HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 17.11.2015, C-115/14 - Re­gio Post

   
Schlagworte: Mindestlohn, Vergaberecht
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-115/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.11.2015
   
Leitsätze:

1. Art. 26 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1251/2011 der Kommission vom 30. November 2011 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, nach denen sich Bieter und deren Nachunternehmer in einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung verpflichten müssen, den Beschäftigten, die zur Ausführung von Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in den betreffenden Rechtsvorschriften festgelegten Mindestlohn zu zahlen.

2. Art. 26 der Richtlinie 2004/18 in der durch die Verordnung Nr. 1251/2011 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die vorsehen, dass Bieter und deren Nachunternehmer von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen werden, wenn sie sich weigern, sich durch eine schriftliche, ihrem Angebot beizufügende Erklärung zu verpflichten, den Beschäftigten, die zur Ausführung von Leistungen, die Gegenstand des öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in den betreffenden Rechtsvorschriften festgelegten Mindestlohn zu zahlen.

Vorinstanzen: Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 19.02.2014, 1 Verg 8/13
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Vier­te Kam­mer)

17. No­vem­ber 2015(*)

„Vor­la­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung - Art. 56 AEUV - Frei­er Dienst­leis­tungs­ver­kehr - Be­schränkun­gen - Richt­li­nie 96/71/EG - Art. 3 Abs. 1 - Richt­li­nie 2004/18/EG - Art. 26 - Öffent­li­che Auf­träge - Post­dienst­leis­tun­gen - Re­ge­lung ei­ner re­gio­na­len Ein­heit ei­nes Mit­glied­staats, die Bie­tern und Nach­un­ter­neh­mern vor­schreibt, sich zu ver­pflich­ten, den zur Ausführung von Leis­tun­gen, die Ge­gen­stand ei­nes öffent­li­chen Auf­trags sind, ein­ge­setz­ten Beschäftig­ten ei­nen Min­dest­lohn zu zah­len“

In der Rechts­sa­che C-115/14

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht vom Ober­lan­des­ge­richt Ko­blenz (Deutsch­land) mit Ent­schei­dung vom 19. Fe­bru­ar 2014, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 11. März 2014, in dem Ver­fah­ren

Re­gio­Post GmbH & Co. KG

ge­gen

Stadt Land­au in der Pfalz,

Be­tei­lig­te:

Post­Con Deutsch­land GmbH,

Deut­sche Post AG,

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Vier­te Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Präsi­den­ten der Drit­ten Kam­mer L. Bay Lar­sen in Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben des Präsi­den­ten der Vier­ten Kam­mer, der Rich­ter J. Ma­le­n­ovský und M. Saf­jan so­wie der Rich­te­rin­nen A. Prechal (Be­richt­er­stat­te­rin) und K. Jürimäe,

Ge­ne­ral­an­walt: P. Men­goz­zi,

Kanz­ler: K. Ma­lacek, Ver­wal­tungs­rat,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 29. April 2015,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

- der Re­gio­Post GmbH & Co. KG, ver­tre­ten durch Rechts­an­walt A. Günther,

- der Stadt Land­au in der Pfalz, ver­tre­ten durch Rechts­an­walt R. Goo­dar­zi,

- der Post­Con Deutsch­land GmbH, ver­tre­ten durch Rechts­an­walt T. Brach,

- der Deut­schen Post AG, ver­tre­ten durch die Rechts­anwälte W. Krohn und T. Schnei­der,

- der deut­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch T. Hen­ze und A. Lippstreu als Be­vollmäch­tig­te,

- der däni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch C. Thorning und M. Wolff als Be­vollmäch­tig­te,

- der ita­lie­ni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch G. Pal­mie­ri als Be­vollmäch­tig­te im Bei­stand von M. Sal­va­torel­li, av­vo­ca­to del­lo Sta­to,

- der öster­rei­chi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch M. Fruh­mann als Be­vollmäch­tig­ten,

- der nor­we­gi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch K. Nord­land Han­sen und P. Wen­nerås als Be­vollmäch­tig­te,

- der Eu­ropäischen Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch A. Tokár, J. En­e­gren und S. Grünheid als Be­vollmäch­tig­te,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 9. Sep­tem­ber 2015

fol­gen­des

Ur­teil

1 Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art. 56 AEUV in Ver­bin­dung mit Art.3 Abs.1 der Richt­li­nie 96/71/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 16. De­zem­ber 1996 über die Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern im Rah­men der Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen (ABl. 1997, L 18, S. 1) und Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 31. März 2004 über die Ko­or­di­nie­rung der Ver­fah­ren zur Ver­ga­be öffent­li­cher Bau­aufträge, Lie­fer­aufträge und Dienst­leis­tungs­aufträge (ABl. L 134, S. 114, be­rich­tigt im ABl. 2004, L 351, S. 44, und im ABl. 2008, L 198, S. 74) in der durch die Ver­ord­nung (EU) Nr. 1251/2011 der Kom­mis­si­on vom 30. No­vem­ber 2011 (ABl. L 319, S. 43) geänder­ten Fas­sung (im Fol­gen­den: Richt­li­nie 2004/18).
2

Die­ses Er­su­chen er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen der Re­gio­Post GmbH & Co. KG (im Fol­gen­den: Re­gio­Post) und der Stadt Land­au in der Pfalz (Deutsch­land) (im Fol­gen­den: Stadt Land­au) we­gen der an Bie­ter und de­ren Nach­un­ter­neh­mer im Rah­men der Ver­ga­be ei­nes öffent­li­chen Auf­trags über Post­dienst­leis­tun­gen die­ser Stadt ge­stell­ten An­for­de­rung, sich zur Zah­lung ei­nes Min­dest­lohns an die zur Er­brin­gung der Leis­tun­gen, die Ge­gen­stand des öffent­li­chen Auf­trags sind, ein­ge­setz­ten Beschäftig­ten zu ver­pflich­ten.

Recht­li­cher Rah­men

Uni­ons­recht

Richt­li­nie 96/71

3

Art. 1 („An­wen­dungs­be­reich“) der Richt­li­nie 96/71 sieht vor:

„(1) Die­se Richt­li­nie gilt für Un­ter­neh­men mit Sitz in ei­nem Mit­glied­staat, die im Rah­men der länderüberg­rei­fen­den Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen Ar­beit­neh­mer gemäß Ab­satz 3 in das Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glied­staats ent­sen­den.

(3) Die­se Richt­li­nie fin­det An­wen­dung, so­weit die in Ab­satz 1 ge­nann­ten Un­ter­neh­men ei­ne der fol­gen­den länderüberg­rei­fen­den Maßnah­men tref­fen:

a) ei­nen Ar­beit­neh­mer in ih­rem Na­men und un­ter ih­rer Lei­tung in das Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glied­staats im Rah­men ei­nes Ver­trags ent­sen­den, der zwi­schen dem ent­sen­den­den Un­ter­neh­men und dem in die­sem Mit­glied­staat täti­gen Dienst­leis­tungs­empfänger ge­schlos­sen wur­de, so­fern für die Dau­er der Ent­sen­dung ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen dem ent­sen­den­den Un­ter­neh­men und dem Ar­beit­neh­mer be­steht,

oder

b) ei­nen Ar­beit­neh­mer in ei­ne Nie­der­las­sung oder ein der Un­ter­neh­mens­grup­pe an­gehören­des Un­ter­neh­men im Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glied­staats ent­sen­den, so­fern für die Dau­er der Ent­sen­dung ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen dem ent­sen­den­den Un­ter­neh­men und dem Ar­beit­neh­mer be­steht,

oder

c) als Leih­ar­beits­un­ter­neh­men oder als ei­nen Ar­beit­neh­mer zur Verfügung stel­len­des Un­ter­neh­men ei­nen Ar­beit­neh­mer in ein ver­wen­den­des Un­ter­neh­men ent­sen­den, das sei­nen Sitz im Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glied­staats hat oder dort sei­ne Tätig­keit ausübt, so­fern für die Dau­er der Ent­sen­dung ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen dem Leih­ar­beits­un­ter­neh­men oder dem ei­nen Ar­beit­neh­mer zur Verfügung stel­len­den Un­ter­neh­men und dem Ar­beit­neh­mer be­steht.

…“

4 Art.3 („Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen“) der Richt­li­nie 96/71 be­stimmt in den Abs. 1 und 8:

„(1) Die Mit­glied­staa­ten sor­gen dafür, dass un­abhängig von dem auf das je­wei­li­ge Ar­beits­verhält­nis an­wend­ba­ren Recht die in Ar­ti­kel 1 Ab­satz 1 ge­nann­ten Un­ter­neh­men den in ihr Ho­heits­ge­biet ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern bezüglich der nach­ste­hen­den As­pek­te die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen ga­ran­tie­ren, die in dem Mit­glied­staat, in des­sen Ho­heits­ge­biet die Ar­beits­leis­tung er­bracht wird,

- durch Rechts- oder Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten

und/oder

- durch für all­ge­mein ver­bind­lich erklärte Ta­rif­verträge oder Schiedssprüche im Sin­ne des Ab­sat­zes 8, so­fern sie die im An­hang ge­nann­ten Tätig­kei­ten be­tref­fen, fest­ge­legt sind:

c) Min­dest­lohnsätze ein­sch­ließlich der Über­stun­densätze; dies gilt nicht für die zusätz­li­chen be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gungs­sys­te­me;

Zum Zweck die­ser Richt­li­nie wird der in Un­ter­ab­satz 1 Buch­sta­be c) ge­nann­te Be­griff der Min­dest­lohnsätze durch die Rechts­vor­schrif­ten und/oder Prak­ti­ken des Mit­glied­staats be­stimmt, in des­sen Ho­heits­ge­biet der Ar­beit­neh­mer ent­sandt wird.

