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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/194

Zill­me­rung bei be­trieb­li­cher Al­ters­ver­sor­gung

Die Ver­wen­dung ge­zill­mer­ter Ver­si­che­rungs­ver­trä­ge ver­stößt nicht ge­gen das Wert­gleich­heits­ge­bot: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 15.09.2009, 3 AZR 17/09
Hunderteuroscheine Zill­me­rung als "wert­glei­che Um­wand­lung" i.S.d. Ge­set­zes?
22.10.2009. Ar­beit­neh­mer ha­ben ge­gen­über ih­ren Ar­beit­ge­bern auf Grund­la­ge des Be­triebs­ren­ten­ge­set­zes (Be­trAVG) ei­nen An­spruch dar­auf, dass ein Teil ih­res Ent­gel­tes durch Um­wand­lung "in ei­ne wert­glei­che An­wart­schaft auf Ver­sor­gungs­leis­tun­gen" für ih­re be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung ver­wen­det wird (§§ 1 Abs.2 Nr.3, 1a Abs.1 Be­trAVG).

In der Pra­xis wer­den die­se häu­fig durch so­ge­nann­te ge­zill­mer­te Ver­si­che­rungs­ta­ri­fe um­ge­setzt. Da­bei wer­den die Ver­si­che­rungs­bei­trä­ge zu­nächst zur De­ckung der Ab­schluss- und Ver­triebs­kos­ten und erst dann zum Auf­bau des De­ckungs­ka­pi­tals ver­wen­det.

Ob die­se Form von be­trieb­li­cher Al­ters­vor­sor­ge je­doch zu­läs­sig ist, hat­te vor kur­zem das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) zu ent­schei­den: BAG, Ur­teil vom 15.09.2009, 3 AZR 17/09.

Ent­gelt­um­wand­lung mit­tels ge­zill­mer­ter Le­bens­ver­si­che­run­gen

Prak­tisch durch­geführt wer­den Ent­gelt­um­wand­lun­gen die­ser Art in al­ler Re­gel über Di­rekt(le­bens)ver­si­che­run­gen, d.h. Le­bens­ver­si­che­run­gen, die den Ar­beit­neh­mer selbst oder sei­ne Hin­ter­blie­be­nen als Be­zugs­be­rech­tig­ten be­nen­nen. Auf dem Markt wer­den da­bei in ers­ter Li­nie so­ge­nann­te "ge­zill­mer­te Ver­si­che­rungs­ta­ri­fe" an­ge­bo­ten. Da­bei wer­den die ein­ge­zahl­ten Beiträge zunächst auf­ge­wen­det, um die Ver­si­che­rungs- und Ab­schluss­kos­ten so­wie sämt­li­che Ver­triebs- und Ak­qui­si­ti­ons­kos­ten vollständig zu til­gen. Erst da­nach be­ginnt der Auf­bau des De­ckungs­ka­pi­tals für die Al­ters­ver­sor­gung.

Fol­ge die­ser Ta­ri­fe ist des­halb, dass nach Ab­schluss des Ver­tra­ges der Rück­kauf­wert der Ver­si­che­rung (bei vor­zei­ti­ger Auflösung) für meh­re­re Jah­re hin­ter der Sum­me der ein­ge­zahl­ten Beiträge zurück­bleibt. Erst nach länge­rer Lauf­zeit gleicht sich die­ser Nach­teil fi­nan­zi­ell aus.

An­ge­sichts des­sen ist es um­strit­ten, ob die­se Ver­si­che­run­gen tatsächlich ei­ne "wert­glei­che" Um­wand­lung des Ar­beits­ent­gel­tes sind. Das LAG München (Ur­teil vom 15.03.2007, 4 Sa 1152/06) ver­nein­te dies. Dem­ge­genüber hat­te das LAG Köln (Ur­teil vom 13.08.2008, 7 Sa 454/08) kei­ne grundsätz­li­chen Be­den­ken ge­gen die Ent­gelt­um­wand­lung mit­tels ge­zill­mer­ter Le­bens­ver­si­che­run­gen. In bei­den Fällen wur­de die Re­vi­si­on we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen und von den Par­tei­en auch ein­ge­legt.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat­te da­her kürz­lich die Ge­le­gen­heit, über die Zulässig­keit von Zill­me­run­gen und die Fol­gen un­zulässi­ger Zill­me­run­gen zu ent­schei­den: BAG, Ur­teil vom 15.09.2009, 3 AZR 17/09 (BAG-Pres­se­mel­dung 92/09).

Aus­gleich von Pro­vi­si­ons­ver­lus­ten ei­ner Di­rekt­ver­si­che­rung

Der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­rich­tes lag der Fall des LAG Köln zu Grun­de:

Der 1974 ge­bo­re­ne Kläger war bei der Be­klag­ten als Per­so­nal­re­fe­rent beschäftigt. En­de 2004 wur­de er in ei­ne (ge­zill­mer­te) Grup­pen­ren­ten­ver­si­che­rung auf­ge­nom­men. Dem Kläger wur­de dar­in ei­ne le­bens­lan­ge mo­nat­li­che Al­ters­ren­te ab En­de 2039 in Höhe von rund 740 Eu­ro oder al­ter­na­tiv ei­ne ein­ma­li­ge Ka­pi­tal­ab­fin­dung in Höhe von rund 146.000 Eu­ro bei ei­ner mo­nat­li­chen Bei­trags­leis­tung in Höhe von rund 200 Eu­ro zu­ge­sagt.

