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ARBEITSRECHT AKTUELL // 07/04

Ein­grup­pie­rung von Ober­ärz­ten

Pro­ble­me bei der Um­set­zung der neu­en Ta­rif­grup­pe Ä3 des TV-Ärz­te und des TV-Ärz­te/VKA: Ers­te Ge­richts­ur­tei­le zur Ober­arz­t­ein­grup­pie­rung
Arzt im Operationssaal

24.04.2007. Mit dem am 30.10.2006 vom Mar­bur­ger Bund ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trag für Ärz­tin­nen und Ärz­te an Uni­ver­si­täts­kli­ni­ken ("TV-Ärz­te") soll­te ei­ne deut­li­che Ge­halts­er­hö­hung für Kli­nik­ärz­te ver­bun­den sein. In Aus­sicht ge­stellt wa­ren zu­nächst 30 Pro­zent mehr Ge­halt. Spä­ter hieß es dann, daß im­mer­hin ei­ne Ge­halts­stei­ge­rung von sechs bis acht Pro­zent aus­ge­han­delt wor­den sei.

An­ders als die jahr­zehn­te­lang gel­ten­den Ärz­te-Ta­rif­grup­pen des BAT und des vor­über­ge­hend an­ge­wand­ten TVöD, die für Ober­ärz­te kei­ne be­son­de­re Ein­grup­pie­rung bzw. kei­ne spe­zi­el­len Ver­gü­tungs­re­ge­lun­gen ent­hiel­ten, schreibt der TV-Ärz­te fest, daß Ober­ärz­te im Rah­men ei­ner neu­en ei­ge­nen Ober­arzt-Ta­rif­grup­pe ei­ne hö­he­re Ver­gü­tung (Ent­gelt­grup­pe Ä3) als As­sis­tenz­ärz­te (Ent­gelt­grup­pe Ä1) und als Fach­ärz­te (Ent­gelt­grup­pe Ä2) er­hal­ten.

Mit die­ser fi­nan­zi­el­len Bes­ser­stel­lung sol­len Ein­kom­mens­ein­bu­ßen, die durch ge­setz­lich er­zwun­ge­ne Ar­beits­zeit­ver­kür­zun­gen bzw. durch den Weg­fall von Be­reit­schafts­diens­ten be­dingt sind, kom­pen­siert wer­den. Das neue Ge­halts­sys­tem wird erst­mals rück­wir­kend zum 01.07.2006 an­ge­wandt.

Zum Jah­res­wech­sel 2006/2007 stell­te sich zur Ent­täu­schung vie­ler Be­trof­fe­ner her­aus, daß kei­nes­wegs je­der Ober­arzt ge­mäß Ver­gü­tungs­grup­pe Ä3 be­zahlt wer­den muß, son­dern nur der­je­ni­ge, dem die Ober­arzt­po­si­ti­on oder ei­ne gleich­wer­ti­ge Spe­zi­al­funk­ti­on „vom Ar­beit­ge­ber über­tra­gen wor­den ist“ (§ 12 TV-Ärz­te).

Die­se ein­schrän­ken­de Vor­aus­set­zung für ei­ne ge­gen­über den Fach­ärz­ten hö­he­re Ver­gü­tung ist eben­falls in dem vom Mar­bur­ger Bund aus­ge­han­del­ten Ta­rif­ver­trag für Ärz­tin­nen und Ärz­te an kom­mu­na­len Kran­ken­häu­sern ("TV-Ärz­te/VKA") ent­hal­ten, und dies in ei­ner ver­schärf­ten Form, da es hier heißt, daß die Ober­arzt­funk­ti­on vom Ar­beit­ge­ber „aus­drück­lich" über­tra­gen wor­den sein muß (§ 16 TV-Ärz­te/VKA).

Un­ter Ver­weis auf die­se re­strik­ti­ven Be­stim­mun­gen des TV-Ärz­te und des TV-Ärz­te/VKA ste­hen die meis­ten kom­mu­na­len Kran­ken­häu­ser und vie­le Uni­kli­ni­ken der­zeit auf dem Stand­punkt, daß nicht je­der „Ti­tu­la­r­o­ber­arzt“ auch ein ta­rif­lich nach Ent­gelt­grup­pe Ä3 zu be­zah­len­der „Ta­rif­o­ber­arzt“ ist.