(8) Un­ter ‚für all­ge­mein ver­bind­lich erklärten Ta­rif­verträgen oder Schiedssprüchen‘ sind Ta­rif­verträge oder Schiedssprüche zu ver­ste­hen, die von al­len in den je­wei­li­gen geo­gra­fi­schen Be­reich fal­len­den und die be­tref­fen­de Tätig­keit oder das be­tref­fen­de Ge­wer­be ausüben­den Un­ter­neh­men ein­zu­hal­ten sind.

…“

Richt­li­nie 2004/18

5 In den Erwägungs­gründen 2, 33 und 34 der Richt­li­nie 2004/18 heißt es:

„(2) Die Ver­ga­be von Auf­trägen in den Mit­glied­staa­ten auf Rech­nung des Staa­tes, der Ge­bietskörper­schaf­ten und an­de­rer Ein­rich­tun­gen des öffent­li­chen Rechts ist an die Ein­hal­tung der im Ver­trag nie­der­ge­leg­ten Grundsätze ge­bun­den, ins­be­son­de­re des Grund­sat­zes des frei­en Wa­ren­ver­kehrs, des Grund­sat­zes der Nie­der­las­sungs­frei­heit und des Grund­sat­zes der Dienst­leis­tungs­frei­heit so­wie der da­von ab­ge­lei­te­ten Grundsätze wie z. B. des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung, des Grund­sat­zes der Nicht­dis­kri­mi­nie­rung, des Grund­sat­zes der ge­gen­sei­ti­gen An­er­ken­nung, des Grund­sat­zes der Verhält­nismäßig­keit und des Grund­sat­zes der Trans­pa­renz. Für öffent­li­che Auf­träge, die ei­nen be­stimm­ten Wert über­schrei­ten, emp­fiehlt sich in­des­sen die Aus­ar­bei­tung von auf die­sen Grundsätzen be­ru­hen­den Be­stim­mun­gen zur ge­mein­schaft­li­chen Ko­or­di­nie­rung der na­tio­na­len Ver­fah­ren für die Ver­ga­be sol­cher Auf­träge, um die Wirk­sam­keit die­ser Grundsätze und die Öff­nung des öffent­li­chen Be­schaf­fungs­we­sens für den Wett­be­werb zu ga­ran­tie­ren. Folg­lich soll­ten die­se Ko­or­di­nie­rungs­be­stim­mun­gen nach Maßga­be der ge­nann­ten Re­geln und Grundsätze so­wie gemäß den an­de­ren Be­stim­mun­gen des Ver­trags aus­ge­legt wer­den.

(33) Be­din­gun­gen für die Ausführung ei­nes Auf­trags sind mit die­ser Richt­li­nie ver­ein­bar, so­fern sie nicht un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar zu ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung führen und in der Be­kannt­ma­chung oder den Ver­din­gungs­un­ter­la­gen an­ge­ge­ben sind. Sie können ins­be­son­de­re dem Ziel die­nen, die be­ruf­li­che Aus­bil­dung auf den Bau­stel­len so­wie die Beschäfti­gung von Per­so­nen zu fördern, de­ren Ein­glie­de­rung be­son­de­re Schwie­rig­kei­ten be­rei­tet, die Ar­beits­lo­sig­keit zu bekämp­fen oder die Um­welt zu schützen …

(34) Die im Be­reich der Ar­beits­be­din­gun­gen und der Si­cher­heit am Ar­beits­platz gel­ten­den na­tio­na­len und ge­mein­schaft­li­chen Ge­set­ze, Re­ge­lun­gen und Ta­rif­verträge sind während der Ausführung ei­nes öffent­li­chen Auf­trags an­wend­bar, so­fern der­ar­ti­ge Vor­schrif­ten so­wie ih­re An­wen­dung mit dem Ge­mein­schafts­recht ver­ein­bar sind. Für grenzüber­schrei­ten­de Si­tua­tio­nen, in de­nen Ar­beit­neh­mer ei­nes Mit­glied­staats Dienst­leis­tun­gen in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat zur Ausführung ei­nes öffent­li­chen Auf­trags er­brin­gen, enthält die Richt­li­nie [96/71] die Min­dest­be­din­gun­gen, die im Auf­nah­me­land in Be­zug auf die ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer ein­zu­hal­ten sind. Enthält das na­tio­na­le Recht ent­spre­chen­de Be­stim­mun­gen, so kann die Nicht­ein­hal­tung die­ser Ver­pflich­tun­gen als ei­ne schwe­re Ver­feh­lung oder als ein De­likt be­trach­tet wer­den, das die be­ruf­li­che Zu­verlässig­keit des Wirt­schafts­teil­neh­mers in Fra­ge stellt und des­sen Aus­schluss vom Ver­fah­ren zur Ver­ga­be ei­nes öffent­li­chen Auf­trags zur Fol­ge ha­ben kann.“

6 Gemäß Art. 7 Buchst. b ers­ter Ge­dan­ken­strich der Richt­li­nie 2004/18 gilt sie u. a. für öffent­li­che Dienst­leis­tungs­aufträge, de­ren Wert oh­ne Mehr­wert­steu­er 200 000 Eu­ro er­reicht oder über­schrei­tet, wenn es sich da­bei um Auf­träge han­delt, die von an­de­ren öffent­li­chen Auf­trag­ge­bern als den in An­hang IV der Richt­li­nie ge­nann­ten zen­tra­len Re­gie­rungs­behörden ver­ge­ben wer­den.
7 Art. 26 („Be­din­gun­gen für die Auf­trags­ausführung“) die­ser Richt­li­nie be­stimmt:

„Die öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber können zusätz­li­che Be­din­gun­gen für die Ausführung des Auf­trags vor­schrei­ben, so­fern die­se mit dem Ge­mein­schafts­recht ver­ein­bar sind und in der Be­kannt­ma­chung oder in den Ver­din­gungs­un­ter­la­gen an­ge­ge­ben wer­den. Die Be­din­gun­gen für die Ausführung ei­nes Auf­trags können ins­be­son­de­re so­zia­le und um­welt­be­zo­ge­ne As­pek­te be­tref­fen.“

8 Art. 27 („Ver­pflich­tun­gen im Zu­sam­men­hang mit Steu­ern, Um­welt­schutz, Ar­beits­schutz­vor­schrif­ten und Ar­beits­be­din­gun­gen“) der Richt­li­nie sieht vor:

„(1) Ein öffent­li­cher Auf­trag­ge­ber kann in den Ver­din­gungs­un­ter­la­gen die Stel­le(n) an­ge­ben, bei der (de­nen) die Be­wer­ber oder Bie­ter die er­for­der­li­chen Auskünf­te … über ih­re Ver­pflich­tun­gen er­hal­ten, die sich aus den Vor­schrif­ten über Ar­beits­schutz und Ar­beits­be­din­gun­gen er­ge­ben können, die in dem Mit­glied­staat, in der Re­gi­on oder an dem Ort gel­ten, an dem die Leis­tun­gen zu er­brin­gen sind, und die während der Ausführung des Auf­trags auf die aus­geführ­ten Bau­aufträge oder die er­brach­ten Dienst­leis­tun­gen an­zu­wen­den sind; der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber kann auch durch ei­nen Mit­glied­staat zu die­ser An­ga­be ver­pflich­tet wer­den.

(2) Ein öffent­li­cher Auf­trag­ge­ber, der die Auskünf­te nach Ab­satz 1 er­teilt, ver­langt von den Bie­tern oder Be­wer­bern ei­nes Ver­ga­be­ver­fah­rens die An­ga­be, dass sie bei der Aus­ar­bei­tung ih­res An­ge­bots den Ver­pflich­tun­gen aus den am Ort der Leis­tungs­er­brin­gung gel­ten­den Vor­schrif­ten über Ar­beits­schutz und Ar­beits­be­din­gun­gen Rech­nung ge­tra­gen ha­ben.

…“

Deut­sches Recht

Bun­des­recht

9 § 97 Abs.4 des Ge­set­zes ge­gen Wett­be­werbs­be­schränkun­gen in der Fas­sung vom 26. Ju­ni 2013 (BGBl. I S. 1750), zu­letzt geändert durch Art. 5 des Ge­set­zes vom 21. Ju­li 2014 (BGBl. I S. 1066), be­stimmt:

„Auf­träge wer­den an fach­kun­di­ge, leis­tungsfähi­ge so­wie ge­set­zes­treue und zu­verlässi­ge Un­ter­neh­men ver­ge­ben. Für die Auf­trags­ausführung können zusätz­li­che An­for­de­run­gen an Auf­trag­neh­mer ge­stellt wer­den, die ins­be­son­de­re so­zia­le, um­welt­be­zo­ge­ne oder in­no­va­ti­ve As­pek­te be­tref­fen, wenn sie im sach­li­chen Zu­sam­men­hang mit dem Auf­trags­ge­gen­stand ste­hen und sich aus der Leis­tungs­be­schrei­bung er­ge­ben. An­de­re oder wei­ter­ge­hen­de An­for­de­run­gen dürfen an Auf­trag­neh­mer nur ge­stellt wer­den, wenn dies durch Bun­des- oder Lan­des­ge­setz vor­ge­se­hen ist.“

10 In An­wen­dung des Ge­set­zes über zwin­gen­de Ar­beits­be­din­gun­gen bei grenzüber­schrei­ten­den Dienst­leis­tun­gen - Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz vom 26. Fe­bru­ar 1996 (BGBl. I S. 227, im Fol­gen­den: AEntG) wur­de am 29. No­vem­ber 2007 ein Ta­rif­ver­trag über die Fest­set­zung ei­nes Min­dest­lohns für die Bran­che der Post­dienst­leis­tun­gen ge­schlos­sen, der durch Ver­ord­nung vom 28. De­zem­ber 2007 für al­le Un­ter­neh­men die­ser Bran­che für all­ge­mein ver­bind­lich erklärt wur­de. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die­se Ver­ord­nung je­doch mit Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2010 für un­wirk­sam erklärt, so dass es zu der für den Sach­ver­halt des Aus­gangs­ver­fah­rens maßge­ben­den Zeit für die Bran­che der Post­dienst­leis­tun­gen kei­nen Min­dest­lohn gab.
11 Das Ge­setz zur Re­ge­lung ei­nes all­ge­mei­nen Min­dest­lohns vom 11. Au­gust 2014 (BGBl. I S. 1348) sieht grundsätz­lich für al­le Ar­beit­neh­mer ab dem 1. Ja­nu­ar 2015 ei­nen An­spruch auf ei­nen Min­dest­b­rut­to­lohn von 8,50 Eu­ro pro St­un­de vor.

