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Be­sol­dungs­dienst­al­ter und Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung

Be­sol­dungs­dienst­al­ters­stu­fen (BDAs) in der Be­am­ten­be­sol­dung auf dem Prüf­stand des Eu­ro­pa­rechts: Schluss­an­trä­ge des Ge­ne­ral­an­walts beim EuGH Yves Bot vom 28.11.2013, Rs. C-506/11 u.a. (Specht u.a.)
Feuerwehrmann Polizist Arzt Bald mehr Geld auf­grund dis­kri­mi­nie­ren­der BDAs?

29.11.2013. Durch die her­kömm­li­chen Be­sol­dungs­dienst­al­ters­stu­fen (BDAs) wer­den jün­ge­re Be­am­te fi­nan­zi­ell schlech­ter ge­stellt als äl­te­re Be­am­te der­sel­ben Be­sol­dungs­grup­pe mit ei­ner ver­gleich­bar lan­gen Be­rufs­er­fah­rung.

Es spricht viel da­für, dass die­se Un­ter­schie­de bei der Be­zah­lung ei­ne eu­ro­pa­recht­lich un­zu­läs­si­ge Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters dar­stel­len.

In die­sem Sin­ne hat sich ges­tern der Ge­ne­ral­an­walt Yves Bot in ei­nem beim Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof (EuGH) an­hän­gi­gen Ver­fah­ren ge­äu­ßert, das sechs Ber­li­ner Be­am­te und zwei Bun­des­be­am­te be­trifft: Schluss­an­trä­ge des Ge­ne­ral­an­walts beim EuGH Yves Bot vom 28.11.2013, Rs. C-506/11 u.a. (Specht u.a.).

Vor­ga­ben des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs und des Bun­des­ar­beits­ge­richts zum The­ma BAT-Al­ters­stu­fen

Im Sep­tem­ber 2011 ent­schied der Eu­ropäische Ge­richts­hof (EuGH) zu den Le­bens­al­ters­stu­fen des Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trags (BAT) auf der Grund­la­ge von zwei EuGH-Vor­la­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG), dass die­ses Stu­fen­sys­tem eu­ro­pa­rechts­wid­rig ist.

Denn wenn älte­re An­ge­stell­te gemäß BAT bei glei­cher Ein­grup­pie­rung und glei­cher Be­rufs­er­fah­rung ein­fach des­halb mehr Geld be­kom­men, weil sie älter sind, wer­den die jünge­ren Ar­beit­neh­mer we­gen ih­res Al­ters dis­kri­mi­niert, so der EuGH.

In Re­ak­ti­on auf die­se Vor­ga­be des EuGH zog das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) noch im No­vem­ber 2011 ei­nen Schluss­strich un­ter die Dis­kus­si­on und ent­schied, dass die Bun­desländer Ber­lin und Hes­sen für ih­re jah­re­lan­ge Verzöge­rung der Einführung des Ta­rif­ver­trags für den öffent­li­chen Dienst (TVöD) zah­len müssen (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 12/011 BAT Al­ters­stu­fen).

Denn der TVöD hat­te die Le­bens­al­ters­stu­fen zu­guns­ten von be­rufs­er­fah­rungs­abhängi­gen Dienst­al­ters­stu­fen ab­ge­schafft, und das war gut so. Die­se Re­form wur­de in Hes­sen und Ber­lin aber vorüber­ge­hend aus fi­nan­zi­el­len Gründen blo­ckiert.

Fort­schrei­bung der dis­kri­mi­nie­ren­den BAT-Al­ters­stu­fen durch die Über­lei­tung von Ar­beit­neh­mern aus dem BAT in den TVöD

Wer als "jünge­rer" Ar­beit­neh­mer vom BAT in den TVöD über­ge­lei­tet wur­de, muss­te fest­stel­len, dass die al­ters­be­ding­te Schlech­ter­stel­lung beim Ge­halt fort­ge­setzt wur­de. Denn in das neue al­ter­s­un­abhängi­ge Vergütungs­sys­tem des TVöD ging je­der Ar­beit­neh­mer mit sei­ner zu­letzt be­zo­ge­nen (und da­mit auf den dis­kri­mi­nie­ren­den BAT-Al­ters­stu­fen be­ru­hen­den) Vergütung über.