Auf­grund der weit­ge­hend weg­ge­fal­le­nen va­ria­blen Ge­halts­auf­bes­se­rung durch Be­reit­schafts­diens­te heißt das für vie­le Ober­ärz­te, daß sie dem ta­rif­po­li­ti­schen „Er­folg“ des Mar­bur­ger Bun­des der­zeit nicht mehr, son­dern im un­güns­tigs­ten Fall so­gar we­ni­ger Ge­halt ver­dan­ken. Hier hilft auch die in den Über­lei­tungs­ta­rif­ver­trä­gen (Uni-Klin­ken: TVÜ-Ärz­te; kom­mu­na­le Kran­ken­häu­ser: TVÜ-Ärz­te/VKA) fest­ge­schrie­be­ne Be­sitz­stands­wah­rung nichts, da sich die­se nicht auf die va­ria­blen bzw. von dem Um­fang der Be­reit­schafts­diens­te ab­hän­gi­gen Ver­gü­tungs­be­stand­tei­le er­streckt.

So­mit ist die Zu­satz­ver­gü­tung für Be­reit­schafts­diens­te weit­ge­hend weg­ge­fal­len, die Be­sitz­stands­wah­rung er­faßt nur die Grund­ver­gü­tung nebst Orts­zu­schlag und der all­ge­mei­nen Zu­la­ge - und der ver­spro­che­ne Aus­gleich durch ei­ne hö­he­re Grund­ver­gü­tung als Ober­arzt bleibt viel­fach aus bzw. wird von vie­len Kli­nik­ver­wal­tun­gen ver­wei­gert.

Wo dem Mar­bur­ger Bund am En­de die Durch­set­zungs­kraft fehl­te, sind nun die Ge­rich­te ge­fragt. Im An­wen­dungs­be­reich des TV-Ärz­te be­ste­hen gu­te, im An­wen­dungs­be­reich des TV-Ärz­te/VKA je nach La­ge des Ein­zel­falls zu­min­dest hin­rei­chen­de Chan­cen, ei­ne hö­he­re Ver­gü­tung ge­mäß Ent­gelt­grup­pe Ä3 not­falls ge­richt­lich zu er­strei­ten:

Da der TV-Ärz­te - an­ders als der TV-Ärz­te/VKA - nicht ver­langt, daß die Über­tra­gung der Ober­arzt­funk­ti­on aus­drück­lich ge­sche­hen sein muß, kann man auch mit der still­schwei­gen­den Über­tra­gung ei­ner be­son­de­ren me­di­zi­ni­schen Ver­ant­wor­tung für Teil- oder Funk­ti­ons­be­rei­che der Kli­nik oder ei­ner Ab­tei­lung auf den ein­zel­nen Ober­arzt ar­gu­men­tie­ren, d.h. zum Bei­spiel mit dem Zu­gang zu ei­nem me­di­zi­ni­schen EDV-ge­stütz­ten Work­flow als Ober­arzt oder mit der na­ment­li­chen Auf­nah­me in Te­le­fon­ver­zeich­nis­se der Kli­nik als Ober­arzt usw.

Im Be­reich des TV-Ärz­te/VKA ist zwar wie er­wähnt die "aus­drück­li­che" Über­tra­gung der Ober­arzt­ver­ant­wor­tung durch die Kli­nik­lei­tung er­for­der­lich, um ein An­recht auf Be­zah­lung ge­mäß Ent­gelt­grup­pe Ä3 zu ha­ben, doch kommt auch ein sol­cher Über­tra­gungs­vor­gang häu­fi­ger vor als viel­fach an­ge­nom­men wird. So kann zum Bei­spiel in der Zu­wei­sung ei­ner be­son­de­ren Funk­tio­nen nach dem Me­di­zin­pro­duk­te­ge­setz oder - auf der Grund­la­ge des BAT - ei­ner der dort ge­nann­ten Son­der­auf­ga­ben ei­ne vom Ta­rif ge­for­der­te "aus­drück­li­che" Über­tra­gung der Ober­arzt­ver­ant­wor­tung lie­gen.

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Letzte Überarbeitung: 13. September 2016

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