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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/125

Rauch­freie Ar­beits­plät­ze für Crou­piers in Ber­lin

Muss der Ar­beit­ge­ber all­ge­mei­ne Vor­schrif­ten des Nicht­rau­cher­schut­zes be­ach­ten, kön­nen die­se nicht "un­zu­mut­bar" im Sin­ne des Ar­beits­schutz­rechts sein: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 19.05.2009, 9 AZR 241/08
Mit dem Rauchen aufhören, Zigarette zerbrechen Schutz der Nicht­rau­cher ge­hört zum Ar­beits­schutz

17.07.2009. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat in ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil ent­schie­den, dass Ar­beit­neh­mer in Gast­stät­ten und Spiel­sa­lons vom Ar­beit­ge­ber ei­nen rauch­frei­en Ar­beits­platz ver­lan­gen kön­nen, wenn der Ar­beit­ge­ber Rechts­vor­schrif­ten zum Nicht­rau­cher­schutz be­ach­ten muss, die ei­gent­lich dem Schutz sei­ner Kun­den die­nen.

Dass die Ar­beit­neh­mer nicht die Per­so­nen sind, die durch sol­che Vor­schrif­ten des Nicht­rau­cher­schut­zes (ei­gent­lich) ge­schützt wer­den sol­len, än­dert nichts dar­an, dass der Ar­beit­ge­ber den recht­lich ge­bo­te­nen Schutz ein­heit­lich um­set­zen muss, d.h. auch zu­guns­ten sei­ner Ar­beit­neh­mer.

Denn die den Kun­den des Ar­beit­ge­bers die­nen­de Vor­schrif­ten des Nicht­rau­cher­schut­zes füh­ren da­zu, dass der Ar­beit­ge­ber im Ver­hält­nis zu sei­nen Ar­beit­neh­mern nicht ein­wen­den kann, die Um­set­zung des Nicht­rau­cher­schut­zes sei ihm un­zu­mut­bar: BAG,Ur­teil vom 19.05.2009, 9 AZR 241/08.

Wann können Ar­beit­neh­mer ei­nen rauch­frei­en Ar­beits­platz ver­lan­gen?

Der Nicht­rau­cher­schutz ist seit Jah­ren auf dem Vor­marsch. Trei­ben­de Kraft für sei­ne Ver­bes­se­rung in Eu­ro­pa ist die Eu­ropäische Kom­mis­si­on. De­ren Vorstöße mögen zwar eu­ro­pa­recht­lich auf­grund un­kla­rer Rechts­set­zungs­kom­pe­ten­zen an­greif­bar sein, können dafür aber ein­deu­tig „po­li­ti­sche Kor­rekt­heit“ für sich be­an­spru­chen.

Auch in Deutsch­land voll­zieht sich ein Be­wußtseins­wan­del. So er­ließen Bund und Länder im Jah­re 2007 Ge­set­ze, die ein Rauch­ver­bot in öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen vor­se­hen. Be­trof­fen wa­ren vor al­lem Behörden, Schu­len, Pfle­ge­ein­rich­tun­gen und Gaststätten, wo­bei vie­le die­ser Re­ge­lun­gen Aus­nah­men ent­hal­ten und da­her z.B. Rau­cherräume vor­se­hen.

Die­se ge­setz­li­chen Rauch­ver­bo­te wol­len hauptsächlich die Ge­sund­heit von Gästen und Be­su­chern der öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen schützen, wo­hin­ge­gen Ar­beit­neh­mer nach wie vor ei­nen schwäche­ren Ge­sund­heits­schutz ge­nießen.

Grund­la­ge für den Schutz von Ar­beit­neh­mern ge­gen die Ge­fah­ren des Pas­siv­rau­chens sind die § 618 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) und § 5 Ar­beitsstätten­ver­ord­nung (Ar­bStättV).

Die­se Vor­schrif­ten se­hen zwar vor, dass die Ge­sund­heit von Ar­beit­neh­mern vor den Ge­fah­ren des Pas­siv­rau­chens zu schützen ist, doch enthält § 5 Abs.2 Ar­bStättV ei­ne we­sent­li­che Ein­schränkung: Da­nach hat der Ar­beit­ge­ber in Ar­beitsstätten mit Pu­bli­kums­ver­kehr Schutz­maßnah­men wie z.B. ein Rauch­ver­bot nur in­so­weit zu tref­fen, als die Na­tur des Be­trie­bes und die Art der Beschäfti­gung dies zu­las­sen. Sol­che Schutz­maßnah­men müssen dem Ar­beit­ge­ber da­her „zu­mut­bar“ sein.

Im Rah­men die­ser Vor­schrif­ten ist da­her ei­ne Abwägung zwi­schen dem Ziel des Ge­sund­heits­schut­zes und be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen vor­zu­neh­men. So ist z.B. an­er­kannt, dass Ar­beit­neh­mer ein Ver­bot des Ta­bak­kon­sums in Ar­beitsstätten mit Pu­bli­kums­ver­kehr nur so­weit ver­lan­gen können, wie es die „Art des Be­trie­bes“ dies zulässt.