Das war aber nach Mei­nung des EuGH recht­lich zulässig. Denn ir­gend­wie müssen die Ta­rif­par­tei­en ja die al­te dis­kri­mi­nie­ren­de Be­zah­lung durch ein dis­kri­mi­nie­rungs­frei­es neu­es Vergütungs­sys­tem er­set­zen. Und dass die ta­rif­li­che Über­lei­tung vom BAT in den TVöD da­bei den vor­han­de­nen Be­sitz­stand der älte­ren Ar­beit­neh­mer re­spek­tiert, war in Ord­nung, so der EuGH.

Be­sol­dungs­dienst­al­ter und Er­fah­rungs­zei­ten

Es gehört nicht viel da­zu, die o.g. Ent­schei­dun­gen des EuGH und des BAG auf die Be­am­ten­be­sol­dung zu über­tra­gen. Sch­ließlich war die Be­zah­lung der Be­am­ten lan­ge Zeit vom Al­ter abhängig und eben da­mit das Vor­bild der Vergütungs­sys­te­ma­tik des BAT:

Vie­le Jahr­zehn­te lang wur­den Be­am­te und Bund und Ländern nämlich nach ih­rem sog. Be­sol­dungs­dienst­al­ter bzw. nach ent­spre­chen­den Stu­fen ih­res Be­sol­dungs­dienst­al­ters (BDA) be­zahlt. Im Be­reich des Bun­des war da­mit Mit­te 2009 Schluss, denn zum 01.07.2009 wur­den die BDAs durch das Ge­setz zur Neu­ord­nung und Mo­der­ni­sie­rung des Bun­des­rechts (Dienst­rechts­neu­ord­nungs­ge­setz - DNeuG vom 05.02.2009, BGBl. I S.160) ab­ge­schafft und durch Er­fah­rungs­zei­ten er­setzt.

Nach dem al­ten Sys­tem der Be­sol­dungs­dienst­al­ters­stu­fen war der Be­ginn des Be­sol­dungs­dienst­al­ters der Be­ginn des Mo­nats, in dem man 21 Jah­re alt wur­de, auch wenn man erst Jah­re später ver­be­am­tet wur­de.

Wer da­her z.B. mit 30 Jah­ren zum Be­am­ten er­nannt wur­de und ab die­sem Zeit­punkt ers­te be­ruf­li­che Er­fah­run­gen sam­meln konn­te, er­hielt so­fort ei­ne deut­lich höhe­re Be­sol­dungs­dienst­al­ters­stu­fe als ein 21jähri­ger Kol­le­ge der­sel­ben Be­sol­dungs­grup­pe - und da­mit deut­lich mehr Geld.

Ist die Vergütung von Be­am­ten nach dem Be­sol­dungs­dienst­al­ter al­ters­dis­kri­mi­nie­rend?

Vor dem Hin­ter­grund der o.g. Ent­schei­dun­gen des EuGH und des BAG wird seit En­de 2011 über die Fra­ge ge­strit­ten, ob Be­sol­dungs­dienst­al­ters­stu­fen in der Be­am­ten­be­sol­dung ei­ne ver­bo­te­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len, und es sind auch mitt­ler­wei­le vie­le ver­wal­tungs­ge­richt­li­che Ur­tei­le da­zu er­gan­gen.

Die meis­ten Ent­schei­dun­gen ha­ben die BDAs ab­ge­seg­net, da der Auf­stieg in ei­ne höhe­re BDA auf­grund be­son­ders gu­ter Leis­tun­gen schnel­ler vor­ge­nom­men wer­den kann und weil um­ge­kehrt das planmäßige bzw. rein al­ters­abhängi­ge Aufrücken verzögert wer­den kann, wenn der Be­am­te den Leis­tungs­an­for­de­run­gen nicht ge­recht wird. Die Vergüns­ti­gung von "High Per­for­mern" ist al­ler­dings eben­so wie die War­te­schlei­fe für "Low Per­for­mer" auf we­ni­ge Aus­nah­mefälle be­grenzt.

