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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/090

Pflicht zur Sonn­tags­ar­beit auch oh­ne ar­beits­ver­trag­li­che Grund­la­ge

Ar­beit­ge­ber kön­nen Sonn­tags­ar­beit ver­lan­gen, wenn sie nicht in Ta­rif­ver­trä­gen oder im Ar­beits­ver­trag, aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen ist: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 17.07.2008, 9 Sa 20/08
Polier, der zwei Bauarbeitern mit ausgestrecktem Arm Arbeit zuweist Am Sonn­tag dür­fen Ar­beit­neh­mer im All­ge­mei­nen nicht zur Ar­beit her­an­ge­zo­gen wer­den

28.05.2009. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg hat in ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil klar­ge­stellt, dass Ar­beit­neh­mer nur dann grund­sätz­lich Sonn­tags­ar­beit ver­wei­gern kön­nen, wenn es die Ar­beit an Sonn­ta­gen im Ar­beits­ver­trag oder in ei­nem auf das Ar­beits­ver­hält­nis an­zu­wen­den­den Ta­rif­ver­trag (aus­nahms­wei­se) aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen ist.

Vor­aus­set­zung für die recht­li­che Pflicht, ei­ner An­wei­sung zur Sonn­tags­ar­beit Fol­ge leis­ten zu müs­sen, ist na­tür­lich, dass der Ar­beit­ge­ber da­zu un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Ar­beits­zeit­ge­set­zes (Arb­ZG) be­rech­tigt ist.

Ei­ne der­ar­ti­ge Wei­sung des Ar­beit­ge­bers muss da­her un­ter ei­ne der ge­setz­li­chen Aus­nah­men vom Ver­bot der Sonn­tags­ar­beit fal­len: LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 17.07.2008, 9 Sa 20/08.

Wann kann der Ar­beit­ge­ber Sonn­tags­ar­beit ver­lan­gen?

Die im Ar­beits­ver­trag ein­ver­nehm­lich ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen sind, so­weit sie wirk­sam sind, für bei­de Ver­trags­par­tei­en ver­bind­lich. Al­ler­dings darf der Ar­beit­ge­ber im Rah­men der ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen ein­sei­tig be­stim­men, wie die ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen im Ein­zel­nen um­ge­setzt wer­den sol­len.

Er kann da­her dem Ar­beit­neh­mer Wei­sun­gen er­tei­len bzw. ein­sei­tig an­ord­nen, wann und wie der Ar­beit­neh­mer sei­ne Tätig­keit ausführen muss. Da­bei muss der Ar­beit­ge­ber al­ler­dings dar­auf ach­ten, dass sei­ne Wei­sun­gen die Gren­zen des im Ar­beits­ver­trag Ver­ein­bar­ten nicht über­schrei­ten und auch ein­schlägi­ge Ge­set­ze, Ta­rif­verträge und Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen re­spek­tie­ren.

Das seit je­her be­ste­hen­de Di­rek­ti­ons­recht des Ar­beit­ge­bers wur­de vor ei­ni­gen Jah­ren in § 106 Ge­wer­be­ord­nung (Ge­wO) aus­drück­lich auf­ge­nom­men. Die­ser Vor­schrift zu­fol­ge müssen die Wei­sun­gen des Ar­beit­ge­bers der "Bil­lig­keit" ent­spre­chen, was so­viel be­deu­tet, dass der Ar­beit­ge­ber in an­ge­mes­se­ner Wei­se auf die In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers Rück­sicht neh­men muss.

Die Ar­beit an Sonn­ta­gen ist grundsätz­lich ge­setz­lich gemäß § 9 Abs. 1 Ar­beits­zeit­ge­setz (Arb­ZG) ver­bo­ten. Hier­von gibt es aber ei­ne Rei­he von Aus­nah­men, et­wa für be­stimm­te Tätig­kei­ten, die ty­pi­scher­wei­se auch sonn­tags ver­rich­tet wer­den müssen - wie et­wa in Kran­kenhäusern oder in Gaststätten - oder wenn ei­ne Un­ter­bre­chung der Pro­duk­ti­on in ei­nem Be­trieb den Ein­satz von mehr Ar­beit­neh­mern er­for­der­lich ma­chen würde (§ 10 Arb­ZG). Darüber hin­aus können durch Rechts­ver­ord­nung bzw. durch die Auf­sichts­behörde wei­te­re Aus­nah­men zu­ge­las­sen wer­den (§ 13 Arb­ZG).

