor­han­den sind) über den Er­wer­ber zu in­for­mie­ren so­wie über des­sen „Ab­sich­ten im Hin­blick auf die künf­ti­ge Geschäftstätig­keit des Un­ter­neh­mens so­wie die sich dar­aus er­ge­ben­den Aus­wir­kun­gen auf die Ar­beit­neh­mer“ (§ 106 Abs.2 Satz 2 Be­trVG neue Fas­sung). Hier­bei fragt sich al­ler­dings, wie die Lei­tungs­or­ga­ne des zu kau­fen­den Un­ter­neh­mens an In­for­ma­tio­nen über sol­che auf sei­ten des Käufers ge­heg­ten Ab­sich­ten her­an­kom­men sol­len. Ei­ne Rechts­pflicht des Un­ter­neh­menskäufers zur Preis­ga­be sol­cher In­for­ma­tio­nen be­steht bis­lang im All­ge­mei­nen nicht (bzw. nur im An­wen­dungs­be­reich des WpÜG) und wur­de auch durch das Ri­si­ko­be­gren­zungs­ge­setz nicht ge­schaf­fen.

Sch­ließlich fügt das Ri­si­ko­be­gren­zungs­ge­setz ei­nen neu­en § 109a in das Be­trVG ein. Nach die­ser Vor­schrift ist in Un­ter­neh­men, in de­nen kein Wirt­schafts­aus­schuss be­steht, im Fal­le ei­nes Un­ter­neh­mens­kaufs bzw. in dem Fall des § 106 Abs.3 Nr.9a Be­trVG der Be­triebs­rat an­stel­le des (nicht be­ste­hen­den) Wirt­schafts­aus­schus­ses zu in­for­mie­ren. Da ein Wirt­schafts­aus­schuss gemäß § 106 Abs.1 Be­trVG in al­len Un­ter­neh­men mit in der Re­gel mehr als ein­hun­dert ständig beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern zu bil­den ist, ist der An­wen­dungs­be­reich des neu­en § 109a Be­trVG prak­tisch auf Be­trie­be mit bis zu 100 Ar­beit­neh­mern be­schränkt.

Kri­tisch zu § 109a Be­trVG als Son­der­re­ge­lung für den Un­ter­neh­mens­kauf ist an­zu­mer­ken, dass die hier ge­re­gel­te hilfs­wei­se Zuständig­keit des Be­triebs­rats in Be­trie­ben, in de­nen ein Wirt­schafts­aus­schuss nicht be­steht, nicht gut in das Be­trVG hin­ein­passt, da der Be­triebs­rat bei Nicht­be­ste­hen ei­nes Wirt­schafts­aus­schus­ses in den an­de­ren in § 109 Abs.3 auf­ge­lis­te­ten wirt­schaft­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten kei­ne In­for­ma­ti­ons­rech­te hat. Im Er­geb­nis muss der Be­triebs­rat in Be­trie­ben oh­ne Wirt­schafts­aus­schuss zwar über den Kon­troll­er­werb von Un­ter­neh­mens­an­tei­len in­for­miert wer­den, aber zum Bei­spiel nicht über die wirt­schaft­li­che und fi­nan­zi­el­le La­ge des Un­ter­neh­mens (§ 109 Abs.3 Nr.1 Be­trVG) oder über Ra­tio­na­li­sie­rungs­vor­ha­ben (§ 109 Abs.3 Nr.4 Be­trVG).

Das Ri­si­ko­be­gren­zungs­ge­setz ist in sei­nen we­sent­li­chen Tei­len und ins­be­son­de­re in sei­nen o.g., das Be­trVG be­tref­fen­den Pas­sa­gen am Ta­ge nach sei­ner Verkündung (18.08.2008), d.h. am 19.08.2008 in Kraft ge­tre­ten.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen zu die­sem Vor­gang fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 3. Januar 2014

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