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LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Be­schluss vom 30.09.2010, 15 TaBV 4/10

   
Schlagworte: Einigungsstelle
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Aktenzeichen: 15 TaBV 4/10
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 30.09.2010
   
Leitsätze: Können sich die Verfahrensbeteiligten im Verfahren nach § 98 ArbGG nicht auf eine Person als Einigungsstellenvorsitzenden einigen, ist das Gericht nicht daran gehindert, eine von einem Verfahrensbeteiligten vorgeschlagene Person als Einigungsstellenvorsitzenden einzusetzen, sofern der diese Person nicht wünschende andere Verfahrensbeteiligte seine Vorbehalte nicht wenigstens im Ansatz nachvollziehbar begründet (Gründe II.2.b.aa.:Beschluss lehnt "Windhundprinzip" ab).
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Ulm, Beschluss vom 9.07.2010, 3 BV 20/10
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt
Ba­den-Würt­tem­berg

 

Verkündet

30.09.2010

Ak­ten­zei­chen (Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben)

15 TaBV 4/10

3 BV 20/10 (ArbG Ulm)

Schwei­zer, An­ge­stell­te
Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

 

Be­schluss

 

Im Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten

1. - An­trag­stel­ler/Be­schwer­deführer -

ge­gen

2. - Be­tei­lig­te -

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg - 15. Kam­mer - durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richts Steer
auf die Anhörung der Be­tei­lig­ten am 14.09.2010

für Recht er­kannt:


I. Auf die Be­schwer­de des zu 1 be­tei­lig­ten Ge­samt­be­triebs­rats wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ulm vom 09.07.2010 - 3 BV 20/10 - teil­wei­se ab­geändert. Der Be­schluss wird klar­stel­lend ins­ge­samt wie folgt neu ge­fasst.

1. Herr Rich­ter am Ar­beits­ge­richt M. H. wird zum Vor­sit­zen­den der Ei­ni­gungs­stel­le zum The­ma "Einführung und An­wen­dung des Mul­ti­funk­ti­ons­geräts Ca­non iR 1024iF in den Büros der Be­triebsräte ein­sch­ließlich des Ge­samt­be­triebs­rats" be­stellt.

Die Zahl der von je­der Sei­te zu be­nen­nen­den Bei­sit­zer wird auf zwei fest­ge­setzt.

2. Im Übri­gen wer­den die Anträge des zu 1 be­tei­lig­ten Ge­samt­be­triebs­rats ab­ge­wie­sen.

II. Die wei­ter­ge­hen­de Be­schwer­de des zu 1 be­tei­lig­ten Ge­samt­be­triebs­rats wird zurück­ge­wie­sen.

 

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Gründe

I.

Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Be­stel­lung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le mit dem Ziel des Ab­schlus-ses ei­ner Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung zum The­ma Einführung, An­wen­dung, Nut­zung der neu­en Ca­non-Fax-Kom­bi­geräte in den Be­triebs­ratsbüros ein­sch­ließlich – so die Klar­stel­lung des zu 1 be­tei­lig­ten Ge­samt­be­triebs­rats im zweit­in­stanz­li­chen Anhörungs­ter­min – des Ge-samt­be­triebs­ratsbüros.

Der Be­tei­lig­te zu 2 (künf­tig: Ar­beit­ge­ber) be­treibt bun­des­weit Dro­ge­riemärk­te. Bei ihm sind cir­ca 130 Be­triebsräte ge­bil­det. Die­se ha­ben den zu 1 be­tei­lig­ten Ge­samt­be­triebs­rat (künf­tig: GBR) er­rich­tet. Der GBR hat ei­nen Tech­nik­aus­schuss ge­bil­det. Die­ser Aus­schuss ist nach der un­be­strit­te­nen An­ga­be des GBR das ein­zi­ge im Un­ter­neh­men ge­bil­de­te be­triebs­ver­fas-sungs­recht­li­che Gre­mi­um, das über ein „re­la­ti­ves Ba­sis­wis­sen“ hin­sicht­lich der tech­ni­schen Ein­rich­tun­gen und hin­sicht­lich des vom Ar­beit­ge­ber ge­nutz­ten Wa­ren­wirt­schafts­sys­tems ver-fügt.

Die Be­triebs­ratsbüros wa­ren zunächst eben­so wie die Ver­wal­tung des Ar­beit­ge­bers mit ge-leas­ten Fax-Dru­cker-Kom­bi­geräten der Fir­ma Hit­a­chi aus­ge­stat­tet. Im Herbst 2009 tausch­te der Ar­beit­ge­ber oh­ne Vor­ankündi­gung die­se Geräte ge­gen Lea­sing­geräte ei­nes an­de­ren Her­stel­lers aus. Das neue in den Be­triebs­ratsbüros ein­sch­ließlich des Ge­samt­be­triebs­rats-büros (künf­tig: Be­triebs­ratsbüros) in­stal­lier­te Fax-Gerät ist das „Mul­ti­funk­ti­ons­gerät Ca­non iR 1024iF“. Der Ca­non iR 1024iF ist IP-fähig, ist al­so in ein Com­pu­ter­netz­werk in­te­grier­bar. Durch sei­ne Nut­zung fal­len Da­ten an, zum Bei­spiel Pro­to­kol­le.

So­weit der Ca­non iR 1024iF als Fax­gerät ge­nutzt wird, wer­den Ver­bin­dungs­da­ten beim Fax­t­rans­fer auf­ge­zeich­net. Auf­ge­zeich­net wird da­bei, wel­cher An­schluss wann wie­vie­le Sei-ten an wel­chen An­schluss ver­sandt hat. Mögli­cher­wei­se wird dies nicht nur ein­mal (im in­ter-nen Fax­pro­to­koll des Geräts) auf­ge­zeich­net, son­dern auch beim Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons-Pro­vi­der als Ein­zel­ver­bin­dungs­nach­weis.

Mit Schrei­ben vom 04.11.2009 (An­la­ge A1, Bl. 28-29 ArbG-Ak­te) be­an­stan­de­te der Tech­ni-kaus­schuss des GBR die feh­len­de In­for­ma­ti­on sei­tens des Ar­beit­ge­bers und for­der­te den Ar­beit­ge­ber mit Frist­set­zung bis zum 23.11.2009 auf, „bezüglich der Einführung und Nut­zung die­ser Fax-Dru­cker-Geräte ei­ne ent­spre­chen­de Be­triebs­ver­ein­ba­rung (sie­he GBV „au­to­ma­ti-

 

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sche Be­stellüber­mitt­lung per SMS“) mit dem GBR zu ver­han­deln und zu un­ter­zeich­nen“. Nach­dem der Ar­beit­ge­ber nicht re­agier­te, setz­te ihm der Tech­nik­aus­schuss des GBR mit Schrei­ben vom 14.01.2010 ei­ne Frist bis zum 15.02.2010 (An­la­ge A2, Bl. 30 ArbG-Ak­te).

