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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/200

Be­fris­tung nach Ar­beit­ge­ber­wech­sel als Miss­brauch

Das Be­fris­tungs­recht darf durch Ar­beit­ge­ber­wech­sel nicht um­gan­gen wer­den, doch trägt der Ar­beit­neh­mer hier die Be­weis­last: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 19.03.2014, 7 AZR 527/12
Zwei Firmenschilder, eines durchgestrichen

03.06.2014. Die im­mer er­neu­te Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses kann miss­bräuch­lich und da­mit un­wirk­sam sein, wenn es der Ar­beit­ge­ber aus Ei­gen­nutz zu­las­ten des Ar­beit­neh­mers über­treibt.

Ei­ne miss­bräuch­li­che Aus­nut­zung der ge­setz­li­chen Be­fris­tungs­mög­lich­kei­ten liegt ty­pi­scher­wei­se bei lan­gen Be­fris­tungs­ket­ten in dem­sel­ben Ar­beits­ver­hält­nis vor. Sie kann aber auch ge­ge­ben sein, wenn sich ver­schie­de­ne Ar­beit­ge­ber in der Ar­beit­ge­ber­rol­le ab­wech­seln, um auf die­se Wei­se im­mer wie­der ei­ne (auf den ers­ten Blick le­ga­le) be­fris­te­te Neu­ein­stel­lung vor­neh­men zu kön­nen.

In ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) deut­lich ge­macht, dass die Miss­brauchs­kon­trol­le in Fäl­len ei­nes Ar­beit­ge­ber­tauschs nicht all­zu streng be­trie­ben wer­den soll­te: BAG, Ur­teil vom 19.03.2014, 7 AZR 527/12.

Wann be­stand be­reits in der Ver­gan­gen­heit "mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber" ein Ar­beits­verhält­nis?

Nor­ma­ler­wei­se braucht der Ar­beit­ge­ber für die Be­fris­tun­gen ei­nes Ar­beits­ver­trags ei­nen sach­li­chen Grund (§ 14 Abs.1 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz - Tz­B­fG). Das gilt aber nicht für Neu­ein­stel­lun­gen gemäß § 14 Abs.2 Tz­B­fG. Die ers­ten bei­den Sätze die­ser Vor­schrift lau­ten:

"Die ka­len­dermäßige Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges oh­ne Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des ist bis zur Dau­er von zwei Jah­ren zulässig; bis zu die­ser Ge­samt­dau­er von zwei Jah­ren ist auch die höchs­tens drei­ma­li­ge Verlänge­rung ei­nes ka­len­dermäßig be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges zulässig. Ei­ne Be­fris­tung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber be­reits zu­vor ein be­fris­te­tes oder un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis be­stan­den hat. Durch Ta­rif­ver­trag kann die An­zahl der Verlänge­run­gen oder die Höchst­dau­er der Be­fris­tung ab­wei­chend von Satz 1 fest­ge­legt wer­den."

Ar­beit­ge­ber können dem­zu­fol­ge Ar­beits­verträge oh­ne Sach­grund bis ma­xi­mal zwei Jah­re be­fris­ten und bis zu die­ser zweijähri­gen Höchst­dau­er auch mehr­fach verlängern, wenn sie nicht "be­reits zu­vor" mit dem be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer ar­beits­ver­trag­lich ver­bun­den wa­ren. Im Er­geb­nis sind sach­grund­los be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis­se bis zu zwei Jah­ren bei Neu­ein­stel­lun­gen möglich, und Neu­ein­stel­lun­gen wie­der­um lie­gen dann nicht vor, wenn zwi­schen den Ver­trags­par­tei­en schon früher ein­mal ein Ar­beits­verhält­nis be­stand.

