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Be­en­di­gungs­da­tum beim Zeug­nis

Vor­über­ge­hen­de Be­schäf­ti­gung wäh­rend ei­nes Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­rens än­dert das Aus­tritts­da­tum nicht: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 14.06.2016, 9 AZR 8/15
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26.11.2016. Wer frist­los ge­kün­digt wird, hat zwar auch ein An­spruch auf ein Ar­beits­zeug­nis, doch ist das Zeug­nis in sol­chen Fäl­len meist we­nig wert.

Denn schon al­lein aus der im Zeug­nis ent­hal­te­nen An­ga­be, dass ein Ar­beits­ver­hält­nis z.B. "am 23. Ja­nu­ar 2016" ge­en­det hat, kann der Le­ser des Zeug­nis­ses den Schluss zie­hen, dass der Ar­beit­neh­mer et­was aus­ge­fres­sen hat und da­her frist­los ent­las­sen wur­de.

In ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) klar­ge­stellt, dass es auch dann bei ei­nem sol­chen "krum­men" Aus­tritts­da­tum im Zeug­nis bleibt, wenn der Ar­beit­neh­mer wäh­rend ei­nes Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­rens vor­über­ge­hend wei­ter­be­schäf­tigt wur­de: BAG, Ur­teil vom 14.06.2016, 9 AZR 8/15.

Was tun bei ei­nem "krum­men" Be­en­di­gungs­da­tum in­fol­ge ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung?

Wer vom Ar­beit­ge­ber außer­or­dent­lich und frist­los gekündigt wird, ver­liert nicht nur sein Ar­beits­verhält­nis und die Be­zah­lung während der Kündi­gungs­frist, die der Ar­beit­ge­ber bei ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung hätte be­ach­ten müssen. In den meis­ten Fällen ist der Ar­beit­neh­mer auch beim The­ma Zeug­nis der Dum­me.

Denn auch wenn der Ar­beit­ge­ber trotz der Pflicht­verstöße, die zur frist­lo­sen Kündi­gung geführt ha­ben, kein "grot­ten­schlech­tes" Zeug­nis er­teilt, wird es in den meis­ten Fällen wert­los sein. Denn das Zeug­nis muss ja die Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses kor­rekt wie­der­ge­ben. Und wenn ei­ne frist­lo­se Kündi­gung nicht zufälli­ger­wei­se ge­ra­de am Mo­nats­letz­ten oder am 15. des lau­fen­den Mo­nats aus­ge­spro­chen wird, er­gibt sich ein "krum­mes" Be­en­di­gungs­da­tum.

Dann heißt es im Zeug­nis, dass der Ar­beit­neh­mer z.B. am 3. Au­gust oder am 17. Ok­to­ber aus­ge­schie­den ist. Ab­ge­se­hen von ei­ner Pro­be­zeitkündi­gung, die je­der­zeit mit ei­ner zweiwöchi­gen Frist aus­ge­spro­chen wer­den kann (§ 622 Abs.3 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB), ist ein sol­ches Aus­tritts­da­tum ein si­che­res An­zei­chen für ei­ne frist­lo­se Ent­las­sung. Und da anständi­ge und pflicht­be­wuss­te Ar­beit­neh­mer im All­ge­mei­nen nicht frist­los gekündigt wer­den, ist ein sol­ches Zeug­nis bzw. Be­en­di­gungs­da­tum schlecht für das be­ruf­li­che Fort­kom­men.

Er­hebt der Ar­beit­neh­mer da­her nach Er­halt ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge und ei­nigt sich schließlich mit dem Ar­beit­ge­ber auf ei­nen Ver­gleich, enthält die­ser prak­tisch im­mer ei­ne ge­sichts­wah­ren­de Ände­rung des Be­en­di­gungs­da­tums. Statt des "krum­men" Aus­tritts­da­tums, das sich aus der strei­ti­gen frist­lo­sen Kündi­gung er­gibt, ver­ein­ba­ren die Par­tei­en dann ein "run­des" Mo­nats­en­de.

Al­ler­dings en­den nicht al­le Kündi­gungs­schutz­kla­gen mit ei­nem Ver­gleich. Strei­ten Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer bis zu­letzt, er­geht ein Ur­teil und ei­ne Par­tei ver­liert den Pro­zess. Ge­winnt der Ar­beit­neh­mer in der ers­ten In­stanz (vor dem Ar­beits­ge­richt) und ver­liert dann in der zwei­ten In­stanz (beim Lan­des­ar­beits­ge­richt - LAG), kann sich die Si­tua­ti­on er­ge­ben, dass er für ei­ni­ge Mo­na­te auf der Grund­la­ge des erst­in­stanz­li­chen Er­folgs sei­ne vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung durch­ge­boxt hat. Schluss­end­lich ver­liert er dann zwar doch sei­nen Job, aber erst zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt, nämlich dann, wenn die Wei­ter­beschäfti­gung en­det. Hier kann der Ar­beit­neh­mer mit ein we­nig Ge­schick dar­auf ach­ten, dass die­ses End­da­tum mit ei­nem Mo­nats­en­de zu­sam­menfällt.

An die­ser Stel­le fragt sich, wel­ches Be­en­di­gungs­da­tum der Ar­beit­ge­ber im Zeug­nis zu be­schei­ni­gen hat - das Be­en­di­gungs­da­tum gemäß der frist­lo­sen Kündi­gung oder das späte­re Aus­tritts­da­tum, an dem die Wei­ter­beschäfti­gung ge­en­det hat?