Der Ar­beit­ge­ber ant­wor­te­te schließlich mit Schrei­ben vom 26.02.2010 (An­la­ge A3, Bl. 31 ArbG-Ak­te). Er hal­te es für frag­lich, ob man ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung benöti­ge, da es sich nicht um „tech­ni­sche Ein­rich­tun­gen von Ar­beit­neh­mern im Be­trieb“ han­de­le, son­dern um Sach­mit­tel des Be­triebs­rats. Un­ge­ach­tet des­sen grei­fe er den Vor­schlag gern auf und über-sen­de in der An­la­ge ei­nen Aus­druck der „GBV Be­stellüber­mitt­lung“ mit der Bit­te um hand-schrift­li­che Ände­rung oder Kennt­lich­ma­chung der Ände­run­gen, die aus Sicht des GBR vor-ge­nom­men wer­den soll­ten.

Der Tech­nik­aus­schuss des GBR rügte mit Schrei­ben vom 05.03.2010 (An­la­ge A4, Bl. 32 ArbG-Ak­te) die Ver­spätung der Ant­wort, blieb sinn­gemäß bei sei­ner Be­ur­tei­lung, dass es sich um ei­ne tech­ni­sche Ein­rich­tung han­de­le, und be­hielt sich recht­li­che Schrit­te vor. Mit wei­te­rem Schrei­ben vom 05.03.2010 (An­la­ge A5, Bl. 33 ArbG-Ak­te) erklärte er, die aus sei­ner Sicht er­for­der­li­che Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung könne nicht durch Abände­rung der GBV „Be­stellüber­mitt­lung“ er­stellt wer­den, da es sich um ab­so­lut ver­schie­de­ne Be­rei­che han­de­le. Er for­de­re den Ar­beit­ge­ber auf, mit dem GBR für die Er­stel­lung ei­ner Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung zu dem vor­lie­gend ver­fah­rens­ge­genständ­li­chen The­ma ei­ne Ver­ein­ba­rung über die Kos­tenüber­nah­me ei­nes Sach­verständi­gen zu tref­fen. Außer­dem wies er den Ar­beit­ge­ber dar­auf hin, dass das neue Gerät zur Kon­trol­le, zur Aus­wer­tung von Da­ten und zur Spei­che­rung von Da­ten ge­nutzt wer­den könne.

Der GBR for­der­te den Ar­beit­ge­ber auf­grund ei­nes Be­schlus­ses aus der Sit­zung vom 16. bis 19.03.2010 mit Schrei­ben vom 06.04.2010 (An­la­ge zur An­trags­schrift, Bl. 6 ArbG-Ak­te) auf, ihm oder sei­nem Tech­nik­aus­schuss bis zum 20.04.2010 Ver­hand­lungs­ter­mi­ne hin­sicht­lich ei­ner Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung zum ver­fah­rens­ge­genständ­li­chen The­ma zu nen­nen.

Un­ter Hin­weis auf die hier­auf aus­ge­blie­be­ne Re­ak­ti­on des Ar­beit­ge­bers be­schloss der GBR in sei­ner Sit­zung vom 18.-21.05.2010 die Ein­set­zung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le zum Re­ge­lungs-ge­gen­stand „Ab­schluss ei­ner GBV zur Re­ge­lung der Ein­satzmöglich­kei­ten der neu ein­ge-führ­ten Fax-Kom­bi-Geräte in den Be­triebs­ratsbüros“, be­auf­trag­te sei­nen jet­zi­gen Ver­fah-rens­be­vollmäch­tig­ten mit der außer­ge­richt­li­chen und ge­richt­li­chen Ver­tre­tung in die­ser An­ge-le­gen­heit und ent­schied sich als Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den für Herrn Rich­ter am Ar-beits­ge­richt M. H. (An­la­ge zur An­trags­schrift, Bl. 8-9 ArbG-Ak­te). Nach­dem wei­ter­hin ei­ne Re­ak­ti­on des hierüber in Kennt­nis ge­setz­ten Ar­beit­ge­bers aus­blieb, lei­te­te der GBR das vor-

 

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lie­gen­de Be­schluss­ver­fah­ren ein (An­trags­schrift vom 28.06.2010, beim Ar­beits­ge­richt Ulm am 29.06.2010 ein­ge­gan­gen, dem Ar­beit­ge­ber am 02.07.2010 zu­ge­stellt).

Der GBR hat erst­in­stanz­lich im We­sent­li­chen gel­tend ge­macht,

er sei gemäß § 50, § 87 Abs. 1 Nr. 6, § 87 Abs. 2 Be­trVG an­trags­be­fugt. Die Ei­ni­gungs­stel­le sei zuständig. Der Ab­schluss ei­ner Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung sei not­wen­dig, um ei­ner-seits feh­ler­haf­te Be­die­nung durch die Be­triebsräte, an­de­rer­seits miss­bräuch­li­che Kon­trol­len durch die Ar­beit­ge­ber­sei­te zu ver­hin­dern. Es sei nicht nur zu befürch­ten, dass die Tätig­keit der Be­triebs­rats­mit­glie­der kon­trol­liert wer­de, son­dern auch, dass über die neu­en Geräte Te-le­fo­na­te der Mit­ar­bei­ter in den Ver­kaufs­stel­len über­wacht wer­den könn­ten. Für den Ei­ni-gungs­stel­len­vor­sitz sei der vor­ge­schla­ge­ne Rich­ter we­gen sei­nes er­wei­ter­ten tech­ni­schen Wis­sens be­son­ders qua­li­fi­ziert.

Der GBR hat erst­in­stanz­lich be­an­tragt:

1. Herr Rich­ter am Ar­beits­ge­richt M. H., wird zum Vor­sit­zen­den der Ei­ni­gungs­stel­le „Einführung, An­wen­dung und Nut­zung der neu­en Ca­non-Fax-Kom­bi Geräte“ in den Be­triebs­ratsbüros be­stellt.

2. Die Zahl der von je­der Sei­te zu be­nen­nen­den Bei­sit­zer wird auf drei fest­ge­setzt.

Der Ar­beit­ge­ber hat erst­in­stanz­lich be­an­tragt,

die Anträge zurück­zu­wei­sen.