Recht des Lan­des Rhein­land-Pfalz

12 § 1 des rhein­land-pfälzi­schen Lan­des­ge­set­zes zur Gewähr­leis­tung von Ta­rif­treue und Min­des­tent­gelt bei öffent­li­chen Auf­trags­ver­ga­ben (Lan­des­ta­rif­treue­ge­setz) vom 1. De­zem­ber 2010 (im Fol­gen­den: LTTG) be­stimmt in Abs. 1:

„Die­ses Ge­setz wirkt Ver­zer­run­gen im Wett­be­werb um öffent­li­che Auf­träge ent­ge­gen, die durch den Ein­satz von Nied­rig­lohn­kräften ent­ste­hen, und mil­dert Be­las­tun­gen für die so­zia­len Si­che­rungs­sys­te­me. Es be­stimmt zu die­sem Zweck, dass öffent­li­che Auf­trag­ge­ber öffent­li­che Auf­träge … nach Maßga­be die­ses Ge­set­zes nur an Un­ter­neh­men ver­ge­ben dürfen, die ih­ren Beschäftig­ten das in die­sem Ge­setz fest­ge­leg­te Min­des­tent­gelt be­zah­len und sich ta­rif­treu ver­hal­ten.“

13 § 3 („Min­des­tent­gelt“) LTTG sieht in Abs. 1 vor:

„So­weit nicht nach § 4 Ta­rif­treue ge­for­dert wer­den kann, dürfen öffent­li­che Auf­träge nur an Un­ter­neh­men ver­ge­ben wer­den, die sich bei An­ge­bots­ab­ga­be schrift­lich ver­pflich­ten, ih­ren Beschäftig­ten bei der Ausführung der Leis­tung ein Ent­gelt von min­des­tens 8,50 Eu­ro (brut­to) pro St­un­de zu zah­len (Min­des­tent­gelt) und Ände­run­gen des Min­des­tent­gelts … während der Ausführungs­lauf­zeit ge­genüber den Beschäftig­ten nach­zu­voll­zie­hen … Fehlt die Min­des­tent­gel­terklärung bei An­ge­bots­ab­ga­be und wird sie auch nach Auf­for­de­rung nicht vor­ge­legt, so ist das An­ge­bot von der Wer­tung aus­zu­sch­ließen. Hat die [zuständi­ge] Ser­vice­stel­le … Mus­ter zur Ab­ga­be von Min­des­tent­gel­terklärun­gen öffent­lich be­kannt ge­macht, können die­se ver­wen­det wer­den.“

14 Im An­schluss an den Er­lass der Ver­ord­nung der Re­gie­rung des Lan­des Rhein­land-Pfalz vom 11. De­zem­ber 2012 beträgt das Min­des­tent­gelt im Sin­ne von § 3 Abs. 1 LTTG nun­mehr 8,70 Eu­ro (brut­to) pro St­un­de.
15 § 4 („Ta­rif­treue­pflicht“) LTTG lau­tet:

„(1) Öffent­li­che Auf­träge, die vom Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz (AEntG) vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799) in der je­weils gel­ten­den Fas­sung er­fasst wer­den, dürfen nur an Un­ter­neh­men ver­ge­ben wer­den, die sich bei An­ge­bots­ab­ga­be schrift­lich ver­pflich­ten, ih­ren Beschäftig­ten bei der Ausführung der Leis­tung ein Ent­gelt zu zah­len, das in Höhe und Mo­da­litäten min­des­tens den Vor­ga­ben des­je­ni­gen Ta­rif­ver­tra­ges ent­spricht, an den das Un­ter­neh­men auf­grund des [AEntG] ge­bun­den ist.

(6) Fehlt die Ta­rif­treue­erklärung bei An­ge­bots­ab­ga­be und wird sie auch nach Auf­for­de­rung nicht vor­ge­legt, so ist das An­ge­bot von der Wer­tung aus­zu­sch­ließen. Hat die [zuständi­ge] Ser­vice­stel­le … Mus­ter zur Ab­ga­be von Ta­rif­treue­erklärun­gen öffent­lich be­kannt ge­macht, können die­se ver­wen­det wer­den.“

16 § 5 („Nach­un­ter­neh­men“) LTTG sieht in Abs. 2 vor:

„Im Fall der Ausführung ver­trag­lich über­nom­me­ner Leis­tun­gen durch Nach­un­ter­neh­mer hat das Un­ter­neh­men die Erfüllung der Ver­pflich­tun­gen nach den §§ 3 und 4 durch die Nach­un­ter­neh­mer si­cher­zu­stel­len und dem öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber Min­des­tent­gelt- und Ta­rif­treue­erklärun­gen der Nach­un­ter­neh­men vor­zu­le­gen …“

17 Durch § 6 („Nach­wei­se und Kon­trol­len“) LTTG wer­den dem be­auf­trag­ten Un­ter­neh­men und den Nach­un­ter­neh­men be­stimm­te Ver­pflich­tun­gen auf­er­legt, die u. a. die Be­reit­hal­tung und die Vor­la­ge von Un­ter­la­gen und An­ga­ben be­tref­fen, an­hand de­ren der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber die Ein­hal­tung der durch das LTTG auf­er­leg­ten Ver­pflich­tun­gen kon­trol­lie­ren kann.
18 § 7 („Sank­tio­nen“) LTTG be­stimmt:

„(1) Um die Ein­hal­tung der Ver­pflich­tun­gen nach den §§ 3 bis 6 zu si­chern, hat der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber für je­den schuld­haf­ten Ver­s­toß ei­ne Ver­trags­stra­fe in Höhe von 1 v. H. des Auf­trags­wer­tes mit dem be­auf­trag­ten Un­ter­neh­men zu ver­ein­ba­ren; bei meh­re­ren Verstößen darf die Sum­me der Ver­trags­stra­fen 10 v. H. des Auf­trags­wer­tes nicht über­schrei­ten. Das be­auf­trag­te Un­ter­neh­men ist zur Zah­lung ei­ner Ver­trags­stra­fe nach Satz 1 auch für den Fall zu ver­pflich­ten, dass der Ver­s­toß durch ein Nach­un­ter­neh­men be­gan­gen wird und das be­auf­trag­te Un­ter­neh­men den Ver­s­toß kann­te oder ken­nen muss­te. Ist die ver­wirk­te Ver­trags­stra­fe un­verhält­nismäßig hoch, so kann sie von dem öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber auf An­trag des be­auf­trag­ten Un­ter­neh­mens auf den an­ge­mes­se­nen Be­trag her­ab­ge­setzt wer­den …

(2) Der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber ver­ein­bart mit dem be­auf­trag­ten Un­ter­neh­men, dass die min­des­tens grob fahrlässi­ge und er­heb­li­che Nich­terfüllung ei­ner Ver­pflich­tung nach den §§ 3 bis 6 durch das be­auf­trag­te Un­ter­neh­men den öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber zur frist­lo­sen Kündi­gung aus wich­ti­gem Grund be­rech­tigt.

(3) Hat das be­auf­trag­te Un­ter­neh­men oder ein Nach­un­ter­neh­men min­des­tens grob fahrlässig oder mehr­fach ge­gen Ver­pflich­tun­gen die­ses Ge­set­zes ver­s­toßen, so kann der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber das be­tref­fen­de Un­ter­neh­men oder Nach­un­ter­neh­men für die Dau­er von bis zu drei Jah­ren von sei­ner öffent­li­chen Auf­trags­ver­ga­be aus­sch­ließen.

…“

Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­la­ge­fra­gen

19 Nach den An­ga­ben in der Vor­la­ge­ent­schei­dung schrieb die Stadt Land­au am 23. April 2013 ei­nen in zwei Lo­se auf­ge­teil­ten Auf­trag über die Post­dienst­leis­tun­gen die­ser Stadt uni­ons­weit im of­fe­nen Ver­fah­ren aus. Der Auf­trag be­zog sich ins­be­son­de­re auf den Ab­schluss ei­nes Rah­men­ver­trags über die Ab­ho­lung, Beförde­rung und Zu­stel­lung von Brie­fen, Päck­chen und Pa­ke­ten. Die Ver­trags­lauf­zeit be­trug zwei Jah­re, wo­bei die Auf­trag­ge­be­rin das Recht ha­ben soll­te, sie höchs­tens zwei­mal um je­weils ein Jahr zu verlängern.
20 In Ab­schnitt III.2.2 („Wirt­schaft­li­che und fi­nan­zi­el­le Leis­tungsfähig­keit“) der Ver­ga­be­be­kannt­ma­chung heißt es un­ter Nr. 4: „Der Auf­trag­neh­mer un­ter­wirft sich den Be­stim­mun­gen des [LTTG].“ 
21 Während des im Aus­gangs­ver­fah­ren maßge­ben­den Zeit­raums gab es kei­nen Ta­rif­ver­trag über ei­nen Min­dest­lohn, an den die Un­ter­neh­men der Post­dienst­leis­tungs­bran­che nach dem AEntG ge­bun­den wa­ren. In die­sem Zeit­raum un­ter­la­gen die Un­ter­neh­men auch nicht der durch das Ge­setz zur Re­ge­lung ei­nes all­ge­mei­nen Min­dest­lohns vom 11. Au­gust 2014 ein­geführ­ten Ver­pflich­tung zur Zah­lung ei­nes all­ge­mei­nen Min­dest­lohns
22 An­la­ge E 6 der Ver­ga­be­un­ter­la­gen für den im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Auf­trag ent­hielt ei­ne „Mus­ter­erklärung nach § 3 Abs. 1 LTTG“. Sie soll­te es den Bie­tern ermögli­chen, mit ih­rem An­ge­bot ih­re ei­ge­ne Min­des­tent­gel­terklärung und die ih­rer Nach­un­ter­neh­mer vor­zu­le­gen. 
23

Die Mus­ter­erklärung lau­te­te:

„Ich/Wir ver­pflich­te/n mich/uns hier­mit:

1. den Beschäftig­ten bei der Ausführung der Leis­tung min­des­tens das nach der je­weils gülti­gen Lan­des­ver­ord­nung zur Fest­set­zung des Min­des­tent­gelts nach § 3 Abs. 2 Satz 3 [LTTG] zu zah­len­de Ent­gelt (brut­to) pro St­un­de zu zah­len. Das gilt nicht für ei­ne Leis­tungs­er­brin­gung durch Aus­zu­bil­den­de.

