19.10.2007. Gut zwei Wochen nach der rheinland-pfälzischen Gesetzesinitiative zum Mindestlohn im Bundesrat stellte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) vor, mit dem die sog. „Briefdienstleistungen“ als weitere Branche in das AEntG aufgenommen werden soll (Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, Entwurf der Bundesregierung vom 20.09.2007).
Das Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (kurz: „Arbeitnehmer-Entsendegesetz“ oder auch „AEntG“) schreibt ausländischen Unternehmen, die ihren Sitz in einem anderen EU-Staat als Deutschland haben und in Deutschland Dienstleistungen erbringen wollen, die Einhaltung bestimmter, in Deutschland geltender arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Mindeststandards vor.
Es verhindert damit den „Import“ ausländischer Dumping-Löhne bzw. Dumping-Arbeitsbedingungen. Das AEntG gilt bislang nur für Unternehmen der Baubranche sowie - aufgrund des Änderungsgesetzes vom 25.04.2007 (BGBl. I S.576) - für Unternehmen des Gebäudereinigerhandwerks.
Die nunmehr geplante zweite Änderung des AEntG erweitert den Kreis der an das Gesetz gebundenen Arbeitgeber um Unternehmen, die Briefdienstleistungen erbringen.
Damit ist laut Gesetzesbegründung das „Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Briefsendungen“ gemeint, nicht aber die Beförderung von Paketen oder das Austragen von Zeitungen. Die Notwendigkeit für eine Ausweitung des AEntG ergibt sich nach Ansicht der Entwurfverfasser durch das Auslaufen des Postmonopols am 01.01.2008. Dies soll angeblich ein verstärktes Hineindrängen ausländischer Dienstleistungsanbieter auf den deutschen Markt für Briefzustellungen zur Folge haben.
Der durch das AEntG bewirkte Schutz besteht gemäß § 1 Abs.1 Satz 1 AEntG (heute: § 3 AEntG) im Wesentlichen darin, dass ausländische Arbeitgeber deutsche, für allgemeinverbindlich erklärte Lohntarifverträge einhalten müssen. Daher wäre dieser gesetzliche Schutz und die jetzt geplante Änderung des AEntG sinnlos, wenn es solche allgemeinverbindlichen Tarifverträge nicht gäbe.
Als einen solchen Tarifvertrag hat die Bundesregierung den „Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne in der Branche Postdienste (TV Mindestlohn)“ ins Auge gefasst. Er wurde am 04.09.2007 zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste e.V. bzw. seinem dominierenden Mitglied, der Deutschen Post AG, und der ver.di ausgehandelt.
Dieser Tarifvertrag sieht einen Stundenlohn von 9,80 EUR (West) bzw. 9,00 EUR (Ost) für Briefzusteller vor. Er ist derzeit noch nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen für einen solchen Schritt überhaupt gegeben sind, ist derzeit umstritten.
Die Voraussetzungen für eine Allgemeinverbindlicherklärung bestehen gemäß § 5 Abs.1 Tarifvertragsgesetz (TVG) darin,
Das Quorum ist nach Ansicht der Befürworter einer Allgemeinverbindlicherklärung - insbesondere des Ministeriums für Arbeit und Soziales - kein Problem, beschäftigt die Deutsche Post AG doch etwa 80.000 und die nicht tarifgebundene private Konkurrenz nur etwa 60.000 festangestellte Arbeitnehmer. Rechnet man allerdings die Aushilfskräfte hinzu, könnten sich die Proportionen zulasten der Deutschen Post AG verschieben: Dann stünden möglicherweise 120.000 Beschäftigten bei der Post 210.000 bis - je nach Berechnung - 300.000 Beschäftigte bei den Postkonkurrenten gegenüber.
Sollte sich die Frage des Quorums im Sinne von Minister Müntefering klären lassen, dürfte der Allgemeinverbindlicherklärung des o.g. Posttarifvertrags (TV Mindestlohn) nichts mehr im Wege stehen, da das weiterhin erforderliche „öffentliche Interesse“ an verbindlichen Mindestlöhnen für Briefzustellungen von der Bundesregierung mit offizieller Einmütigkeit als gegeben angesehen wird.
Fazit: Sollte es zu einer Allgemeinverbindlicherklärung kommen, so wären die inländischen Konkurrenten der Post bereits aus diesem Grund an die im TV Mindestlohn festgeschriebenen Tariflöhne gebunden.
Die geplante Ausweitung des AEntG auf Briefdienstleistungen bewirkt darüber hinaus, dass eine solche rechtliche Bindung auch für ausländische Arbeitgeber eintreten würde.
Sollte die Allgemeinverbindlicherklärung hingegen am erforderlichen Quorum von 50 Prozent scheitern, wäre die Aufnahme der Briefdienstleistungen als weitere Branche in das AEntG wirkungslos. Theoretisch besteht zwar im Rahmen des AEntG, nämlich gemäß § 1 Abs.3a AEntG (heute: § 7 AEntG) die Möglichkeit, eine von den rechtlichen Voraussetzungen des § 5 TVG unabhängige Erstreckungserklärung vorzunehmen, doch sind die Einzelheiten dieses Sonderwegs zur Verbreiterung der Wirkungen eines Tarifvertrags juristisch umstritten. Zudem dürfte eine solche Umgehung von § 5 TVG aufgrund des großen Widerstandes gegen eine Breitenwirkung des TV-Mindestlöhne politisch nicht durchsetzbar sein.
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Letzte Überarbeitung: 13. September 2016
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