Der Ar­beit­ge­ber hat erst­in­stanz­lich im We­sent­li­chen gel­tend ge­macht,

die Anträge sei­en schon un­zulässig, je­den­falls aber un­be­gründet. Der Ver­fah­rens­ein­lei­tung sei­en kei­ne Ver­hand­lun­gen vor­aus­ge­gan­gen. Dem GBR ha­be es an ei­nem ernst­haf­ten Ver-hand­lungs­wil­len ge­fehlt, den er durch die Mit­tei­lung von Re­ge­lungswünschen oder die Un-ter­brei­tung ei­nes ei­ge­nen Vor­schlags für ei­ne Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung hätte do­ku­men-tie­ren müssen. Mit Sach­verständi­gen und Ver­fah­ren nach § 80 Abs. 3 Be­trVG ha­be der Ar-beit­ge­ber be­reits sei­ne ei­ge­nen Er­fah­run­gen ma­chen dürfen. Die vom GBR er­streb­te Ei­ni-gungs­stel­le sei zu­dem of­fen­sicht­lich un­zuständig. Es han­de­le sich nicht um den Teil­chen­be-schleu­ni­ger des Cern, son­dern um ein han­delsübli­ches Fax­gerät. Die im erst­in­stanz­li­chen Anhörungs­ter­min geäußer­te Befürch­tung des GBR, über die neu­en Geräte könn­ten Te­le­fo-na­te der Mit­ar­bei­ter in den Ver­kaufs­stel­len über­wacht wer­den, sei un­be­gründet, weil die Mit-ar­bei­ter in den Ver­kaufs­stel­len über ei­ge­ne Geräte verfügten. Schon aus Kos­ten­gründen be-

 

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ste­he kein Ein­verständ­nis mit dem vor­ge­schla­ge­nen Rich­ter aus M. als Ei­ni­gungs­stel­len­vor-sit­zen­den. An­ge­sichts des Sach­ver­halts sei­en ge­ge­be­nen­falls zwei Bei­sit­zer pro Sei­te aus-rei­chend.

Zu den wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst der An­la­gen so­wie auf das Pro­to­koll über den Anhörungs-ter­min vor dem Ar­beits­ge­richt vom 09.07.2010 Be­zug ge­nom­men.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Anträge mit Be­schluss vom 09.07.2010 zurück­ge­wie­sen, weil sie zwar zulässig, aber un­be­gründet sei­en. Die Ei­ni­gungs­stel­le sei of­fen­sicht­lich un­zuständig, da kein Mit­be­stim­mungs­recht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG be­ste­he. § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be-trVG die­ne dem Schutz des ein­zel­nen Ar­beit­neh­mers ge­gen an­ony­me Kon­troll­ein­rich­tun­gen und sol­le durch die Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats gewähr­leis­ten, dass die Gren­zen zulässi­ger Über­wa­chung nicht über­schrit­ten würden. Die hier be­trof­fe­ne Büro­aus­stat­tung des Be­triebs-rats sei aber kei­ne tech­ni­sche Ein­rich­tung, die da­zu be­stimmt sei, das Ver­hal­ten oder die Leis­tung des ein­zel­nen Ar­beit­neh­mers zu über­wa­chen. Viel­mehr dürfe die Tätig­keit des Be-triebs­rats gemäß § 78 Be­trVG über­haupt nicht über­wacht wer­den. Des­halb könne auch kei­ne Ei­ni­gung über ei­ne even­tu­el­le Über­wa­chung er­fol­gen. Soll­te der GBR mei­nen, ei­ne Über­wa­chung fin­de ver­bots­wid­rig doch statt, ste­he ihm die Gel­tend­ma­chung ei­nes Un­ter­las-sungs­an­spruchs of­fen. Die im Anhörungs­ter­min vom Be­triebs­rat geäußer­te Befürch­tung, über die den Be­triebsräten zur Verfügung ste­hen­de Fax­lei­tung könn­ten auch die Te­le­fo­na­te der Ver­kaufs­stel­len­mit­ar­bei­ter über­wacht wer­den, ha­be nicht be­legt wer­den können.

Ge­gen die­sen ihm am 14.07.2010 zu­ge­stell­ten Be­schluss wen­det sich der GBR mit der vor-lie­gen­den Be­schwer­de, die am 28.07.2010 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ging und dem Ar-beit­ge­ber am 05.08.2010 zu­ge­stellt wur­de.

Der GBR macht zweit­in­stanz­lich im We­sent­li­chen gel­tend,

zu Un­recht ha­be der Ar­beit­ge­ber ihm feh­len­de Ver­hand­lungs­be­reit­schaft we­gen Nicht­vor­la­ge ei­nes ei­ge­nen Vor­schlags vor­ge­hal­ten. Die da­zu nöti­gen grund­le­gen­den In­for­ma­tio­nen wür-den dem GBR bis heu­te ver­wei­gert.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts sei das Mit­be­stim­mungs­recht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG ge­ge­ben. Es genüge, dass die Geräte dem Ar­beit­ge­ber die Möglich­keit zur Kon­troll­funk­ti­on, zur Aus­wer­tung von Da­ten und zur Spei­che­rung von Da­ten böten.

 

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Das Ar­beits­ge­richt ha­be ver­kannt, dass auch ein Be­triebs­rats­mit­glied Ar­beit­neh­mer im Sin­ne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG sei. Mit dem neu­en Gerät könne der Ar­beit­ge­ber zwei­fel­los die Tätig­kei­ten der Be­triebsräte kon­trol­lie­ren. Die of­fen­sicht­li­che Un­zuständig­keit der Ei­ni­gungs­stel­le könne nicht mit der Un­zulässig­keit jeg­li­cher Kon­trol­le des Be­triebs­rats durch den Ar­beit­ge­ber be­gründet wer­den, weil der Be­triebs­rat dann war­ten müss­te, bis er zufällig ei­ne sol­che Kon­trol­le ent­de­cke, und weil er dann le­dig­lich im Nach­hin­ein ei­nen Ver­s­toß ge­gen sei­ne Mit­be­stim­mungs­rech­te gel­tend ma­chen könne.

