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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/193

In­ter­net für Be­triebs­rat we­gen Kon­flik­ten mit Ar­beit­ge­ber

In­ter­net­zu­gang für den Be­triebs­rat?: Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein, Be­schluss vom 22.07.2009, 6 TaBV 15/09
Sitzung des Betriebsrats, Betriebsratsversammlung "Be­triebs­rä­te ans Netz"?
21.10.2009. Nach § 40 Abs. 2 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) hat der Be­triebs­rat ei­nen An­spruch dar­auf, vom Ar­beit­ge­ber die für sei­ne Ar­beit er­for­der­li­che In­for­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik zur Ver­fü­gung ge­stellt zu be­kom­men. Die­ser An­spruch kann, al­ler­dings nur un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen, auch das Recht auf ei­nen In­ter­net­zu­gang um­fas­sen.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Schles­wig-Hol­stein hat­te sich kürz­lich mit der Fra­ge zu be­schäf­tig­ten, ob dem Be­triebs­rat ein sol­cher An­spruch un­ter Um­stän­den auf­grund ei­nes ge­stei­ger­ten In­for­ma­ti­ons­be­dürf­nis­ses zu­ste­hen kann, ob­wohl er im Üb­ri­gen als "nicht be­triebs­üb­lich" ein­zu­stu­fen ist, LAG Schles­wig-Hol­stein, Be­schluss vom 22.07.2009, 6 TaBV 15/09.

An­spruch des Be­triebs­rats auf Zu­gang zum In­ter­net

Ob­wohl das In­ter­net heut­zu­ta­ge weit ver­brei­tet und na­he­zu alltägli­ches Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und In­for­ma­ti­ons­me­di­um ist, be­steht der An­spruch für den Be­triebs­rat nach der Recht­spre­chung der Lan­des­ar­beits­ge­rich­te bis jetzt noch nicht oh­ne wei­te­res. Es kommt viel­mehr im­mer noch dar­auf an, ob ein In­ter­net­zu­gang nach den Umständen des Ein­zel­fal­les für die Be­triebs­rats­ar­beit „er­for­der­lich“ ist. Be­steht im Be­trieb noch gar kein In­ter­net­an­schluss oder sind noch nicht ein­mal PCs vor­han­den, können zum Bei­spiel die ho­hen Kos­ten, die mit der Ein­rich­tung bzw. der An­schaf­fung ver­bun­den wären ge­gen die Er­for­der­lich­keit spre­chen.

Als wei­te­res, häufig wich­tigs­tes Kri­te­ri­um, gilt nach der Recht­spre­chung die so­ge­nann­te „Be­triebsüblich­keit“ des In­ter­nets. So kann der Be­triebs­rat in der Re­gel nicht gel­tend ma­chen, ein Zu­gang sei er­for­der­lich, wenn sein be­trieb­li­cher Ge­gen­spie­ler, al­so die Per­so­nal­ab­tei­lung oder die Geschäftsführung selbst kei­nen sol­chen hat. Da­hin­ter steht ne­ben dem Ge­dan­ken der Be­triebsüblich­keit wohl auch der der in­for­ma­ti­ons­tech­ni­schen „Waf­fen­gleich­heit“ der Be­triebs­par­tei­en.

Al­ler­dings le­gen nicht al­le Lan­des­ar­beits­ge­rich­te bei der Aus­le­gung des Merk­mals der Er­for­der­lich­keit aus § 40 Abs. 2 Be­trVG gleich viel Wert auf die­se Waf­fen­gleich­heit. So hat das LAG Schles­wig Hol­stein in ei­nem Be­schluss vom 22.07.2009 ei­nen An­spruch des Be­triebs­ra­tes im we­sent­li­chen nicht mit der Be­triebsüblich­keit, son­dern da­mit be­gründet, dass der Be­triebs­rat auf­grund sei­ner erhöhten Ak­ti­vität, die un­ter an­de­rem da­her rühr­te, dass die Be­triebs­par­tei­en seit länge­rem in­ten­siv über Be­tei­li­gungs­rech­te strit­ten, auch ein erhöhtes In­for­ma­ti­ons­bedürf­nis ha­be (LAG Schles­wig-Hol­stein, Be­schluss vom 22.07.2009, 6 TaBV 15/09).

In­ter­net­zu­gang für den Be­triebs­rat auf­grund vielfälti­ger Strei­te­rei­en mit dem Ar­beit­ge­ber

Der Ar­beit­ge­ber ist ein in der Mo­de­bran­che täti­ges Ein­zel­han­dels­un­ter­neh­men mit über 300 Fi­lia­len in ganz Deutsch­land. In ei­ner der Fi­lia­len mit et­wa 40 Mit­ar­bei­tern ver­lang­te der Be­triebs­rat vom Ar­beit­ge­ber die Schaf­fung ei­nes In­ter­net­zu­gangs für die ihm be­reits zur Verfügung ge­stell­ten Com­pu­ter.

Außer dem Be­triebs­rat nutz­ten in der Fi­lia­le nur die Kas­sen­ver­ant­wort­li­chen und die De­ko­ra­teu­re ei­nen PC, al­ler­dings oh­ne In­ter­net­an­schluß und E-Mail-Ver­kehr. Die Fi­li­al­lei­tung hat­te we­der ei­nen PC noch In­ter­net­zu­gang, wur­de aber von der Per­so­nal­ab­tei­lung am ham­bur­ger Haupt­sitz des Ar­beit­ge­bers mit ar­beits­recht­li­chen In­for­ma­tio­nen ver­sorgt. Die Per­so­nal­ab­tei­lung hat­te In­ter­net­zu­gang.

