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Auf­lö­sungs­an­trag nach Kün­di­gung setzt Fehl­ver­hal­ten des Ver­trags­part­ners vor­aus

Der Ar­beit­ge­ber kann ei­nen Auf­lö­sungs­auf­trag nicht mit sei­nem ei­ge­nen (Fehl-)Ver­hal­ten be­grün­den: Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 20.03.2012, 1 Sa 283 d/11
Auktionshammer bzw. Gerichtshammer auf Geldscheinen Auf­lö­sungs­an­trä­ge sind sel­ten er­folg­reich

19.12.2012. Wer ei­nen Kün­di­gungs­schutz­pro­zes­ses ge­winnt oder kurz da­vor steht, möch­te am En­de oft gar nicht mehr zu­rück in den Be­trieb. Denn ge­gen den Ver­trags­part­ner zu pro­zes­sie­ren, führt zu ei­ner er­heb­li­chen Be­las­tung des (Ver­trau­ens-)Ver­hält­nis­ses.

Da­her sieht das Kün­di­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) die Mög­lich­keit vor, die Auf­lö­sung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses durch das Ge­richt ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung zu be­an­tra­gen. Die­se Mög­lich­keit ha­ben bei­de Ver­trags­par­tei­en, d.h. Ar­beit­ge­ber wie Ar­beit­neh­mer.

Al­ler­dings ha­ben Auf­lö­sungs­an­trä­ge nur sel­ten Er­folg. Denn die Auf­lö­sung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung soll­ten Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer im Re­gel­fall selbst ver­ein­ba­ren, wäh­rend das Ar­beits­ge­richt nach dem KSchG die Auf­ga­be hat, über die Wirk­sam­keit oder Un­wirk­sam­keit von Kün­di­gun­gen zu ur­tei­len. Auf­lö­sung und Ab­fin­dungs­fest­set­zung sind nur aus­nahms­wei­se Auf­ga­ben des Ge­richts.

Wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Schles­wig-Hol­stein in ei­nem ak­tu­el­len Fall ent­schie­den hat, kann der Ar­beit­ge­ber ei­nen Auf­lö­sungs­an­trag nicht mit Be­las­tun­gen der Ar­beits­at­mo­sphä­re be­grün­den, die er selbst ver­schul­det hat: LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 20.03.2012, 1 Sa 283 d/11.

Wann hat ein Auflösungs­an­trag Aus­sicht auf Er­folg?

Auch wenn ei­ne Kündi­gung un­wirk­sam ist, kann sie letzt­lich da­zu führen, dass das Ar­beits­verhält­nis be­en­det wird. Denn auch wenn sich die Kündi­gung im Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren als un­wirk­sam her­aus­ge­stellt hat, können „Gründe vor­lie­gen, die ei­ne den Be­triebs­zwe­cken dien­li­che wei­te­re Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer nicht er­war­ten las­sen“ (§ 9 Abs.1 Satz 2 KSchG). Dann hat das Ge­richt auf An­trag des Ar­beit­ge­bers das Ar­beits­verhält­nis ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung auf­zulösen.

Würden die Ge­rich­te ei­nem sol­chen Ar­beit­ge­ber­an­trag al­ler­dings zu oft statt­ge­ben, würde das den Kündi­gungs­schutz aushöhlen. Das würde dem Ge­setz nicht ge­recht wer­den, denn das KSchG ist auf die Be­stands­si­che­rung von Ar­beits­verhält­nis­sen ge­rich­tet und kein "Ab­fin­dungs­ge­setz".

Das Ge­tetz sagt da­bei nicht, was man sich un­ter "Gründen" vor­zu­stel­len hat, die ei­ner ge­deih­li­chen wei­te­ren Zu­sam­men­ar­beit ent­ge­gen­ste­hen. Je­den­falls kann der Ar­beit­ge­ber nicht selbst sol­che Gründe schaf­fen - und sich dann auf sie be­ru­fen, um ei­nen Auflösungs­an­trag durch­zu­brin­gen.