Ein Re­ge­lungs­be­darf gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG be­ste­he zum Schutz der per­so­nen­be-zo­ge­nen Mit­ar­bei­ter­da­ten vor un­zulässi­gen Ver­hal­tens­kon­trol­len, so­fern der Ar­beit­ge­ber über den Zu­griff auf die IVR-Platt­form des Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­vi­ders Kennt­nis zusätz­li­cher Ver­bin­dungs­da­ten so­wie der Fax­da­ten selbst er­lan­gen könne. Ein Re­ge­lungs­be­darf gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG be­ste­he darüber hin­aus, so­fern das Gerät über ei­ne Au-ßen­ver­bin­dung (DSL o.ä.) ver­netzt wer­de, weil dann ge­ge­be­nen­falls so­gar Fern­zu­griffsmög-lich­kei­ten bestünden.

Zu befürch­ten sei außer­dem ei­ne ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge Kon­trol­le der Ver­kaufs­stel­len­mit­ar­bei­ter. Aus den Ver­kaufs­stel­len ge­he ei­ne Te­le­fon­lei­tung hin­aus, mit der sämt­li­che Geräte in der Ver­kaufs­stel­le ver­bun­den sei­en. Es wer­de als ge­richts­be­kannt un­ter­stellt, dass der Ar­beit­ge-ber über ein hoch­tech­ni­sier­tes Wa­ren­wirt­schafts­sys­tem verfüge, das ihm die zen­tra­le Steue-rung und Über­wa­chung sämt­li­cher tech­ni­scher Ein­rich­tun­gen aus sei­ner Zen­tra­le ermögli­che. Ob Kon­trollmöglich­kei­ten im Hin­blick auf Te­le­fo­na­te der Mit­ar­bei­ter bestünden, bedürfe der Über­prüfung durch ei­nen Sach­verständi­gen. Es sei dem GBR nicht be­kannt, ob das Gerät der­zeit ver­netzt sei. Soll­te es über ei­ne Außen­ver­bin­dung ver­netzt wer­den, bestünden ge­ge­be­nen­falls Fern­zu­griffsmöglich­kei­ten.

Der GBR be­an­tragt zweit­in­stanz­lich,

1. den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ulm vom 09.07.2010 – 3 BV 20/10 – ab­zuän-dern,

2. Herrn Rich­ter am Ar­beits­ge­richt M. H., zum Vor­sit­zen­den der Ei­ni­gungs­stel­le „Einführung, An­wen­dung, Nut­zung der neu­en Ca­non-Fax-Kom­bi­geräte“ in den Be­triebs­ratsbüros zu be­stel­len,

3. die Zahl der von je­der Sei­te zu be­nen­nen­den Bei­sit­zer auf drei fest­zu­set­zen.

Der Ar­beit­ge­ber be­an­tragt zweit­in­stanz­lich,

die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.

 

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Der Ar­beit­ge­ber ver­tei­digt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts. Ein Mit­be­stim­mungs­recht sei of­fen-sicht­lich aus­ge­schlos­sen, weil gemäß §§ 78, 40 Be­trVG ei­ne Über­wa­chung der Leis­tung oder des Ver­hal­tens der nur von Be­triebs­rats­mit­glie­dern ge­nutz­ten Geräte nicht zulässig sei (Be­zug­nah­me auf Thüsing, in: Ri­char­di Be­trVG 12. Aufl. 2010 § 40 Rn. 67). Ei­ne Ei­ni­gungs-stel­le könne nur die­se ge­setz­li­che Re­ge­lung fest­le­gen und wäre des­halb of­fen­sicht­lich sinn-los. Auch im Hin­blick auf die Einführung der neu­en Geräte be­ste­he kein Mit­be­stim­mungs-recht; viel­mehr könne der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat zur Verfügung ge­stell­te Sach­mit­tel je-der­zeit aus­tau­schen (Be­zug­nah­me auf Thüsing, in: Ri­char­di Be­trVG 12. Aufl. 2010 § 40 Rn. 74). Über­dies be­ste­he we­der Ein­verständ­nis mit der Zahl der Bei­sit­zer noch mit dem vor­ge-schla­ge­nen Vor­sit­zen­den. Im Anhörungs­ter­min vom 14.09.2010 hat der Ar­beit­ge­ber ergän-zend erklärt, er neh­me we­der Ein­sicht in die Pro­to­kol­le der Fax­geräte, noch sei ge­plant, ei­ne Ver­net­zung der Fax­geräte zum Zwe­cke der Kon­trol­le vor­zu­neh­men. Die streit­ge­genständ­li-chen Geräte sei­en mit der Te­le­kom ver­netzt, aber nicht mit der Zen­tra­le des Ar­beit­ge­bers.

Zu den wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des zweit­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze so­wie auf das Pro­to­koll über den Anhörungs­ter­min vom 14.09.2010 Be­zug ge­nom­men.

II.

Die gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 ArbGG statt­haf­te, in­ner­halb der ge­setz­li­chen Frist und in der ge­setz­li­chen Form gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ein­ge­leg­te und be­gründe­te Be­schwer­de des GBR ist zulässig. Sie ist über­wie­gend be­gründet, weil die Anträge des GBR zulässig und größten­teils be­gründet sind.

1. Den Anträgen des GBR fehlt nicht das Rechts­schutz­bedürf­nis. Aus der dar­ge­stell­ten Vor-ge­schich­te wird deut­lich, dass der GBR die Ver­hand­lun­gen mit dem Ar­beit­ge­ber „mit dem erns­ten Wil­len zur Ei­ni­gung“ (vgl. zu die­ser Vor­aus­set­zung LAG Ba­den-Würt­tem­berg 16.10.1991 - 12 TaBV 10/91 - NZA 1992, 186) geführt hat. Die­se Vor­aus­set­zung fehlt nicht schon dann, wenn der an­trag­stel­len­de Be­triebs­part­ner kei­nen Ent­wurf für die er­streb­te Be­triebs­ver­ein­ba­rung aus­for­mu­liert hat. Für ei­ne der­ar­ti­ge An­for­de­rung gibt es kei­ne Rechts­grund­la­ge. Im Ge­gen­teil ge­bie­tet es der sich in § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG wi­der­spie­geln­de Kom­pro­miss, kei­ne über­zo­ge­nen Zulässig­keitshürden in­ner­halb des Rechts­schutz­bedürf­nis­ses zu er­rich­ten (vgl. hier­zu ausführ­lich und un­ter Ver­ar­bei­tung der Ent­ste­hungs¬ge­schich­te ArbG Karls­ru­he 17.03.2005 - 6 BV 2/05 - Ju­ris).