Es gibt da­her gu­te Ar­gu­men­te dafür, dass das Sys­tem der BDAs al­ters­dis­kri­mi­nie­rend ist. Die recht­li­che Fol­ge wäre ein An­spruch der jünge­ren Be­am­ten auf ei­ne An­glei­chung nach oben. Im An­wen­dungs­be­reich des BAT hieß das Be­zah­lung gemäß der höchs­ten Dienst­al­ters­stu­fe. Ei­nen der­ar­ti­gen Aus­gleichs­an­spruch müss­te man eu­ro­pa­recht­lich be­gründen, denn das deut­sche (Be­am­ten-)Recht sieht ei­nen sol­chen An­spruch ein­deu­tig nicht vor.

Die Streitfälle: Be­zah­lung gemäß Be­sol­dungs­dienst­al­ters­stu­fen vor und nach der Einführung von Er­fah­rungs­stu­fen

Das Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin hat sich vor gut ei­nem Jahr ein Herz ge­fasst und dem EuGH in acht Fällen ei­ne Rei­he von Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt, die die Ver­ein­ba­rung der BDAs mit dem Eu­ro­pa­recht, v.a. mit der Richt­li­nie 2000/78/EG be­tref­fen.

In sechs die­ser Fälle hat­ten Ber­li­ner Be­am­te auf höhe­re Be­zah­lung ge­klagt (Tho­mas Specht, Jens Schom­be­ra, Alex­an­der Wie­land, Uwe Schöne­feld, Ant­je Wil­ke und Gerd Schi­ni), in zwei wei­te­ren Fällen ging es um Bun­des­be­am­te (Re­na Schme­el und Ralf Schus­ter).

Zu die­sen acht beim EuGH anhängi­gen Ver­fah­ren, über die der Ge­richts­hof demnächst ge­mein­sam ent­schei­den wird, hat ges­tern der Ge­ne­ral­an­walt beim EuGH Yves Bot Stel­lung ge­nom­men und dem EuGH ei­ne Ent­schei­dungs­emp­feh­lung ge­ge­ben: Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts beim EuGH Yves Bot vom 28.11.2013, Rs. C-506/11 u.a. (Specht u.a.).

In den Streitfällen, die Herrn Specht, Herrn Wie­land und Frau Wil­ke be­tref­fen (AZ: C-501/12, C-503/12 und C-505/12), ver­lan­gen die Kläger Be­zah­lung nach der höchs­ten BDA ih­rer Be­sol­dungs­grup­pe, und zwar für die die Zeit bis En­de Ju­li 2011, denn in Ber­lin wur­den die BDAs erst En­de Ju­li 2011 durch ein neu­es Be­sol­dungs­sys­tem bzw. durch Er­fah­rungs­zei­ten er­setzt.

Für die Zeit ab Au­gust 2011, d.h. dem Zeit­punkt der Über­lei­tung in das neue Be­sol­dungs­sys­tem, ver­lan­gen die Kläger, ih­nen ei­ne Be­sol­dung in der Höhe zu gewähren, wie sie ih­nen zu­ste­hen würde, wenn sie bei der Über­lei­tung in die höchs­te Stu­fe ih­rer ehe­ma­li­gen BDA ein­ge­stuft wor­den wären.

Herr Herr Schom­be­ra und Herr Schi­ni ver­lan­gen in ih­ren Kla­ge­ver­fah­ren (AZ: C-502/12 und C-506/12) ei­ne Nach­zah­lung in Höhe der Dif­fe­renz zwi­schen der ih­nen gewähr­ten Be­sol­dungs­stu­fe und der höchs­ten Be­sol­dungs­stu­fe, und zwar für die Zeit bis En­de Ju­li 2011.

In dem Pro­zess, der Herrn Schöne­feld be­trifft (AZ C-504/12), geht es eben­falls um die Ein­stu­fung in das neue Be­sol­dungs­sys­tem und um ei­ne Dif­fe­renz­zah­lung, al­ler­dings für die Zeit ab Au­gust 2011.

Sch­ließlich kla­gen die bei­den Bun­des­be­am­ten Frau Schme­el und Herr Schus­ter auf Zah­lung der Dif­fe­renz zwi­schen der tatsächlich gewähr­ten Be­sol­dungs­stu­fe und der höchs­ten Be­sol­dungs­stu­fe, und zwar rück­wir­kend für die Zeit von Ja­nu­ar 2008 bis zur Über­lei­tung in das neue Be­sol­dungs­sys­tem En­de Ju­ni 2009 (AZ: C-540/12 und C-541/12).