Ein Rauch­ver­bot kann dem­zu­fol­ge zum Schutz der Ar­beit­neh­mer ge­gen die Ge­fah­ren des Pas­siv­rau­chens er­for­der­lich sein, doch kommt es hier auf die Umstände des Ein­zel­falls an. Mögli­cher­wei­se können auch Luft­fil­ter­an­la­gen genügen.

In Gaststätten mit Rau­cherräum­en bei­spiels­wei­se müssen Ar­beit­neh­mer, so je­den­falls die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung der Ar­beits­ge­rich­te, Belästi­gun­gen und Ge­fah­ren auf­grund des Pas­siv­rau­chens in der Re­gel als „bran­chen­ty­pisch“ hin­neh­men.

Mögli­cher­wei­se hat sich die recht­li­che Si­tua­ti­on von Ar­beit­neh­mern, die in Gaststätten tätig sind, auf­grund der oben erwähn­ten ge­setz­li­chen Rauch­ver­bo­te in öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen bzw. in Gaststätten ver­bes­sert. Hier­zu hat sich das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) vor kur­zem geäußert (Ur­teil vom 19.05.2009, 9 AZR 241/08).

Der Streit­fall: Ber­li­ner Spiel­bank lässt Crou­piers in ver­rauch­ten Spielsäälen ar­bei­ten

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer ist in ei­ner Ber­li­ner Spiel­bank als Tisch-Chef beim Rou­let­te beschäftigt. In dem Raum, in dem er ar­bei­tet, be­fin­det sich auch ei­ne Bar. Im ge­sam­ten Raum wird ge­raucht.

In den letz­ten Jah­ren litt der Kläger zu­neh­mend un­ter Atem-, Au­gen- so­wie Herz-Kreis­lauf-Be­schwer­den. Er mach­te hierfür den Ta­bak­rauch an sei­nem Ar­beits­platz ver­ant­wort­lich und ver­lang­te von sei­nem Ar­beit­ge­ber ei­nen rauch­frei­en Ar­beits­platz.

Die­ser befürch­te­te, durch ein Rauch­ver­bot Gäste zu ver­lie­ren und mein­te da­her, die be­ste­hen­den Luft­fil­ter­an­la­gen reich­ten aus. Der Spiel­saal für das „Klas­si­sche Spiel“, in dem der Kläger sei­ne Ar­beit ver­rich­ten hat, ist mit ei­ner Kli­ma­an­la­ge, ei­ner Be- und Entlüftungs­an­la­ge so­wie ei­ner Luft­be­feuch­tungs­an­la­ge aus­ge­stat­tet.

Der Kläger zog vor Ge­richt mit dem Ziel, dass sein Ar­beit­ge­ber da­zu ver­ur­teilt würde, ihm ei­nen ta­bak­rauch­frei­en Ar­beits­platz in dem Raum zur Verfügung zu stel­len, in dem er zu ar­bei­ten hat­te, d.h. in dem Spiel­saal für das „Klas­si­sche Spiel“. Mit die­ser Kla­ge wur­de er so­wohl vor dem Ar­beits­ge­richt Ber­lin (Ur­teil vom 20.09.2006, 29 Ca 7261/06) als auch vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg ab­ge­wie­sen (Ur­teil vom 11.03.2008, 11 Sa 1910/06).

BAG: Muss der Ar­beit­ge­ber all­ge­mei­ne Vor­schrif­ten des Nicht­rau­cher­schut­zes be­ach­ten, können die­se nicht "un­zu­mut­bar" im Sin­ne des Ar­beits­schutz­rechts sein

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ent­schied an­ders als die Vor­in­stan­zen und ver­ur­teil­te die Spiel­bank da­zu, dem Kläger ei­nen ta­bak­rauch­frei­en Ar­beits­platz im Spiel­saal für das „Klas­si­sche Spiel“ zur Verfügung zu stel­len.

Aus­gangs­punkt für die Be­gründung des Ur­teils ist die Über­le­gung, dass die Gren­zen der Zu­mut­bar­keit für den Ar­beit­ge­ber gemäß § 5 Ar­bStättV zu­gleich Gren­zen für den an sich mögli­chen Schutz des Ar­beit­neh­mers vor Ta­bak­rauch sind.

Maßgeb­lich ist hier aus Sicht des Ge­richts die Fra­ge, ob der Ar­beit­ge­ber bei der Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on in sei­nem Be­trieb sei­ne un­ter­neh­me­ri­sche Betäti­gungs­frei­heit rechtmäßig ausübt oder nicht. Hält sich der Ar­beit­ge­ber an die für ihn gel­ten­den recht­li­chen Re­geln, d.h. betätigt er sich rechtmäßig, kann der Ar­beit­neh­mer kei­ne Maßnah­men zum bes­se­ren Schutz sei­ner Ge­sund­heit vor den Ge­fah­ren des Pas­siv­rau­chens ver­lan­gen, da sol­che „Ver­bes­se­run­gen“ letzt­lich zu ei­ner Verände­rung oder so­gar zu ei­nem fak­ti­schen Ver­bot der be­ruf­li­chen Betäti­gung des Ar­beit­ge­bers führen würden.