 

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Im vor­lie­gen­den Fall hat der Ar­beit­ge­ber wie­der­holt auf Schrei­ben des GBR zu des­sen Re­ge­lungs­wunsch nicht re­agiert. Es ist nach­voll­zieh­bar, dass der GBR un­ter die­sen Vo-raus­set­zun­gen nicht länger außer­ge­richt­lich zu­war­ten woll­te.

2. Die Anträge des GBR sind - mit Aus­nah­me des Be­geh­rens ei­ner Be­set­zung der Ei­ni-gungs­stel­le mit nicht nur zwei, son­dern drei Bei­sit­zern - auch be­gründet.

a) Nach An­sicht der Be­schwer­de­kam­mer lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen für die Ein­set­zung der Ei­ni­gungs­stel­le vor.

aa) Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kann der An­trag des Be­triebs­rats (hier: Ge-samt­be­triebs­rats) we­gen feh­len­der Zuständig­keit der Ei­ni­gungs­stel­le nur dann zu-rück­ge­wie­sen wer­den, wenn die Ei­ni­gungs­stel­le of­fen­sicht­lich un­zuständig ist. Bei fach­kun­di­ger Be­ur­tei­lung durch das Ge­richt muss so­fort er­kenn­bar sein, dass ein Mit­be­stim­mungs­recht un­ter kei­nem denk­ba­ren recht­li­chen Ge­sichts­punkt in Fra­ge kommt (vgl. LAG Ba­den-Würt­tem­berg 16.10.1991 - 12 TaBV 10/91 - NZA 1992,186; LAG Hamm 11.01.2010 - 10 TaBV 99/09 - Ju­ris; Mat­thes/Schlewing, in: Ger­mel­mann/Mat­thes/ Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Auf­la­ge 2009 § 98 Rn. 8 mwN; Gross, in: Nat­ter/Gross ArbGG 1. Aufl. 2010 § 98 Rn. 5). Die­se weit­ge­hen­de Ein­schränkung der Zuständig­keitsprüfung erklärt sich aus der Be­son­der­heit des Ver­fah­rens zur Er­rich­tung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le. Die­ses Ver­fah­ren ist dar­auf an­ge­legt, den Be­triebs­par­tei­en möglichst rasch ei­ne funk­ti­onsfähi­ge Ei­ni­gungs­stel­le zur Verfügung zu stel­len (vgl. LAG Rhein­land-Pfalz 21.11.2008 - 6 TaBV 34/08 - Ju­ris; LAG Ba­den-Würt­tem­berg 09.07.2009 - 4 TaBV 3/09 - n.v.). Das Be­stel­lungs­ver­fah­ren soll des­halb nicht mit der Klärung schwie­ri­ger Rechts­fra­gen be­las­tet wer­den, die das Ge­richt in ei­ne um­fas­sen­de und zeit­rau­ben­de Zuständig­keitsprüfung ver­stri­cken würden (vgl. LAG Rhein­land-Pfalz 21.11.2008 - 6 TaBV 34/08 - Ju­ris; LAG Ba­den-Würt­tem­berg 09.07.2009 - 4 TaBV 3/09 - n.v.). Ist die Ei­ni­gungs­stel­le er­rich­tet, so hat sie nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (vgl. BAG 24.11.1981 - 1 ABR 42/79 - AP Be­trVG 1972 § 76 Nr. 11) als Vor­fra­ge ih­re Zuständig­keit selbst zu prüfen und darüber zu ent­schei­den.

Der Maßstab der Of­fen­sicht­lich­keit gilt auch für die Fra­ge, wel­ches Be­triebs­rats­gre­mi­um (bei­spiels­wei­se: Be­triebs­rat oder Ge­samt­be­triebs­rat) zuständig ist (vgl. LAG Köln 06.08.2008 - 10 TaBV 49/08 - Ju­ris; LAG-Ba­den-Würt­tem­berg 09.07.2009 - 4 TaBV 3/09 - n.v.; Mat­thes/Schlewing, in: Ger­mel­mann/Mat­thes/

 

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Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Auf­la­ge 2009 § 98 Rn 9; a.A. wohl ArbG Karls­ru­he 17.03.2005 - 6 BV 2/05 - Ju­ris).

bb) Nach die­sen Maßstäben ist die Ei­ni­gungs­stel­le vor­lie­gend nicht of­fen­sicht­lich un-zuständig.

(1) Es ist nicht auf den ers­ten Blick aus­ge­schlos­sen, dass Fra­gen im Zu­sam­men­hang mit der Einführung und An­wen­dung des Ca­non iR 1024iF in den Be­triebs­ratsbüros un­ter den Mit­be­stim­mungs­tat­be­stand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG fal­len können.

(a) Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG hat der Be­triebs­rat mit­zu­be­stim­men bei der Einführung und An­wen­dung von tech­ni­schen Ein­rich­tun­gen, die da­zu be­stimmt sind, das Ver­hal­ten oder die Leis­tung der Ar­beit­neh­mer zu über­wa­chen. Ein da­ten­ver­ar­bei­ten­des Sys­tem ist zur Über­wa­chung von Ver­hal­ten oder Leis­tung der Ar­beit­neh­mer be­stimmt, wenn es in­di­vi­dua­li-sier­te oder in­di­vi­dua­li­sier­ba­re Ver­hal­tens- oder Leis­tungs­da­ten selbst er­hebt und auf­zeich­net, un­abhängig da­von, ob der Ar­beit­ge­ber die er­fass­ten und fest­ge­hal­te­nen Ver­hal­tens- oder Leis­tungs­da­ten auch aus­wer­ten oder zu Re­ak­tio­nen auf fest­ge­stell­te Ver­hal­tens- oder Leis­tungs­wei­sen ver­wen­den will. Über­wa­chung in die­sem Sin­ne ist so­wohl das Sam­meln von In­for­ma­tio­nen als auch das Aus­wer­ten be­reits vor­lie­gen­der In­for­ma­tio­nen (vgl. BAG 14.11.2006 - 1 ABR 4/06 - NZA 2007, 399).

(b) Hier ist das Ver­hal­ten der Be­triebs­rats­mit­glie­der, nämlich de­ren Betäti­gung der Fax­funk­ti­on, in­di­vi­dua­li­sier­bar aus den vom Gerät auf­ge­zeich­ne­ten Ab­sen­dungs­in­for­ma­tio­nen. Nach den eben dar­ge­stell­ten Grundsätzen genügt dies, oh­ne dass es dar­auf an­kommt, ob der Ar­beit­ge­ber die­se In­for­ma­tio­nen ver­wer­ten will.