EuGH-Ge­ne­ral­an­walt Bot: Be­sol­dungs­dienst­al­ters­stu­fen führen zu ei­ner un­zulässi­gen Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters

Nach An­sicht des Ge­ne­ral­an­walts führt das Sys­tem der Be­sol­dungs­dienst­al­ters­stu­fen zu ei­ner al­ters­be­ding­ten Be­nach­tei­li­gung jünge­rer Be­am­ter beim Ent­gelt, d.h. zu ei­ner Ent­gelt­dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von Art.3 Abs.1 Buch­sta­be c Richt­li­nie 2000/78.

Denn die BDAs führen da­zu, dass je nach Erstein­stu­fung ei­nes Be­am­ten in ei­ne BDA zwei an­sons­ten ver­gleich­ba­re Be­am­te der­sel­ben Be­sol­dungs­grup­pe ein un­ter­schied­lich ho­hes Grund­ge­halt be­kom­men, und zwar al­lein auf­grund ih­res un­ter­schied­li­chen Al­ters.

An die­ser Stel­le ver­weist der Ge­ne­ral­an­walt auf das Ur­teil des EuGH vom 08.09.2011, C-297/10 und C-298/10 (Mai und Hen­nigs), in dem es um ein ähn­li­ches Be­sol­dungs­sys­tem ging, nämlich die BAT-Le­bens­al­ters­stu­fen. Und die­ses Sys­tem hat­te der EuGH ja be­reits als dis­kri­mi­nie­rend be­wer­tet.

Die für die un­ter­schied­li­che Be­zah­lung an­geführ­ten Recht­fer­ti­gungs­ar­gu­men­te der Bun­des­re­gie­rung ak­zep­tiert der Ge­ne­ral­an­walt zu­recht nicht. Dass das Sys­tem der BDAs das Ziel ver­fol­gen soll, Qua­li­fi­ka­tio­nen und be­ruf­li­che Er­fah­rung in­ner- und außer­halb des öffent­li­chen Diens­tes bei der Ein­stel­lung neu­er Beschäftig­ter in den öffent­li­chen Dienst "in ty­pi­sie­ren­der Wei­se" zu berück­sich­ti­gen, läuft letzt­lich auf die De­vi­se "Al­ter macht klug" hin­aus. Und ge­nau dar­in be­steht ja die Dis­kri­mi­nie­rung jünge­rer Be­am­ter.

Die Möglich­keit, bei be­son­de­ren Leis­tun­gen schnel­ler in ei­ne höhe­re BDA auf­zu­stei­gen, ändert dar­an nichts, so der Ge­ne­ral­an­walt. Denn da die­se Bes­ser­stel­lung auf ma­xi­mal 15 Pro­zent der Be­am­ten be­schränkt ist, lässt sie die Al­ters­be­dingt­heit der Be­zah­lung und da­mit die Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung im We­sent­li­chen be­ste­hen.

Ist der Über­gang vom Be­sol­dungs­dienst­al­ter zu Er­fah­rungs­zei­ten rech­tens, und wel­che recht­li­chen Fol­gen hätten Dis­kri­mi­nie­run­gen?

Dass der Ge­ne­ral­an­walt das al­te Sys­tem der Be­sol­dungs­dienst­al­ters­stu­fen als al­ters­dis­kri­mi­nie­rend be­wer­tet, ist nach­voll­zieh­bar und we­nig über­ra­schend. Ei­gent­lich "span­nend" sind zwei wei­te­re Fra­gen, die sich im An­schluss dar­an stel­len:

Ers­tens: Was ist mit der Über­lei­tung des dis­kri­mi­nie­ren­den BDA-Sys­tems in das neue Sys­tem, das die bis­he­ri­gen Ge­halts­un­ter­schie­de ja wei­ter­hin in Form ei­ner Be­sitz­stands­wah­rung zu­guns­ten der älte­ren Be­stands­be­am­ten fest­schreibt?

