09.11.2013. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses lassen sich manche Arbeitgeber Ausgleichsquittungen vom Arbeitnehmer unterschreiben. Damit bestätigt der Arbeitnehmer nicht nur den Erhalt seiner Arbeitspapiere (= Quittung), sondern erklärt darüber hinaus rechtsverbindlich, keine Ansprüche gegen den Arbeitgeber mehr zu haben (= Ausgleichsklausel).
Aufgrund dieser Kombination von harmloser Quittung und brandgefährlichem Forderungsverzicht werden Ausgleichsquittungen in den letzten Jahren immer kritischer bewertet. Da sie vom Arbeitgeber gestellte Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind, dürfen sie den Arbeitnehmer nicht "unangemessen benachteiligen".
Das tun sie aber, und daher sind sie im Allgemeinen unwirksam, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in einer aktuellen Entscheidung: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.09.2013, 1 Sa 61/13.
Händigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer "die Papiere" aus, d.h. Zeugnis, Lohnabrechnungen, Arbeitsbescheinigung usw., kann er eine Empfangsbestätigung ("Quittung") verlangen. Sie ist harmlos.
Etwas völlig anderes ist der Verzicht auf alle möglicherweise noch bestehenden Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, d.h. eine Ausgleichsklausel.
Genau in dieser Kombination von Empfangsbestätigung (Quittung) und Forderungsverzicht (Ausgleichsklausel) besteht aber eine Ausgleichsquittung. Ausgleichsquittungen sind AGB des Arbeitgebers und müssen daher von den Gerichten auf ihre Verständlichkeit und inhaltliche Angemessenheit hin überprüft werden.
Eine Ausgleichsklausel darf daher nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht so gestrickt sein, dass sie nur die Ansprüche des Arbeitnehmers beseitigt. Das ist eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, die gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam ist (BAG, Urteil vom 21.06.2011, 9 AZR 203/10, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/005 Aufhebungsvertrag ohne Abfindung, aber mit Ausgleichsklausel?).
Unwirksam wäre daher z.B. ein Klageverzicht in einem Abwicklungsvertrag nach einer vom Arbeitgeber erklärten Kündigung, der keinerlei Gegenleistung des Arbeitgebers für den Verzicht des Arbeitnehmers auf eine Kündigungsschutzklage enthält (BAG, Urteil vom 06.09.2007, 2 AZR 722/06, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 07/44 Bei Kündigung kein Klageverzicht ohne Gegenleistung).
Obwohl eine Ausgleichsquittung bzw. die darin enthaltene Ausgleichsklausel offiziell einen beiderseitigen Forderungsverzicht beinhaltet und daher theoretisch auch Ansprüche des Arbeitgebers beseitigen könnte, sind faktisch allein Ansprüche des Arbeitnehmers von der Klausel betroffen. Schließlich hat der Arbeitgeber sie mit Bedacht vorbereitet und weiß schon, wann und warum er mit ihrer Hilfe einen Schlussstrich ziehen will.
Im Streitfall ging es um einen Krankenpfleger, der im März und April 2012 für eine Zeitarbeitsfirma gearbeitet hatte und bei Aushändigung der Arbeitspapiere eine Ausgleichsquittung unterzeichnete. Sie lautete:
"Der Arbeitnehmer & Arbeitgeber bestätigen mit ihrer Unterschrift, dass alle gegenseitigen Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, aus dem Arbeitsverhältnis, außer die oben genannten Ansprüche, und in Verbindung mit dessen Beendigung erfüllt sind. Der Arbeitnehmer hat auch den ihm zustehenden Urlaub und das gemäß Lohnabrechnung ausstehende Gehalt in natura erhalten bzw. abgegolten bekommen."
Unter der Überschrift: "Weitere Ansprüche bestehen nicht mit folgenden Ausnahmen" finden sich keine Eintragungen.
Später klagte der Krankenpfleger 902,16 EUR offenen Lohn ein und bekam vor dem Arbeitsgericht Neumünster recht (Urteil vom 09.01.2013, 1 Ca 758 b/12). Denn der eingeklagte Lohn war tatsächlich noch offen und die Ausgleichsklausel bewertete das Arbeitsgericht als unwirksam.
Auch nach Ansicht des LAG war die Ausgleichsklausel unwirksam, denn sie benachteilige den Krankenpfleger unangemessen im Sinne von § 307 Abs.1 Satz 1 BGB, so das LAG.
Zur Begründung heißt es, der in der Klausel enthaltene Verzicht des Arbeitgebers auf etwaige eigene Ansprüche gegen den Arbeitnehmer sei kein ausreichender Ausgleich für dessen Forderungsverzicht. Zwar könnten im Ausnahmefall auch einmal arbeitgeberseitige Ansprüche von einer Ausgleichsklausel erfasst sein, z.B. auf Zahlung von Schadensersatz oder wegen überzahlten Lohnes. Doch im typischen Fall gibt es solche von der Klausel betroffene Ansprüche des Arbeitgebers eben nicht, so das LAG.
Diese Argumentation ist allerdings fragwürdig. Zwar vernichten Ausgleichsklauseln "typischerweise" überwiegend Ansprüche des Arbeitnehmers, aber das gilt für Ausschlussklauseln ebenso. Überzeugender ist es, die Unwirksamkeit von Ausgleichsquittungen bzw. der in ihnen enthaltenen Ausgleichsklauseln mit ihrem überraschenden Charakter zu begründen, d.h. mit § 305c Abs.1 BGB. Denn wer seine Papiere erhält und eine "Empfangsbestätigung" oder "Generalquittung" unterzeichnen soll, erwartet in dieser Erklärung nur eine Quittung, aber keinen umfassenden Forderungsverzicht.
Fazit: Ausgleichsquittungen sind schmutzig und werden von den Arbeitsgerichten zurecht extrem kritisch betrachtet. In Ausgleichsquittungen enthaltene Ausgleichsklauseln dürften vor Gericht keinen Bestand mehr haben.
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Letzte Überarbeitung: 4. Januar 2017
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