Des Wei­te­ren sind zwar die Geräte der­zeit (nach der An­ga­be des Ar­beit­ge­bers, an de­ren Rich­tig­keit kei­ne Zwei­fel ver­an­lasst sind,) noch nicht ver­netzt. Sie sind aber grundsätz­lich IP-fähig. An­ge­sichts der un­ter­las­se­nen Vor­ab-In­for­ma­ti­on über den Wech­sel des Geräte­typs ist es nach­voll­zieh­bar, dass der GBR es nicht für aus­ge­schlos­sen hält, dass der Ar­beit­ge­ber wei­te­re tech­ni­sche Ände­run­gen oh­ne Vor­ankündi­gung durchführen könn­te. Zwar ist es denk­bar, dass die Ein­bin­dung der Geräte in ein Netz-

 

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werk nur mit ei­nem Auf­wand getätigt wer­den könn­te, die den Be­triebsräten und dem GBR nicht ver­bor­gen blie­be, so dass kein vor­he­ri­ges Schutz­bedürf­nis bestünde. Of­fen­sicht­lich zu­tref­fend ist dies aber nicht.

(c) Sch­ließlich ist die Ei­ni­gungs­stel­le nicht et­wa des­we­gen of­fen­sicht­lich un­zuständig, weil oh­ne­hin nicht der ge­rings­te Re­ge­lungs­spiel­raum bestünde. Hin­sicht­lich der un­zulässi­gen Maßnah­men ist nicht aus­zu­sch­ließen, dass zulässi­ger­wei­se ein Pro­ze­de­re ver­ein­bart wer­den kann, mit­hil­fe des­sen der GBR ei­ne Gewähr erhält, dass der Ar­beit­ge­ber die Gren­zen zu-lässi­gen Ver­hal­tens einhält. Im Übri­gen hat die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung dem Ar­beit­ge­ber im Be­reich der Auf­zeich­nung, Spei­che­rung und Er­fas­sung von Te­le­fon­ruf­num­mern bei Te­le­fo­na­ten der Be­triebs­ver­tre­tung un­ter Umständen durch­aus ei­ne ge­wis­se Über­prüfungsmöglich­keit zu­ge­stan­den (vgl. BAG 01.08.1990 – 7 ABR 99/88 – AP ZA-Na­to-Trup­pen­sta­tut Art. 56 Nr. 20). Aus der in der Be­schwer­de­er­wi­de­rung zi­tier­ten Kom­men­tie­rung von Thüsing (in: Ri­char­di Be­trVG 12. Aufl. 2010 § 40 Rn. 67) er­gibt sich nicht die vom Ar­beit­ge­ber ge­zo­ge­ne all­ge­mei­ne Schluss­fol­ge­rung, son­dern ein im hier ver­tre­te­nen Sin­ne dif­fe­ren­zier­tes Bild, das nicht of­fen­sicht­lich je­de Möglich­keit zulässi­ger Maßnah­men des Ar­beit­ge­bers ge­genüber be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Gre­mi­en, in­fol-ge­des­sen auch nicht jeg­li­che Möglich­keit ei­ner dar­auf be­zo­ge­nen Mit­be­stim­mung, auf den ers­ten Blick aus­sch­ließt. Es ist an­er­kannt, dass es ge­ra­de der Zweck des Mit­be­stim­mungs­rechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG ist, dem Be­triebs­rat ein Mit­be­ur­tei­lungs­recht bei der oft schwie­ri­gen Er­mitt­lung der Gren­ze zwi­schen zulässi­gen und un­zulässi­gen Über­wa­chungs­maßnah­men zu si­chern (vgl. LAG Köln 07.06.2010 - 5 Ta 176/10 - NZA-RR 2010, 469 mwN). Vor die­sem Hin­ter­grund dringt der Ar­beit­ge­ber mit sei­ner An­sicht, schon die Ein­ord­nung ei­ner tech­ni­schen Ein­rich­tung als Sach­mit­tel des Be­triebs­rats sei mit dem Be­ste­hen ei­nes Mit­be­stim­mungs­rechts un­ver­ein­bar, nicht durch. Die von ihm un­ter­mau­ernd her­an­ge­zo­ge­ne Kom­men­tie­rung von Thüsing (in: Ri­char­di Be­trVG 12. Aufl. 2010 § 40 Rn. 74), be­han­delt in der zi­tier­ten Pas­sa­ge Fra­gen des Be­sit­zes und Ei­gen­tums an Mo­bi­li­ar und Schreib­geräten. Et­wai­ge Mit­be­stim­mungs­fra­gen, die sich bei der Zur­verfügung­stel­lung neu­ar­ti­ger, zur Über­wa­chung ge­eig­ne­ter tech­ni­scher Ein­rich­tun­gen als Sach­mit­tel stel­len können, hat die Kom­men­tie­rung an die­ser Stel­le er­sicht­lich nicht zum The­ma.

 

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(2) Auch an ei­ner Zuständig­keit des GBR (in Ab­gren­zung zur Zuständig­keit der Be­triebs-räte) fehlt es nicht of­fen­sicht­lich.

(a) Gemäß § 50 Abs. 1 Be­trVG ist der Ge­samt­be­triebs­rat zuständig für die Be­hand­lung von An­ge­le­gen­hei­ten, die das Ge­samt­un­ter­neh­men oder meh­re­re Be­trie­be be­tref­fen und nicht durch die ein­zel­nen Be­triebsräte in­ner­halb ih­rer Be­trie­be ge­re­gelt wer­den können. Das ist der Fall, wenn ein zwin­gen­des Er­for­der­nis für ei­ne un­ter­neh­mens­ein­heit­li­che oder je­den­falls be­triebsüberg­rei­fen­de Re­ge­lung be­steht, wo­bei auf die Verhält­nis­se des ein­zel­nen Un­ter­neh­mens und der kon­kre­ten Be­trie­be ab­zu­stel­len ist. Die bloße Zweckmäßig­keit ei­ner ein­heit­li­chen Re­ge­lung oder das Ko­or­di­na­ti­ons­in­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers al­lein genügt je­doch nicht. In­fol­ge ei­nes Ver­lan­gens des Ar­beit­ge­bers ist ei­ne ein­heit­li­che Re­ge­lung al­ler­dings dann als not­wen­dig an­zu­se­hen, wenn der Ar­beit­ge­ber al­lein un­ter die­sen Vo-raus­set­zun­gen zu der re­ge­lungs­bedürf­ti­gen Maßnah­me be­reit ist und in­so­weit mit­be­stim­mungs­frei ent­schei­den kann (vgl. BAG 11.11.1998 - 7 ABR 47/97 - NZA 1999, 947).

