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BAG, Ur­teil vom 17.11.2010, 4 AZR 391/09

   
Schlagworte: Tarifvertrag, Betriebsübergang, Tarifvertrag: Bezugnahme
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 4 AZR 391/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.11.2010
   
Leitsätze: Die vertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages oder eines Tarifwerkes führt zu dessen einzelvertraglicher Geltung, an der sich durch einen Betriebsübergang wegen § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nichts ändert. Auch ein beim Betriebserwerber geltender Tarifvertrag steht der vertraglichen Weitergeltung nicht entgegen. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ist weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (Bestätigung und Fortführung von BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - BAGE 124, 34).
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Wuppertal, Urteil vom 4.09.2008, 2 Ca 697/08-8
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 2.04.2009, 15 Sa 1458/08
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


4 AZR 391/09
15 Sa 1458/08
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Düssel­dorf

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
17. No­vem­ber 2010

UR­TEIL

Frei­tag, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,


hat der Vier­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 17. No­vem­ber 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Be­p­ler, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Tre­ber, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Win­ter so­wie die eh­ren-
 


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amt­li­che Rich­te­rin Kral­le-En­geln und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Weßel­kock für Recht er­kannt:


1. Auf die Re­vi­si­on der Kläge­rin wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 2. April 2009 - 15 Sa 1458/08 - in­so­weit auf­ge­ho­ben, als das Lan­des­ar­beits­ge­richt auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Wup­per­tal vom 4. Sep­tem­ber 2008 - 2 Ca 697/08-8 - hin­sicht­lich der Zah­lung von 5.049,34 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 20. Ja­nu­ar 2006 und der Zah­lung von wei­te­ren 4.034,89 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 22. Fe­bru­ar 2008 ab­geändert und in­so­weit die Kla­ge ab­ge­wie­sen hat.

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Wup­per­tal vom 4. Sep­tem­ber 2008 - 2 Ca 697/08-8 - teil­wei­se ab­geändert und klar­stel­lend wie folgt neu ge­fasst:

a) Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin ei­nen Be­trag von 5.049,34 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 20. Ja­nu­ar 2006 zu zah­len.

b) Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin wei­te­re 4.034,89 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 22. Fe­bru­ar 2008 zu zah­len.

c) Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 2. April 2009 - 15 Sa 1458/08 - wird im Übri­gen zurück­ge­wie­sen.


3. Die Kos­ten der ers­ten In­stanz ha­ben die Kläge­rin zu 30 % und die Be­klag­te zu 70 % zu tra­gen. Die Kos­ten des Be­ru­fungs- und des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens hat die Be­klag­te zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!


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Tat­be­stand


Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob ein Teil­be­triebsüber­gang mit Bran­chen­wech­sel zu ei­nem Wech­sel des für ihr über­ge­gan­ge­nes Ar­beits­verhält­nis maßge­ben­den Ta­rif­rechts geführt hat.


Die Kläge­rin wur­de zunächst auf der Grund­la­ge ei­nes schrift­li­chen For­mu­lar­ar­beits­ver­tra­ges vom 23. Ok­to­ber 1986 von der Stadt R, wel­che bei Ver­trags­schluss Mit­glied des kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des war, in de­ren Kran­ken­an­stal­ten als sog. Putz­hil­fe beschäftigt. Der Ar­beits­ver­trag enthält fol­gen­de Re­ge­lung:


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Das Ar­beits­verhält­nis rich­tet sich nach den Be­stim­mun-gen des Bun­des­man­tel­ta­rif­ver­tra­ges für Ar­bei­ter ge­meind­li­cher Ver­wal­tun­gen und Be­trie­be (BMT-G II) vom 31.01.1962 und der zusätz­lich ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge, ins­be­son­de­re der An­la­ge 9 zum BMT-G II und des Be­zirks­zu­satz­ta­rif­ver­tra­ges (BZT-G/NRW), in der je­weils gel­ten­den Fas­sung. Das glei­che gilt für die an de­ren Stel­le tre­ten­den Ta­rif­verträge. Da­ne­ben fin­den die für den Be­reich des Ar­beit­ge­bers je­weils in Kraft be­find­li­chen sons­ti­gen Ta­rif­verträge An­wen­dung. ...“

Nach­dem das Ar­beits­verhält­nis zunächst auf die eben­falls dem kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­ver­band als Mit­glied an­gehören­de S-Kli­ni­kum R GmbH über­ge­gan­gen war, über­nahm die Be­klag­te von die­ser den Be­reich Rei­ni­gung, in dem die Kläge­rin beschäftigt war, mit Wir­kung ab dem 1. Ju­li 2004. Die Kläge­rin hat dem Über­gang ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses auf die Be­klag­te nicht wi­der­spro­chen.

Die Be­klag­te zahlt der Kläge­rin und den an­de­ren Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern im Rei­ni­gungs­be­reich Ent­gelt nach den für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Ta­rif­verträgen für die ge­werb­lich Beschäftig­ten in der Gebäuderei­ni­gung. Dem­ge­genüber for­dert die Kläge­rin un­ter Be­ru­fung auf das im Rechts­streit ei­ner Kol­le­gin er­gan­ge­ne Se­nats­ur­teil vom 29. Au­gust 2007 (- 4 AZR 767/06 - BA­GE 124, 34) Vergütung nach den Vergütungs­ta­rif­verträgen zum



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BMT-G II und ab Ok­to­ber 2005 nach Maßga­be des Ta­rif­ver­tra­ges für den öffent­li­chen Dienst (TVöD).