Die bei­den PCs des Be­triebs­ra­tes verfügten über ei­nen Zu­gang zum In­tra­net des Ar­beit­ge­bers. Auch konn­ten über sie E-Mails emp­fan­gen und ver­sandt wer­den. Ein In­ter­net­zu­gang war al­ler­dings nicht möglich.

Zwi­schen der Fi­li­al­lei­tung und dem Be­triebs­rat war es in den ver­gan­ge­nen Jah­ren häufig zu Strei­te­rei­en und auch Ge­richts­ver­fah­ren über Be­tei­li­gungs­rech­te bei Ver­set­zun­gen, Ein­stel­lun­gen, in Fra­gen des Ge­sund­heits­schut­zes und wei­te­ren An­ge­le­gen­hei­ten ge­kom­men. Zu­dem lie­fen Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren über Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen. Mit die­ser ge­stei­ger­ten Ak­ti­vität be­gründe­te der Be­triebs­rat ei­nen ge­stei­ger­ten Be­darf, sich über ak­tu­el­le Fra­gen des Be­triebs­ver­fas­sungs­rech­tes auch im In­ter­net in­for­mie­ren zu können, um un­ter an­de­rem Zu­griff auf Mus­ter-Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und ähn­li­ches zu ha­ben. Das Ar­beits­ge­richt Flens­burg gab dem Ver­lan­gen in ers­ter In­stanz statt (ArbG Flens­burg vom 04.02.2009, 1 BV 56/08), wo­ge­gen der Ar­beit­ge­ber Be­schwer­de beim LAG ein­leg­te.

In­ter­net­zu­gang für den Be­triebs­rat sach­dien­lich

Das LAG wies die Be­schwer­de des Ar­beit­ge­bers zurück und ließ auch die Rechts­be­schwer­de zum Bun­des­ar­beits­ge­richt nicht zu.

We­sent­li­cher Ge­sichts­punkt für ei­nen An­spruch des Be­triebs­ra­tes war hier­bei die „außer­or­dent­li­che Kon­flikt­la­ge“, we­gen der ständi­gen und schwe­ren Strei­tig­kei­ten über Be­tei­li­gungs­rech­te. Auf­grund die­ser Kon­flikt­la­ge ha­be der Be­triebs­rat tatsächlich ein ge­stei­ger­tes In­for­ma­ti­ons­bedürf­nis auch bezüglich ak­tu­el­ler ar­beits­recht­li­cher Ent­wick­lun­gen, wes­we­gen ein In­ter­net­zu­gang er­for­der­lich sei. Ob­wohl die Fi­li­al­lei­tung kei­nen ei­ge­nen In­ter­net­zu­gang hat­te, be­jah­te das Ge­richt zu­dem auch die „Be­triebsüblich­keit“. Es sei aus­rei­chend, dass die Fi­li­al­lei­tung von der Per­so­nal­ab­tei­lung am Haupt­sitz mit In­for­ma­tio­nen aus dem In­ter­net ver­sorgt wer­de. Das Kos­ten­ar­gu­ment des Ar­beit­ge­bers ließ das Ge­richt nicht gel­ten, al­ler­dings stan­den im kon­kre­ten Fall auch kaum nen­nens­wer­te Kos­ten im Raum.

Be­son­ders in­ter­es­sant an der Ent­schei­dung ist der Ver­weis auf die Mit­be­stim­mungs­rech­te in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten. Die Par­tei­en ver­han­del­ten ge­ra­de über Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen zu Ar­beits­zeit und Ur­laub. Hier hat der Be­triebs­rat ein Initia­tiv­recht, d.h. er kann von sich aus ei­ne Ei­ni­gung ver­lan­gen und den Ar­beit­ge­ber zu ei­ner sol­chen not­falls im Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren zwin­gen. Ge­ra­de die­se ge­setz­ge­be­ri­sche Ent­schei­dung für ein Initia­tiv­recht spre­che dafür, dass der Be­triebs­rat sich auch mit im In­ter­net verfügba­ren Mus­ter­be­triebs­ver­ein­ba­run­gen zu den The­men aus­ein­an­der­set­zen können müsse.

Die Ent­schei­dung geht über vie­le bis­he­ri­ge hin­aus, denn sie be­ur­teilt die Er­for­der­lich­keit des In­ter­net­zu­gangs ent­schei­dend da­mit, ob die­ser für die kon­kre­te Ar­beit des Be­triebs­ra­tes er­for­der­lich ist, oh­ne da­bei zu sehr auf die „Be­triebsüblich­keit“ ab­zu­stel­len. Die „Waf­fen­gleich­heit“ im Be­trieb wird zwar auch be­jaht, al­ler­dings scheint sie ei­ne eher un­ter­ge­ord­ne­te Rol­le zu spie­len. Ist der Be­triebs­rat ak­tiv, so scheint die Ent­schei­dung zu sa­gen, so kann er da­mit selbst für die Er­for­der­lich­keit ei­nes In­ter­net­zu­gangs sor­gen. Ob im um­ge­kehr­ten Fall dann kein An­spruch be­ste­hen soll sei da­hin­ge­stellt.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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