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ARBEITSRECHT AKTUELL // 07/61

Auf­nah­me der Brief­dienst­leis­tungs­bran­che in das Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz (AEntG) ge­plant

Ent­wurf ei­nes zwei­ten Ge­set­zes zur Än­de­rung des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes: Ge­setz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung vom 20.09.2007
Plausch am Postschalter Die Bun­des­re­gie­rung möch­te die Brief­dienst­leis­tun­gen in das AEntG auf­neh­men

19.10.2007. Gut zwei Wo­chen nach der rhein­land-pfäl­zi­schen Ge­set­zes­in­itia­ti­ve zum Min­dest­lohn im Bun­des­rat stell­te die Bun­des­re­gie­rung den Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Än­de­rung des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes (AEntG) vor, mit dem die sog. „Brief­dienst­leis­tun­gen“ als wei­te­re Bran­che in das AEntG auf­ge­nom­men wer­den soll (Ent­wurf ei­nes zwei­ten Ge­set­zes zur Än­de­rung des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes, Ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung vom 20.09.2007).

Das Ge­setz über zwin­gen­de Ar­beits­be­din­gun­gen bei grenz­über­schrei­ten­den Dienst­leis­tun­gen (kurz: „Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz“ oder auch „AEntG“) schreibt aus­län­di­schen Un­ter­neh­men, die ih­ren Sitz in ei­nem an­de­ren EU-Staat als Deutsch­land ha­ben und in Deutsch­land Dienst­leis­tun­gen er­brin­gen wol­len, die Ein­hal­tung be­stimm­ter, in Deutsch­land gel­ten­der ar­beits- und so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­cher Min­dest­stan­dards vor.

Es ver­hin­dert da­mit den „Im­port“ aus­län­di­scher Dum­ping-Löh­ne bzw. Dum­ping-Ar­beits­be­din­gun­gen. Das AEntG gilt bis­lang nur für Un­ter­neh­men der Bau­bran­che so­wie - auf­grund des Än­de­rungs­ge­set­zes vom 25.04.2007 (BGBl. I S.576) - für Un­ter­neh­men des Ge­bäu­de­rei­ni­ger­hand­werks.

Die nun­mehr ge­plan­te zwei­te Än­de­rung des AEntG er­wei­tert den Kreis der an das Ge­setz ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber um Un­ter­neh­men, die Brief­dienst­leis­tun­gen er­brin­gen.

Da­mit ist laut Ge­set­zes­be­grün­dung das „Ein­sam­meln, Wei­ter­lei­ten und Aus­lie­fern von Brief­sen­dun­gen“ ge­meint, nicht aber die Be­för­de­rung von Pa­ke­ten oder das Aus­tra­gen von Zei­tun­gen. Die Not­wen­dig­keit für ei­ne Aus­wei­tung des AEntG er­gibt sich nach An­sicht der Ent­wurf­ver­fas­ser durch das Aus­lau­fen des Post­mo­no­pols am 01.01.2008. Dies soll an­geb­lich ein ver­stärk­tes Hin­ein­drän­gen aus­län­di­scher Dienst­leis­tungs­an­bie­ter auf den deut­schen Markt für Brief­zu­stel­lun­gen zur Fol­ge ha­ben.

Der durch das AEntG be­wirk­te Schutz be­steht ge­mäß § 1 Abs.1 Satz 1 AEntG (heu­te: § 3 AEntG) im We­sent­li­chen dar­in, dass aus­län­di­sche Ar­beit­ge­ber deut­sche, für all­ge­mein­ver­bind­lich er­klär­te Lohn­ta­rif­ver­trä­ge ein­hal­ten müs­sen. Da­her wä­re die­ser ge­setz­li­che Schutz und die jetzt ge­plan­te Än­de­rung des AEntG sinn­los, wenn es sol­che all­ge­mein­ver­bind­li­chen Ta­rif­ver­trä­ge nicht gä­be.

Als ei­nen sol­chen Ta­rif­ver­trag hat die Bun­des­re­gie­rung den „Ta­rif­ver­trag zur Re­ge­lung der Min­dest­löh­ne in der Bran­che Post­diens­te (TV Min­dest­lohn)“ ins Au­ge ge­fasst. Er wur­de am 04.09.2007 zwi­schen dem Ar­beit­ge­ber­ver­band Post­diens­te e.V. bzw. sei­nem do­mi­nie­ren­den Mit­glied, der Deut­schen Post AG, und der ver.di aus­ge­han­delt.