Ein an­walt­li­ches Gel­tend­ma­chungs­schrei­ben vom 15. Ok­to­ber 2004 ging der Be­klag­ten je­den­falls bis zum 28. Ok­to­ber 2004 zu. Dar­in heißt es ua.:


„Wir for­dern Sie da­her auf, die Lohn­ansprüche un­se­rer Man­dan­tin auf der Grund­la­ge des Lohn­ta­rif­ver­tra­ges BMT-G (Ar­bei­ter/Kom­mu­nen) Grup­pe 3a Stu­fe 8 für die Mo­na­te Ju­li und Au­gust 2004 mit ei­nem Grund­lohn von 1.241,19 Eu­ro brut­to für 24 St­un­den/Wo­che neu zu be­rech­nen und die an­ge­fal­le­ne Mehr­ar­beit ent­spre­chend zu vergüten.

... er­war­ten wir außer­dem Ih­re schrift­li­che Erklärung, dass Sie die künf­tig fällig wer­den­den Lohn­ansprüche un­se­rer Man­dan­tin auf der Grund­la­ge des vor­be­zeich­ne­ten Ta­rif­ver­tra­ges BMT-G vergüten wer­den.

...“

Mit ih­rer Kla­ge ver­langt die Kläge­rin zu­letzt noch Brut­to­dif­fe­renz­beträge für den Zeit­raum Ju­li 2004 bis zum 25. De­zem­ber 2006 und ta­rif­li­ches Ur­laubs­geld für das Jahr 2005. Nach ent­spre­chen­dem Vor­brin­gen der Be­klag­ten und Hin­weis des Ge­richts hat die Kläge­rin mit Schrift­satz vom 10. Ju­li 2008 ih­re Vergütungs­ansprüche für den Zeit­raum 1. No­vem­ber 2005 bis zum 25. De­zem­ber 2006 nach den Be­stim­mun­gen des TVöD be­rech­net.


Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt, 


1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 5.053,75 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len;

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin wei­te­re 4.112,16 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Auf das Ar­beits­verhält­nis sei­en die für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Rah­men- und Lohn­ta­rif­verträge für die ge­werb­lich Beschäftig­ten in der Gebäuderei­ni­gung an­zu­wen­den. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ha­be sich mit dem Ur­teil vom 29. Au­gust 2007
 


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(- 4 AZR 767/06 -) in un­zulässi­ger Wei­se von sei­ner bis­he­ri­gen - je­den­falls noch für sog. Alt­verträge an­zu­wen­den­den - Recht­spre­chung zur Aus­le­gung von Be­zug­nah­me­klau­seln als Gleich­stel­lungs­ab­re­de ent­fernt. Falls je­doch ein An­spruch nach dem BMT-G II ab dem Be­triebsüber­gang vom 1. Ju­li 2004 zu­er­kannt wer­de, sei die­ser je­den­falls nicht dy­na­misch auch auf den TVöD be­zo­gen. Sch­ließlich sei­en Ansprüche der Kläge­rin für die Mo­na­te Sep­tem­ber 2004 bis ein­sch­ließlich Ju­ni 2005 nach § 63 Un­terabs. 1 BMT-G II ver­fal­len; § 63 Un­terabs. 2 BMT-G II grei­fe nicht, da die Kläge­rin für die Be­klag­te auf der Grund­la­ge ei­nes St­un­den­lohns tätig sei und sich des­halb die Vergütung mo­nat­lich ände­re.


Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge im zu­letzt be­an­trag­ten Um­fang statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts ab­geändert und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­ge­wie­sen. Für die Kläge­rin hat es die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen. Mit ih­rer Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin die Wie­der­her­stel­lung des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist ganz über­wie­gend be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge im ganz We­sent­li­chen zu Un­recht ab­ge­wie­sen.


I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sei­ne Auf­fas­sung, die Kläge­rin könne sich nicht auf das Se­nats­ur­teil vom 29. Au­gust 2007 (- 4 AZR 767/06 - BA­GE 124, 34) be­ru­fen, da­mit be­gründet, dass der Se­nat dar­in die für „Altfälle“ wei­ter­hin ein­schlägi­gen Grundsätze der frühe­ren Recht­spre­chung zur Gleich­stel­lungs­ab­re­de nicht kon­se­quent durch­ge­hal­ten ha­be. Viel­mehr sei­en Ge­sichts­punk­te ein­ge­flos­sen, die eher den in der jünge­ren Se­nats­recht­spre­chung - für nach dem 1. Ja­nu­ar 2002 ver­ein­bar­te Klau­seln - auf­ge­stell­ten Aus­le­gungs­grundsätzen ent­stam­men würden. Da­mit sei der der Be­klag­ten zu­ste­hen­de Ver­trau­ens­schutz ver­letzt wor­den. Nach der Recht­spre­chung zur Gleich­stel­lungs­ab­re­de


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fänden ab dem Zeit­punkt des Teil­be­triebsüber­gangs zur Be­klag­ten - dem 1. Ju­li 2004 - die für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Rah­men- und Lohn­ta­rif­verträge für die ge­werb­lich Beschäftig­ten im Gebäuderei­ni­ger­hand­werk auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en An­wen­dung.


II. Die Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts geht fehl. Die Kläge­rin hat An­spruch auf Ent­gelt nach Maßga­be der ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen des BMT-G II und der da­zu ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge in der Fas­sung, die am 1. Ju­li 2004, dem Zeit­punkt des Be­triebsüber­gangs von der in­so­weit ge­bun­de­nen S-Kli­ni­kum R GmbH zu der nicht an den BMT-G II ge­bun­de­nen Be­klag­ten galt. Das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ist des­halb na­he­zu wie­der­her­zu­stel­len. Nur so­weit das Ar­beits­ge­richt für die Zeit ab Ok­to­ber 2005 und hin­sicht­lich des Ur­laubs­gelds für das Jahr 2005 höhe­re Beträge zu­ge­spro­chen hat, weil es für die­se Zeit zu Un­recht von der An­wend­bar­keit des TVöD und der die­sen Ta­rif­ver­trag ergänzen­den Ta­rif­verträge aus­ge­gan­gen ist, ist die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen wor­den.