„Ver­blei­ben­de“ Be­ein­träch­ti­gun­gen sei­ner Ge­sund­heit, so das BAG, muss der Ar­beit­neh­mer hin­neh­men. § 618 Abs. 1 BGB in Ver­bin­dung mit § 5 Abs. 1 Ar­bStättV sei kei­ne Ge­ne­ral­klau­sel, die im In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mer­schut­zes das Ver­bot von Betäti­gun­gen ermöglicht, die ge­wer­be­recht­lich und nach an­de­ren Vor­schrif­ten er­laubt sind.

Um­ge­kehrt heißt das aber auch: Sind dem Ar­beit­ge­ber be­reits durch nicht-ar­beits­recht­li­che Rechts­vor­schrif­ten be­stimm­te Maßnah­men des Nicht­rau­cher­schut­zes vor­ge­schrie­ben, kann de­ren Be­ach­tung nicht „un­zu­mut­bar“ im Sin­ne von § 618 Abs.1 BGB in Ver­bin­dung mit § 5 Abs. 1 Ar­bStättV sein. Und hier hat­te die be­klag­te Spiel­bank die Vor­schrif­ten des Ber­li­ner Nicht­rau­cher­schutz­ge­set­zes zu be­ach­ten. In dem strei­ti­gen Spiel­saal wur­de nämlich ei­ne „Gaststätte“ - eben die Bar – be­trie­ben, so dass das Rauch­ver­bot des Ber­li­ner Nicht­rau­cher­schutz­ge­set­zes an­zu­wen­den war.

Zwar war das Ber­li­ner Nicht­rau­cher­schutz­ge­setz durch ein Ur­teil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt wor­den (Ur­teil vom 30.07.2008, 1 BvR 3262/07 u.a.), doch galt es nach die­sem Ur­teil vorläufig bzw. bis En­de 2009 wei­ter und war da­her bis zu die­sem Zeit­punkt wei­ter zu be­ach­ten.

Außer­dem hat­te das BVerfG im we­sent­li­chen die Ver­fas­sungs­wid­rig­keit von ge­setz­li­chen Rauch­ver­bo­ten in klei­nen Ein­raum-Knei­pen fest­ge­stellt, da de­ren Be­trei­ber kei­ne Möglich­keit der Tren­nung von Rau­chern und Nicht­rau­chern ha­ben.

Auf der Grund­la­ge die­ser Vor­ga­ben hat­te Ber­lin be­reits nach­ge­bes­sert und ein geänder­tes Nicht­rau­cher­schutz­ge­setz auf den Weg ge­bracht, das die Be­trei­ber von Ein­raum-Knei­pen schützt bzw. von der Gel­tung des Rauch­ver­bots aus­nimmt. Im Vor­griff auf die­ses zum Ent­schei­dungs­zeit­punkt (19.05.2009) noch nicht gel­ten­de geänder­te Ber­li­ner Nicht­rau­cher­schutz­ge­setz stellt das BAG fest, dass die Spiel­bank so oder so, d.h. auch un­ter Be­ach­tung der Vor­ga­ben des BVerfG, in ih­rem Spiel­saal für das „Klas­si­sche Spiel“ ein Rauch­ver­bot würde um­set­zen müssen.

So ge­se­hen konn­te sich die be­klag­te Spiel­bank nicht auf die Un­zu­mut­bar­keit ei­nes ge­ne­rel­len Rauch­ver­bots in dem Spiel­saal be­ru­fen.

Fa­zit: Vie­le Lan­des­ge­set­ze ver­bie­ten es, in Gaststätten zu rau­chen. Nach An­sicht des BAG fal­len auch die dort beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer in den Schutz­be­reich sol­cher Ver­bo­te (ei­ne Aus­nah­me gilt nur Ein­raum-Knei­pen und Rau­cherräum­en).

Folg­lich können be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer un­ter Hin­weis auf § 618 Abs. 1 BGB und § 5 Abs. 1 Ar­bStättV ver­lan­gen, auf ei­nem rauch­frei­en Ar­beits­platz beschäftigt zu wer­den. In sol­chen Fällen ist es oh­ne wei­te­res zu­mut­bar und da­her auch "er­for­der­lich" im Sin­ne der Ar­beits­schutz­vor­schrif­ten, dass der Ar­beit­ge­ber die oh­ne­hin gel­ten­den ge­setz­li­chen Rauch­ver­bo­te um­setzt.

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Letzte Überarbeitung: 13. März 2018

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