2. Nach­un­ter­neh­men sorgfältig aus­zuwählen und ins­be­son­de­re de­ren An­ge­bo­te dar­auf­hin zu über­prüfen, ob sie auf der Ba­sis des zu zah­len­den Min­des­tent­gelts kal­ku­liert sein könn­ten;

3. im Fal­le der Auf­trags­ausführung durch Nach­un­ter­neh­mer oder Beschäftig­te ei­nes Ver­lei­hers so­wie Beschäftig­te des Ver­lei­hers des be­auf­trag­ten Nach­un­ter­neh­mens die Ver­pflich­tun­gen nach § 4 Abs. 1 LTTG bzw. § 3 Abs. 1 LTTG si­cher­zu­stel­len und dem öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber Min­des­tent­gelt- und Ta­rif­treue­erklärung der Nach­un­ter­neh­mer der Ver­lei­her vor­zu­le­gen.

4. Vollständi­ge und prüffähi­ge Un­ter­la­gen über die ein­ge­setz­ten Beschäftig­ten be­reit­zu­hal­ten, die­se dem Auf­trag­ge­ber auf des­sen Ver­lan­gen hin vor­zu­le­gen und die Beschäftig­ten auf die Möglich­keit von Kon­trol­len durch den Auf­trag­ge­ber hin­zu­wei­sen.“

24 Mit Schrei­ben vom 16. Mai 2013 mach­te Re­gio­Post gel­tend, dass die Min­des­tent­gel­terklärun­gen nach § 3 LTTG ver­ga­be­rechts­wid­rig sei­en. Sie fügte ih­rem frist­ge­recht ein­ge­reich­ten An­ge­bot von ihr selbst for­mu­lier­te Erklärun­gen der Nach­un­ter­neh­mer bei. Für sich selbst reich­te sie je­doch kei­ne Erklärung ein.
25 Mit E-Mail vom 25. Ju­ni 2013 gab die Stadt Land­au Re­gio­Post Ge­le­gen­heit, die Min­des­tent­gel­terklärun­gen nach § 3 LTTG bin­nen ei­ner Frist von 14 Ta­gen nach­zu­rei­chen. Zu­gleich kündig­te sie an, dass sie das An­ge­bot von Re­gio­Post aus­sch­ließen wer­de, falls die­se der Auf­for­de­rung nicht Fol­ge leis­te.
26 Mit Schrei­ben vom 27. Ju­ni 2013 wie­der­hol­te Re­gio­Post ih­re Rügen und kündig­te an, dass sie im Fall des Aus­schlus­ses ih­res An­ge­bots ei­ne Nach­prüfung ein­lei­ten wer­de.
27 Mit Schrei­ben vom 11. Ju­li 2013 teil­te die Stadt Land­au Re­gio­Post mit, dass ihr An­ge­bot auf­grund des Feh­lens der Min­des­tent­gel­terklärun­gen nach § 3 LTTG nicht ge­wer­tet wer­den könne. In die­sem Schrei­ben teil­te sie fer­ner mit, dass die Post­Con Deutsch­land GmbH den Zu­schlag für Los 1 des Auf­trags und die Deut­sche Post AG den Zu­schlag für Los 2 er­hal­ten ha­be.
28 Mit Be­schluss vom 23. Ok­to­ber 2013 wies die Ver­ga­be­kam­mer Rhein­land-Pfalz den von Re­gio­Post am 15. Ju­li 2013 ge­stell­ten Nach­prüfungs­an­trag u. a. mit der Be­gründung zurück, dass ihr An­trag we­gen des Feh­lens der von der öffent­li­chen Auf­trag­ge­be­rin zulässi­ger­wei­se ge­for­der­ten Min­des­tent­gel­terklärun­gen zu Recht aus­ge­schlos­sen wor­den sei.
29 Das mit der da­ge­gen ein­ge­leg­ten Be­schwer­de be­fass­te vor­le­gen­de Ge­richt ist der An­sicht, dass die Ent­schei­dung des Rechts­streits da­von abhänge, ob es § 3 LTTG un­an­ge­wen­det las­sen müsse, weil die­se Vor­schrift mit dem Uni­ons­recht un­ver­ein­bar sei.
30 Sei­nes Er­ach­tens enthält § 3 Abs. 1 LTTG ei­ne zusätz­li­che Be­din­gung für die Ausführung des Auf­trags, die nach Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 nur zulässig sei, wenn sie mit dem Uni­ons­recht ver­ein­bar sei.
31 Das vor­le­gen­de Ge­richt sieht sich aber auch un­ter Berück­sich­ti­gung der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs und ins­be­son­de­re des Ur­teils Rüffert (C-346/06, EU:C:2008:189) nicht in der La­ge, dies zu prüfen.
32 Es führt aus, der Um­stand, dass es sich bei Re­gio­Post um ein in Deutsch­land ansässi­ges Un­ter­neh­men han­de­le und die übri­gen Bie­ter ih­ren Sitz eben­falls im In­land hätten, ste­he ei­nem Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nicht ent­ge­gen, da die Fra­ge, ob ei­ne Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts we­gen ih­rer et­wai­gen Un­ver­ein­bar­keit mit dem Uni­ons­recht un­an­ge­wen­det blei­ben müsse, ei­ne Rechts­fra­ge sei, die sich un­abhängig von der Na­tio­na­lität der Be­tei­lig­ten am Ver­ga­be- oder Nach­prüfungs­ver­fah­ren stel­le.