1. Die ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen des BMT-G II und der „zusätz­lich“, ergänzend ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge (nach­fol­gend nur: BMT-G II) ha­ben im Ar­beits­verhält­nis zwi­schen der Kläge­rin und der Stadt R auf­grund der Be­zug­nah­me­klau­sel in § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 23. Ok­to­ber 1986 in­di­vi­du­al­ver­trag­li­che Rech­te und Pflich­ten be­gründet. Hier­an hat sich nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB durch die bei­den Be­triebs(teil-)übergänge nichts geändert, wes­halb die Kläge­rin ge­genüber der Be­klag­ten die gel­tend ge­mach­ten Vergütungs­ansprüche hat, so­weit sie auf der An­wen­dung des BMT-G II be­ru­hen.

a) Durch die Be­zug­nah­me in § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 23. Ok­to­ber 1986 sind die Re­ge­lun­gen der dort ge­nann­ten Ta­rif­verträge In­halt des Ar­beits­ver­tra­ges der da­ma­li­gen Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ge­wor­den. Auf der Grund­la­ge der frühe­ren, aus Gründen des Ver­trau­ens­schut­zes für vor dem 1. Ja­nu­ar 2002 ge­schlos­se­nen Verträge fort­zuführen­den Se­nats­recht­spre­chung han­delt es sich bei die­ser Ver­trags­klau­sel um ei­ne so­ge­nann­te Gleich­stel­lungs­ab­re­de. Fol­ge da­von ist, dass die im Ver­trag vor­ge­se­he­ne Dy­na­mik der in den Ar­beits­ver­trag in­kor­po­rier­ten je­wei­li­gen ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen da­von abhängig ist, dass die

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Ar­beit­ge­be­rin die be­tref­fen­den Ta­rif­verträge auch ta­rif­recht­lich ge­genüber den an die­se Ta­rif­verträge ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern an­wen­den muss.


aa) Nach der frühe­ren Recht­spre­chung des Se­nats galt die wi­der­leg­li­che Ver­mu­tung, dass es ei­nem an ar­beits­ver­trag­lich in Be­zug ge­nom­me­ne Ta­rif­verträge ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber nur dar­um geht, durch die Be­zug­nah­me die nicht or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer mit den or­ga­ni­sier­ten hin­sicht­lich der Gel­tung des in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­werks gleich­zu­stel­len. Der Se­nat ging da­von aus, dass mit ei­ner sol­chen von ei­nem ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber ge­stell­ten Ver­trags­klau­sel le­dig­lich die mögli­cher­wei­se feh­len­de Ge­bun­den­heit des Ar­beit­neh­mers an die im Ar­beits­ver­trag ge­nann­ten Ta­rif­verträge er­setzt wer­den soll, um je­den­falls zu ei­ner ver­trag­li­chen An­wen­dung des ein­schlägi­gen Ta­rif­ver­tra­ges zu kom­men und da­mit zu des­sen Gel­tung für al­le Beschäftig­ten (vgl. nur 23. Ja­nu­ar 2008 - 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 38; 1. De­zem­ber 2004 - 4 AZR 50/04 - BA­GE 113, 40, 42 f.; 25. Sep­tem­ber 2002 - 4 AZR 294/01 - BA­GE 103, 9, 14; 21. Au­gust 2002 - 4 AZR 263/01 - BA­GE 102, 275, 278 ff.).


Dar­aus hat der Se­nat die Kon­se­quenz ge­zo­gen, dass auch oh­ne wei­te­re An­halts­punk­te im Ver­trags­text oder Be­gleit­umständen bei Ver­trags­schluss bei Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­ge­bers an die in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge Be­zug­nah­me­klau­seln wie die im Ar­beits­ver­trag vom 23. Ok­to­ber 1986 in al­ler Re­gel als so­ge­nann­te Gleich­stel­lungs­ab­re­den aus­zu­le­gen sei­en (vgl. nur 10. De­zem­ber 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18 mwN, AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 68; 14. De­zem­ber 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 12 ff. mwN, BA­GE 116, 326; 1. De­zem­ber 2004 - 4 AZR 50/04 - Rn. 15 ff. mwN, BA­GE 113, 40; 21. Au­gust 2002 - 4 AZR 263/01 - Rn. 16 ff. mwN, BA­GE 102, 275). Die Ver­wei­sung auf ei­nen Ta­rif­ver­trag oder ein Ta­rif­werk in der je­weils gel­ten­den Fas­sung wur­de des­halb ein­schränkend da­hin aus­ge­legt, dass die auf die­se Wei­se zum Aus­druck ge­brach­te Dy­na­mik nur so weit reicht, wie sie bei ei­nem ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer reicht, al­so dann en­det, wenn der Ar­beit­ge­ber we­gen Weg­falls der ei­ge­nen Ta­rif­ge­bun­den­heit nicht mehr nor­ma­tiv an künf­ti­ge


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Ta­ri­fent­wick­lun­gen ge­bun­den ist (vgl. im Ein­zel­nen BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 28, BA­GE 130, 43). Ab die­sem Zeit­punkt sind die in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge nur noch sta­tisch an­zu­wen­den.