Der Streit­fall: Führungs­kraft ei­nes Phar­ma­un­ter­neh­mens wird un­wirk­sam gekündigt, klagt mit Er­folg und wird ge­mobbt

Ein Phar­ma-Un­ter­neh­men hat­te sei­ner „Lei­te­rin Fi­nan­zen“ we­gen des an­geb­li­chen Weg­falls ih­res Ar­beits­plat­zes be­triebs­be­dingt gekündigt. Nach­dem ih­re Kündi­gungs­schutz­kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt Elms­horn Er­folg hat­te (Ur­teil vom 14.04.2011, 2 Ca 60 a/11), ging der Ar­beit­ge­ber in Be­ru­fung.

In der Zwi­schen­zeit hat­te die Ar­beit­neh­me­rin ih­re Wei­ter­beschäfti­gung er­zwun­gen, doch war die Rück­kehr in den Be­trieb ein Spießru­ten­lauf: Der Ar­beit­ge­ber setz­te sie in ein von ih­ren Un­ter­ge­be­nen weit ent­fern­tes Büro um, er­setz­te ih­ren Mit­ar­bei­ter­aus­weis durch ei­nen täglich zu er­neu­ern­den Be­su­cher­aus­weis und teil­te ihr Auf­ga­ben zu, die sie gar nicht oder je­den­falls nicht ter­min­ger­ehct erfüllen konn­te. Prompt ha­gel­te es Ab­mah­nun­gen, sie­ben an der Zahl, und der Ar­beit­ge­ber verdäch­tig­te sie, mehr­mals krank­heits­be­ding­te Fehl­zei­ten vor­getäuscht zu ha­ben.

Gestützt auf die­se Umstände mein­te der Ar­beit­ge­ber, ei­ne wei­te­re be­triebs­dien­li­che Zu­sam­men­ar­beit sei nicht mehr zu er­war­ten und stell­te ei­nen Auflösungs­an­trag.

LAG Schles­wig-Hol­stein: Der Ar­beit­ge­ber kann ei­nen Auflösungs­auf­trag nicht mit sei­nem ei­ge­nen (Fehl-)Ver­hal­ten be­gründen

Das LAG wies den Auflösungs­an­trag mit der Be­gründung zurück, dass Zwei­fel an ei­ner wei­te­ren sinn­vol­len Zu­sam­men­ar­beit nicht auf ei­nem fal­schen Ver­hal­ten der Ar­beit­neh­me­rin be­ruh­ten. Falls man sol­che Zwei­fel ha­ben könn­te, würden sich die­se aus dem Ver­hal­ten des Un­ter­neh­mens er­ge­ben.

So hielt das LAG dem Un­ter­neh­men vor, dass je­den­falls sechs sei­ner sie­ben Ab­mah­nun­gen un­be­rech­tigt wa­ren. Und auch ei­nen Ver­dacht des Miss­brauchs von Krank­schrei­bun­gen konn­te das Ge­richt nicht er­ken­nen.

Fa­zit: Die Ent­schei­dung bestätigt, dass an ei­nen vom Ar­beit­ge­ber ge­stell­ten Auflösungs­an­trag bzw. an die dafür er­for­der­li­chen Gründe stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len sind. Kei­nes­falls kann ein Auflösungs­an­trag auf Umstände gestützt wer­den, die der Ar­beit­ge­ber selbst „pro­du­ziert“ hat.

Ar­beit­neh­mern ist zu ra­ten, sich im­mer mit ih­rem An­walt sorg­sam zu über­le­gen, ob sie über­haupt während der Dau­er des Ver­fah­rens ei­nen Fuß in den Be­trieb set­zen soll­ten. Denn auch wenn sie in der ers­ten In­stanz ei­nen An­trag auf vorläufi­ge Weiterbschäfti­gung mit Er­folg ge­stellt bzw. durch­ge­bracht ha­ben, müssen sie da­von kei­nen Ge­brauch ma­chen. So­lan­ge der Ar­beit­ge­ber an der Wirk­sam­keit der Kündi­gung festhält, be­steht kei­ne Pflicht zur Ar­beit, son­dern nur ei­ne Be­rech­ti­gung. Ei­ne Krank­schrei­bung ist da­her die fal­sche Re­ak­ti­on auf ar­beit­ge­ber­sei­ti­ges Mob­bing während ei­ner er­zwun­ge­nen Wei­ter­beschäfti­gung. Man kann auch ein­fach wie­der zu Hau­se blei­ben.

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Letzte Überarbeitung: 23. November 2015

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