10.01.2013. Nach § 1 Abs.1 Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) brauchen Zeitarbeitsfirmen eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Diese Erlaubnis ist für die Kunden der Zeitarbeitsfirma wichtig, denn wenn eine Zeitarbeitsfirma Arbeitnehmer ohne Erlaubnis verleiht, ist die Arbeitnehmerüberlassung unwirksam (§ 9 Nr.1 AÜG) und es besteht dann ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher, d.h. der Kunde der Zeitarbeitsfirma ist unfreiwillig Arbeitgeber der überlassenen Leiharbeiter (§ 10 Abs.1 Satz 1 AÜG).
Seit Dezember 2011 steht in § 1 Abs.1 Satz 2 AÜG, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher "vorübergehend" erfolgt. Aber welche Folgen hat es, wenn Leiharbeitnehmer trotzdem dauerhaft eingesetzt werden, d.h. über Jahre hinweg auf Dauerarbeitsplätzen?
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat mit einem Urteil vom gestrigen Tag entschieden, dass dieser Gesetzesverstoß dazu führt, dass ein solcher Dauereinsatz nicht mehr von der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gedeckt ist und dass daher ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher entsteht: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.01.2013, 15 Sa 1635/12.
Bis Anfang Dezember 2011 war der ständige Einsatz von Leiharbeitnehmern auf normalen Arbeitsplätzen der Stammbelegschaft gesetzlich nicht verboten. Das hat sich aber geändert. Denn seit Anfang Dezember 2011 enthält § 1 Abs.1 AÜG einen neuen Satz, nämlich Satz 2, und der lautet:
„Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend.“
Diese Vorschrift hat bereits für viel Wirbel gesorgt, weil einige Gerichte und juristische Autoren meinen, dass Betriebsräte dem geplanten Einsatz von Leiharbeitnehmern gemäß § 99 Abs.2 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) widersprechen können, wenn sie auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt werden sollen (wir berichteten darüber in Arbeitsrecht aktuell: 12/349 Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen und in Arbeitsrecht aktuell: 12/390 Kein Einsatz von Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen).
Jetzt hat das LAG Berlin-Brandenburg noch einen draufgesetzt und entschieden, dass ein Verstoß gegen § 1 Abs.1 Satz 2 AÜG zu einem Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher führt.
Im Streitfall ging es um den Betreiber von Krankenhäusern, der Krankenpflegepersonal bei einem konzerneigenen Verleihunternehmen im Wege der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung entlieh, und zwar über Jahre hinweg in erheblichem Umfang.
Die entliehenen Pflegekräfte wurden auf Dauerarbeitsplätzen beschäftigt, für die der Klinikbetreiber keine eigenen Stammarbeitnehmer hatte. Das konzerneigene Verleihunternehmen besaß eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Das LAG Berlin-Brandenburg bzw. dessen 15. Kammer kam zu dem Ergebnis, dass im Streitfall ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Klinikbetreiber und dem Leiharbeitnehmer besteht.
Zur Begründung heißt es, eine auf Dauer angelegte Arbeitnehmerüberlassung sei von der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht gedeckt. Wenn man diese Prämisse mitmacht, liegt illegale Leiharbeit vor und es besteht gemäß § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer.
Erschwerend kam im vorliegenden Streitfall hinzu, dass das konzerneigene Verleihunternehmen gar nicht am Markt werbend tätig war, sondern nur nur dazu da war, die Schwesterunternehmen mit möglichst billigen Pflegekräften zu versorgen und "kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen", so das LAG. Dies aber sei "institutioneller Rechtsmissbrauch".
Da die hier vom LAG entschiedene Frage bislang vom Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht geklärt worden ist, hat das LAG die Revision zum BAG zugelassen. Wie das BAG entscheiden wird, ist offen. Eine andere Kammer des LAG Berlin-Brandenburg hatte im Oktober 2012 in einem Parallelfall umgekehrt entschieden, d.h. angenommen, dass ein Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen nicht zu einem Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher führt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.10.2012, 7 Sa 1182/12).
Fazit: Sollte sich die Auffassung der 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg durchsetzen, wäre das das Aus für die Leiharbeit in Deutschland, jedenfalls für die Leiharbeit als "Branche". Denn wenn Entleiher das ungewollte Entstehen von Arbeitsverhältnissen mit Leiharbeitnehmern immer dann befürchten müssten, wenn deren Einsatz (möglicherweise!) als Einsatz auf "Dauerarbeitsplätzen" bewertet werden könnte, werden Entleiher andere Wege suchen, um Personalkosten zu verringern.
Nähere Informationen finden Sie hier:
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das LAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des LAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 28. November 2016
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