bb) Die­se Aus­le­gungs­re­gel zur Fest­stel­lung ei­ner Gleich­stel­lungs­ab­re­de hat der Se­nat auf­ge­ge­ben. Er wen­det sie aber aus Gründen des Ver­trau­ens­schut­zes wei­ter­hin auf Be­zug­nah­me­klau­seln an, die vor dem 1. Ja­nu­ar 2002 ver­ein­bart wor­den sind (st. Rspr., vgl. nur 26. Au­gust 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 49, AP TVG § 3 Nr. 45 = EzA TVG § 3 Nr. 32; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BA­GE 122, 74; 14. De­zem­ber 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BA­GE 116, 326).

cc) Da die im Ar­beits­ver­trag ent­hal­te­ne dy­na­mi­sche Ver­wei­sung auf den BMT-G II am 23. Ok­to­ber 1986 ver­ein­bart wor­den ist, kommt bei des­sen Aus­le­gung wei­ter­hin die frühe­re Se­nats­recht­spre­chung zum Tra­gen. Da­nach ist die Be­zug­nah­me­klau­sel in § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges ei­ne Gleich­stel­lungs­ab­re­de. Sie ver­weist auf die fach­lich ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge, an die die da­ma­li­ge Ar­beit­ge­be­rin ta­rif­ge­bun­den war. Auf die­se Wei­se sind de­ren Re­ge­lun­gen mit der sich aus dem Cha­rak­ter als Gleich­stel­lungs­ab­re­de er­ge­ben­den Maßga­be In­halt des Ar­beits­ver­tra­ges der Kläge­rin ge­wor­den (zu ver­gleich­ba­ren Klau­seln BAG 18. No­vem­ber 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 20, AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 70 = EzA TVG § 3 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 43; 10. De­zem­ber 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18, AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 68; 14. De­zem­ber 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 12 ff., BA­GE 116, 326; 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - zu I 2 c der Gründe, BA­GE 105, 284).


b) In­fol­ge des Be­triebsüber­gangs auf die S-Kli­ni­kum R GmbH hat sich an die­ser Rechts­la­ge nichts geändert. Die so be­gründe­ten, aus dem in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­werk herrühren­den in­di­vi­du­al­ver­trag­li­chen Rech­te und Pflich­ten wur­den nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auch In­halt des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Er­wer­be­rin (vgl. BAG 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - BA­GE 105, 284, 286 f.; 26. Sep­tem­ber 2001 - 4 AZR 544/00 - BA­GE 99, 120, 129). Da die­se eben­falls an den BMT-G II ta­rif­ge­bun­den war, änder­te sich an der Dy­na­mik der Be­zug­nah­me nichts.


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c) Der BMT-G II galt auf in­di­vi­du­al­ver­trag­li­cher Grund­la­ge auch nach dem zwei­ten Be­triebs(teil-)über­gang des Be­reichs Rei­ni­gung auf die Be­klag­te und dem da­mit ver­bun­de­nen Bran­chen­wech­sel des Beschäfti­gungs­be­triebs in den Be­reich des Gebäuderei­ni­ger­hand­werks wei­ter. Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB blieb das in § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges in Be­zug ge­nom­me­ne Ta­rif­recht Teil des auf die Be­klag­te über­ge­gan­ge­nen Ar­beits­ver­tra­ges.


aa) Et­was an­de­res er­gibt sich nicht schon von Rechts we­gen. 


(1) An der fort­dau­ern­den Maßgeb­lich­keit der Rech­te und Pflich­ten aus dem BMT-G II ändert der Um­stand nichts, dass nun­mehr im Ar­beits­verhält­nis das für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärte Ta­rif­recht des Gebäuderei­ni­ger­hand­werks An­wen­dung fin­det. Die nor­ma­tiv nach § 4 Abs. 1 iVm. § 5 TVG im Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en an­wend­ba­ren Re­ge­lun­gen der Gebäuderei­ni­ger­ta­rif­verträge wer­den nach § 4 Abs. 3 TVG durch güns­ti­ge­re ar­beits­ver­trag­li­che Re­ge­lun­gen ver­drängt. Hier­zu gehören die von der Kläge­rin in An­spruch ge­nom­me­nen Ent­gelt­re­ge­lun­gen des BMT-G II und der die­sen ergänzen­den Ta­rif­verträge. Sie fin­den kraft im Ar­beits­verhält­nis pri­vat­au­to­nom ge­bil­de­ten Wil­lens als Ver­trags­recht An­wen­dung.


(2) Die Ta­rif­verträge für das Gebäuderei­ni­ger­hand­werk sind auch nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB an die Stel­le des ver­trag­lich in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­rechts des öffent­li­chen Diens­tes ge­tre­ten. Aus Wort­laut und sys­te­ma­ti­scher Stel­lung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB folgt, dass die­se Be­stim­mung nur die grundsätz­lich vor­ge­se­he­ne Trans­for­ma­ti­on von Ta­rif­recht, das beim Be­triebs­veräußerer kraft bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­ge­bun­den­heit ge­gol­ten hat, in das Ar­beits­verhält­nis beim Er­wer­ber ver­hin­dert oder be­en­det. Die Vor­schrift ist nicht da­zu be­stimmt, auf beim Veräußerer ver­trag­lich be­gründe­te Rech­te und Pflich­ten Ein­fluss zu neh­men. § 613a Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB re­geln aus­sch­ließlich - letzt­lich nach Spe­zia­litäts­ge­sichts­punk­ten mo­di­fi­ziert - den Er­halt von ursprüng­lich nor­ma­tiv be­gründe­ten Be­sitzständen nach ei­nem Be­triebsüber­gang, nach dem die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne nor­ma­ti­ve Wei­ter­gel­tung ent­fal­len sind. Ver­trag­li­che Rechts­po­si­tio­nen, auch wenn sie in ei­ner pri­vat­au­to­no­men Ein­be­zie­hung von Ta­rif­recht ih­ren Grund ha­ben, ge­hen oh­ne Wei­te­res und