Nach ei­nem um­strit­te­nen Grund­satz­ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) vom 06.04.2011 (7 AZR 716/09) steht ein frühe­res Ar­beits­verhält­nis ei­nem er­neu­ten, oh­ne Sach­grund be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag nicht im Weg, wenn das al­te Ar­beits­verhält­nis länger als drei Jah­re zurück­liegt (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/074 Sach­grund­lo­se Be­fris­tung von Ar­beits­verträgen er­leich­tert). Seit die­sem Ur­teil ist es für Ar­beit­ge­ber leich­ter möglich als zu­vor, ei­nen schein­bar "neu­en" Ar­beits­ver­trag ein­zu­ge­hen, vor­aus­ge­setzt, es liegt zwi­schen dem neu­em und ei­nem früher ein­mal be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis ei­ne Pau­se von mehr als drei Jah­ren.

Ob das BAG da­mit die Gren­zen rich­ter­li­ches Ge­set­zes-"Aus­le­gung" über­schrit­ten hat, be­zwei­feln der­zeit vie­le ju­ris­ti­sche Au­to­ren und auch ei­ni­ge Lan­des­ar­beits­ge­rich­te (LAGs), so z.B. das LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 21.02.2014, 7 Sa 64/13 (wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell 14/115: Sach­grund­lo­se Be­fris­tung und Vor­beschäfti­gung).

Vor die­sem Hin­ter­grund fragt sich, ob die Ar­beits­ge­rich­te dann nicht we­nigs­tens die "Zu­sam­men­ar­beit" ver­schie­de­ner Ar­beit­ge­ber mit dem Ziel, sich in der Ar­beit­ge­ber­rol­le ab­zu­wech­seln, kri­ti­scher über­prüfen soll­ten als bis­her.

Wenn sich nämlich meh­re­re Ar­beit­ge­ber dau­er­haft zur Führung ei­nes ge­mein­sa­men Be­trie­bes mit­ein­an­der ver­bun­den ha­ben, könn­ten sie auf der Grund­la­ge des o.g. BAG-Ur­teils al­le drei Jah­re ab­wech­selnd die Ar­beit­ge­ber­rol­le ein­neh­men und wirk­sam sach­grund­los be­fris­te­te Ar­beits­verträge ab­sch­ließen. Dem wie­der­um könn­ten die Ar­beits­ge­rich­te ei­nen Rie­gel vor­schie­ben, wenn sie die bei der Führung ei­nes ein­heit­li­chen Be­triebs mit­ein­an­der ver­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber als "den­sel­ben Ar­beit­ge­ber" im Sin­ne von § 14 Abs.2 Satz 2 Tz­B­fG an­se­hen würden.

Streit im Köln Job­cen­ter: Sach­be­ar­bei­te­rin schließt nach zwei Jah­ren be­fris­te­ter Beschäfti­gung bei der Ar­beits­agen­tur ei­nen neu­en Zeit­ver­trag mit der Stadt Köln

Im Streit­fall wur­de ei­ne Sach­be­ar­bei­te­rin der Ar­beits­agen­tur be­fris­tet im Kölner Job­cen­ter beschäftigt, und zwar zunächst von An­fang Au­gust 2007 bis En­de Ju­li 2008 und so­dann verlängert von Au­gust 2008 bis En­de Ju­li 2009.

Im An­schluss dar­an wur­de sie von der Stadt Köln be­fris­tet "neu ein­ge­stellt", und zwar knapp ein­ein­halb Jah­re von Au­gust 2009 bis En­de De­zem­ber 2010. Auch während die­ser Zeit war sie im Kölner Job­cen­ter, und zwar in dem­sel­ben Team wie zu­vor, als ihr Ver­trags­ar­beit­ge­ber noch die Bun­des­agen­tur für Ar­beit war.