33

Zur Ver­ein­bar­keit der in Re­de ste­hen­den na­tio­na­len Maßnah­me mit Art. 56 Abs. 1 AEUV weist das vor­le­gen­de Ge­richt dar­auf hin, dass die Ver­pflich­tung für Un­ter­neh­men mit Sitz in an­de­ren Mit­glied­staa­ten als der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, die Löhne, die sie ih­ren Beschäftig­ten zahl­ten, an ein höhe­res, am Ort der Ausführung des Auf­trags in Deutsch­land gel­ten­des Lohn­ni­veau an­zu­pas­sen, die­sen Un­ter­neh­men den Wett­be­werbs­vor­teil ent­zie­he, der ih­nen aus ih­ren nied­ri­ge­ren Lohn­kos­ten er­wach­se. Da­bei sei die­ser Vor­teil oft un­erläss­lich, um struk­tu­rel­le Vor­tei­le inländi­scher Un­ter­neh­men aus­zu­glei­chen und um Zu­gang zu dem be­tref­fen­den Markt zu er­lan­gen. Die Ver­pflich­tung zur Ein­hal­tung des in § 3 Abs. 1 LTTG vor­ge­schrie­be­nen Min­des­tent­gelts stel­le da­her ei­ne nach Art. 56 Abs. 1 AEUV grundsätz­lich ver­bo­te­ne Be­hin­de­rung für in an­de­ren Mit­glied­staa­ten ansässi­ge Un­ter­neh­men dar.
34 Das Uni­ons­recht ste­he je­doch der An­wen­dung von § 3 Abs. 1 LTTG auf die­se Un­ter­neh­men nicht ent­ge­gen, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für die An­wen­dung von Art.3 Abs.1 der Richt­li­nie 96/71 erfüllt sei­en. Dar­an bestünden aber Zwei­fel.
35 Zum ei­nen sei dar­auf hin­zu­wei­sen, dass § 3 Abs. 1 LTTG zwar ei­ne Rechts­vor­schrift sei, die die Höhe des Min­des­tent­gelts fest­le­ge, doch wer­de mit die­ser Be­stim­mung den Ar­beit­neh­mern nicht ga­ran­tiert, dass ihr Ar­beit­ge­ber das Min­des­tent­gelt zah­le. Sie ent­hal­te le­dig­lich ein Ver­bot für öffent­li­che Auf­trag­ge­ber, ei­nen öffent­li­chen Auf­trag an Bie­ter zu ver­ge­ben, die sich nicht zur Zah­lung des dar­in vor­ge­se­he­nen Min­des­tent­gelts an die zur Ausführung des frag­li­chen Auf­trags ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer ver­pflich­te­ten.
36 Zum an­de­ren be­zie­he sich die in § 3 Abs. 1 LTTG vor­ge­se­he­ne Min­des­tent­gelt­ver­pflich­tung nur auf die zur Ausführung des frag­li­chen öffent­li­chen Auf­trags ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer des Auf­trag­neh­mers. Ein zur Ausführung ei­nes pri­va­ten Auf­trags ein­ge­setz­ter Ar­beit­neh­mer sei des so­zia­len Schut­zes in­des nicht we­ni­ger würdig als ein Ar­beit­neh­mer, der zur Ausführung ei­nes öffent­li­chen Auf­trags ein­ge­setzt wer­de.
37 Das Ur­teil Rüffert (C-346/06, EU:C:2008:189) wer­de im deut­schen Schrift­tum teil­wei­se so ver­stan­den, dass Art.3 Abs.1 der Richt­li­nie 96/71 ei­ner Be­stim­mung wie § 3 Abs. 1 LTTG, die in ei­ner Rechts­vor­schrift ei­nen Min­dest­lohn­satz fest­le­ge, nicht ent­ge­gen­ste­he, auch wenn die­ser Satz nur im Rah­men der Ausführung öffent­li­cher Auf­träge ein­zu­hal­ten sei, da das Er­for­der­nis der All­ge­mein­ver­bind­lich­keit nur für Ta­rif­verträge und nicht für Rechts­vor­schrif­ten gel­te.
38 An der Rich­tig­keit die­ser Auf­fas­sung bestünden je­doch er­heb­li­che Zwei­fel. Was die Be­schränkung ei­ner Grund­frei­heit wie der des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs an­ge­he, wäre es un­lo­gisch, Art.3 Abs.1 der Richt­li­nie 96/71 da­hin aus­zu­le­gen, dass er die All­ge­mein­ver­bind­lich­keit von Ta­rif­verträgen, mit de­nen ein Min­dest­lohn fest­ge­setzt wer­de, un­ter Ein­be­zie­hung al­ler Ar­beit­neh­mer der be­tref­fen­den Bran­che und un­abhängig da­von ver­lan­ge, ob sie zur Ausführung öffent­li­cher oder pri­va­ter Auf­träge ein­ge­setzt würden, während der Gel­tungs­be­reich von Rechts­vor­schrif­ten, in de­nen ein Min­dest­lohn fest­ge­legt wer­de, auf die zur Ausführung öffent­li­cher Auf­träge ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer be­schränkt wer­den könne.
39 Würde man ei­ne na­tio­na­le Be­stim­mung wie § 3 Abs. 1 LTTG, die Bie­tern und de­ren Nach­un­ter­neh­mern die Ver­pflich­tung auf­er­le­ge, den zur Ausführung der Leis­tun­gen, die Ge­gen­stand ei­nes öffent­li­chen Auf­trags sei­en, ein­ge­setz­ten Beschäftig­ten ein Min­des­tent­gelt zu zah­len, als mit Art. 56 AEUV ver­ein­bar ein­stu­fen, würde sich die Fra­ge stel­len, ob die in der na­tio­na­len Be­stim­mung für den Fall ei­nes Ver­s­toßes ge­gen die­se Ver­pflich­tung vor­ge­se­he­ne Sank­ti­on, nämlich der Aus­schluss des Bie­ters von der Be­tei­li­gung am Ver­ga­be­ver­fah­ren, mit Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 ver­ein­bar sei.
40 Dies sei zwei­fel­haft, da § 3 Abs. 1 LTTG zwar ei­ne zusätz­li­che Be­din­gung für die Ausführung des Auf­trags im Sin­ne von Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 dar­stel­le, die Richt­li­nie aber nicht vor­se­he, dass ein Ver­s­toß ge­gen ei­ne sol­che zusätz­li­che Be­din­gung ein Grund für den Aus­schluss von der Be­tei­li­gung an der Auf­trags­ver­ga­be sei. Ein sol­cher Aus­schluss­grund wäre im Übri­gen schwer verständ­lich, da sich die Fra­ge, ob ein Bie­ter die zusätz­li­chen Be­din­gun­gen, zu de­nen er sich ver­pflich­tet ha­be, ein­hal­te, erst stel­le, nach­dem er den Zu­schlag er­hal­ten ha­be. Es han­de­le sich so­mit nicht um ein qua­li­ta­ti­ves Ver­ga­be­kri­te­ri­um, das den Aus­schluss ei­nes Bie­ters recht­fer­ti­gen könne.
41 Die Sank­ti­on des Aus­schlus­ses des An­ge­bots im Fall der Nicht­ein­hal­tung von § 3 Abs. 1 LTTG be­ru­he nicht auf ei­nem trif­ti­gen Grund, da die nach die­ser Be­stim­mung vor­ge­schrie­be­nen Ver­pflich­tungs­erklärun­gen nur de­kla­ra­to­ri­scher Na­tur sei­en.
42 Über­dies er­schei­ne die­se Sank­ti­on überflüssig, da im Rah­men ei­nes Ver­fah­rens zur Ver­ga­be ei­nes öffent­li­chen Auf­trags wie des im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den die in § 3 Abs. 1 LTTG vor­ge­schrie­be­ne Ver­pflich­tung zur Zah­lung des Min­des­tent­gelts zu den so­wohl in der Ver­ga­be­be­kannt­ma­chung als auch in den Ver­ga­be­un­ter­la­gen ent­hal­te­nen Ver­pflich­tun­gen gehöre, an die der Auf­trag­neh­mer, nach­dem er den Zu­schlag er­hal­ten ha­be, ver­trag­lich ge­bun­den sei und de­ren Ein­hal­tung die in § 7 Abs. 1 LTTG vor­ge­se­he­ne Ver­trags­stra­fe si­cher­stel­len sol­le.
43 Un­ter die­sen Umständen hat das Ober­lan­des­ge­richt Ko­blenz be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

1. Ist Art. 56 Abs. 1 AEUV in Ver­bin­dung mit Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 96/71 da­hin ge­hend aus­zu­le­gen, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung ent­ge­gen­steht, die ei­nem öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber zwin­gend vor­schreibt, nur Un­ter­neh­men zu be­auf­tra­gen, die und de­ren Nach­un­ter­neh­mer sich bei der An­ge­bots­ab­ga­be schrift­lich ver­pflich­ten, ih­ren mit der Auf­trags­ausführung be­fass­ten Mit­ar­bei­tern ei­nen nur für öffent­li­che, nicht aber pri­va­te Auf­träge staat­lich fest­ge­leg­ten Min­dest­lohn zu zah­len, wenn es we­der ei­nen all­ge­mei­nen ge­setz­li­chen Min­dest­lohn noch ei­nen die po­ten­zi­el­len Auf­trag­neh­mer und even­tu­el­le Nach­un­ter­neh­mer bin­den­den all­ge­mein ver­bind­li­chen Ta­rif­ver­trag gibt?

2. Für den Fall, dass die ers­te Fra­ge mit Nein be­ant­wor­tet wird:

Ist das Uni­ons­recht auf dem Ge­biet der Ver­ga­be öffent­li­cher Auf­träge, ins­be­son­de­re Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18, da­hin ge­hend aus­zu­le­gen, dass es ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie § 3 Abs. 1 Satz 3 LTTG ent­ge­gen­steht, die den zwin­gen­den Aus­schluss ei­nes An­ge­bots für den Fall vor­sieht, dass sich ein Wirt­schafts­teil­neh­mer nicht be­reits bei An­ge­bots­ab­ga­be in ei­ner ge­son­der­ten Erklärung zu ei­nem Tun ver­pflich­tet, zu dem er im Fal­le der Be­auf­tra­gung auch oh­ne Ab­ga­be die­ser Erklärung ver­trag­lich ver­pflich­tet wäre?