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un­ein­ge­schränkt nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB über. Ein an­de­res Verständ­nis stünde im Übri­gen auch im Wi­der­spruch zu Art. 3 Abs. 1 der Be­triebsüber­gangs-Richt­li­nie 2001/23/EG vom 12. März 2001, wo­nach Rech­te und Pflich­ten aus ei­nem Ar­beits­ver­trag oh­ne Wei­te­res auf den Er­wer­ber über­ge­hen.


bb) Die ar­beits­ver­trag­li­che Ver­wei­sung nimmt nur den BMT-G II und die zu­gehöri­gen Ta­rif­verträge, nicht auch die für die „an­de­re“ Bran­che der Gebäuderei­ni­gung gel­ten­den Ta­rif­verträge in Be­zug. Die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ha­ben kei­ne große dy­na­mi­sche Ver­wei­sung oder Ta­rif­wech­sel­klau­sel ver­ein­bart.


(1) Die Be­zug­nah­me auf das Ta­rif­werk ei­ner be­stimm­ten Bran­che kann nur dann als große dy­na­mi­sche Ver­wei­sung, al­so als Be­zug­nah­me auf den je­weils für den Be­trieb fach­lich/be­trieb­lich ein­schlägi­gen Ta­rif­ver­trag, aus­ge­legt wer­den, wenn sich dies aus be­son­de­ren Umständen er­gibt (BAG 29. Au­gust 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 17 mwN, BA­GE 124, 34, 39). Ei­ne sol­che Be­zug­nah­me ist recht­lich möglich. Ein da­hin­ge­hen­der Wil­le muss aber im Wort­laut des Ver­tra­ges ei­nen hin­rei­chend deut­li­chen Nie­der­schlag ge­fun­den ha­ben oder sich aus den Be­gleit­umständen bei Ver­trags­schluss er­ge­ben.


(2) We­der § 2 Satz 1 und 2 noch Satz 3 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 23. Ok­to­ber 1986 noch vor­ge­tra­ge­ne Umstände bei Ver­trags­schluss las­sen ei­nen Wil­len der ver­trag­schließen­den Par­tei­en er­ken­nen, die je nach Bran­chen­zu­gehörig­keit des Beschäfti­gungs­be­triebs ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge pri­vat­au­to­nom zur Gel­tung zu brin­gen.


Die Sätze 1 und 2 der ver­trag­li­chen Ver­wei­sungs­klau­sel nen­nen nur die Ta­rif­be­stim­mun­gen für die Ar­bei­ter ge­meind­li­cher Ver­wal­tun­gen und Be­trie­be in ih­rer je­weils gel­ten­den Fas­sung als Ver­wei­sungs­ob­jekt. Nur die­ses Ta­rif­recht ha­ben die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en in dem vom Ar­beit­ge­ber ge­stell­ten Ver­trag in das Ver­trags­verhält­nis in­kor­po­riert.

Auch aus Satz 3 er­gibt sich nichts an­de­res. Zwar wird dort auf „die für den Be­reich des Ar­beit­ge­bers je­weils in Kraft be­find­li­chen sons­ti­gen Ta­rif­verträge“ ver­wie­sen. Schon aus der Einfügung des Wor­tes „sons­ti­gen“ so­wie aus

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der Ein­lei­tung des Sat­zes mit „Da­ne­ben fin­den“ er­gibt sich aber, dass mit der ver­trag­li­chen Re­ge­lung nicht ein et­wai­ger Ta­rif­wech­sel vor­be­rei­tet wird. Viel-mehr geht es in Satz 3 der Ver­ein­ba­rung nur dar­um, auch nicht aus­drück­lich an­ge­spro­che­ne Ta­rif­verträge, die für die da­ma­li­ge Ar­beit­ge­be­rin des kom­mu­na­len öffent­li­chen Diens­tes ein­schlägig wa­ren oder wer­den soll­ten, ne­ben dem Ta­rif­werk des BMT-G II zum Ver­trags­in­halt zu ma­chen. Hier­zu gehören die Ta­rif­verträge für das Gebäuderei­ni­ger­hand­werk nicht (vgl. auch BAG 29. Au­gust 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 18, BA­GE 124, 34, 39 f.).


Umstände bei Ver­trags­schluss, aus de­nen sich ein wei­ter­ge­hen­der Re­ge­lungs­wil­le der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en er­ge­ben könn­te, trägt die Be­klag­te nicht vor.


cc) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts führt auch der Um­stand, dass die Ver­wei­sung in § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges als Gleich­stel­lungs-ab­re­de aus­zu­le­gen ist, nicht zu ei­nem Wech­sel des auf ver­trag­li­cher Grund­la­ge an­wend­ba­ren Ta­rif­rechts. Dies lässt sich we­der aus Wort­laut und Sinn der Ver­trags­klau­sel noch aus dem Ge­dan­ken ei­ner hier­auf auf­bau­en­den „ent­spre­chen­den An­wen­dung“ des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB her­lei­ten.