Je nach dem Ziel, das der Ar­beit­ge­ber mit der Einführung und An­wen­dung ei­ner tech­ni­schen Ein­rich­tung ver­folgt, kann ei­ne be­triebsüberg­rei­fen­de Re­ge­lung bei­spiels­wei­se aus tech­ni­schen Gründen er­for­der­lich sein. So hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts bei­spiels­wei­se die tech­ni­sche Not­wen­dig­keit zu ei­ner be­triebsüberg­rei­fen­den Re­ge­lung bei ei­nem Sach­ver­halt be­jaht, bei dem der Ar­beit­ge­ber im We­ge der elek­tro­ni­schen Da­ten­ver­ar­bei­tung in meh­re­ren Be­trie­ben Da­ten er­hob und ver­ar­bei­te­te, die auch zur Wei­ter­ver­wen­dung in an­de­ren Be­trie­ben be­stimmt wa­ren (vgl. BAG 14.11.2006 - 1 ABR 4/06 - NZA 2007, 399). Eben­so hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts die vom Ar­beit­ge­ber ge­plan­te Nut­zung ei­ner Te­le­fon­an­la­ge des Typs Hi­com als zwin­gen­des Er­for­der­nis für ei­ne be­triebsüberg­rei­fen­de Re­ge­lung be­wer­tet (vgl. BAG 11.11.1998 - 7 ABR 47/97 - NZA 1999, 947) und da­bei maßgeb­lich so­wohl auf den vom Ar­beit­ge­ber ver­folg­ten wirt­schaft­li­chen Zweck der Kos­ten­op­ti­mie­rung durch zen­tra­le Kos­tenüber­wa­chung als auch auf den von ihm ver­folg­ten tech­ni­schen Zweck ab­ge­stellt. Zu letz­te­rem hat der Sieb­te Se­nat aus­geführt, für ei­ne selbständi­ge au­to­ma­ti­sche Ver­ar­bei­tung der Da­ten sei die Kom­pa­ti­bi­lität der ein­zel­nen Da­ten­er­he­bungs­sys­te­me zwin­gend er­for­der­lich.

 

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(b) Dies zu­grun­de­ge­legt ist es nicht of­fen­sicht­lich aus­ge­schlos­sen, dass hier der GBR zuständig ist. Es ist ers­tens nicht of­fen­sicht­lich aus­ge­schlos­sen, dass auch im vor­lie­gen­den Fall die ein­heit­li­che Aus­stat­tung al­ler Be­triebs­ratsbüros ei­ner zen­tral ge­steu­er­ten Kos­ten­op­ti­mie­rung ge­schul­det ist. Zwei­tens kann, so­weit das nicht-of­fen­sicht­li­che Nicht­be­ste­hen ei­nes Mit­be­stim­mungs­rechts mit der tech­ni­schen Möglich­keit ei­ner ver­netz­ten Über­wa­chung von der Zen­tra­le aus (un­ge­ach­tet der der­zeit nicht ge­plan­ten Durchführung ei­ner sol­chen) be­gründet wird, eben­falls nicht auf den ers­ten Blick ver­neint wer­den, dass ei­ne be­triebsüberg­rei­fen­de Re­ge­lung er­for­der­lich ist.

(3) Da der GBR nicht näher erläutert hat, wor­in der ei­genständi­ge Ge­halt des in sei­nem An­trag ent­hal­te­nen Be­griffs „Nut­zung“ im Verhält­nis zu den eben­falls ent­hal­te­nen Be­grif­fen „Einführung“ und „An­wen­dung“ lie­gen soll, geht das Ge­richt da­von aus, dass dem Be­griff „Nut­zung“ hier kein ei­genständi­ger Ge­halt zu­kommt. Es hat den Be­schluss­te­nor des­halb klar­stel­lend auf die in § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG ent­hal­te­nen Be­grif­fe, de­ren Be­deu­tung geklärt ist, be­schränkt.

b) Nach Ausübung ih­res Aus­wahler­mes­sens ge­langt die Be­schwer­de­kam­mer zu der Ent­schei­dung, Herrn Rich­ter am Ar­beits­ge­richt H. als Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den ein­zu­set­zen.

aa) Die Per­son des Vor­sit­zen­den soll­te über die er­for­der­li­che Rechts- und Sach­kun­de verfügen und muss un­par­tei­isch sein. Das Ge­richt ist bei der Aus­wahl der zu be­stel­len­den Per­son un­ter Be­ach­tung der Gren­zen des § 98 Abs. 1 Satz 5 ArbGG grundsätz­lich frei und an die Vor­schläge der Be­tei­lig­ten nicht ge­bun­den. Um­strit­ten ist, wie zu ver­fah­ren ist, wenn die vom An­trag­stel­ler be­nann­te Per­son von ei­nem an­de­ren Be­tei­lig­ten ab­ge­lehnt wird. Nach zu­tref­fen­der Auf­fas­sung ist ei­ne sol­che Ab­leh­nung ir­re­le­vant, wenn der ab­leh­nen­de Be­tei­lig­te kei­ne nach­voll­zieh­ba­ren Einwände ge­gen die vor­ge­schla­ge­ne Per­son er­hebt und sich auch dem Ge­richt kei­ne Be­den­ken hin­sicht­lich der Fach­kun­de und der Un­par­tei­lich­keit des Vor­sit­zen­den auf­drängen (vgl. Koch, in: ErfK 10. Aufl. 2010 § 98 ArbGG Rn. 5 mwN). So­weit dem in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur teil­wei­se ent­ge­gen­ge­hal­ten wird, die Ab­leh­nung auch nur ei­nes Be­tei­lig­ten ste­he der Ein­set­zung ent­ge­gen, weil der von ei­nem Be­tei­lig­ten vor­ge­schla­ge­ne und von ei­nem an­de­ren Be­tei­lig­ten ab­ge­lehn­te Vor­sit­zen­de mit dem Bei­ge­schmack in die Ei­ni­gungs­stel­le ge­he, Fa­vo­rit der ei­nen Sei­te zu sein (vgl. Lel­ley NZA 2010, Edi­to­ri­al zu Heft 17 „Der Ber­lin-Bran­den­bur­ger

 