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

Zur Zulässig­keit

44 Die Stadt Land­au so­wie die deut­sche und die ita­lie­ni­sche Re­gie­rung hal­ten die ers­te Fra­ge für un­zulässig und ma­chen gel­tend, wie das vor­le­gen­de Ge­richt bestätigt ha­be, feh­le je­der das Aus­gangs­ver­fah­ren kenn­zeich­nen­de grenzüber­schrei­ten­de Be­zug, da sämt­li­che Un­ter­neh­men, die sich am Ver­fah­ren zur Ver­ga­be des im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Auf­trags be­tei­ligt hätten, im Ho­heits­ge­biet des Mit­glied­staats (der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land) ansässig sei­en, dem der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber an­gehöre. Man­gels ei­nes grenzüber­schrei­ten­den Be­zugs sei der Ge­richts­hof nicht be­fugt, sich zur Ver­ein­bar­keit der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Maßnah­me mit der Richt­li­nie 96/71 und/oder mit Art. 56 AEUV zu äußern. Aus ähn­li­chen Gründen hält die ita­lie­ni­sche Re­gie­rung auch die zwei­te Fra­ge für un­zulässig.
45 Die­se Einwände sind zurück­zu­wei­sen.
46 Zunächst ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der Um­stand, dass ein na­tio­na­les Ge­richt ei­ne Vor­la­ge­fra­ge ih­rer Form nach un­ter Be­zug­nah­me auf be­stimm­te Vor­schrif­ten des Uni­ons­rechts for­mu­liert hat, den Ge­richts­hof nicht dar­an hin­dert, die­sem Ge­richt un­abhängig da­von, wor­auf es in sei­nen Fra­gen Be­zug ge­nom­men hat, al­le Aus­le­gungs­hin­wei­se zu ge­ben, die ihm bei der Ent­schei­dung der bei ihm anhängi­gen Rechts­sa­che von Nut­zen sein können. Der Ge­richts­hof hat in­so­weit aus dem ge­sam­ten vom na­tio­na­len Ge­richt ge­lie­fer­ten Ma­te­ri­al und ins­be­son­de­re aus der Be­gründung der Vor­la­ge­ent­schei­dung die­je­ni­gen Ele­men­te des Uni­ons­rechts her­aus­zu­ar­bei­ten, die in An­be­tracht des Ge­gen­stands des Rechts­streits ei­ner Aus­le­gung bedürfen (vgl. u. a. Ur­teil Vi­cop­lus u. a., C-307/09 bis C-309/09, EU:C:2011:64, Rn. 22).
47 In­so­weit ist, um dem vor­le­gen­den Ge­richt ei­ne sach­dien­li­che Ant­wort zu ge­ben, die ers­te Fra­ge in ers­ter Li­nie an­hand der spe­zi­ell ein­schlägi­gen uni­ons­recht­li­chen Be­stim­mung zu prüfen, nämlich Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18, auf den das vor­le­gen­de Ge­richt im Übri­gen im Rah­men sei­ner zwei­ten Fra­ge aus­drück­lich Be­zug nimmt (vgl. ent­spre­chend Ur­teil Rüffert, C-346/06, EU:C:2008:189, Rn.18).
48 Aus den dem Ge­richts­hof vor­lie­gen­den Ak­ten, ins­be­son­de­re dem Be­schluss der Ver­ga­be­kam­mer Rhein­land-Pfalz, auf den in Rn. 28 des vor­lie­gen­den Ur­teils Be­zug ge­nom­men wird, geht klar her­vor, dass die Richt­li­nie 2004/18 im Aus­gangs­ver­fah­ren an­wend­bar ist, da der Wert des in Re­de ste­hen­den öffent­li­chen Auf­trags weit über die ein­schlägi­ge Schwel­le für die An­wend­bar­keit die­ser Richt­li­nie, die zu der im Aus­gangs­ver­fah­ren maßge­ben­den Zeit 200 000 Eu­ro be­trug, hin­aus­geht.
49 Da vor­lie­gend die Richt­li­nie 2004/18 an­wend­bar ist - was im Übri­gen kei­ner der Be­tei­lig­ten, die schrift­li­che Erklärun­gen ein­ge­reicht oder an der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Ge­richts­hof teil­ge­nom­men ha­ben, be­strit­ten hat -, ist ei­ne Fra­ge nach der Aus­le­gung ei­ner ih­rer Be­stim­mun­gen, hier ih­res Art. 26, zulässig, selbst wenn sie wie in der vor­lie­gen­den Rechts­sa­che im Rah­men ei­nes Rechts­streits ge­stellt wird, in dem kein Ele­ment über die Gren­zen ei­nes Mit­glied­staats hin­aus­weist.
50 Über­dies ist der Ge­richts­hof, auch wenn in der vor­lie­gen­den Rechts­sa­che kein Ele­ment des Rechts­streits über die Gren­zen ei­nes Mit­glied­staats hin­aus­weist, be­fugt, sich zu Art. 56 AEUV zu äußern, so­weit der in der ge­nann­ten Richt­li­nie vor­ge­se­he­ne Har­mo­ni­sie­rungs­grad dies zulässt.
51 Da der Wert des im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Auf­trags den ein­schlägi­gen Schwel­len­wert der Richt­li­nie klar über­schrei­tet, muss nämlich da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass an die­sem Auf­trag ein ge­wis­ses grenzüber­schrei­ten­des In­ter­es­se be­steht. Es kann so­mit nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass in an­de­ren Mit­glied­staa­ten als der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ansässi­ge Un­ter­neh­men nach der Veröffent­li­chung der Ver­ga­be­be­kannt­ma­chung an ei­ner Be­tei­li­gung in­ter­es­siert wa­ren, auch wenn sie sich aus Gründen, die in ih­rer Sphäre lie­gen, letzt­lich ge­gen ei­ne Be­tei­li­gung ent­schie­den ha­ben; zu die­sen Gründen könn­te bei be­stimm­ten Un­ter­neh­men, die ih­ren Sitz in Mit­glied­staa­ten ha­ben, in de­nen die Le­bens­hal­tungs­kos­ten und der gel­ten­de Min­dest­lohn deut­lich nied­ri­ger sind als im Land Rhein­land-Pfalz, auch die aus­drück­lich auf­ge­stell­te Ver­pflich­tung gehören, den dort vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­lohn ein­zu­hal­ten.
52 Dar­aus folgt, dass die ers­te Fra­ge - da­hin ge­hend um­for­mu­liert, dass sie sich in ers­ter Li­nie auf die Aus­le­gung von Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 be­zieht - und die zwei­te Fra­ge zulässig sind.

