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ARBEITSRECHT AKTUELL // 07/55

Fal­sche Ärz­tin an Ham­bur­ger Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum

Hoch­stap­ler müs­sen dem be­tro­ge­nen Ar­beit­ge­ber das Ge­halt zu­rück­zah­len: Wer als an­ge­stell­ter Arzt kei­ne Ap­pro­ba­ti­on hat, hat dem Ar­beit­ge­ber durch sei­ne "Ar­beit" kei­nen fi­nan­zi­el­len Vor­teil ver­schafft und muss da­her nach Ver­trags­an­fech­tung den Lohn er­stat­ten
Geld und Stethoskop Kein Arzt­ge­halt oh­ne Ap­pro­ba­ti­on - das folgt aus § 2 Abs.1 Bun­des­ärz­te­ord­nung (BÄO)

26.09.2007. Ei­ner ak­tu­el­len Zei­tungs­mel­dung zu­fol­ge (Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung, 30.08.2007) ist es ei­nem Hoch­stap­ler wie­der ein­mal ge­lun­gen, ei­nen aka­de­mi­schen Be­ruf jah­re­lang „aus­zu­üben“, oh­ne die da­für er­for­der­li­chen Prü­fun­gen ab­ge­legt zu ha­ben.

Am 27.08.2007 flog ei­ne jun­ge Frau in Ham­burg auf, der es un­ter Vor­la­ge ge­fälsch­ter Ur­kun­den ge­glückt war, vier Jah­re lang als As­sis­tenz­ärz­tin am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Ep­pen­dorf zu ar­bei­ten. Pa­ti­en­ten sol­len an­geb­lich nicht zu Scha­den ge­kom­men sein, da die Hoch­stap­le­rin stets un­ter Auf­sicht ge­ar­bei­tet ha­ben soll.

An­ge­sichts des­sen stellt sich für die Kli­nik­ver­wal­tung die Fra­ge, wo­für man ei­gent­lich vier Jah­re lang ein Arzt­ge­halt ge­zahlt hat, d.h. es stellt sich die Fra­ge der Rück­zah­lung des Ge­halts.

Im All­ge­mei­nen führt ei­ne rechts­wid­ri­ge Täu­schung des Ar­beit­ge­bers bei Be­grün­dung ei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses „nur“ da­zu, dass der Ver­trag an­ge­foch­ten wer­den kann.

Die An­fech­tung wirkt zwar der ju­ris­ti­schen Kon­struk­ti­on zu­fol­ge in die Ver­gan­gen­heit zu­rück und be­sei­tigt dem­nach rück­wir­kend den Ar­beits­ver­trag, so dass der Ar­beit­ge­ber an sich den ge­zahl­ten Lohn her­aus­ver­lan­gen könn­te, da er die Lohn­hzah­lung "oh­ne recht­li­chen Grund" ge­leis­tet hat (§ 812 Abs.1 Satz 1 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch).

Die­ser Rück­for­de­rung kann der Ar­beit­neh­mer, des­sen Ar­beits­ver­trag wirk­sam an­ge­foch­ten wur­de, al­ler­dings § 818 Abs.2 BG) ent­ge­gen­hal­ten. Die­ser Vor­schrift zu­fol­ge muss der Ar­beit­ge­ber sei­ner­seits den Wert der er­lang­ten Ar­beits­leis­tung "her­aus­ge­ben": Denn hat der Ar­beit­neh­mer auf der Grund­la­ge ei­nes wirk­sam an­ge­foch­te­nen und da­her nicht exis­tie­ren­den Ver­trags ge­ar­bei­tet, ist ja auch die­se Leis­tung aus­zu­glei­chen, nur in die an­de­re Rich­tung hin, d.h. hier muss der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer Wert­er­satz leis­ten.

Im Er­geb­nis glei­chen sich die wech­sel­sei­ti­gen Rück­erstat­tungs­an­sprü­che im Fal­le der An­fech­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags da­her ge­gen­sei­tig aus, d.h. kei­ner kann vom an­de­ren et­was her­aus­ver­lan­gen.

Wer sich al­so zum Bei­spiel um ei­ne Stel­le als Buch­hal­ter be­wirbt und auf die (be­rech­ti­ge) Fra­ge nach Vor­stra­fen im Be­reich der Ei­gen­tums-, Ver­mö­gens- und Steu­er­de­lik­te der Wahr­heit zu­wi­der ver­schweigt, dass er we­gen Bei­hil­fe zur Steu­er­hin­ter­zie­hung be­straft ist, der muss zwar um den Be­stand sei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses ban­gen, da der Ar­beit­ge­ber den Ver­trag an­fech­ten kann, so­bald die­se Täu­schung her­aus­kommt. Al­ler­dings wirkt sich ei­ne An­fech­tung fi­nan­zi­ell ge­se­hen „nur“ wie ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung aus, d.h. die Rück­for­de­rung des Lohns für die Ver­gan­gen­heit ist aus­ge­schlos­sen.

An­ders ist das aber in Fäl­len der Hoch­sta­pe­lei. Hier hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) mit Ur­teil vom 03.11.2004 (5 AZR 592/03) in ei­nem ganz ähn­li­chen Fall (Be­schäf­ti­gung als „Arzt“ auf­grund ei­ner ge­fälsch­ten Ap­pro­ba­ti­ons­ur­kun­de) ent­schie­den, dass der Ar­beit­ge­ber ei­nen ge­setz­li­chen Rück­zah­lungs­an­spruch hat, d.h. den Ar­beits­lohn nach­träg­lich für die ge­sam­te Dau­er der Be­schäf­ti­gung her­aus­ver­lan­gen kann.

Be­grün­det hat das BAG den Rück­for­de­rungs­an­spruch da­mit, dass der Ver­trag von vorn­her­ein we­gen Ge­set­zes­ver­sto­ßes nich­tig war. Denn nach § 2 Abs.1 Bun­des­ärz­te­ord­nung (BÄO) muss ein an­ge­stell­ter Arzt zwin­gend ei­ne Ap­pro­ba­ti­on vor­wei­sen kön­nen.

Die Aus­übung des ärzt­li­chen Be­rufs oh­ne ei­ne sol­che Ap­pro­ba­ti­on ist ge­setz­lich ver­bo­ten und so­gar straf­bar. Da­her ist der mit dem Ar­beits­ver­trag be­zweck­te Leis­tungs­er­folg, näm­lich die Aus­übung des ärzt­li­chen Be­rufs, von der Rechts­ord­nung miss­bil­ligt und un­ter Straf­an­dro­hung ver­bo­ten. Der Ar­beit­neh­mer darf in Fäl­len der hoch­stap­le­ri­schen Vor­täu­schung ei­ner in Wahr­heit nicht ge­ge­be­nen Ap­pro­ba­ti­on die ver­trag­lich ver­ein­bar­te Leis­tung, d.h. die Ar­beit als Arzt, zu kei­ner Zeit er­brin­gen.

Fa­zit: Der jetzt auf­ge­flo­ge­nen Ham­bur­ger Hoch­stap­le­rin droht da­her ei­ne Ver­ur­tei­lung zur Ge­halts­rück­zah­lung. Und au­ßer­dem muss sie mit Scha­den­er­satz­an­sprü­che der von ihr "be­han­del­ten" Pa­ti­en­ten rech­nen so­wie mit straf­recht­li­chen Kon­se­quen­zen.

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Letzte Überarbeitung: 28. Februar 2017

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