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Wind­hund­streit“ mwN), über­zeugt dies die Be­schwer­de­kam­mer nicht. Es gibt kein schutzwürdi­ges In­ter­es­se ei­nes Be­tei­lig­ten dar­an, ei­ner an­sons­ten als Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den ge­eig­ne­ten Per­son durch ein bloßes „Nein“ ei­nen sol­chen „Geg­ner­fa­vo­ri­ten­ma­kel“ zu ver­lei­hen. Viel­mehr ist es dem ge­gen die­se Per­son op­po­nie­ren­den Be­tei­lig­ten zu­mut­bar, sei­ne Ab­leh­nung we­nigs­tens kurz zu be­gründen. Dies kann er bei­spiels­wei­se un­ter Be­zug­nah­me auf ei­ne Er­fah­rung aus ei­ner ver­gan­ge­nen Ei­ni­gungs­stel­le tun, die von die­ser Per­son ge­lei­tet wur­de, oder er kann auf Veröffent­li­chun­gen die­ser Per­son ver­wei­sen, de­ren Ten­denz dem Ab­leh­nen­den zu­wi­derläuft. Durch die Of­fen­le­gung sol­cher Hin­ter­gründe ris­kiert er kei­ne ne­ga­ti­ven Fol­gen. Ins­be­son­de­re gibt es kei­nen Grund zu der all­ge­mei­nen Befürch­tung, die mit dem Ein­set­zungs­ver­fah­ren be­trau­te Ar­beits­ge­richts­bar­keit wer­de in ei­nem Fall, in dem ein Be­tei­lig­ter sei­ne Vor­be­hal­te im An­satz nach­voll­zieh­bar erläutert, rück­sichts­los den­noch den ab­ge­lehn­ten Vor­sit­zen­den ein­set­zen, und der Ab­leh­nen­de wer­de dann in­fol­ge der Of­fen­ba­rung sei­nes feh­len­den Ver­trau­ens im Nach­teil sein.

bb) Wen­det man die­se Grundsätze auf den vor­lie­gen­den Fall an, spre­chen gu­te Gründe für die Be­stel­lung von Herrn Rich­ter am Ar­beits­ge­richt H. Un­strei­tig hat die­ser Rich­ter ein be­son­de­res tech­ni­sches Wis­sen, und ein sol­ches wird der Ei­ni­gungs­stel­le an­ge­sichts der von ihr zu be­ur­tei­len­den The­men sehr zu­gu­te kom­men. Einwände ge­gen sei­ne sons­ti­ge fach­li­che oder persönli­che Eig­nung sind nicht er­sicht­lich. So­weit der Ar­beit­ge­ber in ers­ter In­stanz auf die höhe­ren Kos­ten we­gen der geo­gra­phi­schen Her­kunft des Rich­ters ver­wie­sen hat, spricht letz­te­re nicht ge­gen des­sen Ein­set­zung. We­der der Ar­beits­ort (M.) noch der Wohn­ort (D.) des Rich­ters sind kos­tenmäßig be­trach­tet un­zu­mut­bar weit vom Sitz des Ar­beit­ge­bers ent­fernt. Über­dies sind we­gen § 98 Abs. 1 Satz 5 ArbGG die in un­mit­tel­ba­rer Nähe des Sit­zes des Ar­beit­ge­bers täti­gen Ar­beits­rich­ter weit­ge­hend von der Be­stel­lung aus­ge­schlos­sen. Der Ar­beit­ge­ber hat auch kei­ne an­de­re, mit ähn­li­cher tech­ni­scher Sach­kun­de aus­ge­stat­te­te, aber geo­gra­phisch näher ansässi­ge Per­son vor­ge­schla­gen. Erst recht kam im Anhörungs­ter­min kei­ne an­de­re Per­son als po­ten­zi­el­ler Vor­sit­zen­der zur Spra­che, von de­ren tech­ni­scher Sach­kun­de bei­de Be­tei­lig­ten übe­rein­stim­mend über­zeugt ge­we­sen wären.

c) Die Zahl der Bei­sit­zer hat das Ge­richt für je­de Sei­te auf zwei fest­ge­setzt. Dies ent­spricht der Re­gel­be­set­zung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le. Da­mit soll ei­ner­seits die Prä-

 

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senz be­triebs­ex­ter­nen (hier: un­ter­neh­men­s­ex­ter­nen) Sach­ver­stands gewähr­leis­tet wer­den und sol­len an­de­rer­seits ei­ne Ver­kom­pli­zie­rung der Ab­stim­mungs- und Ent­schei­dungs­pro­zes­se in der Ei­ni­gungs­stel­le so­wie un­verhält­nismäßige Kos­ten durch die Her­an­zie­hung meh­re­rer ex­ter­ner Bei­sit­zer ver­mie­den wer­den (vgl. Hes­si­sches LAG 03.02.2009 – 4 TaBV 185/09 - NZA-RR 2010, 359).

Ei­ne größere An­zahl von Bei­sit­zern kommt nur in Be­tracht, wenn be­son­ders schwie­ri­ge oder um­fang­rei­che Re­ge­lungs­fra­gen zu ent­schei­den und des­halb be­son­de­re Kennt­nis­se oder Fer­tig­kei­ten für die sach­ge­rech­te Be­hand­lung in der Ei­ni­gungs­stel­le er­for­der­lich sind (vgl. ArbG Stutt­gart 22.02.2010 – 30 BV 17/10 – n.v.). Hier wer­den tech­ni­sche Kennt­nis­se auf Sei­ten der Bei­sit­zer der sach­ge­rech­ten Be­hand­lung der Re­ge­lungs­fra­gen zwar förder­lich sein, im Hin­blick auf die Per­son des ein­ge­setz­ten Vor­sit­zen­den sind sie aber nicht er­for­der­lich. Denn es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass der tech­nisch sach­kun­di­ge Vor­sit­zen­de im Ver­lauf der Ei­ni­gungs­stel­le die tech­ni­schen Zu­sam­menhänge so verständ­lich auf­be­rei­ten und den vier Bei­sit­zern ver­mit­teln wird, dass kei­ner der Be­tei­lig­ten ei­nen tech­nisch be­son­ders ver­sier­ten wei­te­ren Bei­sit­zer benöti­gen wird.

3. Gemäß § 98 Abs. 2 Satz 3 ArbGG hat die Kam­mer­vor­sit­zen­de die Ent­schei­dung al­lein ge-trof­fen.

In die­sem Ver­fah­ren wer­den kei­ne Kos­ten er­ho­ben (§ 2 Abs. 2 GKG i.V.m. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG).

Ge­gen die­sen Be­schluss fin­det kein Rechts­mit­tel statt (§ 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG).

 

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