Zur Be­ant­wor­tung der Fra­gen

Zur ers­ten Fra­ge

53 An­ge­sichts der vor­ste­hen­den Erwägun­gen zur Zulässig­keit des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens ist da­von aus­zu­ge­hen, dass das vor­le­gen­de Ge­richt mit sei­ner ers­ten Fra­ge wis­sen möch­te, ob Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er Rechts­vor­schrif­ten ei­ner re­gio­na­len Ein­heit ei­nes Mit­glied­staats wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen ent­ge­gen­steht, nach de­nen sich Bie­ter und de­ren Nach­un­ter­neh­mer in ei­ner schrift­li­chen, ih­rem An­ge­bot bei­zufügen­den Erklärung ver­pflich­ten müssen, den Beschäftig­ten, die zur Ausführung von Leis­tun­gen, die Ge­gen­stand ei­nes öffent­li­chen Auf­trags sind, ein­ge­setzt wer­den sol­len, ei­nen in den be­tref­fen­den Rechts­vor­schrif­ten fest­ge­leg­ten Min­dest­lohn zu zah­len.
54 In­so­weit ist ei­ne na­tio­na­le Be­stim­mung wie § 3 LTTG, so­weit sie vor­sieht, dass sich je­der Bie­ter und Nach­un­ter­neh­mer ge­genüber dem öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber ver­pflich­ten muss, den mit der Ausführung des be­tref­fen­den öffent­li­chen Auf­trags be­fass­ten Beschäftig­ten ei­nen ge­setz­lich fest­ge­leg­ten Min­dest­lohn zu zah­len, als ei­ne „so­zia­le As­pek­te“ be­tref­fen­de „zusätz­li­che Be­din­gung für die Ausführung des Auf­trags“ im Sin­ne von Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 ein­zu­stu­fen.
55 Im vor­lie­gen­den Fall wur­de die­se zusätz­li­che Be­din­gung so­wohl in die Ver­ga­be­be­kannt­ma­chung als auch in die Ver­din­gungs­un­ter­la­gen auf­ge­nom­men, so dass das im letzt­ge­nann­ten Ar­ti­kel auf­ge­stell­te Ver­fah­rens­er­for­der­nis der Trans­pa­renz erfüllt ist.
56 Fer­ner er­gibt sich aus dem 33. Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2004/18, dass ei­ne zusätz­li­che Be­din­gung für die Ausführung ei­nes Auf­trags nur dann mit dem Uni­ons­recht ver­ein­bar ist, wenn sie nicht un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar zu ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung führt. Es ist aber un­strei­tig, dass ei­ne na­tio­na­le Be­stim­mung wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­che die­se Vor­aus­set­zung erfüllt.
57 Zu­dem ist nach ständi­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ei­ne na­tio­na­le Maßnah­me, wenn sie in ei­nen Be­reich fällt, der auf Uni­ons­ebe­ne erschöpfend har­mo­ni­siert wur­de, an­hand der Be­stim­mun­gen die­ser Har­mo­ni­sie­rungs­maßnah­me und nicht an­hand des Primärrechts der Uni­on zu be­ur­tei­len (vgl. in die­sem Sin­ne u. a. Ur­tei­le Daim­ler­Ch­rys­ler, C-324/99, EU:C:2001:682, Rn. 32, Brze­ziński, C-313/05, EU:C:2007:33, Rn. 44, und Kom­mis­si­on/Un­garn, C-115/13, EU:C:2014:253, Rn. 38).
58 Nach dem Wort­laut von Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 können zusätz­li­che Be­din­gun­gen für die Ausführung des Auf­trags vor­ge­schrie­ben wer­den, „so­fern die­se mit dem Ge­mein­schafts­recht ver­ein­bar sind“.
59 Dar­aus er­gibt sich, dass die­se Richt­li­nie den Be­reich der zusätz­li­chen Be­din­gun­gen für die Ausführung von Auf­trägen nicht erschöpfend re­gelt, so dass die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­che Re­ge­lung an­hand des Primärrechts der Uni­on be­ur­teilt wer­den kann.
60 In An­be­tracht des­sen ist im Ein­klang mit dem 34. Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2004/18 im Rah­men der Prüfung der Ver­ein­bar­keit der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den na­tio­na­len Maßnah­me mit dem Uni­ons­recht zu klären, ob bei grenzüber­schrei­ten­den Sach­ver­hal­ten, bei de­nen Ar­beit­neh­mer ei­nes Mit­glied­staats in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat Dienst­leis­tun­gen zur Ausführung ei­nes öffent­li­chen Auf­trags er­brin­gen, die in der Richt­li­nie 96/71 ge­nann­ten Min­dest­be­din­gun­gen im Auf­nah­me­land in Be­zug auf die ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den.
61 Im vor­lie­gen­den Fall wirft das vor­le­gen­de Ge­richt die Fra­ge nach den Aus­wir­kun­gen der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen na­tio­na­len Maßnah­me auf außer­halb Deutsch­lands ansässi­ge Un­ter­neh­men auf, die an ei­ner Be­tei­li­gung am Ver­fah­ren zur Ver­ga­be des be­tref­fen­den öffent­li­chen Auf­trags in­ter­es­siert ge­we­sen sein und die Ent­sen­dung ih­rer Ar­beit­neh­mer nach Deutsch­land in Be­tracht ge­zo­gen ha­ben können, weil die­se Un­ter­neh­men we­gen des Er­for­der­nis­ses, sich zur Ein­hal­tung des nach dem LTTG vor­ge­schrie­be­nen Min­des­tent­gelts zu ver­pflich­ten, mögli­cher­wei­se von ei­ner sol­chen Be­tei­li­gung ab­ge­se­hen ha­ben. Da­her ist die­se na­tio­na­le Maßnah­me an­hand von Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 96/71 zu prüfen.
62 In­so­weit ist fest­zu­stel­len, dass ei­ne Vor­schrift wie § 3 LTTG als „Rechts­vor­schrift“ im Sin­ne von Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 ers­ter Ge­dan­ken­strich der Richt­li­nie 96/71 ein­zu­stu­fen ist, die ei­nen „Min­dest­lohn­satz“ im Sin­ne von Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. c die­ser Richt­li­nie vor­sieht. Denn zum ei­nen wird, an­ders als beim Nie­dersäch­si­schen Lan­des­ver­ga­be­ge­setz, um das es in der Rechts­sa­che ging, in der das Ur­teil Rüffert (C-346/06, EU:C:2008:189) er­gan­gen ist, die­ser Min­dest­lohn­satz in § 3 LTTG selbst fest­ge­legt. Zum an­de­ren sa­hen in dem im Aus­gangs­ver­fah­ren maßge­ben­den Zeit­raum we­der das AEntG noch ei­ne an­de­re na­tio­na­le Re­ge­lung ei­nen nied­ri­ge­ren Lohn für die Bran­che der Post­dienst­leis­tun­gen vor.
63 Die­se Ein­stu­fung lässt sich auch nicht da­durch in Fra­ge stel­len, dass die be­tref­fen­de na­tio­na­le Maßnah­me auf öffent­li­che Auf­träge und nicht auf pri­va­te Auf­träge an­wend­bar ist, da die in Art. 3 Abs. 8 Un­terabs. 1 der Richt­li­nie 96/71 auf­ge­stell­te Vor­aus­set­zung der All­ge­mein­ver­bind­lich­keit nur für Ta­rif­verträge oder Schiedssprüche im Sin­ne von Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 zwei­ter Ge­dan­ken­strich die­ser Richt­li­nie gilt.
64 Über­dies kann, da sich die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­che Maßnah­me in den Rah­men von Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 einfügt, der un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen die Vor­ga­be ei­nes Min­dest­lohns bei öffent­li­chen Auf­trägen ge­stat­tet, nicht ge­for­dert wer­den, dass sich die Maßnah­me über die­sen spe­zi­el­len Be­reich hin­aus er­streckt und all­ge­mein für al­le Auf­träge ein­sch­ließlich pri­va­ter Auf­träge gilt.
65 Die Be­schränkung des Gel­tungs­be­reichs der na­tio­na­len Maßnah­me auf öffent­li­che Auf­träge ist nämlich die bloße Fol­ge des Um­stands, dass es für die­sen Be­reich spe­zi­el­le Re­geln des Uni­ons­rechts gibt, im kon­kre­ten Fall die der Richt­li­nie 2004/18.
66 Dem­nach er­laubt es Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 in Ver­bin­dung mit der Richt­li­nie 96/71 dem Auf­nahm­e­mit­glied­staat, im Rah­men der Ver­ga­be ei­nes öffent­li­chen Auf­trags ei­ne zwin­gen­de Be­stim­mung über das nach Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. c der Richt­li­nie 96/71 er­for­der­li­che Min­dest­maß an Schutz wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Vor­schrift vor­zu­se­hen, nach der Un­ter­neh­men mit Sitz in an­de­ren Mit­glied­staa­ten ver­pflich­tet sind, ih­ren zur Ausführung die­ses öffent­li­chen Auf­trags in das Ge­biet des Auf­nahm­e­mit­glied­staats ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern ei­nen Min­dest­lohn zu zah­len. Ei­ne sol­che Be­stim­mung gehört nämlich zu dem Schutz­ni­veau, das die­sen Ar­beit­neh­mern ga­ran­tiert wer­den muss (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil La­val un Part­ne­ri, C-341/05, EU:C:2007:809, Rn. 74, 80 und 81).
67 Die­se Aus­le­gung von Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 - die ins­be­son­de­re auf die Ver­wirk­li­chung des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs ab­zielt, der ei­ne der vom Ver­trag ga­ran­tier­ten Grund­frei­hei­ten ist - wird zu­dem durch ei­ne Be­trach­tung die­ser Be­stim­mung im Licht von Art. 56 AEUV bestätigt (vgl. ent­spre­chend Ur­teil Rüffert, C-346/06, EU:C:2008:189, Rn. 36).
68 Aus dem zwei­ten Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2004/18 geht im Übri­gen her­vor, dass die in ihr ent­hal­te­nen Ko­or­di­nie­rungs­be­stim­mun­gen für öffent­li­che Auf­träge, die ei­nen be­stimm­ten Wert über­schrei­ten, nach Maßga­be der Re­geln und Grundsätze des Ver­trags, u. a. über den frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehr, aus­ge­legt wer­den müssen.
69 Der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist in­so­weit zu ent­neh­men, dass die durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten Bie­tern und de­ren et­wai­gen Nach­un­ter­neh­mern, die in ei­nem Mit­glied­staat ansässig sind, bei dem es sich nicht um den Staat han­delt, dem der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber an­gehört, und in dem die Min­dest­lohnsätze nied­ri­ger sind, auf­er­leg­te Ver­pflich­tung zur Zah­lung ei­nes Min­des­tent­gelts ei­ne zusätz­li­che wirt­schaft­li­che Be­las­tung dar­stellt, die ge­eig­net ist, die Er­brin­gung ih­rer Leis­tun­gen im Auf­nahm­e­mit­glied­staat zu un­ter­bin­den, zu be­hin­dern oder we­ni­ger at­trak­tiv zu ma­chen. Ei­ne Maßnah­me wie die, um die es im Aus­gangs­ver­fah­ren geht, kann da­her ei­ne Be­schränkung im Sin­ne von Art. 56 AEUV dar­stel­len (vgl. in die­sem Sin­ne u. a. Ur­teil Bun­des­dru­cke­rei, C-549/13, EU:C:2014:2235, Rn. 30).
70 Ei­ne sol­che na­tio­na­le Maßnah­me kann grundsätz­lich durch das Ziel des Ar­beit­neh­mer­schut­zes ge­recht­fer­tigt sein (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil Bun­des­dru­cke­rei, C-549/13, EU:C:2014:2235, Rn. 31).
71 Wie das vor­le­gen­de Ge­richt aus­geführt hat, stellt sich je­doch die Fra­ge, ob den Rn. 38 bis 40 des Ur­teils Rüffert (C-346/06, EU:C:2008:189) zu ent­neh­men ist, dass von ei­ner sol­chen Recht­fer­ti­gung des­halb nicht aus­ge­gan­gen wer­den kann, weil das Min­des­tent­gelt, das § 3 Abs. 1 LTTG vor­schreibt, nur für öffent­li­che Auf­träge gilt und nicht für pri­va­te Auf­träge.
72 Dies ist zu ver­nei­nen.
73 Wie sich nämlich aus den Rn. 38 bis 40 des Ur­teils Rüffert (C-346/06, EU:C:2008:189) er­gibt, ist der Ge­richts­hof im Rah­men der Prüfung der in der Rechts­sa­che, in der die­ses Ur­teil er­gan­gen ist, frag­li­chen na­tio­na­len Maßnah­me im Hin­blick auf Art. 56 AEUV zwar zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass die­se Maßnah­me nicht durch das Ziel des Ar­beit­neh­mer­schut­zes ge­recht­fer­tigt sein konn­te, doch hat er sich da­bei auf be­stimm­te Merk­ma­le der Maßnah­me gestützt, durch die sie sich klar von der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den na­tio­na­len Maßnah­me un­ter­schei­det.
74 So hat der Ge­richts­hof im Ur­teil Rüffert (C-346/06, EU:C:2008:189) dar­auf ab­ge­stellt, dass die Rechts­sa­che, in der die­ses Ur­teil er­gan­gen ist, ei­nen nur für die Bau­bran­che gel­ten­den Ta­rif­ver­trag be­traf, der sich nicht auf pri­va­te Auf­träge er­streck­te und nicht für all­ge­mein ver­bind­lich erklärt wor­den war. Über­dies hat der Ge­richts­hof dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der in die­sem Ta­rif­ver­trag fest­ge­leg­te Lohn­satz den für die be­tref­fen­de Bran­che nach dem AEntG gel­ten­den Min­dest­lohn­satz über­schritt.
75 Der durch die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Maßnah­me vor­ge­schrie­be­ne Min­dest­lohn­satz wird in ei­ner Rechts­vor­schrift fest­ge­legt, die als zwin­gen­de Be­stim­mung über ein Min­dest­maß an Schutz grundsätz­lich all­ge­mein und bran­chen­un­abhängig für die Ver­ga­be al­ler öffent­li­chen Auf­träge im Land Rhein­land-Pfalz gilt.
76 Darüber hin­aus gewährt die­se Rechts­vor­schrift ein Min­dest­maß an so­zia­lem Schutz, da in dem im Aus­gangs­ver­fah­ren maßge­ben­den Zeit­raum we­der das AEntG noch ei­ne an­de­re na­tio­na­le Re­ge­lung ei­nen nied­ri­ge­ren Min­dest­lohn für die Bran­che der Post­dienst­leis­tun­gen vor­sah.
77 Nach al­le­dem ist auf die ers­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er Rechts­vor­schrif­ten ei­ner re­gio­na­len Ein­heit ei­nes Mit­glied­staats wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen nicht ent­ge­gen­steht, nach de­nen sich Bie­ter und de­ren Nach­un­ter­neh­mer in ei­ner schrift­li­chen, ih­rem An­ge­bot bei­zufügen­den Erklärung ver­pflich­ten müssen, den Beschäftig­ten, die zur Ausführung von Leis­tun­gen, die Ge­gen­stand ei­nes öffent­li­chen Auf­trags sind, ein­ge­setzt wer­den sol­len, ei­nen in den be­tref­fen­den Rechts­vor­schrif­ten fest­ge­leg­ten Min­dest­lohn zu zah­len.