Bis zum Aus­schei­den des Klägers aus dem Ar­beits­verhält­nis En­de 2007 führ­te die Be­klag­te ins­ge­samt Beiträge in Höhe von rund 7.000 Eu­ro von Ge­halt des Klägers ab.

Zum da­ma­li­gen Zeit­punkt be­trug das De­ckungs­ka­pi­tal der Ver­si­che­rung rund 4.700 Eu­ro. Der Ver­si­che­rungs­ver­trag wur­de ab dann bei­trags­frei ge­stellt. Auf der Ba­sis des De­ckungs­ka­pi­tals ste­hen dem Kläger da­her zum Ren­ten­be­ginn ent­we­der rund 60 Eu­ro Ren­te oder ei­ne Ein­mal­leis­tung von rund 12.500 Eu­ro zu.

Vor die­sem Hin­ter­grund ver­klag­te der Ar­beit­neh­mer sei­nen Ar­beit­ge­ber auf Zah­lung der um­ge­wan­del­ten 7.000 Eu­ro. Er blieb da­mit in den ers­ten bei­den In­stan­zen er­folg­los.

BAG: Be­triebs­ren­te - Ab­schluss­kos­ten sind er­laubt

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt wies die Re­vi­si­on des Klägers zurück, d.h. er ver­lor auch in letz­ter In­stanz.

Schrift­li­che Ur­teils­gründe lie­gen bis­her nicht vor. Aus der bis­lang al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mit­tei­lung Nr.92/09 des BAG er­gibt sich je­doch, dass das Ge­richt sei­nen Be­gründungs­schwer­punkt nicht auf das Wert­gleich­heits­ge­bot, son­dern auf das Recht der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen legt.

In sehr vor­sich­ti­gen For­mu­lie­run­gen ver­packt sieht das obers­te deut­sche Ar­beits­ge­richt "An­halts­punk­te" dafür, dass die Ver­wen­dung (voll) ge­zill­mer­ter Ver­si­che­rungs­verträge nicht ge­gen das Wert­gleich­heits­ge­bot aus § 1 Abs.2 Nr.3 Be­trAVG verstößt, oh­ne dies je­doch näher aus­zuführen.

Hin­ge­gen spricht aus Sicht des BAG of­fen­bar Ei­ni­ges dafür, dass ei­ne vollständi­ge Zill­me­rung ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne des § 307 BGB ist. An­ge­mes­sen "könn­te" es al­ler­dings sein, die Ab­schluss- und Ver­triebs­kos­ten auf fünf Jah­re zu ver­tei­len. Hierfür sprächen je­den­falls Ver­tei­lungs­re­ge­lun­gen im Ge­setz über die Zer­ti­fi­zie­rung von Al­ters­vor­sor­ge­verträgen (Al­ters­vor­sor­ge­verträge-Zer­ti­fi­zie­rungs­ge­setz - Alt­ZertG) so­wie im Ver­si­che­rungs­ver­trags­ge­setz (VVG).

Ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Ver­rech­nungs­re­ge­lung führt je­doch nach Auf­fas­sung des Ge­richts nicht zur Un­wirk­sam­keit der Ent­gelt­um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung, son­dern zu ei­ner höhe­ren be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung.

Der Kläger hätte al­so nicht die Aus­zah­lung sei­nes Ent­gel­tes, son­dern höhe­re Ver­sor­gungs­leis­tun­gen for­dern müssen. Im Er­geb­nis be­deu­tet dies, dass et­wai­ge Aus­gleichs­ansprüche erst im Ver­sor­gungs­fall oder bei ei­ner kon­kret ab­seh­ba­ren Ver­sor­gungslücke zu erfüllen sind. Sol­che Lücken sind aber eher un­wahr­schein­lich, da sich bei wei­te­ren Bei­trags­zah­lun­gen - bei­spiels­wei­se in ei­nem neu­en Ar­beits­verhält­nis - die anfäng­li­chen Nach­tei­le ge­zill­mer­ter Ta­ri­fe mit der Zeit neu­tra­li­sie­ren. Am En­de der Lauf­zeit wei­sen sie dann in al­ler Re­gel min­des­tens ein eben­so gu­tes Preis-Leis­tungs-Verhält­nis wie un­ge­zill­mer­te Ta­ri­fe auf.

Auch un­ter dem Ge­sichts­punkt des Scha­dens­er­sat­zes hat­te der Kläger kein Glück: Das BAG sah den Kläger als zu­tref­fend und um­fas­send in­for­miert an. Es ver­nein­te da­her die für ei­nen Er­satz­an­spruch not­wen­di­ge Ver­let­zung von In­for­ma­ti­ons- oder Be­ra­tungs­pflich­ten.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 3. August 2020

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