(1) Das mit dem Be­griff „Gleich­stel­lungs­ab­re­de“ ge­kenn­zeich­ne­te Aus­le­gungs­er­geb­nis ei­ner Be­zug­nah­me­klau­sel hat­te und hat in der Recht­spre­chung des Se­nats nicht den In­halt, den am Ver­trag be­tei­lig­ten Ar­beit­neh­mer in je­der Hin­sicht wie ein Mit­glied der ta­rif­sch­ließen­den Ge­werk­schaft oder zu­min­dest ta­rif­recht­lich so wie ei­nen an den in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­ver­trag ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer zu be­han­deln. Es ging und geht stets nur dar­um, den Ar­beit­neh­mer ver­trag­lich hin­sicht­lich des in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­ver­tra­ges oder Ta­rif­wer­kes so zu stel­len, als wäre er an die­sen Ta­rif­ver­trag ge­bun­den. We­sent­li­che Rechts­fol­ge die­ses Aus­le­gungs­er­geb­nis­ses war es, die sich aus dem Wort­laut der In­be­zug­nah­me er­ge­ben­de Dy­na­mik der ta­rif­li­chen In­kor­po­rie­rung auf die Zeit zu be­gren­zen, in der der Ar­beit­ge­ber oh­ne­hin im Verhält­nis zu ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern durch sei­ne Ver­bands­mit­glied­schaft an die Ta­ri­fent­wick­lung ge­bun­den war. Ei­ne Gleich­stel­lung, die auch ei­nen für Ge­werk­schafts­mit­glie­der nor­ma­tiv, bei­spiels­wei­se auf­grund von § 613a Abs. 1


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Satz 3 BGB, ein­tre­ten­den Ta­rif­wech­sel ver­trag­lich nach­voll­zieht, kann zwar ver­ein­bart wer­den, sie muss aber im Ver­trags­wort­laut in der eben be­schrie­be­nen Wei­se zum Aus­druck kom­men. Ei­ne auf ein be­stimm­tes Ta­rif­werk be­zo­ge­ne Gleich­stel­lungs­klau­sel deckt ei­ne Ver­trags­ent­wick­lung, die ei­nen auf ei­nen Bran­chen­wech­sel fol­gen­den Ta­rif­wech­sel mit­um­fasst, nicht ab (vgl. hier­zu auch BAG 29. Au­gust 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 17, BA­GE 124, 34, 39).


(2) In sei­nem Ur­teil vom 29. Au­gust 2007 hat der Se­nat im Ein­zel­nen be­gründet, war­um im Verhält­nis zwi­schen ei­ner ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Ta­rif­gel­tung und ei­nem nor­ma­tiv gel­ten­den Ta­rif­ver­trag im Hin­blick auf die un­ter­schied­li­chen Re­ge­lungs­ebe­nen auch ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht in Be­tracht kommt (- 4 AZR 767/06 - Rn. 19 mwN zu den hier­zu in der Li­te­ra­tur ver­tre­te­nen Auf­fas­sun­gen, BA­GE 124, 34, 40). Der Se­nat nimmt hier­auf zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen Be­zug, da neue Ge­sichts­punk­te im vor­lie­gen­den Rechts­streit nicht an­ge­spro­chen wor­den sind.

dd) Die Be­klag­te und das Lan­des­ar­beits­ge­richt be­ru­fen sich zur Recht­fer­ti­gung ih­rer ent­ge­gen­ge­setz­ten Rechts­auf­fas­sun­gen, was die Be­deu­tung und Wir­kung ei­ner Gleich­stel­lungs­ab­re­de in Fällen wie dem vor­lie­gen­den an­geht, zu Un­recht auf die Se­nats­ent­schei­dun­gen vom 4. Sep­tem­ber 1996 (- 4 AZR 135/95 - BA­GE 84, 97) und 23. Ja­nu­ar 2008 (- 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 38). Es wird hier schon über­se­hen, dass die bei­den an­ge­zo­ge­nen Ur­tei­le grund­le­gend an­de­re Sach­ver­hal­te be­tra­fen, wes­halb die dort ge­trof­fe­nen Aus­sa­gen auch nicht auf die vor­lie­gen­de Fall­ge­stal­tung über­trag­bar sind.


(1) Das von der Be­klag­ten an­geführ­te Se­nats­ur­teil vom 4. Sep­tem­ber 1996 (- 4 AZR 135/95 - BA­GE 84, 97) be­traf ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Ver­wei­sungs­klau­sel, die kei­ne Ta­rif­wech­sel­klau­sel zum In­halt hat­te. Sie war in ei­nem Fall des Ver­bands­wech­sels des Ar­beit­ge­bers kor­ri­gie­rend da­hin aus­ge­legt wor­den, dass ei­ne Ver­wei­sung auf den je­weils für den Be­trieb gel­ten­den Ta­rif­ver­trag ver­ein­bart wor­den sei. Die­se Recht­spre­chung hat der Se­nat aus­drück­lich auf­ge­ge­ben (22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 73, BA­GE 130, 286; s. be­reits
 


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22. Ok­to­ber 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 24 f., BA­GE 128, 165, 171). Zu­dem er­folg­te die Aus­le­gung im Ur­teil vom 4. Sep­tem­ber 1996 je­den­falls auf der deut­lich her­aus­ge­stell­ten Grund­la­ge, dass der Ver­trags­part­ner der von un­ter­schied­li­chen Ar­beit­ge­ber­verbänden ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge je­weils die­sel­be Ge­werk­schaft war, der zu­dem auch die da­ma­li­ge Kläge­rin an­gehörte. Mit die­ser Aus­gangs­la­ge ist der vor­lie­gen­de Fall be­reits des­halb nicht ver­gleich­bar, weil ein Bran­chen­wech­sel in den Zuständig­keits­be­reich ei­ner an­de­ren Ge­werk­schaft - als der die das in Be­zug ge­nom­me­ne Ta­rif­werk ab­ge­schlos­sen hat - statt­ge­fun­den hat (vgl. auch 22. Ok­to­ber 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 24 f., BA­GE 128, 165, 171).