Die­se im Arb­ZG ent­hal­te­nen Vor­schrif­ten sind aber noch kei­ne ab­sch­ließen­de Re­ge­lung darüber, ob die ein­sei­tig vom Ar­beit­ge­ber an­ge­ord­ne­te Sonn­tags­ar­beit auch vom ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer zu ver­rich­ten ist. Auch dann, wenn Sonn­tags­ar­beit un­ter ei­nen der ge­setz­lich ge­nann­ten Aus­nah­mefälle fällt und da­her nicht ge­gend das Arb­ZG verstößt, kann sie ver­trags­wid­rig und da­her un­zulässig sein. Ist im Ar­beits­ver­trag ge­re­gelt, dass sonn­tags nicht ge­ar­bei­tet wer­den muss, in­dem z.B. als Ar­beits­zeit Mon­tag bis Sams­tag an­ge­ge­ben ist, darf der Ar­beit­neh­mer nicht zur Sonn­tags­ar­beit her­an­ge­zo­gen wer­den.

Frag­lich ist, ob ein Ar­beit­neh­mer auf­grund des Di­rek­ti­ons­rechts ein­sei­tig, d.h. auch ge­gen sei­nen Wil­len, zur Sonn­tags­ar­beit her­an­ge­zo­gen wer­den darf, wenn sein Ar­beits­ver­trag darüber kei­ne Re­ge­lun­gen enthält. Mit die­ser Fra­ge beschäftigt sich die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung (LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 17.07.2008, 9 Sa 20/08).

Der Streit­fall: Ar­beit­neh­mer soll erst­mals nach über 30jähri­gem Be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses Sonn­tags ar­bei­ten

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer ist seit 1977 bei dem be­klag­ten Ar­beit­ge­ber beschäftigt. Seit kur­zem wird bei der Be­klag­ten mit ei­ner Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung der Auf­sichts­behörde zulässi­ger­wei­se auch Sonn­tags ge­ar­bei­tet. Der Ar­beits­ver­trag des Klägers enthält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung bezüglich der Sonn­tags­ar­beit. Dort ist nur ge­re­gelt, dass der Kläger in ei­nem be­stimm­ten Schicht­mo­dell ar­bei­ten soll.

Während der Ar­beit­neh­mer über 30 Jah­re hin­weg - zunächst auch nach Einführung der Sonn­tags­ar­beit im Be­trieb - nie sonn­tags ar­bei­ten muss­te. ver­pflich­te­te ihn der Ar­beit­ge­ber zunächst durch Schicht­pläne, später durch Ruf­be­reit­schaft da­zu, an je­dem zwei­ten Sonn­tag zu ar­bei­ten.

Der Ar­beit­neh­mer zog dar­auf­hin vor Ge­richt und be­gehr­te die Fest­stel­lung, dass die An­ord­nung von Sonn­tags­ar­beit un­zulässig ist. Das Ar­beits­ge­richt wies die Kla­ge ab. Es war der An­sicht, dass die An­ord­nung von Sonn­tags­ar­beit vom Di­rek­ti­ons­recht des Ar­beit­ge­bers ge­deckt war, weil der Ar­beits­ver­trag Schicht­ar­beit vor­sah und Sonn­tags­ar­beit nicht aus­drück­lich ver­bot.

