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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/027

Kei­ne Kün­di­gung nach nicht ein­schlä­gi­ger Ab­mah­nung

Un­rich­ti­ge und ver­spä­te­te Krank­mel­dung sind nicht das­sel­be: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 18.12.2009, 6 Sa 1239/09
Hand mit gelber Karte Wann ist ei­ne Ab­mah­nung "ein­schlä­gig"?

09.02.2010. Ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te or­dent­li­che Kün­di­gung darf in der Re­gel erst er­fol­gen, wenn der Ar­beit­neh­mer durch ei­ne ein­schlä­gi­ge Ab­mah­nung be­reits vor­ge­warnt war, dass er bei ei­ner Wie­der­ho­lung sei­nes Ver­hal­tens die Kün­di­gung ris­kie­ren wür­de.

Gar nicht so ein­fach zu be­ant­wor­ten ist je­doch die Fra­ge, wann ei­ne Ab­mah­nung "ein­schlä­gig" ist. Da­mit be­fasst sich die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg: LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 18.12.2009, 6 Sa 1239/09 .

Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung nur nach "ein­schlägi­ger" Ab­mah­nung

Wenn ein Ar­beit­neh­mer in vor­werf­ba­rer Wei­se ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten verstößt, kann der Ar­beit­neh­mer ihm grundsätz­lich ver­hal­tens­be­dingt kündi­gen. Die Kündi­gung dient je­doch nicht der „Ab­stra­fung“ des Fehl­ver­hal­tens son­dern ist nur dann be­rech­tigt, wenn bei ei­ner Pro­gno­se mit ei­ner Fort­set­zung des Fehl­ver­hal­tens zu rech­nen ist und dem Ar­beit­ge­ber des­halb die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht zu­mut­bar ist.

Wann ein der­ar­tig düste­rer Blick in die Zu­kunft ge­recht­fer­tigt ist, hängt von ei­ner Viel­zahl von Fak­to­ren ab. Nor­ma­ler­wei­se ist dies je­den­falls nur dann der Fall, wenn der Ar­beit­neh­mer für ein gleich­ar­ti­ges Fehl­ver­hal­ten schon ein­mal ab­ge­mahnt wur­de, er al­so „Wie­der­ho­lungstäter“ ist.

In der Ab­mah­nung wird der Ar­beit­neh­mer nämlich dar­auf hin­ge­wie­sen, wor­in sein Fehl­ver­hal­ten liegt und dass er die­ses in Zu­kunft un­ter­las­sen soll, da ihm an­dern­falls ei­ne Kündi­gung dro­he. Erst wenn ein Ar­beit­neh­mer ei­ne der­ar­ti­ge War­nung igno­riert, muss auch in Zu­kunft mit gleich­ar­ti­gen Verstößen ge­rech­net wer­den, wird übli­cher­wei­se an­ge­nom­men.

Die Warn­funk­ti­on kann sich aber nur auf das ab­ge­mahn­te Fehl­ver­hal­ten be­zie­hen. Mit an­de­ren Wor­ten: Wird der Ar­beit­neh­mer we­gen ei­nes kon­kre­ten Fehl­ver­hal­tens ab­ge­mahnt, kann ihm dies nicht als War­nung die­nen, ein völlig an­de­res Fehl­ver­hal­ten zu un­ter­las­sen. Es zählen al­so nur „ein­schlägi­ge“ Ab­mah­nung bei der Pro­gno­se.

Vor al­lem in der Pra­xis schwer zu be­ur­tei­len ist je­doch die Fra­ge, wann ei­ne Ab­mah­nung „ein­schlägig“ ist, d.h. wann das Ver­hal­ten, auf das die Kündi­gung gestützt wird, als Wie­der­ho­lung schon ab­ge­mahn­ten Ver­hal­tens gel­ten kann. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) for­dert die „ma­te­ri­ell Ver­gleich­bar­keit“ der Pflicht­verstöße. Dass die­ses Merk­mal nicht klar de­fi­niert ist und wie stark es hier­bei auf den kon­kre­ten Fall an­kommt, zeigt ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg (Ur­teil vom 18.12.2009, 6 Sa 1239/09).