(2) Auch so­weit das Lan­des­ar­beits­ge­richt auf das Se­nats­ur­teil vom 23. Ja­nu­ar 2008 (- 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 38) hin­weist, wor­in der Se­nat zu sei­ner ei­gent­li­chen Recht­spre­chung zur Gleich­stel­lungs­ab­re­de zu-rück­ge­kehrt sei, wer­den der dort be­han­del­te Le­bens­sach­ver­halt aus­ge­blen­det und die dor­ti­gen Rechts­ausführun­gen im ent­schei­den­den Punkt nicht aus­rei­chend gewürdigt. In der Ent­schei­dung ging es bei der Würdi­gung ei­ner als Gleich­stel­lungs­ab­re­de zu be­wer­ten­den Be­zug­nah­me­klau­sel dar­um, ob nach ei­nem Be­triebsüber­gang an die Stel­le ei­nes von der ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­wei­sung mit­um­fass­ten, beim Veräußerer ab­ge­schlos­se­nen Haus­ta­rif­ver­tra­ges wie­der die flächen­ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen ge­tre­ten wa­ren, die eben­falls von der ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­wei­sung er­fasst und die von der­sel­ben Ge­werk­schaft ver­ein­bart wor­den wa­ren wie der Haus­ta­rif­ver­trag. Zur Klärung der Rechts­la­ge griff der Se­nat auf den auch hier zu­grun­de ge­leg­ten An­satz zurück, es ge­he auf der Grund­la­ge der ver­ein­bar­ten Gleich­stel­lungs­ab­re­de dar­um, den dor­ti­gen Kläger so zu stel­len, „als sei er wie ein Mit­glied der ta­rif­sch­ließen­den Ge­werk­schaft ... eben­so wie der Ar­beit­ge­ber an die in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge der Bran­che ge­bun­den“ (- 4 AZR 602/06 - aaO). Nur für die Aus­wah­l­ent­schei­dung, auf wel­che der in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­wer­ke sich die Ver­wei­sung in der kon­kret ein­ge­tre­te­nen Si­tua­ti­on be­zieht, hat der Se­nat in sei­ner ver­glei­chen­den Be­trach­tung der Rechts­la­ge bei den ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern - oh­ne dass es dar­auf ent­schei­dend an­kam - § 613a Abs. 1



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Sätze 2 und 3 BGB an­ge­spro­chen. Ei­ne Recht­fer­ti­gung dafür, aus ei­ner auf ein be­stimm­tes Ta­rif­werk be­zo­ge­nen Gleich­stel­lungs­ab­re­de auf ei­ne ver­trag­li­che In­be­zug­nah­me ei­nes für ei­ne an­de­re Bran­che durch ei­ne an­de­re Ge­werk­schaft ab­ge­schlos­se­nen nicht ge­nann­ten Ta­rif­wer­kes zu schließen, lässt sich da­her aus der an­ge­zo­ge­nen Ent­schei­dung nicht ent­neh­men.

2. Das Ar­beits­ge­richt ist al­ler­dings zu Un­recht da­von aus­ge­gan­gen, dass auf das Ar­beits­verhält­nis seit dem In­kraft­tre­ten des TVöD/VKA das dor­ti­ge Ta­rif­recht kraft ar­beits­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me an­wend­bar sei. So­weit die Kla­ge­for­de­rung der Höhe nach hier­auf be­ruht, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. In­so­weit ist die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.


Aus dem be­reits be­schrie­be­nen In­halt ei­ner Gleich­stel­lungs­ab­re­de, wie sie sich im Ver­trag der Kläge­rin vom 23. Ok­to­ber 1986 fin­det, folgt, dass mit dem Weg­fall der Ta­rif­ge­bun­den­heit auf Ar­beit­ge­ber­sei­te an die ar­beits­ver­trag­lich in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge die ver­trag­lich ver­ein­bar­te Dy­na­mik en­det. Die Ar­beit­ge­be­rin ist an da­nach ver­ein­bar­te Ta­rifände­run­gen nicht mehr ge­bun­den. Da die ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge Ta­rif­ge­bun­den­heit an den BMT-G II im Fal­le der Kläge­rin mit dem Be­triebs­teilüber­gang auf die Be­klag­te am 1. Ju­li 2004 ge­en­det hat, kann die Kläge­rin kei­ne Leis­tun­gen auf der Grund­la­ge des die­ses Ta­rif­wer­kes erst am 1. Ok­to­ber 2005 ablösen­den TVöD/VKA ver­lan­gen. Sie ist auf der Grund­la­ge der ar­beits­ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me auf die Rech­te aus dem BMT-G II be­schränkt, wie sie sich zum Stand 1. Ju­li 2004 er­ge­ben.


3. Aus al­le­dem folgt, dass die Kla­ge we­gen ei­nes Zah­lungs­be­trags von 5.049,34 Eu­ro brut­to (An­trag zu 1) und 4.034,89 Eu­ro brut­to (An­trag zu 2) in ers­ter In­stanz zu Recht Er­folg hat­te und das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts in die­sem Um­fang wie­der­her­zu­stel­len ist. Nur we­gen ei­nes Teil­be­trags von 81,68 Eu­ro brut­to ist der Kla­ge zu Un­recht ent­spro­chen wor­den, wes­halb die Re­vi­si­on kei­nen Er­folg hat.
 


