10.06.2015. Klagt ein Betriebsrentner auf eine (höhere) Betriebsrentenanpassung, kommt es auf die wirtschaftliche Lage seines ehemaligen Arbeitgebers an, der zur Betriebsrentenzahlung verpflichtet ist.
Steht dieses Unternehmen wirtschaftlich schlecht da, spricht das gegen eine Rentenerhöhung, es sei denn, es gibt einen Beherrschungsvertrag zugunsten eines anderen, "herrschenden" Konzernunternehmens, dem es wirtschaftlich besser geht.
Dann kann es einen Rentenerhöhung geben, weil die Arbeitsgerichte einen "Berechnungsdurchgriff" vornehmen. Dessen Voraussetzungen hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuellen Urteil zulasten der Betriebsrentner verschärft: BAG, Urteil vom 10.03.2015, 3 AZR 739/13.Gemäß § 16 Abs. 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) hat der Arbeitgeber alle drei Jahre „nach billigem Ermessen“ über eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, d.h. der laufend gezahlten Betriebsrenten zu entscheiden. Dabei sind einerseits die Belange der Betriebsrentner und zum anderen die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.
Normalerweise sind Unternehmen dabei verpflichtet, die durch die Inflation bedingte Entwertung der Betriebsrenten durch eine Rentenerhöhung auszugleichen. Nur dann, wenn ihre wirtschaftliche Lage so schlecht ist, dass die voraussichtlichen Gewinne der nächsten drei Jahre eine Rentenerhöhung nicht tragen würden, können sie ihren Betriebsrentnern nach der Rechtsprechung eine Rentenerhöhung unterhalb der Inflationsrate oder sogar eine Nullrunde zumuten.
Ein Streitpunkt zwischen Betriebsrentnern und Unternehmen ist dabei immer wieder die Frage, unter welchen Umständen abhängige Konzernunternehmen, die aufgrund eines Beherrschungsvertrags die Vorgaben eines herrschenden Konzernunternehmens beachten müssen, auf ihre eigene schlechte wirtschaftliche Lage verweisen können, wenn es gleichzeitig dem herrschenden Konzernunternehmen wirtschaftlich gut geht (oder jedenfalls besser).
Bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags hatte das BAG bisher einen sog. Berechnungsdurchgriff für richtig gehalten. Berechnungsdurchgriff heißt, dass das zur Rentenzahlung und damit zur Anpassung verpflichtete Unternehmen trotz eigener schlechter wirtschaftlicher Lage eine Rentenerhöhung vornehmen muss, wenn die wirtschaftliche Lage des herrschenden Konzernunternehmens dies zulässt (BAG, Urteil vom 17.06.2014, 3 AZR 298/13).
Diese für Betriebsrentner günstige Rechtsprechung hat das BAG nunmehr zugunsten der Arbeitgeberseite geändert.
Ein 1939 geborener Betriebsrentner war von 1954 bis 1996 bei einem Hersteller lufttechnischer Apparate als Schweißer tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung. Seit April 1999 bezog er eine Betriebsrente.
Das Unternehmen, dessen wirtschaftliche Lage sich während der 90er Jahre immer weiter verschlechterte, beschäftigt seit 1999 keine Arbeitnehmer mehr und stellte seine ursprüngliche Geschäftstätigkeit 1999 ein. In den Jahren 1997 bis 2006 erzielte das Unternehmen Verluste. 2007 und 2008 war das Ergebnis zwar positiv, doch beruhte das im Wesentlichen auf der Ergebnisübernahme von einer Tochtergesellschaft. Seit 2009 schrieb man wieder rote Zahlen.
Trotzdem klagte der Betriebsrentner auf Erhöhung seiner Betriebsrente ab Juli 2011, wobei er sich darauf berief, dass das verklagte Unternehmen einen Beherrschungsvertrag mit einem herrschenden Konzernunternehmen abgeschlossen hatte, dessen wirtschaftliche Lage so gut war, dass sie einen Rentenanpassung erlaubte.
Mit dieser Klage hatte er vor dem Arbeitsgericht Herne keinen Erfolg (Urteil vom 09.01.2013, 5 Ca 2251/12), dafür aber in der Berufungsinstanz vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (Urteil vom 02.07.2013, 9 Sa 277/13). Für das LAG war entsprechend der bisherigen BAG-Rechtsprechung entscheidend,
Der Arbeitgeber hatte mit seiner Revision vor dem BAG Erfolg. Das BAG hob das Urteil des LAG Hamm auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das LAG.
Im Unterschied zu seiner bisherigen Rechtsprechung, die das BAG ausdrücklich aufgibt, hält das BAG einen Berechnungsdurchgriff künftig nicht mehr für gerechtfertigt, wenn das herrschende Konzernunternehmen dem beherrschten Unternehmen keine im Konzerninteresse liegende Weisungen erteilt hat, die die wirtschaftliche Lage des beherrschten Unternehmens verschlechtert haben.
Dass es solche Weisungen mit nachteiligen wirtschaftlichen Folgen für das zur Rentenzahlung verpflichtete Unternehmen nicht gab, muss dieses Unternehmen als "Versorgungsschuldner" konkret vortragen und ggf. beweisen. Und da die Parteien hier im Streitfall zu diesen rechtlich relevanten Fragen noch nichts hatten vorbringen können, muss der Fall nun weiter vor dem LAG Hamm verhandelt werden.
Fazit: Betriebsrentner sollen, so das BAG, durch die Konzernzugehörigkeit ihres ehemaligen Arbeitgebers nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden als sie sich stehen würden, wenn es keine Konzernzugehörigkeit gäbe (Urteil, Randnummer 33).
Diese Überlegung ist richtig und spricht dagegen, einen Berechnungsdurchgriff immer schon dann zugunsten des Betriebsrentners vorzunehmen, wenn das rentenpflichtige Unternehmen ein beherrschtes Konzernunternehmen ist. Und aufgrund der umfassenden Beweislast der zur Rentenzahlung verpflichteten Unternehmen ist nicht zu erwarten, dass es künftig keine Berechnungsdurchgriffe mehr geben wird.
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Letzte Überarbeitung: 16. Oktober 2016
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