Und zwei­tens: Wie könn­ten die dis­kri­mi­nie­ren­den Ge­halts­un­ter­schie­de be­sei­tigt wer­den, d.h. gilt hier das Prin­zip der An­glei­chung nach oben?

Bot: Auch der ge­setz­li­che Über­gang vom Be­sol­dungs­dienst­al­ter zu Er­fah­rungs­zei­ten ist dis­kri­mi­nie­rend

Bei der Fra­ge der Rechtmäßig­keit der Über­lei­tungs­ge­set­ze kommt der Ge­ne­ral­an­walt zu dem Er­geb­nis, dass die­se eben­falls al­ters­dis­kri­mi­nie­rend sind. Denn das dis­kri­mi­nie­ren­de Über­lei­tungs­sys­tem be­steht "zeit­lich un­be­grenzt fort". Auch wenn es ge­eig­net ist, Ein­kom­mens­ver­lus­te der Be­stands­be­am­ten zu ver­hin­dern, geht es über das hin­aus, was zur Er­rei­chung des Ziels der Be­sitz­stands­wah­rung er­for­der­lich ist.

Der deut­sche Ge­setz­ge­ber hätte nämlich nach An­sicht des Ge­ne­ral­an­walts

"ein Über­lei­tungs­sys­tem vor­se­hen können, das die Aus­wir­kun­gen der Dis­kri­mi­nie­rung in zeit­li­cher Hin­sicht be­sei­tigt, in­dem es sich nach und nach dem neu­en, auf der Be­rufs­er­fah­rung oh­ne Berück­sich­ti­gung des Le­bens­al­ters be­ru­hen­den Be­sol­dungs­sys­tem annähert. Es wäre (...) möglich ge­we­sen, ei­ne Über­g­angs­re­ge­lung an­zu­wen­den, die dem un­an­ge­mes­sen be­vor­zug­ten Be­stands­be­am­ten die Be­sol­dung in der vor­he­ri­gen Höhe so lan­ge ga­ran­tiert, bis er die nach dem neu­en Be­sol­dungs­sys­tem für die Er­rei­chung ei­ner höhe­ren Be­sol­dungs­stu­fe er­for­der­li­che Er­fah­rung er­wor­ben hat. Da­durch wäre die Dis­kri­mi­nie­rung schritt­wei­se be­sei­tigt wor­den, oh­ne die Be­sol­dung der ge­genüber jünge­ren Be­am­ten im Vor­teil be­find­li­chen Be­stands­be­am­ten schlag­ar­tig her­ab­zu­set­zen."

Der EuGH-Ge­ne­ral­an­walt ver­langt An­glei­chung nach oben

Zu der zwei­ten Fra­ge (An­glei­chung nach oben?) schlägt der Ge­ne­ral­an­walt vor, dass die dis­kri­mi­nier­ten jünge­ren Be­am­ten in die­sel­be Be­sol­dungs­stu­fe ein­ge­stuft wer­den müss­ten wie ein älte­rer Be­am­ter, der über ei­ne gleich­wer­ti­ge Be­rufs­er­fah­rung verfügt. Das muss aber, so der Ge­ne­ral­an­walt aus­drück­lich, nicht sche­ma­tisch ei­ne Ein­stu­fung in die höchs­te Al­ters­stu­fe sein.

Denn weil die al­ters­be­ding­te Schlech­ter­stel­lung die je­weils jünge­ren Be­am­ten im Ver­gleich zu älte­ren Kol­le­gen mit gleich lan­ger Be­rufs­er­fah­rung trifft, gibt es nicht ein­fach zwei Ver­gleichs­grup­pen, von de­nen ei­ne bes­ser als die an­de­re da­steht (wie das z.B. bei Fällen der ge­schlechts­be­ding­ten Dis­kri­mi­nie­rung der Fall ist). Viel­mehr ist "ei­ne Viel­zahl von Grup­pen zu ver­glei­chen, denn es kann eben­so vie­le Grup­pen ge­ben wie es Per­so­nen un­ter­schied­li­chen Al­ters mit gleich­wer­ti­ger Be­rufs­er­fah­rung gibt."