Als ihr Ver­trag nicht über den 31.12.2010 hin­aus verlängert wur­de, klag­te sie ge­gen die Be­fris­tung und hat­te da­mit so­wohl vor dem Ar­beits­ge­richt Köln (Ur­teil vom 07.07.2011, 17 Ca 502/11) als auch in der Be­ru­fung vor dem LAG Köln Er­folg (Ur­teil vom 09.03.2012, 4 Sa 1184/11). Bei­de Ge­rich­te hiel­ten die mit ei­ner an­geb­li­chen Neu­ein­stel­lung ge­recht­fer­tig­ten bzw. auf § 14 Abs.2 Satz 2 Tz­B­fG gestütz­te Be­fris­tung für un­wirk­sam.

Das LAG be­gründe­te das da­mit, dass Bun­des­agen­tur und Stadt Köln als der­sel­be Ver­trags­ar­beit­ge­ber an­zu­se­hen sei­en, weil sie das Job­cen­ter als ge­mein­sa­men Be­trieb un­ter­hiel­ten.

BAG: Das Be­fris­tungs­recht darf durch ei­nen Ar­beit­ge­ber­wech­sel zwar nicht um­gan­gen wer­den, doch trägt der Ar­beit­neh­mer hier die Be­weis­last

Das BAG mach­te die­se Aus­sa­ge des LAG Köln nicht mit und hob das Ur­teil auf die Re­vi­si­on der Stadt Köln hin auf. Nach An­sicht des BAG muss der Ein­wand des Rechts­miss­brauchs auch in den Fällen, in de­nen meh­re­re Ar­beit­ge­ber ei­nen ge­mein­sa­men Be­trieb un­ter­hal­ten, auf Aus­nah­mefälle be­grenzt blei­ben.

Kon­kret denkt das BAG hier an Fälle, in de­nen

"meh­re­re recht­lich und tatsächlich ver­bun­de­ne Ver­trags­ar­beit­ge­ber in be­wuss­tem und ge­woll­tem Zu­sam­men­wir­ken auf­ein­an­der­fol­gen­de be­fris­te­te Ar­beits­verträge mit ei­nem Ar­beit­neh­mer aus­sch­ließlich des­halb schließen, um auf die­se Wei­se über die nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG vor­ge­se­he­nen Be­fris­tungsmöglich­kei­ten hin­aus sach­grund­lo­se Be­fris­tun­gen an­ein­an­der­rei­hen zu können".

Hier im Streit­fall hat­te sich die Stadt Köln aber dar­auf be­ru­fen, dass die künf­ti­ge Ent­wick­lung der Fall­zah­len und des Be­ar­bei­tungs­auf­wan­des un­si­cher ge­we­sen sei­en und es da­her sach­lich ge­bo­ten ge­we­sen sei, die Stel­le der Kläge­rin nur be­fris­tet zu be­set­zen.

Ob da­her in miss­bräuch­li­ches Aus­nut­zen der ge­setz­li­chen Be­fris­tungsmöglich­kei­ten vor­lag oder nicht, muss das LAG Köln da­her noch wei­ter aufklären.

Fa­zit: Ein Miss­brauch der ge­setz­li­chen Be­fris­tungs­vor­schrif­ten kommt nicht erst dann in Be­tracht, wenn ein Ar­beit­neh­mer fünf, acht oder zehn Jah­re lang "in der Ket­te" be­fris­tet beschäftigt wird, son­dern je nach den Umständen des Ein­zel­falls be­reits dann, wenn die Ge­samt­dau­er der Be­fris­tun­gen "nur" drei­ein­halb Jah­re beträgt. An­de­rer­seits liegt in den Fällen ei­nes Ar­beit­ge­be­r­aus­tauschs ein Miss­brauch nicht schon dann vor, wenn meh­re­re Ar­beit­ge­ber ei­nen ge­mein­sa­men Be­trieb führen und ab­wech­selnd die Rol­le des Ver­trags­ar­beit­ge­bers ein­neh­men. Der Wech­sel der Ar­beit­ge­ber­rol­le muss viel­mehr "aus­sch­ließlich" der Um­ge­hung der Be­fris­tungs­kon­trol­le die­nen.

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Letzte Überarbeitung: 29. Januar 2019

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