Zur zwei­ten Fra­ge

78 Mit sei­ner zwei­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er Rechts­vor­schrif­ten ei­ner re­gio­na­len Ein­heit ei­nes Mit­glied­staats wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen ent­ge­gen­steht, die vor­se­hen, dass Bie­ter und de­ren Nach­un­ter­neh­mer von der Be­tei­li­gung an ei­nem Ver­fah­ren zur Ver­ga­be ei­nes öffent­li­chen Auf­trags aus­ge­schlos­sen wer­den, wenn sie sich wei­gern, sich durch ei­ne schrift­li­che, ih­rem An­ge­bot bei­zufügen­de Erklärung zu ver­pflich­ten, den Beschäftig­ten, die zur Ausführung von Leis­tun­gen, die Ge­gen­stand des öffent­li­chen Auf­trags sind, ein­ge­setzt wer­den sol­len, ei­nen in den be­tref­fen­den Rechts­vor­schrif­ten fest­ge­leg­ten Min­dest­lohn zu zah­len.
79 Der Ant­wort auf die ers­te Fra­ge ist zu ent­neh­men, dass Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er Rechts­vor­schrif­ten ei­ner re­gio­na­len Ein­heit ei­nes Mit­glied­staats wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen nicht ent­ge­gen­steht, nach de­nen sich Bie­ter und de­ren Nach­un­ter­neh­mer in ei­ner schrift­li­chen, ih­rem An­ge­bot bei­zufügen­den Erklärung ver­pflich­ten müssen, den Beschäftig­ten, die zur Ausführung von Leis­tun­gen, die Ge­gen­stand ei­nes öffent­li­chen Auf­trags sind, ein­ge­setzt wer­den sol­len, ei­nen in den be­tref­fen­den Rechts­vor­schrif­ten fest­ge­leg­ten Min­dest­lohn zu zah­len.
80 § 3 Abs. 1 LTTG sieht fer­ner vor, dass ein sol­ches An­ge­bot von der Be­wer­tung aus­ge­schlos­sen wird, wenn die ge­nann­te Erklärung bei An­ge­bots­ab­ga­be fehlt und auch nach Auf­for­de­rung nicht vor­ge­legt wird.
81 Des Wei­te­ren enthält § 7 LTTG ei­ne Sank­ti­ons­re­ge­lung für ver­schie­de­ne Fälle, in de­nen ei­ne sol­che schrift­li­che Ver­pflich­tungs­erklärung dem An­ge­bot bei­gefügt, aber bei der Ausführung des öffent­li­chen Auf­trags nicht ein­ge­hal­ten wur­de. Im Rah­men des Aus­gangs­ver­fah­rens, das den Aus­schluss ei­nes Bie­ters be­trifft, der sich ge­wei­gert hat, sei­nem An­ge­bot die Ver­pflich­tungs­erklärung bei­zufügen, ist die­se Re­ge­lung nicht ein­schlägig.
82 Im vor­lie­gen­den Fall wur­de Re­gio­Post von der Be­tei­li­gung am Ver­fah­ren zur Ver­ga­be des frag­li­chen öffent­li­chen Auf­trags aus­ge­schlos­sen, nach­dem sie sich ge­wei­gert hat­te, ein ord­nungs­gemäßes, ih­re schrift­li­che Erklärung, dass sie die Ver­pflich­tung zur Zah­lung des in § 3 Abs. 1 LTTG vor­ge­se­he­nen Min­des­tent­gelts ein­hal­ten wer­de, ent­hal­ten­des An­ge­bot ab­zu­ge­ben.
83 Der Aus­schluss von der Be­tei­li­gung an die­ser Auf­trags­ver­ga­be lässt sich in­des­sen nicht als Sank­ti­on qua­li­fi­zie­ren. Er ist le­dig­lich die Fol­ge des Versäum­nis­ses, dem An­ge­bot die nach § 3 Abs. 1 LTTG er­for­der­li­che schrift­li­che Ver­pflich­tungs­erklärung bei­zufügen. Die­ses Er­for­der­nis wird in äußerst trans­pa­ren­ter Wei­se in der be­tref­fen­den Ver­ga­be­be­kannt­ma­chung for­mu­liert und soll die Be­deu­tung der Ein­hal­tung ei­ner durch Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 aus­drück­lich zu­ge­las­se­nen zwin­gen­den Be­stim­mung über ein Min­dest­maß an Schutz von vorn­her­ein her­vor­he­ben.
84 Eben­so wie die­ser Ar­ti­kel dem Er­for­der­nis der Ab­ga­be ei­ner schrift­li­chen Erklärung über die Ein­hal­tung der ge­nann­ten Be­stim­mung nicht ent­ge­gen­steht, ge­stat­tet er da­her auch ei­nen sol­chen Aus­schluss.
85 Die Be­deu­tung der Ein­hal­tung die­ser zwin­gen­den Be­stim­mung über ein Min­dest­maß an Schutz er­gibt sich über­dies ex­pli­zit aus dem 34. Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2004/18; dar­in heißt es nämlich, dass die Mit­glied­staa­ten die Nicht­ein­hal­tung der im ein­schlägi­gen na­tio­na­len Recht vor­ge­schrie­be­nen Ver­pflich­tun­gen als schwe­re Ver­feh­lung oder als De­likt be­trach­ten können, das die be­ruf­li­che Zu­verlässig­keit des Wirt­schafts­teil­neh­mers in Fra­ge stellt und des­sen Aus­schluss vom Ver­fah­ren zur Ver­ga­be ei­nes öffent­li­chen Auf­trags zur Fol­ge ha­ben kann.
86 Im Übri­gen ist der den Bie­tern und ge­ge­be­nen­falls de­ren Nach­un­ter­neh­mern durch die Ver­pflich­tung, ei­ne Erklärung über die Ein­hal­tung ei­nes Min­dest­lohns wie die in § 3 Abs. 1 LTTG vor­ge­se­he­ne bei­zufügen, auf­er­leg­te Zwang zu ver­nachlässi­gen, zu­mal sie sich dar­auf be­schränken können, vor­be­rei­te­te For­mu­la­re aus­zufüllen.
87 Die Er­for­der­lich­keit und An­ge­mes­sen­heit des Aus­schlus­ses ei­nes Wirt­schafts­teil­neh­mers von der Be­tei­li­gung an ei­nem Ver­fah­ren zur Ver­ga­be ei­nes öffent­li­chen Auf­trags, wie ihn § 3 Abs. 1 LTTG vor­sieht, er­gibt sich auch dar­aus, dass der Aus­schluss, wie die­se Be­stim­mung aus­drück­lich vor­sieht, nur dann er­fol­gen kann, wenn sich der be­tref­fen­de Wirt­schafts­teil­neh­mer, nach­dem er zur Ver­vollständi­gung sei­nes An­ge­bots durch Beifügung der ge­nann­ten Erklärung auf­ge­for­dert wur­de, wie im Aus­gangs­ver­fah­ren wei­gert, der Auf­for­de­rung nach­zu­kom­men.
88

Nach al­le­dem ist auf die zwei­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er Rechts­vor­schrif­ten ei­ner re­gio­na­len Ein­heit ei­nes Mit­glied­staats wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen nicht ent­ge­gen­steht, die vor­se­hen, dass Bie­ter und de­ren Nach­un­ter­neh­mer von der Be­tei­li­gung an ei­nem Ver­fah­ren zur Ver­ga­be ei­nes öffent­li­chen Auf­trags aus­ge­schlos­sen wer­den, wenn sie sich wei­gern, sich durch ei­ne schrift­li­che, ih­rem An­ge­bot bei­zufügen­de Erklärung zu ver­pflich­ten, den Beschäftig­ten, die zur Ausführung von Leis­tun­gen, die Ge­gen­stand des öffent­li­chen Auf­trags sind, ein­ge­setzt wer­den sol­len, ei­nen in den be­tref­fen­den Rechts­vor­schrif­ten fest­ge­leg­ten Min­dest­lohn zu zah­len.

Kos­ten

89

Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem beim vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Vier­te Kam­mer) für Recht er­kannt:

1. Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 31. März 2004 über die Ko­or­di­nie­rung der Ver­fah­ren zur Ver­ga­be öffent­li­cher Bau­aufträge, Lie­fer­aufträge und Dienst­leis­tungs­aufträge in der durch die Ver­ord­nung (EU) Nr. 1251/2011 der Kom­mis­si­on vom 30. No­vem­ber 2011 geänder­ten Fas­sung ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er Rechts­vor­schrif­ten ei­ner re­gio­na­len Ein­heit ei­nes Mit­glied­staats wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen nicht ent­ge­gen­steht, nach de­nen sich Bie­ter und de­ren Nach­un­ter­neh­mer in ei­ner schrift­li­chen, ih­rem An­ge­bot bei­zufügen­den Erklärung ver­pflich­ten müssen, den Beschäftig­ten, die zur Ausführung von Leis­tun­gen, die Ge­gen­stand ei­nes öffent­li­chen Auf­trags sind, ein­ge­setzt wer­den sol­len, ei­nen in den be­tref­fen­den Rechts­vor­schrif­ten fest­ge­leg­ten Min­dest­lohn zu zah­len.

2. Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18 in der durch die Ver­ord­nung Nr. 1251/2011 geänder­ten Fas­sung ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er Rechts­vor­schrif­ten ei­ner re­gio­na­len Ein­heit ei­nes Mit­glied­staats wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen nicht ent­ge­gen­steht, die vor­se­hen, dass Bie­ter und de­ren Nach­un­ter­neh­mer von der Be­tei­li­gung an ei­nem Ver­fah­ren zur Ver­ga­be ei­nes öffent­li­chen Auf­trags aus­ge­schlos­sen wer­den, wenn sie sich wei­gern, sich durch ei­ne schrift­li­che, ih­rem An­ge­bot bei­zufügen­de Erklärung zu ver­pflich­ten, den Beschäftig­ten, die zur Ausführung von Leis­tun­gen, die Ge­gen­stand des öffent­li­chen Auf­trags sind, ein­ge­setzt wer­den sol­len, ei­nen in den be­tref­fen­den Rechts­vor­schrif­ten fest­ge­leg­ten Min­dest­lohn zu zah­len.

Un­ter­schrif­ten

* Ver­fah­rens­spra­che: Deutsch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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