Der Fall des BAG: Flug­be­glei­ter wird nach 17 Jah­ren Beschäfti­gung frist­los zum 17.12.2011 gekündigt und erhält ein ent­spre­chen­des Zeug­nis

Im Streit­fall hat­te ei­ne Flug­ge­sell­schaft ei­nen Purser, d.h. ei­nen Flug­be­glei­ter in lei­ten­der Po­si­ti­on, nach 17jähri­ger Tätig­keit frist­los zum 17.12.2011 gekündigt, da er dienst­li­che Post ei­nes Kol­le­gen aus des­sen Post­fach ent­wen­det hat­te.

Das Ar­beits­ge­richt Frank­furt gab der Kündi­gungs­schutz­kla­ge statt und ver­ur­teil­te den Ar­beit­ge­ber zur Wei­ter­beschäfti­gung, wor­auf­hin der Purser vorläufig wie­der ein­ge­setzt wur­de, nämlich ab dem 21.06.2012. Vor dem Hes­si­schen LAG hat­te al­ler­dings die Flug­ge­sell­schaft Er­folg (Ur­teil vom 21.01.2013, 17 Sa 904/12). Sie be­en­de­te da­her die Wei­ter­beschäfti­gung um­ge­hend mit Ab­lauf des 23.01.2013. Im Som­mer 2013 wies das BAG die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de des Pursers ab, so dass das LAG-Ur­teil rechts­kräftig wur­de. Der BAG-Be­schluss wur­de dem Purser am 01.07.2013 zu­ge­stellt.

In ei­nem Fol­ge­pro­zess ver­lang­te der Flug­be­glei­ter ei­ne Ände­rung sei­nes Ar­beits­zeug­nis­ses, da es dar­in hieß, es sei vom 01.12.1994 bis zum 17.11.2011 bei der Air­lines beschäftigt ge­we­sen. Rich­tig wäre, so der Purser, ein späte­res Be­en­di­gungs­da­tum, nämlich der 30.06.2013. Die­se Zeug­nis­be­rich­ti­gungs­kla­ge hat­te we­der vor dem Ar­beits­ge­richt Frank­furt (Ur­teil vom 30.01.2014, 11 Ca 7016/13) noch vor dem Hes­si­schen LAG Er­folg (Ur­teil vom 17.11.2014, 17 Sa 406/14).

BAG: Die nur vorüber­ge­hen­de Pro­zess­beschäfti­gung während ei­nes Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens ändert das Aus­tritts­da­tum nicht, das sich aus ei­ner wirk­sa­men frist­lo­sen Kündi­gung er­gibt

Auch das BAG ent­schied ge­gen den Purser, der da­mit in al­len drei In­stan­zen den Kürze­ren zog. Zur Be­gründung heißt es in dem BAG-Ur­teil:

Ein Zeug­nis muss der Wahr­heit ent­spre­chen, und hier stand nun ein­mal rechts­kräftig in­fol­ge der Ab­wei­sung der Kündi­gungs­schutz­kla­ge fest, dass das Ar­beits­verhält­nis am 17.11.2011 ge­en­det hat­te, so die Er­fur­ter Rich­ter. Die späte­re Wei­ter­beschäfti­gung konn­te der Flug­be­glei­ter nur durch­bo­xen, weil er ei­nen ent­spre­chen­den Ti­tel hat­te (das erst­in­stanz­li­che Ur­teil), so dass der Flug­ge­sell­schaft gar nichts an­de­res übrig blieb, als den Purser zur Ab­wen­dung von Zwangs­voll­stre­ckungs­maßnah­men vorläufig wie­der ein­zu­set­zen. Ei­ne sol­che er­zwun­ge­ne Wei­ter­beschäfti­gung führt aber nicht da­zu, dass ein Ar­beits­verhält­nis be­gründet wird oder die Par­tei­en die be­fris­te­te Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­ein­ba­ren.

Außer­dem wäre das Zeug­nis in der von dem Flug­be­glei­ter ver­lang­ten Fas­sung auch des­halb nicht kor­rekt, weil er be­reits vor Be­ginn der Wei­ter­beschäfti­gung über ein hal­bes Jahr nicht ein­ge­setzt wor­den war, nämlich vom Zeit­punkt der frist­lo­sen Kündi­gung (17.11.2011) bis zum Be­ginn der vorläufi­gen Wei­ter­beschäfti­gung (21.06.2012). Die vom Kläger ver­lang­te Zeug­nis­fas­sung würde dem Le­ser des Zeug­nis­ses da­her nach An­sicht des BAG "wahr­heits­wid­rig sug­ge­rie­ren", der Kläger ha­be vom 01.12.1994 bis zu ei­nem im Jahr 2013 lie­gen­den Be­en­di­gungs­da­tum in ei­nem un­un­ter­bro­che­nen Ar­beits- und/oder Beschäfti­gungs­verhält­nis ge­stan­den.

Fa­zit: Wer ge­gen ei­ne frist­lo­se Kündi­gung klagt, soll­te das Ri­si­ko ei­ner Kla­ge­ab­wei­sung nie aus dem Au­ge ver­lie­ren. Auch wenn der Ar­beit­ge­ber eher mick­ri­ge Zu­geständ­nis­se an­bie­tet, z.B. beim The­ma Ab­fin­dung, sind sie im­mer noch bes­ser als ei­ne vollständi­ge Klag­ab­wei­sung. Denn die ist für frist­los gekündig­te Ar­beit­neh­mer der Su­per-GAU.

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Letzte Überarbeitung: 5. Juni 2019

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