HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/174

Be­triebs­rat - Frist­lo­se Kün­di­gung und trotz­dem im Amt?

Frist­los ge­kün­dig­te Be­triebs­rats­mit­glie­der ha­ben nur aus­nahms­wei­se ein Recht zur Teil­nah­me an Sit­zun­gen des Be­triebs­ra­tes: Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, Be­schluss vom 27.07.2011, 9 TaBV­Ga 2/11
Sitzung des Betriebsrats, Betriebsratsversammlung Im Amt als Be­triebs­rat - auch mit frist­lo­ser Kün­di­gung in der Ta­sche?

30.04.2012. Da­mit der Be­triebs­rat als In­ter­es­sen­ver­tre­tung der Ar­beit­neh­mer des Be­trie­bes sei­ne Auf­ga­ben oh­ne Un­ter­bre­chung er­fül­len kann, springt ein Er­satz­mit­glied ein, wenn ein re­gu­lä­res Be­triebs­rats­mit­glied aus­schei­det oder „zeit­wei­lig ver­hin­dert“ ist.

Wird ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied ge­kün­digt und kommt es zu ei­nem Kün­di­gungs­schutz­pro­zess, kann ei­ni­ge Zeit un­klar sein, ob das Mit­glied tat­säch­lich aus­ge­schie­den ist oder nicht. Wenn das ge­kün­dig­te Be­triebs­rats­mit­glied in die­ser Zwi­schen­zeit wei­ter sein Amt wahr­neh­men möch­te, soll­te er im Kün­di­gungs­schutz­pro­zess sei­ne vor­läu­fi­ge Wei­ter­be­schäf­ti­gung ein­kla­gen. War­um das so ist, zeigt ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Köln: Be­schluss vom 27.07.2011, 9 TaBV­Ga 2/11.

Kann ein gekündig­tes Be­triebs­rats­mit­glied an Sit­zun­gen des Be­triebs­ra­tes teil­neh­men?

Je­des Be­triebs­rats­mit­glied hat das Recht, an Be­triebs­rats­sit­zun­gen teil­zu­neh­men. Da­mit der Be­triebs­rat stets vollzählig und da­mit hand­lungsfähig bleibt, be­stimmt § 25 Abs.2 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG), dass für je­des aus­schei­den­de oder zeit­wei­lig ver­hin­der­te Mit­glied ein Er­satz­mit­glied nachrückt.

Im Fal­le ei­ner Kündi­gung er­lischt die Mit­glied­schaft erst mit der ef­fek­ti­ven Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses (vgl. § 24 Be­trVG). Will der Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­verhält­nis ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds mit so­for­ti­ger Wir­kung durch ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung be­en­den, muss er aber ho­he Hürden neh­men. Denn für ei­ne wirk­sa­me frist­lo­se Kündi­gung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds braucht er ne­ben ei­nem wich­ti­gen Grund gemäß § 626 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) auch die Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes (§ 103 Be­trVG).

Ei­ni­ge Ge­rich­te und Au­to­ren mei­nen, dass das Be­triebs­rats­mit­glied trotz ei­ner frist­lo­se Kündi­gung we­der „aus­ge­schie­den“ noch zeit­wei­se „ver­hin­dert“ ist, wenn es mit ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt in ers­ter In­stanz ge­winnt und das Ver­fah­ren in der Be­ru­fung vor dem LAG fort­geführt wird.

Dem LAG Köln genügt das aber eben­so­we­nig wie den meis­ten an­de­ren Ge­rich­ten.

Teil­nah­me­recht nur bei of­fen­sicht­lich un­wirk­sa­mer Kündi­gung oder er­folg­rei­chem Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag

In ei­nem vom LAG Köln ent­schie­de­nen Eil­ver­fah­ren strit­ten ei­ne Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de, die mit Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes von ih­rem Ar­beit­ge­ber frist­los ent­las­sen wor­den war, und „ihr“ Be­triebs­rat dar­um, ob sie wei­ter an Be­triebs­rats­sit­zun­gen teil­neh­men durf­te. Im­mer­hin, so die Vor­sit­zen­de, hat­te sie vor dem Ar­beits­ge­richt mit ih­rer Kündi­gungs­schutz­kla­ge erst ein­mal Er­folg ge­habt. Al­ler­dings ging ihr Pro­zess nun vor dem LAG wei­ter.

An­ders als zu­vor das Ar­beits­ge­richt Aa­chen (Be­schluss vom 05.07.2011, 4 BV­Ga 11/11) gab das LAG dem Be­triebs­rat Recht. Das Ge­richt ar­gu­men­tier­te: So­lan­ge der Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses nicht ab­ge­schlos­sen ist, bleibt es un­ge­wiss, ob die Vor­sit­zen­de noch Mit­glied des Be­triebs­ra­tes ist. Des­halb ist sie für die­se Zeit „ver­hin­dert“. Nur aus­nahms­wei­se gilt das nicht, nämlich dann, wenn die Kündi­gung (z.B. man­gels Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes) of­fen­sicht­lich un­wirk­sam ist oder wenn das gekündig­te Be­triebs­rats­mit­glied ei­nen An­spruch auf (vorläufi­ge) Wei­ter­beschäfti­gung ge­richt­lich durch­ge­setzt hat, denn dann ist die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung sehr wahr­schein­lich. Die­se Vor­aus­set­zun­gen la­gen je­doch nicht vor.

Fa­zit: Da Kündi­gun­gen nur sel­ten „of­fen­sicht­lich“ un­wirk­sam sind, soll­ten en­ga­gier­te Be­triebs­rats­mit­glie­der ih­re Kündi­gungs­schutz­kla­ge im­mer mit ei­nem An­trag auf Wei­ter­beschäfti­gung ver­bin­den. Der An­trag hat Er­folg, wenn das Ar­beits­ge­richt die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung fest­stellt und an­nimmt, dass das Wei­ter­beschäfti­gungs­in­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers bzw. Be­triebs­rats­mit­glie­des schwe­rer wiegt als die In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers. Oh­ne ei­nen sol­chen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag be­steht die Ge­fahr, auf länge­re Zeit kom­plett „draußen“ zu sein.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 22. Juli 2016

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 5.0 von 5 Sternen (1 Bewertung)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de