Der Fall des LAG Ber­lin-Bran­den­burg: Ab­mah­nung we­gen fal­sche An­ga­ben bei Krank­mel­dung - Kündi­gung we­gen ver­späte­ter Krank­mel­dung

Die kla­gen­de Ar­beit­neh­me­rin war we­gen ei­ner Er­kran­kung nicht zum Dienst er­schie­nen. Dies teil­te sie ih­rem Ar­beit­ge­ber je­doch nicht un­verzüglich, wie es nach § 5 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz (EFZG) er­for­der­lich ist, zu dem vor­ge­se­he­nen Dienst­be­ginn um 07:00 Uhr mit, son­dern erst ge­gen 09:00 Uhr. Dar­auf­hin kündig­te ihr der Ar­beit­ge­ber or­dent­lich ver­hal­tens­be­dingt.

Ein Jahr vor­her hat­te es ei­nen ähn­li­chen Vor­fall ge­ge­ben. Die Ar­beit­neh­me­rin mel­de­te sich mit einstündi­ger Ver­spätung krank und mach­te ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber zu­dem fal­sche An­ga­ben hin­sicht­lich der vor­aus­sicht­li­chen Dau­er ih­rer Ar­beits­unfähig­keit. Die dar­auf­hin von dem Ar­beit­ge­ber er­teil­te Ab­mah­nung be­zog sich al­ler­dings nur auf die „Lüge“ der Ar­beit­neh­me­rin bezüglich der Dau­er ih­rer Ar­beits­unfähig­keit. Die ver­späte­te Krank­mel­dung wur­de dort nicht gerügt.

Die Ar­beit­neh­me­rin er­hob Kündi­gungs­schutz­kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt (ArbG) Pots­dam.

Das Ar­beits­ge­richt (Ur­teil vom 12.05.2009, 5 Ca 2535/08) gab der Ar­beit­neh­me­rin recht. Die Kündi­gung war sei­ner Auf­fas­sung nach un­wirk­sam, weil in der zu­vor er­teil­ten Ab­mah­nung kein ein­schlägi­ges Fehl­ver­hal­ten ab­ge­mahnt wor­den war. Der Ar­beit­ge­ber leg­te ge­gen das Ur­teil Be­ru­fung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg ein.

LAG Ber­lin-Bran­den­burg: Ab­mah­nung nicht ein­schlägig - Kündi­gung un­wirk­sam

Das LAG Ber­lin-Bran­den­burg gab eben­falls der Ar­beit­neh­me­rin recht. Die Kündi­gung war auch nach Auf­fas­sung des LAG un­wirk­sam, weil die zu­vor er­teil­te Ab­mah­nung nicht „ein­schlägig“ ge­we­sen war.

Denn in der Ab­mah­nung wur­de nur erwähnt, dass die Ar­beit­neh­me­rin fal­sche An­ga­ben zu der vor­aus­sicht­li­chen Dau­er ih­rer Ar­beits­unfähig­keit ge­macht hat­te. Al­so ist die Ab­mah­nung ge­ra­de nicht ein­schlägig, was die ver­späte­te Krank­mel­dung be­trifft, so das LAG. Das LAG be­tont da­bei, dass im Ge­gen­teil, der Ar­beit­neh­me­rin nicht be­wusst sein konn­te, wie gra­vie­rend die ver­späte­te Krank­mel­dung für den Ar­beit­ge­ber war, wenn die vor­he­ri­ge dem Ar­beit­ge­ber be­kann­te ver­späte­te Krank­mel­dung aus­drück­lich nicht in der Ab­mah­nung erwähnt wur­de.

Fa­zit: Häufig kran­ken Ab­mah­nun­gen dar­an, dass der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer die Feh­ler nicht kon­kret und um­fas­send ge­nug vorhält. Bei ei­ner späte­ren Kündi­gung wird die Ab­mah­nung dann als nicht ein­schlägig oder so­gar als un­wirk­sam ge­wer­tet. Ar­beit­neh­mer pro­fi­tie­ren in der­ar­ti­gen Fällen, wie die Ar­beit­neh­me­rin im vor­lie­gen­den Fall, von der zu nachlässi­gen For­mu­lie­rung in Ab­mah­nun­gen. Dies soll­te aber nicht da­zu ver­lei­ten, die Pflicht zur un­verzügli­chen Krank­mel­dung nicht ernst zu neh­men. Ein wie­der­hol­ter und zu­vor kor­rekt ab­ge­mahn­ter Ver­s­toß ge­gen die­se Pflicht kann den Ar­beit­ge­ber durch­aus zu ei­ner Kündi­gung be­rech­ti­gen.

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Letzte Überarbeitung: 16. Juli 2018

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