Die­ser Ta­rif­ver­trag sieht ei­nen St­un­den­lohn von 9,80 EUR (West) bzw. 9,00 EUR (Ost) für Brief­zu­stel­ler vor. Er ist der­zeit noch nicht für all­ge­mein­ver­bind­lich er­klärt wor­den. Ob die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen sol­chen Schritt über­haupt ge­ge­ben sind, ist der­zeit um­strit­ten.

Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne All­ge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rung be­ste­hen ge­mäß § 5 Abs.1 Ta­rif­ver­trags­ge­setz (TVG) dar­in,

  • dass die ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber min­des­tens 50 Pro­zent der un­ter den Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­trags fal­len­den Ar­beit­neh­mer be­schäf­ti­gen und
  • dass die All­ge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rung „im öf­fent­li­chen In­ter­es­se ge­bo­ten“ er­scheint.

Das Quo­rum ist nach An­sicht der Be­für­wor­ter ei­ner All­ge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rung - ins­be­son­de­re des Mi­nis­te­ri­ums für Ar­beit und So­zia­les - kein Pro­blem, be­schäf­tigt die Deut­sche Post AG doch et­wa 80.000 und die nicht ta­rif­ge­bun­de­ne pri­va­te Kon­kur­renz nur et­wa 60.000 fest­an­ge­stell­te Ar­beit­neh­mer. Rech­net man al­ler­dings die Aus­hilfs­kräf­te hin­zu, könn­ten sich die Pro­por­tio­nen zu­las­ten der Deut­schen Post AG ver­schie­ben: Dann stün­den mög­li­cher­wei­se 120.000 Be­schäf­tig­ten bei der Post 210.000 bis - je nach Be­rech­nung - 300.000 Be­schäf­tig­te bei den Post­kon­kur­ren­ten ge­gen­über.

Soll­te sich die Fra­ge des Quo­rums im Sin­ne von Mi­nis­ter Mün­te­fe­ring klä­ren las­sen, dürf­te der All­ge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rung des o.g. Post­ta­rif­ver­trags (TV Min­dest­lohn) nichts mehr im We­ge ste­hen, da das wei­ter­hin er­for­der­li­che „öf­fent­li­che In­ter­es­se“ an ver­bind­li­chen Min­dest­löh­nen für Brief­zu­stel­lun­gen von der Bun­des­re­gie­rung mit of­fi­zi­el­ler Ein­mü­tig­keit als ge­ge­ben an­ge­se­hen wird.

Fa­zit: Soll­te es zu ei­ner All­ge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rung kom­men, so wä­ren die in­län­di­schen Kon­kur­ren­ten der Post be­reits aus die­sem Grund an die im TV Min­dest­lohn fest­ge­schrie­be­nen Ta­rif­löh­ne ge­bun­den.

Die ge­plan­te Aus­wei­tung des AEntG auf Brief­dienst­leis­tun­gen be­wirkt dar­über hin­aus, dass ei­ne sol­che recht­li­che Bin­dung auch für aus­län­di­sche Ar­beit­ge­ber ein­tre­ten wür­de.

Soll­te die All­ge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rung hin­ge­gen am er­for­der­li­chen Quo­rum von 50 Pro­zent schei­tern, wä­re die Auf­nah­me der Brief­dienst­leis­tun­gen als wei­te­re Bran­che in das AEntG wir­kungs­los. Theo­re­tisch be­steht zwar im Rah­men des AEntG, näm­lich ge­mäß § 1 Abs.3a AEntG (heu­te: § 7 AEntG) die Mög­lich­keit, ei­ne von den recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 5 TVG un­ab­hän­gi­ge Er­stre­ckungs­er­klä­rung vor­zu­neh­men, doch sind die Ein­zel­hei­ten die­ses Son­der­wegs zur Ver­brei­te­rung der Wir­kun­gen ei­nes Ta­rif­ver­trags ju­ris­tisch um­strit­ten. Zu­dem dürf­te ei­ne sol­che Um­ge­hung von § 5 TVG auf­grund des gro­ßen Wi­der­stan­des ge­gen ei­ne Brei­ten­wir­kung des TV-Min­dest­löh­ne po­li­tisch nicht durch­setz­bar sein.

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 13. September 2016

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