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a) Die zur Be­rech­nung der Kla­ge­for­de­rung er­for­der­li­chen Tat­sa­chen ste­hen zwi­schen den Par­tei­en fest. Die Kläge­rin konn­te für die Zeit zwi­schen dem 1. Ju­li 2004 und dem 25. De­zem­ber 2006 auf der Grund­la­ge des BMT-G II (29 x 1.241,19 + 992,95 =) 36.987,46 Eu­ro brut­to an lau­fen­dem Ent­gelt so­wie ih­rer Teil­zeit­quo­te ent­spre­chend 207,14 Eu­ro brut­to Ur­laubs­geld be­an­spru­chen. Sie hat aus­weis­lich der vor­lie­gen­den Ab­rech­nun­gen für den Streit­zeit­raum ins­ge­samt 28.110,37 Eu­ro brut­to auf der Grund­la­ge der Gebäuderei­ni­ger­ta­rif­verträge er­hal­ten, wor­aus sich die zu­er­kann­te Ge­samt­dif­fe­renz von 9.084,23 Eu­ro brut­to er­gibt. Auf die darüber hin­aus vom Ar­beits­ge­richt nach Maßga­be des TVöD/VKA zu­er­kann­ten 81,68 Eu­ro hat sie kei­nen An­spruch.

b) Die er­rech­ne­ten Zah­lungs­ansprüche sind nicht ver­fal­len. Die Kläge­rin hat mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 15. Ok­to­ber 2004 ih­re For­de­rung auf Wei­ter­zah­lung des Mo­nats­ent­gelts von 1.241,19 Eu­ro brut­to für die 24-St­un­den-Wo­che nach BMT-G II ab dem 1. Ju­li 2004 und für die Zu­kunft aus­rei­chend gel­tend ge­macht. Das ta­rif­li­che Ur­laubs­geld für das Jahr 2005 wur­de mit der Kla­ge­schrift vom 12. Ja­nu­ar 2006, der Be­klag­ten zu­ge­stellt am 19. Ja­nu­ar 2006, recht­zei­tig ver­langt.

aa) Nach dem un­verändert auf das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin an­wend­ba­ren § 63 BMT-G II ver­fal­len Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis, wenn sie nicht in­ner­halb ei­ner Aus­schluss­frist von sechs Mo­na­ten nach Fällig­keit schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den, so­weit ta­rif­ver­trag­lich nichts an­de­res be­stimmt ist. Für den­sel­ben Sach­ver­halt reicht die ein­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung des An­spruchs aus, um ei­nen Ver­fall auch für später fällig wer­den­de Leis­tun­gen zu ver­hin­dern.

Ist al­so ein An­spruch nach § 63 Un­terabs. 1 BMT-G II ord­nungs­gemäß gel­tend ge­macht wor­den, lässt § 63 Un­terabs. 2 BMT-G II die­se Gel­tend­ma­chung für den­sel­ben Sach­ver­halt aus Gründen der Ver­ein­fa­chung auch für später fällig wer­den­de Leis­tun­gen aus­rei­chen (BAG 10. Ju­li 2003 - 6 AZR 283/02 - EzA TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 168).
 


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bb) Die in die­sem Sin­ne für § 63 BMT-G II aus­rei­chen­de „ein­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung“ ge­schah, was die lau­fen­de Vergütung an­geht, mit dem be­reits zi­tier­ten An­walts­schrei­ben vom 15. Ok­to­ber 2004 für den Mo­nat Ju­li 2004 in­ner­halb der Sechs-Mo­nats-Frist. Da­bei wur­de nicht nur die wört­lich an­ge­spro­che­ne Ab­rech­nung, son­dern auch ei­ne ent­spre­chen­de Zah­lung eben­falls ver­langt. Da die Bezüge ständi­ger Na­tur wa­ren, reich­te nach § 63 Un­terabs. 2 BMT-G II die ein­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung des An­spruchs aus. So­weit die Be­klag­te dem ei­ne ständi­ge Ände­rung der mo­nat­li­chen Zah­lungs­beträge auf der Ba­sis ei­nes St­un­den­lohns ent­ge­genhält, be­zieht sich dies nicht auf die der Kläge­rin zu­ste­hen­den und von ihr gel­tend ge­mach­ten ständig glei­chen Beträge, son­dern auf die ge­gen­ge­rech­ne­ten Zah­lun­gen der Be­klag­ten un­ter An­wen­dung ei­nes an­de­ren Ta­rif­ver­tra­ges. Auf die­se aus dem Be­reich der Be­klag­ten stam­men­de Un­re­gelmäßig­keit der Dif­fe­renz­beträge kommt es für die Wah­rung der Aus­schluss­frist nach § 63 BMT-G II, was den der Kläge­rin zu­ste­hen­den mo­nat­li­chen Fest­be­trag an­geht, nicht an.


4. Den Zins­aus­spruch des Ar­beits­ge­richts hat die Be­klag­te nicht an­ge­grif­fen.


III. Die Kos­ten­fol­ge er­gibt sich aus § 92 Abs. 1 und 2, § 97 ZPO. 

Die Kos­ten ers­ter In­stanz wa­ren nach § 92 Abs. 1 ZPO im Verhält­nis des dor­ti­gen Un­ter­lie­gens und Ob­sie­gens ge­son­dert zu ver­tei­len, nach­dem das Ar­beits­ge­richt die ursprüng­lich ein­ge­leg­te Zah­lungs­kla­ge we­gen ei­nes Teil­be­trags ab­ge­wie­sen hat und die Kläge­rin hier­ge­gen kein Rechts­mit­tel ein­ge­legt hat­te.
 


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Die Kos­ten­ent­schei­dung für die zwei­te und drit­te In­stanz be­ruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, weil die Zu­viel­for­de­rung der Kläge­rin, was den für die­se In­stan­zen ver­blie­be­nen Streit­ge­gen­stand an­geht, nur ge­ringfügig ist und des-halb un­berück­sich­tigt blei­ben kann.

Be­p­ler 

Tre­ber 

Win­ter

Kral­le-En­geln 

Weßel­kock

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