LAG Ba­den-Würt­tem­berg: Ar­beit­ge­ber können Sonn­tags­ar­beit ver­lan­gen, wenn sie nicht in Ta­rif­verträgen oder im Ar­beits­ver­trag, aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen ist

Das LAG teil­te die Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts und wies die Be­ru­fung des Klägers zurück. Im We­sent­lich führt es da­zu aus, dass die An­ord­nung von Sonn­tags­ar­beit im­mer dann zulässig ist, wenn nicht an an­de­rer Stel­le, et­wa in Ta­rif­verträgen oder im Ar­beits­ver­trag, die Sonn­tags­ar­beit aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen ist. Da dies hier nicht der Fall ist, so das LAG, und der Ar­beit­ge­ber zu­dem die behörd­li­che Er­laub­nis zur Sonn­tags­ar­beit hat­te, durf­te der Ar­beit­ge­ber den Kläger zur Sonn­tags­ar­beit auch ver­pflich­ten.

Dass der Kläger lan­ge Jah­re nie zur Sonn­tags­ar­beit ver­pflich­tet wur­de, nutz­te ihm da­her nichts. Das Ge­richt ist der Mei­nung, dass der bis­he­ri­ge Ver­lauf des Ar­beits­verhält­nis­ses al­lein kein schützens­wer­tes Ver­trau­en des Klägers dar­auf schafft, dass er Sonn­tags auch in Zu­kunft nie ar­bei­ten muss. Es ist, so das LAG, üblich, we­gen wech­seln­der Markt­si­tua­tio­nen nicht für im­mer an ei­nem Ar­beits­zeit­mo­dell fest­zu­hal­ten.

Mit der Fra­ge, ob die kon­kre­te Ar­beits­an­wei­sung der Be­klag­ten der "Bil­lig­keit" ent­sprach, be­fasst sich das LAG al­ler­dings nicht. Es in­ter­pre­tiert nämlich den Kla­ge­an­trag des Klägers so, dass die­ser nicht ei­ne ein­zel­ne An­ord­nung sei­nes Ar­beit­ge­bers zur Sonn­tags­ar­beit prüfen möch­te, son­dern die ge­ne­rel­le Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, ihn (nie) zu Sonn­tags­ar­beit her­an­zu­zie­hen. Ei­ne Bil­lig­keitsprüfung fin­det aber nur dar­auf­hin statt, ob ein Ar­beit­ge­ber ei­ne an sich zulässi­ge Maßnah­me im Ein­zel­fall „un­ge­recht“ an­wen­det.

Fa­zit: Ar­beit­neh­mer müssen in Be­trie­ben, bei de­nen Sonn­tags­ar­beit nach dem Arb­ZG zulässig ist bzw. ge­neh­migt wer­den kann, al­so rech­nen, dass sie mögli­cher­wei­se sonn­tags zur Ar­beit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dies ist nur an­ders, wenn im Ar­beits­ver­trag die Pflicht zur Sonn­tags­ar­beit aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen ist.

In­ter­es­sant ist da­bei die hier vom Ge­richt nicht be­ant­wor­te­te Fra­ge, un­ter wel­chen Umstände die Wei­sung zur Sonn­tags­ar­beit im Ein­zel­fall zulässig ist. Die bloße Ge­neh­mi­gung durch die Auf­sichts­behörde genügt da­zu - ent­ge­gen der Ar­gu­men­ta­ti­on des Ar­beit­ge­bers - wohl nicht. Denn die Auf­sichts­behörde prüft nur die Not­wen­dig­keit der Sonn­tags­ar­beit all­ge­mein, be­zo­gen auf den Be­trieb bzw. oh­ne Berpück­sich­ti­gung der Si­tua­ti­on ein­zel­ner Ar­beit­neh­mer. Es ist des­halb möglich, dass die an sich zulässi­ge An­ord­nung, Sonn­tags­ar­beit zu leis­ten, für ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer "un­bil­lig" wäre, weil sie be­zo­gen auf de­ren persönli­che Si­tua­ti­on ei­ne un­zu­mut­ba­re Be­las­tung be­deu­tet.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) über die­sen Streit­fall ent­schie­den und das Ur­teil des LAG Ba­den-Würt­tem­berg bestätigt. In­for­ma­tio­nen zu die­sem BAG-Ur­teil fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 1. November 2018

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