Da­her muss zur Be­sei­ti­gung der Dis­kri­mi­nie­rung ein Ver­gleichs­be­am­ter mit ei­nem gleich­wer­ti­gen Pro­fil ge­sucht wer­den. Die dis­kri­mi­nier­ten Be­am­ten sind da­her "nicht in die höchs­te Be­sol­dungs­stu­fe ih­rer Be­sol­dungs­grup­pe ein­zu­stu­fen, son­dern in die­sel­be Be­sol­dungs­stu­fe wie ein älte­rer Be­am­ter, der über ei­ne gleich­wer­ti­ge Be­rufs­er­fah­rung verfügt."

Fa­zit: In jun­gen Jah­ren ein­ge­stell­te Be­am­te mit lan­ger Be­rufs­er­fah­rung soll­ten ih­re Ansprüche rasch gel­tend ma­chen

Sch­ließlich nimmt der Ge­ne­ral­an­walt noch zu ei­nem ver­fah­rens­recht­li­chen Pro­blem Stel­lung. Denn nach der deut­schen Recht­spre­chung sind Be­am­te auf­grund ih­rer Loya­litäts­pflicht ge­hal­ten, Ansprüche auf Geld­leis­tun­gen, die sich nicht un­mit­tel­bar aus ei­nem Ge­setz er­ge­ben, "zeit­nah" gel­tend zu ma­chen.

Kon­kret heißt das, dass Be­am­te sol­che Ansprüche noch während des lau­fen­den Haus­halts- bzw. Ka­len­der­jah­res ge­genüber dem Dienst­herrn ein­for­dern müssen. Die­se un­ge­schrie­be­ne be­am­ten­recht­li­che Aus­schluss­frist be­wer­tet der Ge­ne­ral­an­walt als grundsätz­lich an­ge­mes­sen.

Da der EuGH den Ent­schei­dungs­vor­schlägen sei­ner Ge­ne­ral­anwälte in den meis­ten Fällen folgt, ist da­mit zu rech­nen, dass der Ge­richts­hof demnächst im Sin­ne der hier be­spro­che­nen Schluss­anträge ent­schei­den wird.

Für das deut­sche Be­am­ten­recht würde das be­deu­ten, dass vie­le Be­am­te in Bund und Länder fi­nan­zi­el­le (Nach-)For­de­run­gen ge­genüber ih­ren Dienst­her­ren gel­tend ma­chen können. Die­se Nach­for­de­run­gen be­tref­fen nicht nur das im Bund be­reits seit Ju­li 2009 und mitt­ler­wei­le auch von vie­len Bun­desländern ge­setz­lich auf­ge­ge­be­ne al­te Sys­tem der BDAs, son­dern vor al­lem auch die ge­setz­li­chen Über­lei­tun­gen in neue Be­sol­dungs­sys­te­me.

Jünge­ren Be­am­ten, die sich trotz mehrjähri­ger Be­rufs­er­fah­rung in ih­rer Be­sol­dungs­grup­pe al­ters­be­dingt "eher am un­te­ren Rand" wie­der­fin­den, ist drin­gend zu ra­ten, möglichst rasch ih­re Ansprüche auf ei­ne Her­auf­set­zung der Be­sol­dung schrift­lich ge­genüber ih­rem Dienst­herrn gel­tend zu ma­chen und not­falls vor das Ver­wal­tungs­ge­richt zu zie­hen. Dort ist zwar nicht mit ei­ner ra­schen Ent­schei­dung zu rech­nen, aber da sich der­zeit ei­ne in­di­vi­du­el­le Lösung ab­zeich­net, müssen sich be­trof­fe­ne Be­am­te für ei­ne sol­che Lösung im Ein­zel­fall ein­set­zen. Ei­ne sche­ma­ti­sche An­pas­sung nach oben ist der­zeit we­nig wahr­schein­lich.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat der Eu­ropäische Ge­richts­hof (EuGH) über die Vor­la­ge­fra­gen des Ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin ent­schie­den und ist da­bei in we­sent­li­chen Punk­ten von den Ent­schei­dungs­vor­schlägen des Ge­ne­ral­an­walts Y. Bot ab­ge­wi­chen. In­for­ma­tio­nen zu dem EuGH-Ur­teil fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 2. April 2018

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